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"Entdeckungsreise nach Tahiti und in die Südsee 1772-1775 (Ein abenteuerlicher Reisebericht)" ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. Georg Forster (1754-1794) war ein deutscher Naturforscher, Ethnologe, Reiseschriftsteller, Journalist, Essayist und Revolutionär in der Zeit der Aufklärung. Er nahm an der zweiten Weltumsegelung James Cooks teil und lieferte wichtige Beiträge zur vergleichenden Länder- und Völkerkunde der Südsee. Er gilt als einer der ersten Vertreter der wissenschaftlichen Reiseliteratur. Das Leben Georg Forsters war kurz, aber reich an Erfahrungen und Erlebnissen, wie sie im 18. Jahrhundert nur wenigen Menschen vergönnt waren. Von allen deutschen Aufklärern dürfte Georg Forster am meisten von der Welt gesehen haben. Aus dem Buch: "Sonnabend, den 11. Juli, begaben wir uns an Bord. Am folgenden Tage, als der Wind ziemlich heftig blies, bemerkte mein Vater, der zufällig an Deck umherging, eine Änderung der Lage unseres Schiffes, und ihn dünkte auch, als wenn es auf die Klippen zutriebe. Er teilte diese Vermutung dem Lotsen Gilben mit, der sogleich bemerkte, dass die Kette, woran das Schiff lag, gebrochen war. Gleich auf den ersten Lärm waren alle Matrosen in Bewegung, die Segel wurden aufgespannt und die Kabel in Bereitschaft gesetzt, und nun liefen wir an der "Adventure" und an einem anderen Schiff vorbei und entgingen der großen Gefahr, an den Felsen zu scheitern. Unsere Seeleute schlossen aus diesem bedenklichen und glücklichen Vorfall auf einen günstigen Verlauf der ganzen Reise, und wir konnten nicht umhin, die Leitung der göttlichen Vorsehung in diesem wichtigen Augenblick zu erkennen, der alle unsere Hoffnungen beinahe vereitelt hätte."
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Inhaltsverzeichnis
Der Anteil der gelehrten Welt an den neuesten Entdeckungen im Südmeer hat auch die älteren, zum Teil schon vergessenen Reisen wieder in Erinnerung gebracht. Doch könnte es von Nutzen sein, daß ich die bisherigen Entdeckungsreisen erwähne, ehe ich die Beschreibung unserer eigenen beginne. Auch ist es der Mühe wert, daß ich von der Ausrüstung unserer Schiffe berichte, weil sie ungleich vollkommener war, als sie bei dergleichen Expeditionen bisher zu sein pflegte.
Zunächst muß ich jedoch die Benennung der Meere erklären, wie ich sie im folgenden Werke gebraucht habe: Das Meer zwischen Afrika und Australien haben wir den Südlichen Indischen Ozean genannt, und diese Benennung könnte vom Wendekreis des Steinbocks bis zum Polarkreis gelten. Das eigentliche Südmeer erstreckt sich von Australien bis Südamerika. Man pflegt ihm zwar in seinem ganzen Umfang den Namen des Pazifischen oder Stillen Ozeans beizulegen, allein diese Benennung kann nur innerhalb der Wendekreise gelten, da die See jenseits dieser Grenzen so stürmisch ist wie jede andere. Der Äquator teilt das Stille Meer in zwei fast gleiche Teile, in das nördliche und südliche. Was nördlich vom Wendekreis des Krebses liegt, hat bisher noch keinen eigenen Namen, was aber südlich vom Wendekreis des Steinbocks liegt, ist eigentlich das große Südmeer bis zum antarktischen Polarkreis.
Nachdem der Spanier Vasco Nuñez de Balboa im Jahre 1513 das Südmeer von den Gebirgen in Panama entdeckt und darin gebadet hatte, um es in Besitz zu nehmen, war Ferdinand Magellan, ein portugiesischer Edelmann, der erste, der es befuhr. Er verließ Sevilla im August 1519 und kam durch die nach ihm benannte Meerenge am 27. November 1520 ins große Südmeer. Von da segelte er nordwärts und richtete seinen Lauf nicht eher nach Westen, als bis er innerhalb des Wendekreises und nahe an den Äquator gekommen war. Nachdem er den Äquator passiert hatte, entdeckte er die Ladronen- oder Diebsinseln und die Philippinen, wo er ums Leben kam.
Cortez, der Eroberer Mexikos, schickte im Jahre 1536 seine Kapitäne Pedro Alvarado und Hernando Grijalva nach den Molukken. Sie befuhren das Stille Meer unweit des Äquators und entdeckten einige Inseln in der Nachbarschaft von Neu-Guinea. Im Jahre 1567 wurde Don Alvaro Mendana von Peru auf Entdeckungen ausgeschickt. Die Salomonsinseln wurden auf dieser Reise entdeckt. Im Jahre 1575 machte Mendana eine zweite Reise, von der aber nichts bekanntgeworden ist. Die dritte ging 1595 vor sich. Mendana durchkreuzte diesmal das Stille Meer ungefähr auf dem 10. Grad südlicher Breite. Zuerst fand er eine Gruppe von vier Inseln, die er Marquesas nannte, weiterhin einige kleine Eilande und endlich ganz im Westen die große Insel Santa Cruz, die Kapitän Carteret hernach wiedergefunden und Egmont genannt hat.
Pedro Fernandez de Quiros hatte Mendanas letzte Reise mitgemacht. Er wurde 1605 von Peru ausgeschickt, ein südliches festes Land zu entdecken, dessen Existenz er vermutlich selber behauptet hatte. Bisher hatte man sich nahe an den Äquator gehalten, er aber richtete seinen Kurs nach Süden und entdeckte einige Inseln auf dem 25. und 28. Breitengrad. Eine davon fand Kapitän Carteret kürzlich wieder und nannte sie Pitcairns Eiland. Die neunte Insel, die er entdeckte und Sagittaria nannte, ist unstreitig die von Wallis wiedergefundene Insel Tahiti. Von da ging er über die Linie nach Mexiko zurück. Sein Reisegefährte aber, Luis Vaez de Torres, entdeckte die Durchfahrt zwischen Neu-Guinea und Australien, die Kapitän Cook hernach Endeavour-Street nannte.
Cornelis Schouten und Jakob le Maire verließen Holland 1615 und waren die ersten, die durch le Maires Meerenge und um das Kap Hoorn schifften. Im Stillen Ozean machten sie keine wichtigen Entdeckungen, östlich von Tahiti einige kleine, niedrige Eilande und gegen Westen einige hohe Inseln.
Von Batavia wurde 1642 Abel Jansen Tasman ausgeschickt. Er reiste zunächst nach der Insel Mauritius und von dort gegen Süden bis zum 49. Breitengrad. Er segelte quer über den Indischen Ozean und entdeckte Van-Diemens-Land, also die südliche Spitze von Australien, einen beträchtlichen Teil von Neu-Seeland und einige Inseln nördlich von Neu-Seeland im Stillen Meer.
Einige Holländer schickten 1721 Jakob Roggeveen ins Südmeer. Er steuerte von Kap Hoorn aus nach Norden, bis er die Osterinsel entdeckte. Von dort ging er in den Wendezirkel, verlor auf einer niedrigen Insel unweit Tahiti eins seiner Schiffe und entdeckte einige unbeträchtliche Inseln zwischen dem 13. und 15. Breitengrad.
Duclot Guyot fand auf der Rückreise von Peru die Insel im südlichen Atlantik, die Anthon Rocheé 1675 entdeckt und Isle de Saint Pierre genannt hatte. Sie wurde auf unserer Reise Süd-Georgien getauft. Ihm folgten Kapitän Wallis und Kapitän Carteret, die in der Magellanischen Meerenge voneinander getrennt wurden. Wallis sah einige niedrige Eilande, die Quiros schon 1606 entdeckt hatte, und fand die Insel Tahiti. Carteret segelte mehr gegen Süden und fand des Quiros erste Insel Encarnacion und des Mendaña Santa Cruz.
Herr von Bougainville wurde vom französischen Hof im Jahre 1766 auf Entdeckungen ausgeschickt. Er fand einige aus Korallenklippen entstandene Eilande ostwärts von Tahiti und traf auf dieser Insel neun Monate nach Kapitän Wallis ein. Nachdem seine Leute sich einige Tage erfrischt hatten, segelte er weiter, entdeckte einige Eilande gegen Westen, sah des Quiros Tierra del Espiritu Santo und fand neue Länder um Neu-Guinea.
Im Jahre 1768 hielt die Königliche Gesellschaft der Wissenschaften zu London bei Seiner Großbritannischen Majestät um die Ausrüstung eines Schiffes an, damit der bevorstehende Durchgang der Venus vor der Sonne gehörig beobachtet werden könne. Kapitän James Cook wurde zum Befehlshaber der zu diesem Zwecke erwählten Bark »Endeavour« ernannt und ihm neben Herrn Carl Green von der Königlichen Gesellschaft die Beobachtung des Durchgangs aufgetragen. Herr Joseph Banks, ein wohlhabender junger Mann, ging aus Liebe zur Naturgeschichte mit auf die Reise und unterhielt auf eigene Kosten einen Lehrling des berühmten Ritters von Linné, namens Solander, als seinen Gefährten. Der Durchgang der Venus wurde auf Tahiti beobachtet. Danach ging Kapitän Cook auf Entdeckungen aus. Er fand die Gesellschafts-Inseln und segelte von da bis zum 40. Grad südlicher Breite, wohin vor ihm noch kein Seefahrer im Südmeer gekommen war. Die völlige Entdeckung des von Tasman gesehenen Neuseeland, die gefährliche Fahrt an der noch unbekannten Ostküste von Australien und die wiedergefundene Durchfahrt des Torres zwischen Australien und Neuguinea waren die merkwürdigen Begebenheiten dieser Reise. Herr Banks fand zwischen zwölf- und fünfzehnhundert noch unbekannte Pflanzengattungen und eine beträchtliche Anzahl Vögel, Fische, Amphibien, Insekten und Würmer.
Im Jahre 1769 segelte Herr von Surville in Diensten der französischen Ostindischen Compagnie von Pondochery über die Philippinen nach Neuseeland. Er ankerte dort in der Doubtles-Bai und sah am 9. Dezember den Kapitän Cook auf der »Endeavour« vorübersegeln. Hernach stach er zwischen 30 und 40 Grad südlicher Breite quer über das Südmeer und kam zu Callao in Peru bei der Landung ums Leben. Im Jahre 1772 fand Kerguelen im Indischen Ozean fast auf gleichem Meridian mit der Insel Mauritius eine andere Insel, und als er im gleichen Jahre zum zweitenmal ausgeschickt wurde, kam er unverrichteterdinge zurück. Während Kerguelens erster Reise segelten Dufresnes Marion und Crozet vom Kap der Guten Hoffnung nach Van-Diemens-Land und Neuseeland und entdeckten südlich von Madagaskar einige öde Inseln. Die Neuseeländer brachten Marion ums Leben, worauf Crozet die Reise fortsetzte und nach Manila ging.
Vor Kapitän Cooks Rückkehr mit der »Endeavour« hatte man noch behauptet, daß sich das Festland im Südmeer bis zum 30. Breitengrad erstrecke, also unter einem günstigen Himmelsstrich gelegen und deshalb ein wichtiger Gegenstand der europäischen Politik sein müsse. Zwar hatte diese Meinung einen gefährlichen Stoß dadurch erhalten, daß er bis zum 40. Breitengrad gekommen war und kein Land gefunden hatte. Man ließ sich dadurch aber nicht irremachen. Das Festland, so hieß es, erstrecke sich vielleicht nur nicht an jenem Punkte so weit nach Norden; Kapitän Cook sei in eine große Meeresbucht geraten, oder falls man etwas zugeben müsse, so dürfe es nur um zehn Grad zurückverlegt werden. Überdies sei ja auch das Meer um den Südpol noch ganz unberührt geblieben und von keinem Schiff befahren worden. Um nun dem Streit ein Ende zu machen, ging unsere Reise auf Befehl Seiner Königlichen Großbritannischen Majestät vor sich. Kapitän Cook erhielt Befehl, die Sommermonate zu Entdeckungen gegen den Südpol hin anzuwenden, sobald aber die Jahreszeit kalt, stürmisch, neblig und unsicher würde, nach den Wendekreisen zurückzukehren und die Lage der bisher entdeckten Inseln vermittels unserer neuen astronomischen Instrumente genauer zu bestimmen. Fände er kein großes Festland, so sollte er so nahe am Südpol wie möglich ostwärts segeln, bis er die Erdkugel umrundet hätte.
Man hatte auf Byrons, Wallis und Carterets Reisen erfahren, daß die dazu gebrauchten Kriegsschiffe schlecht gewählt waren, hauptsächlich weil sie keinen ausreichenden Vorrat an Lebensmitteln und Gerätschaften mitnehmen konnten. Kapitän Cook suchte sich also schon für seine erste Reise eins von den Schiffen aus, die in England zum Transport von Steinkohle gebraucht werden. Ein Schiff, das zu Entdeckungsreisen tauglich sein soll, so sagte er, muß Lebensmittel und andere Vorräte für drei Jahre fassen können, aber weder sehr groß sein noch zu tief im Wasser gehen, damit es zur Not auch in den engsten und seichtesten Hafen einlaufen kann. Es darf nicht leicht auf dem Grunde sitzenbleiben, muß am Boden einen Stoß aushalten und leicht ans Ufer gelegt werden können, wenn eine Ausbesserung nötig sein sollte. In einem solchen Schiff kann ein tüchtiger Seemann sich überall hinwagen und jede Küste anlaufen. Von dieser Art waren nun auch die beiden Schiffe, mit denen wir die Reise um die Welt unternahmen, und ich bin überzeugt, daß sie zu einer so gefährlichen Reise auch die tauglichsten waren.
Das größere von 462 Tonnen mit 16 vierpfündigen Kanonen wurde die »Resolution« genannt und von Kapitän Cook kommandiert, das kleinere von 336 Tonnen, die »Adventure«, von Kapitän Tobias Furneaux. Ersteres hatte 112 Mann Besatzung, letzteres nur 81 Mann, die Sternkundigen, Naturforscher, Maler und ihre Bedienten abgerechnet. Verschiedene Offiziere, Unteroffiziere und Matrosen hatten schon eine Reise um die Welt mitgemacht und waren um so geschickter, abermals dazu gebraucht zu werden. Auf jedem Schiff befand sich ein Sternkundiger, den die »Kommission der Meereslänge« besoldete, auf dem größeren Schiff Herr Wilhelm Wales und auf der ›Adventure‹ Herr Wilhelm Bailey. Sie hatten alle nötigen astronomischen und nautischen Instrumente, besonders vier Längen-Uhren, drei von Arnold und eine von Kendall verfertigt. Auf der »Resolution« fuhr auch Herr Wilhelm Hodges mit, ein Landschaftsmaler, der nicht nur Ansichten von verschiedenen Gegenden, sondern auch, soweit seine Kenntnis der menschlichen Figur reichen wollte, die Einwohner gezeichnet hat.
Die Herren Banks und Solander, Kapitän Cooks Reisegefährten auf der ersten Reise, hatten sich vorgenommen, zum zweitenmal mit ihm zu gehen. Herr Banks hatte sich in große Kosten gesetzt und mit allen Notwendigkeiten versehen. Außer Solander sollten zwei junge Leute ihm bei botanischen und zoologischen Beschreibungen Hilfe leisten und drei andere die neuentdeckten Tiere und Pflanzen zeichnen. Sogar Zoffani, ein geschickter deutscher Maler, hatte versprochen, ihn zu begleiten. Herr Banks verlangte nun noch einige Änderungen auf dem Schiffe, um etwas mehr Bequemlichkeit auf der Reise zu haben. Der Minister für das Seewesen hatte jedoch kein Verständnis für diese Forderungen, die er einem so uneigennützigen Förderer der Wissenschaften wohl hätte zugestehen sollen. Nachdem Herr Banks lange genug vergebens auf günstigen Bescheid gewartet hatte, erklärte er endlich, zehn Tage vor der geplanten Abreise, daß er die Reise nicht antreten wolle. Darüber war der Minister recht aufgebracht, und er rächte sich mit der Erklärung, daß die Wissenschaft auch ohne Herrn Banks bereichert werden könne. Von der Summe, die das Parlament für die Reise ausgesetzt hatte, waren gerade noch 4000 Pfund Sterling übrig. Nichts konnte dem Minister erwünschter sein. Man forderte meinen Vater auf, als Naturforscher mit Kapitän Cook zu reisen, ließ ihn aber nichts von der Schikane merken, die diesen Ruf veranlaßt hatte. Das Parlament gestand ihm und mir die obengenannte Summe zu, und wir traten die Reise in der Hoffnung an, den Verlust, der der Wissenschaft durch Herrn Banks Weigerung entstanden war, wenigstens einigermaßen zu ersetzen.
In jedem Schiff wurden die Bestandteile eines kleinen Bootes von 20 Tonnen mitgenommen, das bei Gelegenheit zusammengesetzt werden konnte, falls die Schiffe verlorengingen oder wir etwas zu verschicken hätten. Sie wurden aber erst gebraucht, als wir gegen Ende der Reise Mangel an Brennholz litten. Mit Geräten zur Fischerei waren wir ebenfalls versehen, und um Lebensmittel von den Wilden erhandeln zu können, hatte man dem Kapitän allerlei grobe Tücher, Eisengerät und andere Waren mitgegeben. Auch wurden auf Befehl der Admiralität einige hundert vergoldete Schaumünzen mit dem Bild des Königs geprägt, um unter die Wilden ausgeteilt zu werden.
Die Gesundheit des Schiffsvolks ist bei langen Seereisen so wichtig, daß man zu ihrer Förderung und Erhaltung diesmal auf außerordentliche Mittel bedacht war. Hierzu hatte man verschiedene Lebensmittel ausfindig gemacht und vor allen Dingen unser deutsches Sauerkraut nebst eingekochter gallertiger Fleischbrühe in großer Menge an Bord geschafft. Wir hatten in der »Resolution« sechzig große Fässer Sauerkraut, die bei unserer Rückkehr am Kap der Guten Hoffnung gänzlich geleert wurden. Die vielen Veränderungen des Klimas hatten ihm nichts geschadet. Vierzehn Tage vor unserer Ankunft in England fanden wir die letzte Tonne, die man bis dahin übersehen hatte, und auch diese enthielt so frisches und schmackhaftes Sauerkraut, daß verschiedene portugiesische Herren, die auf der Reede von Fayal mit uns speisten, nicht nur mit großem Appetit davon aßen, sondern sich den Rest ausbaten, um ihre Freunde an Land damit bewirten zu können. Es wurde meist zweimal die Woche, auf See aber und in südlicheren Breiten auch öfter gereicht. Die Portion war je Kopf ein Pfund. Dem deutschen Leser die guten Eigenschaften dieses Gerichts darzulegen, wäre überflüssig, doch kann ich nicht umhin zu sagen, daß es vielleicht das beste Mittel gegen den Skorbut ist.
Die Tafeln oder Kuchen von eingekochter Fleischbrühe verdienen den nächsten Platz als bewährte gesunde Nahrungsmittel. Wir hatten davon an die 5000 Pfund. Wöchentlich kochte man dreimal Erbsen zu Mittag, und jedesmal wurden etwa zwei Lot solcher Fleischbrühe je Mann darin zerlassen. Unglücklicherweise waren unsere Erbsen sehr schlecht und blieben trotz allen Kochens hart und unverdaulich. Bisweilen wurde die Fleischbrühe auch zum Frühstück mit Weizengraupen oder Hafermehl verdickt zugerichtet. Einunddreißig Fässer mit eingekochter Würze (Maische) oder Bier, das bis zu einer sirupähnlichen Konsistenz eingekocht war, wurden ebenfalls mitgenommen, um durch Zusatz von Wasser ein gesundes Getränk zu erhalten. Allein im heißen Klima verloren wir diesen Vorrat, der in Gärung geriet und die Fässer sprengte.
Für die Kranken hatte man besonders vorgesorgt. Salup, aus der Wurzel einer Orchis (Zweiblatt) bereitet, wurde dem Wundarzt für die skorbutischen Kranken anvertraut. Robb, ein dick eingekochter Saft von Zitronen und Orangen, wurde als Arznei mitgegeben, da das Mittel aber sehr teuer war, wurde es in zu geringen Mengen gegeben und hatte keine vollständige Wirkung. Das schätzbarste Mittel gegen den Skorbut, das selbst den gefährlichsten Grad dieser Krankheit kuriert, ist die frische Infusion von Malz. Wir hatten dreißig Tonnen Malz an Bord, und sobald sich der Skorbut bemerken ließ, wurde täglich eine frische Infusion gemacht. Die wirklich Kranken mußten täglich drei Quart trinken. Bei geschwollenen Gliedern oder Beulen wurden die Treber mit dem besten Erfolg als warme Umschläge gebraucht.
Die Gesundheit unseres Schiffsvolkes wurde noch durch verschiedene andere Mäßnahmen gefördert. Die wichtigste war, daß man die Leute so viel Wasser trinken ließ, als sie nur mochten. Es wurde auch keine Gelegenheit versäumt, frisches Wasser zu füllen. Eine andere notwendige Vorsicht ist Reinlichkeit. Es wurde nicht nur scharf darauf gesehen, daß die Matrosen sich selbst und ihre Kleidung rein hielten, sondern auch die Küchengeräte wurden stets untersucht. Die Betten mußten bei trockenem Wetter tagsüber an Deck gebracht werden. Am wichtigsten aber war das Räuchern mit einer Mischung aus Schießpulver und Essig oder auch Wasser, und die fast wöchentlichen Feuer, die im Schlafraum des Schiffsvolks, in den Kajüten der Offiziere und selbst im unteren Raum, wohin die Pumpen reichten, angezündet wurden. Ungesunde, faule Ausdünstungen und Feuchtigkeiten wurden auf diese Weise zerteilt und unschädlich gemacht und die Luft gereinigt. Dazu kam noch die Einteilung der Mannschaft in drei, nicht wie sonst auf Kriegsschiffen üblich ist, in zwei Wachen. Dadurch waren die Leute dem Wetter weniger ausgesetzt und hatten Zeit, ihre Kleider notfalls zu trocknen. In kalten Gegenden wurden auch warme Kleidungsstücke ausgeteilt.
Erfahrene Ärzte, Seeleute und Menschenfreunde hatten diese Hilfsmittel vorgeschlagen. Der Wundarzt, mein Vater und einige andere Personen im Schiff rieten den fleißigen Gebrauch derselben unaufhörlich an, und die vortrefflichen Wirkungen zeigten sich bald so deutlich, daß man sie in der Folge für ganz unentbehrlich ansah. Unter göttlicher Führung blieben wir auf diese Art bei guter Gesundheit. Der Präsident der Königlichen Gesellschaft der Wissenschaften, Sir John Pringle, spricht davon ausführlich als erfahrener Arzt in seiner am 30. November 1776 gehaltenen Rede bei der Verleihung der Copleyschen Denkmünze an Kapitän Cook. Die Lobsprüche, die er unserem berühmten Seemann gibt, und die Denkmünze sind mehr als hinreichend, die Wichtigkeit der von Cook befolgten Gesundheitsregeln darzutun.
Inhaltsverzeichnis
Kaum war das Schiff »Endeavour« im Jahre 1771 wieder nach England zurückgekommen, als man schon den Entwurf zu einer neuen Reise machte, auf welcher die südlichen Gegenden unserer Erdkugel weiter erforscht werden sollten. Zwei tüchtige, starke Schiffe, die »Resolution« und die »Adventure«, wurden ausgerüstet und die Kapitäne James Cook und Tobias Furneaux zu Befehlshabern ernannt. Am 11. Juni erhielten mein Vater und ich Befehl, die Reise gleichfalls zu unternehmen, um Gegenstände der Naturgeschichte zu sammeln, zu beschreiben und zu zeichnen. In möglichster Geschwindigkeit rüsteten wir uns zu diesem Vorhaben und schickten innerhalb neun Tagen unsere Reisegerätschaften an Bord der »Resolution«. Am 26. verließen wir London und kamen in zwei Tagen nach Plymouth, wo aber unser Schiff noch nicht eingetroffen war.
Früh am 3. Juli sahen wir die »Resolution« auf der Reede vor Anker liegen. Kapitän Cook gedachte noch acht bis zehn Tage hier zuzubringen, und wir nutzten diese Zeit, die Zinnbergwerke in Cornwall zu besuchen. Kapitän Cook bekam in Plymouth Verhaltungsbefehle, denen zufolge er nach Madeira segeln, sich dort mit Wein versehen und am Kap der Guten Hoffnung anlegen sollte, um beide Schiffe mit Lebensmitteln zu versorgen. Von dort aus sollte er südlich laufen, um womöglich das Kap der Beschneidung zu entdecken, das der französische Entdecker Bouvet unter dem 54. Grad s. Br. und ungefähr 11 Grad ö.L. angibt. Endeckte er dieses, so sollte er untersuchen, ob es festes Land oder nur Teil einer Insel sei. Dann sollte er die Entdeckungen fortsetzen und so weit als nur möglich gegen den Südpol vorzudringen versuchen. Sollte aber das Kap der Beschneidung nur das Vorgebirge einer Insel oder gar nicht aufzufinden sein, so blieb ihm übrig, so lange südwärts zu steuern, als er Hoffnung hätte, ein großes festes Land zu finden, alsdann aber seinen Lauf nach Osten zu richten und so nahe am Pol wie möglich rund um die Welt zu segeln. Sooft die Jahreszeit den Aufenthalt gefährlich machen würde, sollte er sich nach einem bekannten Ort gegen Norden unter milderen Himmelstrichen zurückziehen, um seine Leute zu erfrischen und die Schiffe instand zu setzen. In unvorhersehbaren Fällen könne er nach eigenem Gutdünken verfahren, und ginge unglücklicherweise die »Resolution« verloren, so sollte er die Fahrt mit dem kleineren Schiffe fortsetzen.
Sonnabend, den 11. Juli, begaben wir uns an Bord. Am folgenden Tage, als der Wind ziemlich heftig blies, bemerkte mein Vater, der zufällig an Deck umherging, eine Änderung der Lage unseres Schiffes, und ihn dünkte auch, als wenn es auf die Klippen zutriebe. Er teilte diese Vermutung dem Lotsen Gilben mit, der sogleich bemerkte, daß die Kette, woran das Schiff lag, gebrochen war. Gleich auf den ersten Lärm waren alle Matrosen in Bewegung, die Segel wurden aufgespannt und die Kabel in Bereitschaft gesetzt, und nun liefen wir an der »Adventure« und an einem anderen Schiff vorbei und entgingen der großen Gefahr, an den Felsen zu scheitern. Unsere Seeleute schlossen aus diesem bedenklichen und glücklichen Vorfall auf einen günstigen Verlauf der ganzen Reise, und wir konnten nicht umhin, die Leitung der göttlichen Vorsehung in diesem wichtigen Augenblick zu erkennen, der alle unsere Hoffnungen beinahe vereitelt hätte.
Montags früh, am 13. Juli, segelten wir in Begleitung der »Adventure« von Plymouth ab. Ich sandte einen Abschiedsblick auf Englands fruchtbare Hügel zurück und ließ dem Gefühl freien Lauf, bis endlich die Heiterkeit des schönen Morgens und die Neuheit unserer Fahrt durch die glatte See Oberhand gewannen und die trüben Gedanken zerstreuten. Bald blieb der berühmte hohe Leuchtturm hinter uns, der mitten im Meer auf dem Felsen Eddistone erbaut ist und den man unmöglich anschauen kann, ohne für die einsamen Wächter zu zittern, die oft drei Monate lang, von aller Gemeinschaft mit dem festen Lande abgeschnitten, dort zubringen müssen.
In dem Maße, wie wir uns vom Lande entfernten, wurde der Wind heftiger. Die Wellen wuchsen, das Schiff rollte von einer Seite zur anderen, und die der See nicht gewohnt waren, ja selbst einige der ältesten Seeleute, litten nun unter der Seekrankheit. Diese Übelkeit war aber nicht bei allen von gleicher Dauer, und nach drei Tagen fanden wir uns durch gewärmten Portwein mit Zucker und Gewürzen wiederhergestellt. Am 22. sahen wir den Leuchtturm bei Corunna. Wir hatten völlige Windstille, die See war glatt wie ein Spiegel, und Kornfelder, umzäunte Weiden, kleine Dörfer und adlige Höfe verschönerten die bergige Landschaft. Abends sahen wir ein spanisches Fischerboot und setzten ein Boot aus, um frische Fische zu kaufen. Die Oberfläche des Meeres war mit Tausenden von kleinen Krabben bedeckt. Das kleine Fahrzeug war eine Tartane aus Marseille, mit 100 Tonnen Mehl für Corunna beladen. Die Leute baten um frisches Wasser, weil sie durch widrige Winde zwei Monate verschlagen worden waren und sich seit vierzehn Tagen nur von Brot und einer kleinen Portion Wein genährt hatten. Der Offizier, der unser Boot kommandierte, schickte sogleich die leeren Fässer an das Schiff, um sie füllen zu lassen, und die armen Leute nahmen sie mit solchen Mienen wieder in Empfang, aus welchen die lebhafteste Freude strahlte. Sie dankten dem Himmel und uns und freuten sich, daß sie endlich wieder Feuer machen und etwas Warmes genießen könnten.
Am folgenden Nachmittag segelten drei spanische Kriegsschiffe nach dem Hafen Ferrol vorbei. Eins schien 74 Kanonen, die anderen zwei aber nur 60 zu führen. Das letzte zog englische Flaggen auf, nachdem wir aber die unsrige gezeigt, ließ es sie wieder herunter, feuerte eine Kanone ab und steckte die spanische Flagge auf. Bald darauf feuerte es eine Kugel nach der »Adventure« ab, weil wir aber fortsegelten, ohne uns an sein Feuern zu kehren, kam das spanische Schiff zurück und schoß noch eine Kugel ab, die dicht vor dem Schiff vorbeiging. Kapitän Cook ließ nun unser Schiff in den Wind legen, und die »Adventure« tat ein Gleiches. Der Spanier rief dies Schiff auf Englisch an und fragte, was für eine Fregatte da vor ihnen wäre, wobei er auf uns zeigte. Sobald er eine Antwort bekommen hatte, wollte er auf eine ähnliche Frage, die man ihm vorlegte, nicht antworten, sondern erwiderte: »Ich wünsche Euch glückliche Reise!« Nach diesem Auftritt, der für die »Herren der See« nicht gerade schmeichelhaft war, setzten wir unsere Reise fort und passierten in der Nacht das Kap Finisterre. Einige Meerschweine schwammen vorüber, und das Meer leuchtete. Besonders schienen die Spitzen der Wellen und das Kielwasser aus einer Masse von lauter Licht zu bestehen.
Am 28. erblickten wir gegen 6 Uhr morgens die Insel Porto Santo, die vier bis fünf deutsche Meilen lang, unfruchtbar und schlecht bewohnt ist. Sie hat nur eine Stadt, die in einem Tal liegt, das dem Anschein nach voller Weinberge ist. Kurz darauf kamen wir auf die Höhe von Madeira und der Inseln Desertas, die unsere Seeleute die Deserteurs zu nennen pflegten. Die Stadt Santa Cruz auf Madeira lag nachmittags um 6 Uhr gerade vor uns. Wir sahen die Berge von tiefen Klüften und Tälern durchschnitten und auf den Bergrücken verschiedene Landhäuser, deren anmutige Lage zwischen Weinbergen und hohen Zypressen der Gegend ein romantisches Aussehen gab. Wir wurden mit Booten in die Reede von Funchal bugsiert, weil es völlig windstill war, und erst in dunkler Nacht kamen wir vor Anker.
Früh am 29. wurden wir durch den malerischen Anblick der Stadt Funchal angenehm überrascht. Sie liegt rund um die Reede und hat die Gestalt eines Amphitheaters, um so vorteilhafter fallen die Gebäude und Häuser ins Gesicht. Viele sind zwei Stockwerke hoch und haben flache Dächer, welches ihnen eine Ähnlichkeit mit der Einfachheit der morgenländischen Bauart gibt, die in England unseren schmalen Häusern mit hohen, schrägen und einer Reihe von Schornsteinen bepflanzten Dächern gänzlich zu fehlen pflegt. Am Ufer sieht man verschiedene Batterien, und die Reede wird von einem alten Kastell bestrichen, das auf einem steilen schwarzen Felsen liegt, der bei hohem Wasser von der See umgeben ist.
Um 7 Uhr kam ein Boot zu uns, das einen Kapitän do Sal an Bord hatte. Dieser Offizier ist einer von den zweien des Gesundheitskollegiums, die die Quarantäne der Schiffe bestimmen, die aus verdächtigen, der Pest unterworfenen Gegenden kommen. Er erkundigte sich nach unserem Gesundheitszustand und dem Lande, woher wir kämen. Kurz nachher landeten wir und gingen mit unseren Kapitänen zu Herrn Loughnan, einem englischen Kaufmann, der alle hier einlaufenden königlichen Schiffe mit den erforderlichen Notwendigkeiten versieht. Herr Loughnan empfing uns mit einer Gastfreiheit und einem Anstande, der ihm und der Nation Ehre macht.
Die Stadt entspricht bei weitem nicht dem Eindruck, den sie beim Anblick von der Reede aus erregt. Die Straßen sind eng, schlecht gepflastert und schmutzig. Die Häuser sind zwar aus gehauenem oder gebackenem Stein erbaut, innen aber dunkel. Mit Glasfenstern sind nur die Häuser versehen, die den englischen Kaufleuten oder anderen vornehmen Einwohnern gehören, die übrigen haben Laden von Lattenwerk, die erforderlichenfalls ausgehoben werden können.
Am folgenden Tage fingen wir an, die landeinwärts gelegenen Gegenden der Insel zu untersuchen. Um fünf Uhr morgens gingen wir an einem Bach entlang bergauf. Nachmittags kamen wir zu einem Kastanienwald, der unweit der höchsten Bergspitze dieser Insel liegt. Am Tage darauf wurden Anstalten zu unserer Abreise gemacht, und ich verließ gerührten Herzens dies reizende Land und diese edelmütigen Freunde, und es bleibt mir die Freude, britische Gastfreundschaft auch außerhalb des Landes gefunden zu haben.
Ehe ich diese Insel ganz verlasse, will ich Anmerkungen einrücken, die ich dort zu machen und zu sammeln Gelegenheit hatte. Die Insel Madeira wurde am 2./3. Juli 1419 von Joao Gonzales Zarco entdeckt. Funchal ist die einzige Stadt dieser Insel, außerdem gibt es noch sieben Städtchen oder Villas. Der Gouverneur ist das Oberhaupt auf dieser Insel, auf Porto Santo, auf den Salvages und auf den Ilhas Desertas. Das Justizdepartement untersteht dem Corregidor, der vom König eingesetzt wird. Die ausländischen Kaufleute wählen ihren eigenen Richter, der zugleich die königlichen Zölle und Einkünfte einzunehmen hat. Diese belaufen sich auf etwa 120 000 Pfund Sterling und bestehen in Fruchtzehnten und in einer Abgabe von zehn Prozent auf alle einkommenden Waren, Lebensmittel ausgenommen, und in einer Auflage von elf Prozent von allen ausgehenden Gütern. Es gibt nur eine reguläre Kompagnie von hundert Mann, die Miliz ist dagegen dreitausend Mann stark und in Kompagnien eingeteilt. Weder Offiziere noch Gemeine dieser Miliz werden besoldet, weil man aber einen gewissen Rang durch sie bekommt, bemüht sich jeder, darin aufgenommen zu werden.
Die Anzahl der Weltgeistlichen auf dieser Insel beläuft sich auf zwölfhundert, wovon viele als Hausgeistliche gebraucht werden. Seit der Vertreibung der Jesuiten gibt es keine öffentliche Schule mehr, außer einem Seminar, in dem auf Kosten des Königs zehn Studenten von einem Priester unterrichtet werden. Auch ist zu Madeira ein Kapitel unter einem Bischof, dessen Einkünfte beträchtlicher sind als die des Gouverneurs. Es gibt hier sechzig bis siebzig Franziskaner in vier Klöstern, und ungefähr dreihundert Nonnen sind auf vier Klöster verteilt.
Das gemeine Volk ist schwärzlich von Farbe und wohlgebildet, doch haben sie große Füße, welches vom Ersteigen der steilen und steinigen Wege in den Bergen herkommen mag. Sie haben schwarze Augen und schwarzes Haar, das von Natur in Locken fällt, bei einigen aber anfängt, sich wollig zu krausen, eine Eigenschaft, die man vielleicht ihrer Vermischung mit Negern zuschreiben könnte. Die Frauenspersonen sind häßlich, es fehlt ihnen die blühende Farbe, die neben der gefälligen Gestalt dem weiblichen Geschlecht unserer nördlichen Gegenden den Vorzug über alle anderen Frauen gibt. Hier auf Madeira sind sie klein und stark von Knochen, allein die richtigen Verhältnisse ihres Wuchses, die schönen Hände und die großen, lebhaften Augen entschädigen sie einigermaßen für jene Mängel.
Die Leute auf dem Lande nähren sich fast nur von Brot und Zwiebeln oder Wurzeln und etwas Fleisch. Sie essen jedoch keine Eingeweide oder anderen Fleischabfall, weil die elendesten Bettler von ihnen Kaldaunenschlucker genannt werden. Sie trinken Wasser oder ein dünnes Getränk aus Weintrebern und Wasser, das durch die Gärung etwas scharf und säuerlich wird. Der Wein, der diese Insel so berühmt gemacht hat, kommt selten vor ihren Mund. Ihre Hauptbeschäftigung ist der Weinbau, da dieser aber den größten Teil des Jahres keiner Wartung bedarf, können sie sich um so mehr ihrer Neigung zum Müßiggang überlassen.
Die Weinberge werden immer nur für ein Jahr verpachtet. Der Pächter bekommt vier Zehntel vom Gewächs, vier weitere Zehntel müssen dem Grundherrn, ein Zehntel an den König und eins an die Geistlichkeit entrichtet werden. Ein so geringer Gewinn und die Aussicht, daß sie nur für andere arbeiten, muß natürlicherweise Mut und Hoffnung niederschlagen, dennoch sind sie bei aller Unterdrückung lustig und vergnügt, singen bei der Arbeit und versammeln sich des Abends, um nach dem Klang einer Guitarre zu tanzen und zu springen.
Die Männer gehen meist schwarz gekleidet, aber gewöhnlich passen die Kleider nicht und scheinen meist fünfzig Jahre aus der Mode zu sein. Die Damen sind feiner und angenehm gebildet, aber die Eifersucht, die den Männern angeboren zu sein scheint, hält sie stets eingeschlossen und beraubt sie des Glückes, das den ärmeren Landfrauen unbenommen bleibt. Die Vornehmen bilden eine Art Adel, aber ihr Ahnenstolz macht sie ungesellig und unwissend und verleitet sie zu einem lächerlich affektierten vornehmen Wesen.
Wo Erde, Lage und Wasser es nur erlauben, wird Wein gebaut. Ich sah hier Trauben, die über sechs Pfund wogen. Der Wein ist von verschiedener Güte, der beste wird von einer Art Trauben gemacht, wovon die Reben auf Befehl des Infanten Don Henrich aus Candia hierhergebracht und angepflanzt worden sind. Er heißt Madeira-Malvasier. Die Pipe (etwa 410 l) kann hier nicht unter vierzig bis zweiundvierzig Pfund Sterling eingekauft werden. Jahr um Jahr werden etwa 30000 Pipen geerntet, davon 13000 Pipen der besten Sorten ausgeführt, das übrige zum eigenen Konsum gebraucht, teils zu Branntwein gebrannt, der nach Brasilien geht, teils wird Weinessig daraus gemacht.
Die Weinberge sind entweder mit Mauerwerk oder mit Hecken von Granatäpfeln, Myrten, Brombeeren und wilden Rosen umzogen. In den Gärten werden Pfirsiche, Aprikosen, Quitten, Äpfel, Birnen, Walnüsse, Kastanien und andere europäische Gewächse gezogen, zuweilen auch tropische Gewächse, wie Pisangs, Guaven und Ananas.
Die zahmen Tiere, die wir in Europa haben, sind auch auf Madeira anzutreffen, und obgleich die Hammel und Ochsen nur klein sind, ist ihr Fleisch doch wohlschmeckend. Die Pferde sind ebenfalls klein, aber sicher auf den Knochen. Sie klettern mit großer Fertigkeit die steilsten Fußsteige hinauf, denn andere Wege gibt es hier nicht. Von Räderfuhrwerk weiß man hierzulande gar nichts, in der Stadt aber gibt es eine Art Schleifen oder Schlitten, die aus zwei durch Querhölzer verbundenen Brettern bestehen, die vorn einen spitzen Winkel bilden. Man spannt Ochsen davor und bedient sich ihrer, um Weinfässer und andere schwere Waren fortzuschaffen. Von wildem Geflügel gibt es hier mehr Arten als von anderem Wildbret, wovon das Kaninchen der einzige Repräsentant ist. Es gibt hier keine einzige Schlangenart, aber alle Häuser, Gärten und Weinberge wimmeln von Eidechsen. Die Mönche eines hiesigen Klosters klagten, daß solche ihnen viel Schaden im Garten täten, weshalb sie einen großen Kessel in die Erde gegraben hätten, in dem die Tiere sich zu Hunderten fingen und umkommen mußten. An den Küsten Madeiras fehlt es nicht an Fischen, da sie aber zur Beobachtung der Fasttage dennoch nicht reichten, führten englische Schiffe Heringe und trockenen Stockfisch ein.
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Kaum waren wir aus unseren Booten gestiegen, so machten wir dem Gouverneur Baron Joachim von Plettenberg unsere Aufwartung. Er ist ein Mann von Wissenschaft und großen Kenntnissen, dessen Höflichkeit und Mitteilsamkeit uns gleich einen guten Begriff von ihm beibrachte. Hierauf verfügten wir uns zu den anderen Ratspersonen, dann gingen wir zu dem Befehlshaber der False Bai, in dessen Haus die Kapitäne der englischen Schiffe gewöhnlich einzukehren pflegen und wo auch wir unser Quartier zu nehmen gedachten. Fast alle Bedienten der Compagnie vermieten Zimmer an die Offiziere und Reisenden der Schiffe, die auf ihrer Fahrt von und nach Indien hier anlegen.
Der Unterschied zwischen dieser Kolonie und der portugiesischen Insel S. Jago war auffallend. Dort hatten wir ein Land gesehen, das unter dem glücklichsten Himmelsstrich gelegen ist, aber es war durch seine trägen Bewohner ganz vernachlässigt. Hier fanden wir mitten in einer Wüste, die von gebrochenen Massen schwarzer, fürchterlicher Berge umgeben war, eine nette Stadt aufgebaut, mit einem Wort, wir sahen hier überall Fleiß und Arbeitsamkeit von Glück gekrönt. Die Straßen sind breit und regelmäßig, die vornehmsten mit Eichen bepflanzt, und einige haben in der Mitte einen Kanal. Da es ihnen aber an der erforderlichen Wassermenge fehlt, kann trotz der vielen Schleusen nicht verhindert werden, daß ein- zelne Teile des Kanals oft ohne Wasser sind und dann keinen ange- nehmen Geruch ausströmen. In der ganzen Stadt ist nur eine Kirche. Die Toleranz, die den Holländern in Europa so viel Nutzen ver- schafft hat, ist in ihren Kolonien nicht zu finden. Erst seit ganz kurzer Zeit haben sie den Lutheranern erlaubt, hier und in Batavia Kirchen zu bauen, und gegenwärtig haben sie noch keinen eigenen Prediger am Kap, sondern müssen sich mit den Schiffspredigern der dänischen oder schwedischen Ostindienfahrer begnügen, die gegen gute Bezahlung ein- bis zweimal im Jahr hier predigen und das Abendmahl austeilen. Die Sklaven sind noch viel übler dran, denn weder ihre Herren noch die Regierung kümmern sich um einen so geringfügigen Umstand, als ihnen die Religion der Leibeigenen zu sein dünkt, die denn auch, im ganzen gesehen, gar keine haben. Einige wenige sind dem mohammedanischen Glauben zugetan und versammeln sich wöchentlich einmal in dem Hause eines freien Mohammedaners, um einige Kapitel aus dem Koran zu lesen.
Die Anzahl der Sklaven beläuft sich auf etliche hundert, die allesamt in einem großen Hause wohnen. Ein anderes großes Haus ist zum Hospital für die Matrosen der Schiffe bestimmt, die auf ihren Ostindienreisen hier anzulegen pflegen und gewöhnlich eine Menge von Kranken an Bord haben. Ein solcher Ostindienfahrer bringt bis zu achthundert Rekruten nach Batavia, und da sie auf der langen Reise sehr eng zusammengepfercht und an Wasser sehr knapp gehalten werden, dazu nichts als Eingesalzenes zu essen bekommen, so ist es kein Wunder, daß ihrer so viele draufgehen. Es ist etwas sehr Gewöhnliches, daß ein holländisches Schiff von Europa bis hierher achtzig oder gar hundert Tote zählt und bei seiner Ankunft hier noch zwei- bis dreihundert Kranke ins Hospital schickt.
Am Tag nach unserer Ankunft richteten die Astronomen Wales und Baily ihre Instrumente am Ufer auf. An diesem Tage begannen auch wir unsere botanischen Exkursionen. Der Boden erhebt sich von der Stadt nach den drei Bergen, die hinter der Bai liegen. Die höheren Gegenden sind, so dürr und öde sie auch von der See her aussehen, mit einer Menge verschiedener Pflanzen bewachsen, jedoch zum größten Teil mit Sand bedeckt. Wir brachten Tag für Tag reiche Ernten an Kräutern und Tieren zurück und wunderten uns, daß so viele den Naturkundigen ganz unbekannt waren, da sie sich doch hart an den Mauern einer Stadt finden, von woher die Sammlungen von ganz Europa ständig versorgt worden sind.
Einer unserer Ausflüge war nach dem Tafelberg gerichtet. Er ist steil und wegen der vielen losen Steine schwer zu ersteigen. Auf mittlerer Höhe kamen wir an eine Schlucht, deren Seiten aus senkrechten und oft überhängenden Felsschichten bestanden, aus deren Rissen kleine Quellen sprudelten. Nach einem dreistündigen Marsch erreichten wir endlich den Gipfel des Berges, der fast eben, sehr unfruchtbar und fast ganz von Erdreich entblößt ist. An Tieren trifft man manchmal Antilopen, heulende Paviane, einsame Geier und Kröten. Die Aussicht von der Höhe ist groß und malerisch. Die Bai unter uns schien ein kleiner Fischteich zu sein. Die Stadt mit ihren Gärten und Häusern sah wie Kinderspielzeug aus. Unter allen umliegenden Gegenden zog keine unsere Aufmerksamkeit mehr auf sich als die an der südlichen Seite des Tafelberges, denn diese zeichnete sich durch die Menge der Plantagen aus. An jedem kleinen Bache sieht man eine Plantage, die aus Weinbergen, Kornfeldern und Gärten besteht.
Wir brachten von unseren botanischen Zügen immer so ansehnliche Ladungen mit, daß wir im Ernst besorgt wurden, es möchte uns beiden trotz allen Fleißes nicht möglich sein, alle Pflanzen zu beschreiben, zu zeichnen und aufzubewahren, die wir in den noch unbesuchten Ländern zu finden hofften. Wir sahen es daher als einen glücklichen Zufall an, einen Gelehrten, den Dr. Sparman, hier anzutreffen. Er hatte unter dem Vater der Kräuterkunde, dem großen Ritter Carl von Linné, studiert, darauf eine Reise nach China und eine zweite nach dem Kap unternommen, um seine Kenntnisse zu erweitern. Der Gedanke, in völlig unbekannten Ländern neue Schätze der Natur zu sammeln, nahm ihn so völlig ein, daß er sich alsbald anheischig machte, mit uns um die Welt zu reisen.
Während unseres Hierseins setzten unsere Leute neues Takelwerk auf, reinigten und besserten die Außenseite des Schiffs aus und nahmen Branntwein nebst anderen Bedürfnissen für die Mannschaft und einiges Schafvieh für die Kapitäne und Offiziere an Bord. Auch wurden einige Widder und Mutterschafe eingeschifft, die für die Einwohner in der Südsee bestimmt waren, allein die lange Dauer unserer Reise brachte diese Tiere so herunter, daß unser gutes Vorhaben gänzlich vereitelt wurde. Wir schafften uns auch einen Hühnerhund an, damit er auf der Jagd etwa ein Wildbret heranholen könne. Es kostete viel Mühe, ein solches Tier aufzutreiben, und wir mußten einen ungeheuren Preis dafür zahlen, obgleich er uns nachher wenig Dienste tat. Am 22. wurde unser Gepäck an Bord gebracht, und am gleichen Tage verließen wir die Tafelbai. Ehe ich aber nun in der Geschichte der Begebenheiten unserer Reise fortfahre, will ich versuchen, eine kurze Nachricht über den derzeitigen Zustand dieser holländischen Kolonie zu geben.
Die südlichste Spitze von Afrika wurde schon in den Zeiten des ägyptischen Königs Necho und auch später unter der Regierung von Ptolomäus Lathyrus umschifft. Dann aber vergaß man ihre Lage dergestalt, daß sie durch Bartholomäus Diaz, einen portugiesischen Seemann, im Jahre 1487 wiederentdeckt werden mußte. Vasco da Gama umschiffte dies Vorgebirge im Jahre 1497 und fand den Weg nach Indien. Indessen blieb die Entdeckung des Kaps ungenutzt, bis im Jahre 1650 der holländische Wundarzt van Riebeck den Vorteil sah, den die holländische Compagnie haben müßte, wenn an diesem zwischen Holland und Indien gelegenen Ort eine Kolonie angelegt würde. Er stiftete daher diesen Pflanzort, der seitdem immer in den Händen der Holländer geblieben ist.
Der Gouverneur hängt unmittelbar von der Kompagnie ab und hat den Vorsitz im Rat, dessen Mitglieder in je einem Zweig der Gesellschaft die Aufsicht führen. Die regulären Truppen bestehen aus 700 Mann. Die Einwohner stellen eine Miliz von viertausend Mann, die durch Signale in wenigen Stunden alarmiert werden können. Aus ihrer Zahl läßt sich ungefähr die Volksmenge der Kolonie bestimmen, die sich so weit ausgebreitet hat, daß die entferntesten Kolonisten über vier Wochen reisen müssen, ehe sie das Kap erreichen. Auf einen weißen Einwohner zählt man fünf oder mehr Sklaven, die Vornehmen am Kap halten oft zwanzig bis dreißig. Im ganzen haben es diese Leibeigenen aber gut, doch müssen alle barfuß gehen, da die Herren sich Schuhe und Strümpfe als Unterscheidungszeichen vorbehalten. Die Sklaven werden hauptsächlich von Madagaskar gebracht, doch gibt es auch eine Menge Malayen, Bengalesen und einige Neger unter ihnen. Die Kolonisten bestehen aus holländischen Familien, französischen Protestanten, hauptsächlich aber aus Deutschen. Da alle Lebensmittel recht wohlfeil sind, befinden die Leute sich durchweg in guten Umständen, doch gibt es hier keine so großen Reichtümer wie in Batavia zu erwerben. Wie man mir sagte, hat der reichste Mann am Kap nicht über 200000 Taler Vermögen.
Auf dem Lande sind die Leute schlicht und gastfrei. In den entferntesten Gegenden sollen sie unwissend sein, weil sie oft etliche Tagereisen weit auseinander wohnen und keine andere Gesellschaft als Hottentotten haben. Weinbau wird nur in den Plantagen betrieben, die wenige Tagereisen von der Stadt entfernt liegen. Sie wurden bereits von den ersten Kolonisten angelegt, deren Familien sie auch erblich gehören. Jetzt aber gibt die Kompagnie nichts mehr auf Erbe, sondern verpachtet die Ländereien nur jahrweise, und dies hindert die Anlage neuer Weinberge. In den entfernteren Plantagen wird daher auch nur Korn und Vieh gezogen. Wir hörten von zwei Pächtern, die je 15000 Schafe und entsprechende Herden von Hornvieh halten. Es gibt viele, die große Herden zur Stadt treiben, aber Löwen, Büffel und die Beschwerlichkeiten einer so weiten Reise vermindern die Trift oft, ehe sie auf den Marktplatz gelangen. Sie nehmen bei solchen Gelegenheiten ihre Familien mit und bedienen sich hierzu großer Wagen, die mit Leinwand oder Leder bespannt sind und von acht, zehn oder gar zwölf Ochsen gezogen werden. Außer dem Schlachtvieh bringen sie auch Butter und Schaftalg, das Fleisch und die Haut vom Flußpferd nebst Löwen- und Rhinozerosfellen auf den Markt. Für ihre Feld- und Viehwirtschaft halten sie sich Sklaven, mieten aber auch ärmere Hottentotten dazu, die kein eigenes Zuchtvieh haben.