ENTZWEIT - Anette Schäfer - E-Book

ENTZWEIT E-Book

Anette Schäfer

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Beschreibung

Der siebenjährige Karl verschwindet spurlos aus einem Wilgersdorfer Kinderheim und taucht nach drei Tagen unversehrt in Wittgenstein wieder auf. Zur selben Zeit kehrt eine totgeglaubte Witwe, auf der Flucht vor den Mördern ihres Mannes, zurück ins Siegerland. Noch sieht Kriminaloberkommissarin Johanna Daub keinen Zusammenhang, bis auf dem Kreuztaler Weihnachtsmarkt vor ihren Augen ein weiteres Kind entführt wird. Bei dem Versuch, das Puzzle zu lösen, bringt sie nicht nur sich selbst, sondern auch ihr Team in höchste Gefahr. Ein Fall, der das Siegerland auf spannende Weise mit Wittgenstein verbindet.

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Wei­te­re Ti­tel der Au­to­rin:

AB­GE­LEHNT - Kri­mi (2017)GE­KRÖNT - Kri­mi (2018)

EIN HERZ UND EIN KRÖN­CHEN - Lie­bes­ro­man (2019)

Ihr letz­tes "Moin!" - Kri­mi (2024)

 

 

Anette Schä­fer

      

ENT­ZWEIT

 

 

 

 

 

 

 

Sie­ger­land-Kri­mi

 

 

Ok­to­ber 2020

Co­py­right © by Krön­chen­ver­lag, Anette Schä­fer

Um­schlags­fo­to: Li­ving-Mo­ment Fo­to­gra­fie, Wen­den

Um­schlag­ge­stal­tung: DTP-Me­di­en GmbH, Dil­len­burg

Lek­to­rat: Anke Be­cker, Pa­der­born

Kor­rek­to­rat: Vor­län­der GmbH & Co. KG, Sie­gen

Anette Schä­fer

Ro­bert-Schu­mann-Str. 14

57076 Sie­gen

www.kro­en­chen­ver­lag.de

ISBN 978-3-9819795-6-5

 

 

 

Für mei­ne Jungs

 

 

 

An­mer­kung:

Soll­ten Ähn­lich­kei­ten mit re­a­len Per­so­nen oder In­sti­tu­ti­o­nen auf­tre­ten, sind die­se rein zu­fäl­lig.

Alle Cha­rak­tere sind frei er­fun­den und ent­sprin­gen mei­ner Fan­ta­sie.

 

 

 

»Die tie­fe Lie­be zum ei­ge­nen Kind ist ein Gut, das nie­mals ent­zweit wer­den darf!«

Pro­log

 

 

 

»Schnel­ler, los, komm! Lauf schnel­ler!«, rief er Anna pa­nisch zu und zog sie hin­ter sich her. »Sie dür­fen uns nicht ein­ho­len!«

Tan­nen­zwei­ge schlu­gen ihm ins Ge­sicht, als er mit ihr an der Hand durch den Wald stol­per­te. Kal­ter Angst­schweiß lief ihm den Nacken hin­un­ter und durch­tränk­te sein Shirt, das er un­ter ei­ner dun­kel­blau­en Ja­cke trug. Arme Anna, er hat­te sie aus ih­rem Bett­chen ge­scheucht – Zeit, ihr et­was über­zu­zie­hen hat­ten sie kei­ne ge­habt. Er spür­te, wie sie in ih­rem dün­nen Nacht­hemd­chen am gan­zen Leib zu zit­tern be­gann, doch er konn­te es nicht än­dern. Sie muss­ten wei­ter.

Aus der Fer­ne hör­te er sie ru­fen. Deut­lich konn­te er hö­ren, dass ihre Stim­men nä­her­ka­men. Kur­zer­hand hob er Anna auf sei­nen Rü­cken und rann­te wei­ter. »Hal­te dich gut fest, Klei­nes!«

Sei­ne Kräf­te lie­ßen nach. Er merk­te, dass er lang­sa­mer wur­de. Ir­gend­wo muss doch die­se ver­damm­te Stra­ße sein. Er hat­te die Ori­en­tie­rung ver­lo­ren – such­te nach ei­nem Licht, ei­nem Schein­wer­fer, der ihm den Weg zur Ret­tung zeig­te.

Mit ih­ren sie­ben Jah­ren war Anna kein Leicht­ge­wicht mehr. Er muss­te sie kurz ab­set­zen. Sie war ihm zu schwer ge­wor­den. Er lehn­te sich an einen Baum­stamm und rang nach Atem. Anna sah ihn aus ängst­li­chen Au­gen an. Er muss­te Ruhe be­wah­ren. Sie soll­te ihm sei­ne Ver­zweif­lung nicht an­mer­ken.

»Al­les wird gut! Ver­trau mir!«, flüs­ter­te er ihr ins Ohr, wäh­rend er sie wie­der hoch­nahm.

Es muss­ten meh­re­re sein, die hin­ter ih­nen her wa­ren. Ihre Ver­fol­ger wa­ren mitt­ler­wei­le so na­he­ge­kom­men, dass er ihre Stim­men un­ter­schei­den konn­te. Zwei Män­ner und eine Frau. Wenn er nicht bald die Stra­ße er­rei­chen wür­de, wäre sei­ne ein­zi­ge Chan­ce, Anna zu­rück­zu­las­sen und al­lein wei­ter zu flie­hen. Doch das war kei­ne Op­ti­on. Sie muss­ten es ge­mein­sam schaf­fen.

Plötz­lich wur­de er vom Strahl ei­ner Ta­schen­lam­pe ge­blen­det. Ein Auf­schrei durch­drang den Wald.

»Hier, hier sind sie. Kommt schnell!«

Er sam­mel­te sei­ne letz­ten Kräf­te und rann­te wei­ter. Anna blieb mit ih­ren Haa­ren an ei­nem Ast hän­gen. Ein schmerz­er­füll­ter Laut drang an sein Ohr.

Ge­ra­de woll­te er die Hoff­nung auf­ge­ben, als er in der Fer­ne die Schein­wer­fer ei­nes Au­tos sah. Sei­ne Lun­ge schmerz­te. Er spür­te, wie sich die Mus­keln in sei­ner lin­ken Wade ver­krampf­ten und ihn zwin­gen woll­ten, ste­hen zu blei­ben.

Doch er blieb nicht ste­hen. Er muss­te es schaf­fen!

Das Auto hat­te an­ge­hal­ten und war nur noch knap­pe fünf­zig Me­ter von ih­nen ent­fernt.

»Anna, gleich ha­ben wir es ge­schafft. Hal­te durch!«

Er wag­te es nicht, sich um­zu­dre­hen und stürm­te mit al­ler Wil­lens­kraft, die er auf­brin­gen konn­te, auf den Wa­gen zu, riss die Au­to­tür auf und schmiss Anna auf die Rü­ck­bank. Er woll­te ge­ra­de die Bei­fahrer­tür öff­nen, als ihn ein un­fass­ba­rer Schmerz durch­fuhr.

Sie ha­ben auf mich ge­schos­sen! Da­mit hat­te er nicht ge­rech­net. Er spür­te, wie das Blut warm sei­nen lin­ken Arm hin­ab­floss, igno­rier­te den Schmerz, öff­ne­te die Tür und sprang hin­ein.

 

»Das war ganz schön knapp, mein Freund! Ach, und nimm der Klei­nen mal den Kne­bel ab. Wir wol­len doch, dass sie sich bei uns wohl­fühlt.«

Ers­te De­zem­ber­wo­che

1.

 

»Jo, du musst es ih­nen end­lich sa­gen! So­fort! Hast du mich ver­stan­den? Ich ma­che das nicht län­ger mit!«, schimpf­te Da­ni­el. »Weißt du ei­gent­lich, in wel­che Ge­fahr du dich und un­ser Baby bringst?«

So ging das jetzt schon seit ei­ner Wo­che. Sie hät­te es ihm nicht er­zäh­len sol­len – noch nicht! Sie war nicht krank, sie war ein­fach nur schwan­ger. Ja und? Was heißt das schon? Darf man des­halb nicht mehr in Ruhe sei­ner Ar­beit nach­ge­hen? Und über­haupt – so­bald ihr Chef Wind von ih­rer Schwan­ger­schaft be­kam, wür­de er sie schlicht­weg an ih­ren Schreib­tisch ver­ban­nen. Und das kam für Kri­mi­nal­o­ber­kom­mis­sa­rin Jo­han­na Daub de­fi­ni­tiv nicht in­fra­ge.

»Was soll das denn brin­gen? Du weißt doch ganz ge­nau, dass wir zur­zeit je­den Mann auf der Wa­che ge­brau­chen kön­nen, jetzt, wo Hol­ger noch für min­des­tens drei Mo­na­te aus­fällt.«

»Aber ge­nau das ist doch der Punkt! Mei­ne lie­be Jo­han­na, hast du mal für einen kur­z­en Mo­ment dar­über nach­ge­dacht, war­um dein Part­ner für wei­te­re drei Mo­na­te aus­fällt? Kann es sein, dass er im Dienst an­ge­schos­sen wur­de? Und kann es sein, dass du und ich bei dei­nem letz­ten Fall nur knapp über­lebt ha­ben?«, ging Da­ni­els Schimpf­ti­ra­de wei­ter. »Du willst mir doch jetzt nicht ernst­haft weiß­ma­chen wol­len, dass dein Job völ­lig un­ge­fähr­lich für dich und un­ser Kind ist.«

So kom­me ich nicht wei­ter. Ich muss wohl eine an­de­re Tak­tik aus­pro­bie­ren, über­leg­te Jo­han­na. Sie leg­te die Arme um sei­nen Hals und flüs­ter­te ihm ins Ohr: »Schat­ze­bär, gib mir noch ein paar Wo­chen. Ich ver­spre­che dir auch, dass ich be­son­ders gut auf uns bei­de auf­pas­sen wer­de … Bit­te!«

Bei dem Wort ‚Bit­te‘ hat­te sie ihn aus ih­ren sma­ragd­grü­nen Au­gen an­ge­se­hen, ihn an­ge­lä­chelt, mit der Zun­ge las­ziv ihre Lip­pen be­feuch­tet und ihm dann einen lan­gen und in­ten­si­ven Kuss ge­ge­ben. Das hat­te bis­her im­mer ge­wirkt.

Be­vor der völ­lig über­rum­pel­te Da­ni­el sich ge­fan­gen hat­te und et­was er­wi­dern konn­te, hat­te sie ihre Ja­cke vom Ha­ken ge­nom­men, sich Müt­ze und Schal ge­schnappt und hielt die Tür­klin­ke schon in der Hand, als sie ver­füh­re­risch sag­te:

 

»Du be­kommst auch heu­te Abend eine Be­loh­nung!«

2.

 

»Das kann sie nicht ma­chen! Da­für gibt es doch Ge­set­ze, oder nicht?«

»Das stimmt, aber für die Hor­mo­ne un­se­rer Jo­han­na schei­nen die wohl nicht zu gel­ten«, lä­chel­te Kri­mi­nal­haupt­kom­mis­sar Hol­ger Stein.

Na toll, jetzt bin ich ex­tra nach Bad Ber­le­burg ge­fah­ren, um mir die Un­ter­stüt­zung von Hol­ger zu si­chern und dann schlägt der sich auf Jo­han­nas Sei­te.

»War ja klar, dass du sie mal wie­der in Schutz nimmst. Aber so geht das nicht. Nicht nach­dem, was vor zwei Mo­na­ten pas­siert ist.«

Lang­sam wuss­te sich Da­ni­el kei­nen Rat mehr. War er denn der Ein­zi­ge, der da­ge­gen war, dass eine schwan­ge­re Po­li­zis­tin, die bei der Kri­mi­nal­po­li­zei ar­bei­te­te, wei­ter­hin auf Ver­bre­cher­jagd ging, als sei nichts Au­ßer­ge­wöhn­li­ches in ih­rem Le­ben ge­sche­hen? Das wür­de er nicht hin­neh­men. Er muss­te sich un­be­dingt et­was ein­fal­len las­sen. Und zwar schnell.

Wäh­rend er über einen Plan nach­dach­te, be­merk­te er, dass er von Hol­ger be­ob­ach­tet wur­de.

»Mach kei­nen Feh­ler! Wage es bloß nicht, hin­ter Jo­han­nas Rü­cken ir­gend­wem von ih­rer Schwan­ger­schaft zu er­zäh­len. Das wird nicht gut aus­ge­hen – das kann ich dir ver­si­chern.«

Hol­ger hat­te recht. Das wür­de sie ihm nie ver­zei­hen und das woll­te er auf kei­nen Fall ris­kie­ren.

»Aber jetzt sag doch mal!«, for­der­te ihn Hol­ger in­ter­es­siert auf. »Habt ihr schon einen Ter­min?«

»Was denn für einen Ter­min?« Da­ni­el stand auf dem Schlauch. Zu sehr war er noch mit dem Ge­dan­ken be­schäf­tigt, ge­gen Hol­gers Rat Jo­han­nas Chef Achen­bach ein­zu­wei­hen.

»Ta­ta­ta­ta, ta­ta­ta­ta …«, stimm­te Hol­ger fröh­lich Ri­chard Wag­ners Hoch­zeits­marsch an, wäh­rend er an ei­nem Rol­la- tor hum­pelnd mit ihm in Rich­tung Ca­fe­te­ria ging.

Da­ni­el ent­ging nicht, dass Hol­ger of­fen­sicht­lich noch im­mer Schmer­zen hat­te. Jetzt tat es ihm leid, dass er ihn, statt nach sei­nem Ober­schen­kel zu fra­gen, so­fort mit sei­nen ei­ge­nen Sor­gen bom­bar­diert hat­te.

 

Als er ihn vor zwei Jah­ren als Haupt­kom­mis­sar und Part­ner von Jo­han­na ken­nen­ge­lernt hat­te, hät­te er sich nie­mals träu­men las­sen, dass sie ei­nes Ta­ges Freun­de wer­den wür­den. Zum einen war Hol­ger ein gan­zes Stück äl­ter als er, zum an­de­ren hat­te er stets eine be­son­de­re Art der Ei­fer­sucht ihm ge­gen­über an den Tag ge­legt, die eine un­über­wind­ba­re Bar­rie­re zu sein schien.

Jo­han­na war für Hol­ger Stein die Toch­ter, die er selbst nie ha­ben durf­te. Da­ni­el hat­te eine gan­ze Zeit ge­braucht, um die­ses be­son­de­re Band zwi­schen den bei­den zu ver­ste­hen und zu ak­zep­tie­ren.

Jo­han­na hat­te ihm er­zählt, dass Hol­ger gar nicht amü­siert dar­über ge­we­sen war, als er sie ge­fragt hat­te, ob sie nicht zu ihm nach Brau­ers­dorf zie­hen wol­le.

»Da kommt ein­fach so ein Bankhei­ni da­her­ge­lau­fen und schnappt sich mei­ne Jo­han­na?«, sol­len sei­ne Wor­te ge­we­sen sein.

Doch wäh­rend ih­res letz­ten ge­mein­sa­men Fal­les, an dem auch er nicht un­be­tei­ligt ge­we­sen war, hat­te Da­ni­el ihm be­wie­sen, dass Hol­ger Stein sich zu ein­hun­dert Pro­zent auf ihn ver­las­sen konn­te – und um­ge­kehrt. Seit­dem war das Eis zwi­schen ih­nen end­gül­tig ge­bro­chen.

»Du wirst es als un­ser Trau­zeu­ge na­tür­lich als ers­ter er­fah­ren«, ant­wor­te­te Da­ni­el auf die Fra­ge nach dem Hoch­zeits­ter­min und zwang sich zu ei­nem Lä­cheln.

Das The­ma Hoch­zeit hat­ten er und Jo­han­na schon längst ad acta ge­legt. »Zum Glück sind die Zei­ten vor­bei, in de­nen man um des lie­ben Frie­dens wil­len so­fort hei­ra­ten muss, nur weil man ein Kind er­war­tet«, wa­ren ihre Wor­te ge­we­sen, be­vor sie sich ein Bröt­chen in den Mund schob, das sie zu­vor lie­be­voll mit Nu­tel­la und Zwie­bel­wurst be­stri­chen hat­te.

Jo­han­na dar­auf hin­zu­wei­sen, dass sie in ih­rem Zu­stand kei­ne rohe Zwie­bel­wurst es­sen soll­te, hat­te er sich für den Mo­ment ver­knif­fen.

Ihre Wor­te ‚Ja, ich will!‘, die sie sich vor ge­ra­de mal zwei Mo­na­ten ex­tra für ihn als Hen­na-Tat­too in ihre Leis­te hat­te ma­len las­sen, wa­ren längst ver­blasst – und schein­bar auch ihr Ge­dan­ke dar­an, die­ses Ver­spre­chen in na­her Zu­kunft vor ei­nem Stan­des­be­am­ten zu wie­der­ho­len.

Er hat­te ei­ni­ge Wo­chen dar­an zu knab­bern ge­habt. Viel­leicht war er alt­mo­disch, aber für ihn war es selbst­ver­ständ­lich, dass ein Paar hei­ra­te­te, be­vor das Baby zur Welt kam. Vor­aus­ge­setzt na­tür­lich, bei­de Part­ner lieb­ten sich.

Wie dem auch sei, er wür­de Jo­han­na auf kei­nen Fall be­drän­gen. Statt­des­sen woll­te er ver­su­chen, sich in Ge­duld zu üben.

Jetzt aber muss­te er sich erst ein­mal dar­um küm­mern, dass ihr Baby über­haupt die Chan­ce be­kam, mun­ter und ge­sund das Licht der Welt zu er­bli­cken.

Und ge­nau aus die­sem Grund war er hier. Er hat­te auf Hol­gers Un­ter­stüt­zung ge­hofft. Aber der hat­te zur­zeit wirk­lich an­de­re Pro­ble­me. Also schluck­te er sei­ne ei­ge­nen hin­un­ter. Er nahm Hol­gers Be­stel­lung aus der Ca­fe­te­ria auf und kam kur­ze Zeit spä­ter mit ei­nem Ta­blett zu­rück, das er vor Hol­ger auf den Tisch stell­te. »Ber­li­ner Bal­len und Kaf­fee mit viel Zu­cker, rich­tig?«

»Ge­nau rich­tig! Dan­ke mein Freund!«, freu­te sich Jo­han­nas Part­ner. »Und jetzt er­zähl mal. Was gibt es Neu­es auf der Wa­che? Mei­ne Kol­le­gen las­sen mich hier ganz schön auf dem Tro­ckenen sit­zen.«

»Das glau­be ich dir so­fort. Du wür­dest dich ja auch aus pu­rer Lan­ge­wei­le her­aus wahr­schein­lich über­all und un­ge­fragt ein­mi­schen«, grins­te Da­ni­el. »Aber ich muss dich ent­täu­schen, bis auf ein paar Ein­brü­che ist zur­zeit glü­ck­li­cher­wei­se nicht so viel los. Es sei denn …« sin­nier­te er.

»Es sei denn was?«, woll­te Hol­ger ge­spannt wis­sen und setz­te sich mit leicht ver­zerr­tem Ge­sicht auf­recht.

 

»Es sei denn, Jo­han­na ver­schweigt mir et­was!«

3.

 

Er hat­te ver­sucht, sich sei­nen Schmerz nicht all­zu sehr an­mer­ken zu las­sen.

Auf kei­nen Fall woll­te er, dass Da­ni­el nach sei­nem Be­such nach Hau­se fuhr und Jo­han­na brüh­warm da­von be­rich­te­te, wie schlecht es ih­rem Kol­le­gen of­fen­sicht­lich noch im­mer ging und es mit Si­cher­heit noch län­ger als die bis­her ver­an­schlag­ten drei Mo­na­te dau­ern wür­de, bis er wie­der ein­setz­bar war.

Wenn das über­haupt je­mals wie­der der Fall sein soll­te. Er wuss­te es nicht.

Als sich die Wun­de nach zwei Mo­na­ten der­art ent­zün­det hat­te, war er ge­zwun­gen wor­den, die The­ra­pie in der or­tho­pä­di­schen Ab­tei­lung der Re­ha­kli­nik in Bad Ber­le­burg aus­zu­set­zen, bis die Ent­zün­dung den Kör­per wie­der ver­las­sen hat­te. Und das hat­te ge­dau­ert.

Hät­te er Mar­ti­na nicht an sei­ner Sei­te ge­habt, er wüss­te nicht, wie er die Zeit über­stan­den hät­te. Und das, nach­dem er sei­ner Frau ziem­lich übel mit­ge­spielt hat­te. Doch sie hat­te ihm ver­zie­hen und das rech­ne­te er ihr hoch an.

Sie hat­ten sich wie­der zu­sam­men­ge­rauft und so oft es ging, Zeit mit­ein­an­der ver­bracht – so­gar in der Kü­che. Im Kar­tof­fel­schä­len war er mitt­ler­wei­le Welt­meis­ter.

Mit­ten im Herbst hat­ten sie einen zwei­ten Früh­ling er­le­ben dür­fen und da­für war er un­glaub­lich dank­bar.

 

Jetzt war er zu­rück. Man hat­te ihm das­sel­be Zim­mer ge­ge­ben. Das ein­zig Gute, das er sei­nem ka­put­ten Ober­schen­kel ab­ge­win­nen konn­te, war, dass er ihm jede Mög­lich­keit ge­nom­men hat­te, wei­ter sei­ner Spiel­sucht nach­zu­ge­hen. Der Auf­ent­halt in Bad Ber­le­burg war nicht nur zu ei­ner The­ra­pie für sein Bein, son­dern auch für sei­ne in­ne­re Stär­ke, sei­ne Aus­ge­gli­chen­heit und Wil­lens­kraft ge­wor­den.

Er woll­te Mar­ti­na be­wei­sen, dass er wie­der ein sta­bi­ler und ehr­li­cher Mann ge­wor­den war, auf den sie sich zu ein­hun­dert Pro­zent ver­las­sen konn­te – wenn auch lei­der noch nicht kör­per­lich.

Viel­leicht hat­te ihre Mil­de auch et­was da­mit zu tun, dass er bei sei­nem letz­ten Ein­satz schwer ver­wun­det ins Kran­ken­haus ein­ge­lie­fert wor­den war und bis heu­te nicht fest­stand, ob er je­mals wie­der mit Jo­han­na auf Ver­bre­cher­jagd ge­hen wür­de. Wenn es schlimm kam, wür­de er sei­ne letz­ten Dienst­jah­re ein­ge­pfercht hin­ter ei­nem Schreib­tisch auf der Wa­che in Wei­denau ver­brin­gen müs­sen.

Mar­ti­na schien durch die Ku­gel, die ihn ge­trof­fen hat­te, be­wusst ge­wor­den zu sein, wie schnell sich das Le­ben än­dern konn­te.

Wo­mit habe ich eine Frau wie Mar­ti­na bloß ver­dient?, frag­teer sich nach je­dem Te­le­fonat und je­dem Be­such.

Die Ärz­te hat­ten ihm zu­ge­sagt, dass er in drei Wo­chen ent­las­sen wer­den könn­te, soll­te er wei­ter­hin so gut mit­a­r­bei­ten. Er wür­de al­les da­für ge­ben, an Weih­nach­ten zu Hau­se zu sein. Viel­leicht kä­men auch Jo­han­na und Da­ni­el an ei­nem der Fei­er­ta­ge bei ih­nen vor­bei.

Das war zu sei­ner Mo­ti­va­ti­on ge­wor­den, die ihn an­trieb, flei­ßig sei­ne Übun­gen zu ma­chen: Weih­nach­ten zu Hau­se im Krei­se sei­ner Lie­ben zu fei­ern.

Das war auch der Grund, war­um er es sich nicht hat­te neh­men las­sen, Da­ni­el nach ih­rem Plau­der­stünd­chen bis zum Aus­gang zu be­glei­ten. Er muss­te und er woll­te sei­ne Mus­ku­la­tur trai­nie­ren.

Über den Be­such hat­te er sich sehr ge­freut und wuss­te es zu schät­zen, dass sich Da­ni­el ex­tra für ihn auf den Weg ins idyl­li­sche Witt­gen­stein ge­macht hat­te.

Zum Ab­schied hat­te er al­ler­dings sei­ne Lei­dens­mie­ne auf­ge­setzt, für die er lan­ge ge­übt hat­te und die er ei­gent­lich nur auf­setz­te, um den Schwes­tern nach­mit­tags ein zwei­tes Stü­ck­chen Ku­chen ab­zu­luch­sen.

Doch glü­ck­li­cher­wei­se hat­te sie auch bei sei­nem Freund Da­ni­el Wir­kung ge­zeigt. Er hat­te es tat­säch­lich ge­schafft, ihm das Ver­spre­chen ab­zu­rin­gen, ihn so­fort zu un­ter­rich­ten, so­bald er von Jo­han­na Neu­ig­kei­ten über sei­ne ge­lieb­te Wei­denau­er Po­li­zei­wa­che er­fuhr.

 

Zu­frie­den woll­te er sich ge­ra­de um­dre­hen und auf den Weg zu­rück in sein Zim­mer ma­chen, als er aus dem Au­gen­win­kel her­aus ein jun­ges Mäd­chen be­ob­ach­te­te, das in Jog­ging­ho­se und Sweatshirt vorm Ein­gang in der Ei­ses­käl­te stand und eine Zi­ga­ret­te rauch­te.

Sie wird sich noch den Tod ho­len, dach­te er und hum­pel­te mit sei­nem Rol­la­tor lang­sam auf den Aus­gang zu. Als sich die au­to­ma­ti­sche Ein­gangs­tür öff­ne­te, durch­fuhr ihn ein hef­ti­ger Käl­te­schau­er, ge­folgt von ei­nem tie­fen Schmerz, der wie der Biss ei­nes Raub­tie­res in sei­nen Ober­schen­kel zog. Die Käl­te schien sei­ner Ver­let­zung nicht gut zu tun. Er biss die Zäh­ne auf­ein­an­der und rief dem Mäd­chen zu:      »Hey, wol­len Sie nicht lie­ber rein­kom­men? Sonst müs­sen Sie bald we­gen Lun­gen­ent­zün­dung ins Akut­kran­ken­haus ver­legt wer­den und das wäre doch bit­ter scha­de.«

Das Mäd­chen sah ihn lan­ge an und sag­te kein Wort. Dann nahm sie einen letz­ten tie­fen Zug, drück­te die Zi­ga­ret­te im Sand des Aschen­be­chers aus und lief zi­schend an ihm vor­bei:

 

»Was ist das denn bit­te für eine blö­de An­ma­che, du al­ter Sack!«

4.

 

»Nein, nicht, bit­te nicht! Neh­men Sie mich, aber nicht mein Kind! Bit­te! Ich tue al­les was Sie wol­len, aber neh­men Sie mir mein Kind nicht weg!«, schrie sie ver­zwei­felt und ver­such­te sich mit dem Kin­der­wa­gen an den bei­den Män­nern vor­bei­zu­schlän­geln, die sich ihr in den Weg ge­stellt hat­ten. In die an­de­re Rich­tung zu flie­hen war kei­ne Op­ti­on. Das hat­te sie über­prüft. Auch dort stan­den zwei fins­te­re Ty­pen und blo­ckier­ten hin­ter ihr den Wan­der­weg. Schritt für Schritt ka­men sie be­droh­lich nä­her.

Sie war um­zin­gelt. Mit Zwei­en fer­tig zu wer­den, das hät­te sie sich viel­leicht noch zu­ge­traut. Sie hat­te viel trai­niert und fühl­te sich der Män­ner­welt kei­nes­wegs un­ter­le­gen. Doch gleich vier von die­sem Ka­li­ber, da hat­te sie kei­ne Chan­ce. Vor­sich­tig nahm sie Karl aus dem Kin­der­wa­gen und press­te ihn an sich. Sie ver­such­te alle Op­ti­o­nen ab­zu­wä­gen, ver­such­te, sich auf das We­sent­li­che zu kon­zen­trie­ren, so, wie sie es in den vie­len Pra­xis­ein­hei­ten ge­lernt hat­te.

Was ist das klei­ne­re Übel?, frag­te sie sich. Sie fand kei­ne Ant­wort. Je­des Sze­na­rio, das sie sich in Se­kun­den­schnel­le aus­mal­te, war grau­sam. Ent­we­der, sie nah­men sie mit und lie­ßen Karl dort lie­gen. Wenn er Glück hat­te, wür­de er von ei­nem Spa­zier­gän­ger ge­fun­den, be­vor er er­fro­ren war.

Die Al­ter­na­ti­ve war, dass die Män­ner sie bei­de mit­nah­men. Aber so konn­te sie we­nigs­tens in Ka­rls Nähe sein und hät­te et­was Zeit ge­won­nen, um sich einen Flucht­plan aus­zu­den­ken.

Die drit­te Op­ti­on war die Schlimms­te: Sie neh­men Karl mit und ma­chen mich vor­her un­schäd­lich. Dann wür­de ich mein Kind wahr­schein­lich nie wie­der­se­hen.

Sie spür­te, wie die bei­den Män­ner hin­ter ihr Stück für Stück nä­her rück­ten. Gleich wä­ren sie bei ihr.

Mein Kind gebe ich nicht her! Sie ver­such­te, sich aus ih­rer Schock­star­re zu lö­sen. Ver­such­te nach­zu­den­ken.

Zwei vor ihr, zwei hin­ter ihr – rechts von ihr die Tal­sper­re, links der Wald. Der Wald! Das war die Lö­sung …

»Bit­te! Ich gebe auf! Hier, neh­men Sie das Kind, aber bit­te tun Sie mir nichts!«, schluchz­te sie fle­hend und hielt ih­nen Karl ent­ge­gen.

Die Män­ner sa­hen sich breit grin­send an. Sie hat­ten sie ge­bro­chen. Die Frau hat­te auf­ge­ge­ben.

Doch da kann­ten sie Jo­han­na Daub schlecht. Die Lie­be ei­ner Mut­ter zu ih­rem Kind setz­te un­ge­ahn­te Kräf­te frei. Sie wür­de nie­mals auf­ge­ben. Sie wür­de wie eine Lö­win um ihr Kind kämp­fen. Sol­len sie doch den­ken, dass ich leich­te Beu­te für sie bin.

Er­leich­tert be­merk­te sie, dass sich die An­span­nung der vier Ge­stal­ten ge­löst hat­te und ihre Tak­tik schein­bar auf­ge­gan­gen war. Lä­chelnd und sie­ges­si­cher schlen­der­ten die Män­ner auf sie zu. Noch fünf Me­ter und sie hät­ten sie er­reicht.

Jo­han­na nutz­te das Über­ra­schungs­mo­ment. Nun war sie es, die all ihre Mus­keln an­spann­te und hoch­kon­zen­triert agier­te. Das hat­te sie die­sen schwer­fäl­li­gen Mus­kel­prot­zen vor­aus. Sie war ge­schult, sie war schnell und … sie hat­te et­was zu ver­lie­ren.

Karl lag mucks­mäus­chen­still in ih­ren Ar­men und schlief. Die­ses Glück wür­de sie nie­mals her­ge­ben. Da­für wür­de sie kämp­fen. Da­für wür­de sie lau­fen, so lang und so­weit sie ihre Kräf­te tra­gen wür­den.

Und dann spur­te­te sie los. Karl fest an sich ge­presst, rann­te sie in den Wald. Sie rann­te und rann­te bis ihre Lun­gen­flü­gel zu plat­zen schie­nen.

Ich kann nicht mehr! Ver­zweif­lung mach­te sich in ihr breit und schien sie zu über­man­nen. Nein! Reiß dich zu­sam­men, du musst wei­ter!

Doch nach wei­te­ren fünf­hun­dert Me­tern ver­lie­ßen sie ihre Kräf­te.Vol­ler Pa­nik dreh­te sie sich su­chend nach ih­ren Ver­fol­gern um. Sie konn­tenie­man­denent­de­cken. Gut so! Schnell ver­steck­te sie sich hin­ter dem di­cken Stamm ei­ner Ei­che und hock­te sich auf den Bo­den. Nur kurz – nur so lan­ge, bis ich wie­der et­was Luft be­kom­me.

Sie muss­te Karl ab­le­gen, um ihre Arme aus­zu­schüt­teln. Ge­ra­de woll­te sie ihn wie­der hoch­neh­men und sich auf­rich­ten, als sie eine kal­te Hand in ih­rem Nacken spür­te.

»Ich hab sie!«, rief ei­ner der Män­ner tri­um­phie­rend. »Und jetzt her mit dem Kind!«

»Nein, nee­e­e­ein!«, schrie sie und fuch­tel­te wild um sich. »Los­las­sen! Lass mich so­fort los!«

 

»Aua! Jo­han­na, wach end­lich auf! Du tust mir weh!«

5.

 

Schweiß­ge­ba­det wach­te Jo­han­na ne­ben Da­ni­el auf. Völ­lig ori­en­tie­rungs­los brauch­te sie einen lan­gen Mo­ment, um zu re­a­li­sie­ren, wo sie sich be­fand. Sie hat­te ge­träumt! Konn­te das sein? Der Traum war so un­fass­bar real ge­we­sen. Vor­sich­tig strich sie sich über ih­ren Bauch.

»Karl!«, flüs­ter­te sie lei­se.

Da­ni­el reich­te ihr ein Ta­schen­tuch und nahm sie fest in den Arm, wäh­rend sie sich die Trä­nen ab­wisch­te.

»Hey Jo, du zit­terst ja am gan­zen Leib. Was ist los? Was hast du ge­träumt? Und wer ist Karl?«, frag­te Da­ni­el be­sorgt und strich ihr eine Sträh­ne aus dem er­hitz­ten Ge­sicht.

»Ich, äh, nichts, ich habe wirk­lich nur schlecht ge­träumt. Mach dir kei­ne Sor­gen, es ist al­les gut!«

Ihr war klar, dass Da­ni­el die­se Ant­wort nicht auf sich be­ru­hen las­sen wür­de. Den­noch hat­te sie ge­hofft, er hät­te das Licht aus­ge­schal­tet und sich wie­der auf sei­ne Sei­te ge­dreht, wenn sie zu­rück aus dem Ba­de­zim­mer käme.

So­bald sie Da­ni­el er­zähl­te hät­te, dass sie von der Ent­füh­rung ih­res und sei­nes Ba­bys ge­träumt hat­te, er wür­de so­fort dar­auf be­ste­hen, dass sie mor­gen früh als ers­tes ih­ren Chef dar­über in­for­mier­te, dass sie ein Kind er­war­te­te.

Und das wäre das Ende ih­rer Kar­rie­re!

Nein, Achen­bach muss noch et­was war­ten. Zu­min­dest so lan­ge, bis ich die­sen Fall ge­löst habe.

Sie muss­te nur ver­su­chen, pro­fes­si­o­nel­ler mit der Si­tua­ti­on um­zu­ge­hen und ihn nicht zu sehr an sich her­an­zu­las­sen. Da­ni­el wür­de sich si­cher nicht noch ein­mal von sei­ner träu­men­den Freun­din im Schlaf ein blau­es Auge ver­pas­sen las­sen.

»Jo, komm her, jetzt er­zähl schon!«, wur­de sie war­tend von ihm emp­fan­gen. Ich wuss­te es!

Er hat­te die De­cke für sie auf­ge­schla­gen und sie war zu ihm ins Bett ge­krab­belt. Sie sehn­te sich nach sei­nen be­schüt­zen­den Ar­men um ih­ren noch im­mer zit­tern­den Kör­per. Dank­bar schmieg­te sie sich an ihn.

 

»Das er­zäh­le ich dir mor­gen, mein Schatz, ver­spro­chen!«

6.

 

Als Da­ni­el am Mor­gen wach wur­de, war Jo­han­na schon längst ver­schwun­den.

War ja klar, dach­te er mit ei­ner Mi­schung aus Be­sorg­nis und Ver­ständ­nis. Sie hat­te kei­ne Lust mit ihm über den Traum der letz­ten Nacht zu re­den. Da­ni­el war sich si­cher, dass er et­was mit ei­nem ak­tu­el­len Fall zu tun hat­te, und das be­rei­te­te ihm Un­be­ha­gen.

Of­fi­zi­ell durf­te Jo so­wie­so nichts über ihre Po­li­zei­a­r­beit er­zäh­len, in­of­fi­zi­ell aber hat­te sie ihn im­mer mit ein­be­zo­gen. Sei­ne Mei­nung war ihr wich­tig ge­we­sen. Sie hat­te ihm ver­traut. Und au­ßer­dem – ohne ihn wäre ihr letz­ter Fall ganz si­cher an­ders aus­ge­gan­gen.

Es muss­te einen Grund da­für ge­ben, war­um sie ihn die­ses Mal au­ßen vor­ließ. Er mach­te sich Sor­gen. Erst recht, als er rü­ber ins Ba­de­zim­mer ging und den rie­si­gen Berg an schmut­zi­ger Wä­sche be­trach­te­te, der vor der Wasch­ma­schi­ne lag. Jo­han­na mach­te Sport. Viel Sport! Je­des Mal, wenn sie et­was um­trieb, fing sie an zu ren­nen. Sie rann­te um die Ober­nau, um die Sieg-Are­na, rann­te im Tier­gar­ten … sie rann­te ih­ren Sor­gen da­von. Das ver­such­te sie je­den­falls. Das war ihre The­ra­pie.

 

Aber jetzt war sie schwan­ger und er war sich ganz und gar nicht si­cher, ob es für Mut­ter und Kind ge­sund war, wenn sich Jo­han­na der­art aus­po­w­er­te. Dazu ka­men ihre un­ru­hi­gen Näch­te. Der Alb­traum der letz­ten Nacht be­stä­tig­te nur sei­ne Ver­mu­tung, dass sich sei­ne Le­bens­ge­fähr­tin wie­der in einen Fall ver­bis­sen hat­te, von dem sie ihm nichts er­zäh­len woll­te. Aber war­um?

Nach­denk­lich knöpf­te er sein hell­blau­es Hemd zu und steck­te es in sei­ne An­zugs­ho­se. Er ging in die of­fe­ne Wohn­kü­che, stell­te die Kaf­fee­ma­schi­ne an und sah zu, wie sein Le­bens­eli­xier lang­sam in die Tas­se tropf­te.

An der Fens­ter­schei­be hin­gen klei­ne Eis­kris­tal­le und bil­de­ten ein fun­keln­des Kunst­werk. Es war kalt. Die Son­ne kam hin­ter dem Berg her­vor. Es wür­de ein schö­ner Tag wer­den. Zu­min­dest für vie­le Sie­ger­län­der, die es an sei­ner Woh­nung vor­bei an die Ober­nau zie­hen wür­de. So­lan­ge es nicht ge­schneit hat­te und die Wege nicht ver­eist wa­ren, war die Tal­sper­re ein per­fek­tes Aus­flugs­ziel für kal­te Win­ter­ta­ge – und für Jo­han­na die per­fek­te Lauf­stre­cke.

Und da­mit war er wie­der beim The­ma. Jo­han­na hat­te Spät­dienst und da sie kei­nen Zet­tel für ihn hin­ter­las­sen hat­te, schien sie ge­ra­de da­bei zu sein, ih­ren Traum der letz­ten Nacht mit ei­ner schnel­len Run­de um die Tal­sper­re weg­zu­trai­nie­ren. Das war nicht gut!

Da­ni­el nahm den Kaf­fee und setz­te sich an den Ess­tisch. Er woll­te sich ab­len­ken. Also klapp­te er sein Ta­blet auf, öff­ne­te die App der Sie­ge­ner Zei­tung und be­gann sie zu über­flie­gen. Den Wirt­schafts­teil hat­te er schnell ge­le­sen. Nichts Wich­ti­ges, was für sei­ne Ar­beit als Lei­ter der Kre­di­t­ab­tei­lung in der Sie­ge­ner Stadt­bank von Be­lang wäre.

Er wisch­te mit sei­nem Zei­ge­fin­ger auf die nächs­te Sei­te und sah sich ei­nem klei­nen Jun­gen ge­gen­über, der fröh­lich in ei­nem FC-Bay­ern-Tri­kot in die Ka­me­ra lä­chel­te. Die Über­schrift, die in gro­ßen Let­tern über dem Foto prang­te, ließ ihn al­ler­dings in­ne­hal­ten. Sie pass­te so ganz und gar nicht zu der hei­te­ren Stim­mung, die der Jun­ge ausstrahl­te:

 

»Sie­ben­jäh­ri­ger Karl in Wil­gers­dorf ver­misst!«

7.

 

»Hat­test du mir nicht ver­spro­chen, mich so­fort zu in­for­mie­ren, so­bald es einen span­nen­den Fall gibt?«, pol­ter­te Hol­ger ins Te­le­fon. Auf eine freund­li­che Be­grü­ßung hat­te er be­wusst ver­zich­tet. Ihm war nicht da­nach. Er hat­te schlech­te Lau­ne und da kam ihm Da­ni­el als Blitz­ab­lei­ter ge­ra­de recht.

Noch im­mer hat­te er nicht ver­daut, als ‚al­ter Sack‘ be­zeich­net wor­den zu sein. Das hat­te ihn schwer ge­trof­fen. Das Mäd­chen hät­te sich drau­ßen den Tod ge­holt, recht-fer­tig­te er sich vor sich selbst. Kein Grund, di­rekt so un­ver­schämt zu wer­den!

An­schei­nend aber hat­te er ver­ges­sen, dass er als ganz nor­ma­ler Pa­ti­ent in Jog­ging­ho­se und mit Rol­la­tor eine an­de­re Fi­gur ab­gab, als er es als Kri­mi­nal­haupt­kom­mis­sar mit Dienst­waf­fe und Aus­weis wäh­rend der Ar­beit tat.

Er hat­te nur nett sein wol­len. Doch der Schuss war ge­hö­rig nach hin­ten los­ge­gan­gen. Ich bin nun wirk­lich der Letz­te, der eine Sech­zehn­jäh­ri­ge an­ma­chen wür­de, är­ger­te er sich. Viel­leicht war sie auch vier­zehn oder zwan­zig. Die­se jun­gen Din­ger konn­te man heut­zu­ta­ge ja nicht mehr ein­schät­zen.

Er hat­te am Abend noch lan­ge dar­über ge­grü­belt, ob er sich bei ihr ent­schul­di­gen soll­te, war aber zu der Er­kennt­nis ge­kom­men, dass er sich nichts hat­te zu Schul­den kom­men las­sen.

Aber dass sie ihn als al­ten Sack be­ti­telt hat­te, das wür­de er so schnell nicht ver­ges­sen.

Im Spei­se­saal hat­te sie sich beim Früh­stück de­mon­s­tra­tiv mit dem Rü­cken zu ihm hin­ge­setzt – oder hat­te er sich das nur ein­ge­bil­det?

Viel­leicht soll­te ich das Miss­ver­ständ­nis doch auf­klä­ren. Schließ­lich sind wir heu­te Nach­mit­tag wie­der zu­sam­men in der Phy­sio­the­ra­pie-Grup­pe.

Er hat­te ge­ra­de zu ihr ge­hen wol­len, als er auf dem Tisch ne­ben ihr eine auf­ge­schla­ge­ne Zei­tung ent­deck­te.

Ver­ges­sen war das Mäd­chen und sei­ne Ent­schul­di­gung. Statt­des­sen hat­te er sich die Sie­ge­ner Zei­tung ge­schnappt und war wü­tend auf sein Zim­mer ge­gan­gen.

 

»Also, was ist? Hast du mir nichts zu sa­gen?«, woll­te Hol­ger un­ge­dul­dig von Da­ni­el wis­sen. Es war ihm egal, dass er ihn mit sei­nem An­ruf wahr­schein­lich beim Früh­stück stör­te. »Ihr lasst mich wohl ex­tra hier ver­sau­ern. Hat Jo­han­na dir ge­sagt, dass du mir nichts er­zäh­len sollst?«

Es herrsch­te Schwei­gen in der Lei­tung.

»Hal­lo? Gibst du mir mal eine Ant­wort?«, for­der­te er.

»Sie hat mir nichts er­zählt«, drang es lei­se zu ihm durchs Te­le­fon. »Ich weiß es auch erst durch die Zei­tung.«

»Oh!« Mehr fiel Hol­ger nicht dazu ein. »Das wuss­te ich nicht. Sor­ry!«

»Tja, wie konn­test du das auch wis­sen. Es wäre doch wohl nor­mal ge­we­sen, wenn Jo­han­na zu­min­dest er­wähnt hät­te, dass sie ge­ra­de am Fall ei­nes ver­miss­ten Jun­gen ar­bei­tet, oder sehe ich das falsch? Hol­ger, war­um sagt sie mir nichts?«

»Hor­mo­ne!« Mehr fiel ihm auf die Schnel­le nicht ein.

»Ach, so ein Un­sinn! Hör mir auf mit die­sen Hor­mo­nen! Sie liegt nachts ne­ben mir, hat Alb­träu­me und ruft da­bei den Na­men ‚Karl‘, und hält es nicht für nö­tig, mich ein­zu­wei­hen?« Hol­ger konn­te sei­ne Ent­täu­schung ver­ste­hen. »Hät­te ich heu­te Mor­gen nicht zu­fäl­lig in der Zei­tung von dem ver­miss­ten Jun­gen aus Wil­gers­dorf ge­le­sen, wüss­te ich bis jetzt noch nicht, was Jo­han­na der­art auf­wühlt.«

Wäh­rend Da­ni­el im Re­de­fluss ge­we­sen war, hat­te Hol­ger et­was Zeit ge­habt nach ei­ner Er­klä­rung zu su­chen.

»Kannst du ihr das denn ver­übeln? Sie ist schwan­ger. Sie er­war­tet ein Kind und dann wird sie zu ei­ner Fa­mi­lie ge­ru­fen, de­ren Sohn ver­misst wird. Da­ni­el, du hast kei­ne Vor­stel­lung da­von, was es mit ei­nem macht, wenn man ei­ner wei­nen­den Mut­ter ge­gen­über­steht, die um ihr Kind bangt.«

»Nein, das weiß ich nicht«, gab Da­ni­el ehr­lich zu. »Aber du hast den Ar­ti­kel nicht rich­tig ge­le­sen. Es gibt kei­ne wei­nen­de Mut­ter. Karl scheint aus ei­nem Kin­der­heim ver­schwun­den zu sein«, wur­de er auf­ge­klärt. »Und all das er­fah­re ich nicht von Jo­han­na, son­dern aus der Sie­ge­ner Zei­tung. Das ist doch nicht zu fas­sen.«

»Gib ihr et­was Zeit. Sie wird es noch ler­nen. Bis­her muss­te sie im­mer al­les mit sich al­lein aus­ma­chen. Jo­han­na ist es nicht ge­wohnt, Schwä­che zu zei­gen. Ge­ra­de als Frau in un­se­rem Be­ruf«, nahm Hol­ger sei­ne Part­ne­rin in Schutz. »Und wenn ich dir einen Tipp ge­ben darf – du soll­test sie nicht be­drän­gen.«

»Ja, ja, schon klar!«, hör­te er Da­ni­els halb­her­zi­ge Ant­wort.

Ar­mer Da­ni­el. Hol­ger ar­bei­te­te jetzt schon vie­le Jah­re mit Jo­han­na an sei­ner Sei­te und kann­te ihre Ar­beits­wei­se. Sie war eine gute Kom­mis­sa­rin. Mit ih­ren lan­gen ro­ten Lo­cken, ih­ren fun­keln­den grü­nen und stets wach­sa­men Au­gen hat­te sie ihn schnell in den Bann ge­zo­gen. Aber nicht zu­letzt auch des­halb, weil sie sich täg­lich ge­gen ihre männ­li­chen Kol­le­gen be­haup­te­te, ohne da­bei die ‚Frau­en­kar­te‘ aus­zu­spie­len. Sie ar­bei­te­te schlicht­weg bes­ser als so manch an­de­rer und hat­te sich da­für den neid­lo­sen Re­spekt fast al­ler auf der Wa­che ver­dient.

Hol­ger konn­te nur ver­mu­ten, war­um es sei­ner Part­ne­rin of­fen­bar mit die­sem Fall so schlecht ging: Sie hat­te es wie­der ge­tan. Schon zwei­mal hat­te er mit­er­lebt, wie Jo­han­na den An­ge­hö­ri­gen ei­nes Op­fers ein Ver­spre­chen ge­ge­ben hat­te. Ge­ra­de das nicht zu tun, lern­te man in ei­ner der ers­ten Psy­cho­lo­gie-Stun­den in der Aus­bil­dung.

Da­mit wur­de ein Fall auf eine per­sön­li­che Ebe­ne ge­ho­ben und das soll­te man tun­lichst ver­mei­den. »Ich wer­de auf­pas­sen, dass Ih­nen nichts ge­schieht«, hat­te sie Sa­rah Ja­kobs ver­spro­chen, die von ei­nem Stal­ker be­droht wor­den war. »Ich wer­de den Tä­ter fin­den«, wa­ren ihre Wor­te zu ei­nem Bräu­ti­gam ge­we­sen, des­sen Frau mit ei­nem Mes­ser in der Brust und ei­ner tä­to­wier­ten Kro­ne im Nacken auf­ge­fun­den wor­den war.

Na­tür­lich hat­te sie al­les dar­an­ge­setzt, die­se Ver­spre­chen zu hal­ten, auch wenn sie das an den Rand ih­rer Kräf­te ge­bracht hat­te.

Wie ihr Ver­spre­chen die­ses Mal aus­ge­se­hen hat­te, konn­te er an drei Fin­gern ab­zäh­len: »Ich wer­de Karl fin­den!« Nur, dass es die­ses Mal kein An­ge­hö­ri­ger war, dem sie die­ses Ver­spre­chen ge­ge­ben hat­te, son­dern wahr­schein­lich der Heim­lei­tung, dem Be­treu­er oder den an­de­ren Heim­kin­dern. Ob es das bes­ser mach­te?

So war Jo­han­na. Auch wenn er je­des Mal mit ihr ge­schimpft hat­te, so wa­ren es doch ihr un­bän­di­ger Ehr­geiz und ihre Sehn­sucht nach Ge­rech­tig­keit, die ihm im­po­niert hat­te.

Er glaub­te, sie zu ver­ste­hen. Sie ver­such­te die Tat­sa­che, dass sie ein Baby er­war­te­te, wäh­rend ih­rer Ar­beits­zeit aus­zu­blen­den und volls­ten Ein­satz für den Fall zu ge­ben.

Aber nachts, dann, wenn sie ei­gent­lich zur Ruhe kom­men soll­te, konn­te sie die­se Tat­sa­che nicht igno­rie­ren. Es über­kam sie das Ge­fühl von ei­nem her­an­wach­sen­den Glück, mit dem sie noch nicht um­zu­ge­hen wuss­te.

Das Zu­sam­men­tref­fen die­ser bei­den Ge­fühls­wel­ten be­scher­te ihr die­se Alb­träu­me.

Hol­ger re­gis­trier­te über­rascht, wie sehr ihn die Zeit in der Reha ver­än­dert hat­te. Zu sol­chen Ana­ly­sen der weib­li­chen Psy­che wäre er frü­her nie­mals fä­hig ge­we­sen.

»Da­ni­el, hab Ge­duld!«, emp­fahl er sei­nem Freund. »Und tu nichts Un­über­leg­tes!« Eine bes­se­re Lö­sung hat­te er nicht.

Es herrsch­te Schwei­gen in der Lei­tung bis Da­ni­el ant­wor­te­te: »Dan­ke für dein Zu­hö­ren, Hol­ger, aber so kann das nicht wei­ter­ge­hen. Ich wer­de mit Jo­han­nas Chef spre­chen.«

»Bit­te, tu das nicht – die­sen Ver­trau­ens­bruch wird sie dir nie­mals ver­zei­hen!«

8.

 

»Darf ich denn we­nigs­tens noch zu Ende früh­stü­cken?«, schimpf­te Eber­hard Stra­cke. »Schließ­lich habe ich ein Hei­den­geld für die­ses Wo­chen­en­de aus­ge­ge­ben. Da darf ich doch wohl noch in Ruhe mei­nen Obst­tel­ler zu Ende es­sen und das Glas Sekt aus­trin­ken!«

Mecht­hild hat­te ihn wo­chen­lang be­drängt, bis er schließ­lich nach­ge­ge­ben und sei­ner Frau drei Über­nach­tun­gen in ei­nem ex­klu­si­ven Fünf-Ster­ne-Ho­tel ge­schenkt hat­te, das in ei­nem klei­nen Dorf na­mens Volk­holz lag. Die­ses ab­ge­le­ge­ne Ört­chen ge­hör­te zur Stadt Bad Laas­phe, die wie­der­um im Witt­gen­stei­ner Land lag.

Er selbst mach­te sich nichts aus der An­zahl der Ster­ne. Vier Stück hät­ten es für ihn al­le­mal ge­tan. Doch als er ges­tern Abend mit Mecht­hild in die warm er­leuch­te­te Ein­fahrt zum Ho­tel ein­ge­bo­gen war, war auch er über­wäl­tigt ge­we­sen.

Über­all fun­kel­ten Lich­ter­ket­ten an Bü­schen und Bäu­men. Ein röh­ren­der Hirsch vor dem Haup­t­ein­gang wur­de rot an­ge­strahlt, Weih­nachts­ku­geln in Hül­le und Fül­le wa­ren in der Lob­by auf fast zwei Me­ter ho­hen Eta­ge­ren dra­piert wor­den.

Im Ka­min brann­te ein hei­me­li­ges Feu­er. Gäs­te sa­ßen mit ei­nem Ape­ri­tif in der Hand in ge­müt­li­chen Oh­ren­ses­seln und sa­hen zu­frie­den zu, wie die Flam­men zwi­schen den Holz­schei­ten zün­gel­ten und eine woh­li­ge Wär­me ver­brei­te­ten.

Mecht­hild hat­te sei­ne Hand fest ge­drückt und mit ih­ren Lip­pen ein stil­les ‚Dan­ke‘ ge­formt. Das hat­te es lan­ge nicht mehr ge­ge­ben.

 

Nach ei­ner kur­z­en Nacht – sie hat­ten noch län­ger an der Bar ge­ses­sen und sich mit ei­nem an­de­ren Ehe­paar un­ter­hal­ten – sa­ßen sie nun ge­mein­sam an ei­nem schön ge­deck­ten Tisch und ge­nos­sen das von ihm ge­buch­te Gour­met-Früh­stück, das kei­ne Wün­sche of­fen­ließ. Mecht­hild war eine schnel­le­re Es­se­rin als er und scharr­te un­ter dem Tisch schon wie­der ge­hö­rig mit den Hu­fen.

 

Die klei­nen Lä­den in der ge­müt­li­chen Shop­ping-Ar­ka­de hat­te sie schon am Abend ih­rer An­kunft durch­fors­tet, wäh­rend er sich um den Check-In ge­küm­mert hat­te. Jetzt brann­te sie dar­auf, ihm – und sei­ner Kre­dit­kar­te – ihre Ent­de­ckun­gen zu zei­gen. Er ahn­te, dass es teu­er für ihn wer­den wür­de.

Und auch, wenn ihm mit über sieb­zig die Knie oft schmerz­ten, so hat­te er den­noch zu­ge­stimmt, mit Mecht­hild eine Win­ter­wan­de­rung von Volk­holz nach Feu­din­gen zu ma­chen, da­mit sie ihre neu er­wor­be­ne Win­ter­ja­cke ent­spre­chend aus­füh­ren konn­te. Sie hat­te sich in den Kopf ge­setzt, in Feu­din­gen eine Kir­che zu be­su­chen, die in der Mit­te des drei­zehn­ten Jahr­hun­derts er­baut wor­den sein und eine se­hens­wer­te Or­gel be­hei­ma­ten soll­te.

Dass die evan­ge­li­schen Kir­chen in der Re­gel für Tou­ris­ten nicht ge­öff­net sind, ver­kniff er sich, sonst käme sei­ne Frau noch auf die Idee, eine an­de­re Tour aus­zu­su­chen, die wo­mög­lich bei Wei­tem län­ger war als die ge­plan­ten fünf Ki­lo­me­ter.

Drau­ßen war es klir­rend kalt. Zum Glück hat­te er dar­an ge­dacht, sei­nen Hut und die Hand­schu­he ein­zu­pa­cken. Mecht­hild hat­te sich von ihm, pas­send zur neu­en Ja­cke, ein Set, be­ste­hend aus Schal, Müt­ze und Hand­schu­hen, kau­fen las­sen und lief nun gut ge­launt vor ihm her.

Der Wan­der­weg war be­ein­dru­ckend. Das muss­te er ihr las­sen. Der Blick von der Höhe hin­ab ins Tal und nach Feu­din­gen hin­über war fas­zi­nie­rend. Fel­der und Wäl­der so­weit das Auge reich­te. Der Rau­reif war von der Son­ne noch nicht ganz ver­trie­ben wor­den, so­dass die Wie­sen um sie her­um fun­kel­ten, als sei­en sie mit Tau­sen­den von Di­a­man­ten be­setzt.

In der Fer­ne konn­te er den Kirch­turm se­hen. Die Kir­che wirk­te un­spek­ta­ku­lär und war ganz si­cher kei­ne Wan­de­rung wert. Er moch­te die ka­tho­li­schen Ka­pel­len und Kir­chen in Bay­ern we­sent­lich mehr. Die hat­ten we­nigs­tens et­was zu bie­ten. Aber sei’s drum.

Eine hal­be Stun­de spä­ter sah er sei­ner Frau da­bei zu, wie sie am Tor der Kir­che rap­pel­te. Es war ver­schlos­sen. Er wuss­te, dass das al­bern war, aber er war tat­säch­lich scha­den­froh.

»Das glau­be ich jetzt nicht! Die Tür ist zu … na war­te! Es gibt ja schließ­lich noch ein paar an­de­re Ein­gän­ge. Wäre doch ge­lacht, wenn ich da nicht rein­kä­me!«

Mecht­hild ver­schwand hin­ter der Kir­che und Eber­hard sah sich um. Ein Hahn zier­te nicht etwa als Wet­ter­hahn den Kirch­turm, son­dern stand aus Holz ge­schnitzt mit­ten auf der Wie­se und schien die Got­tes­dienst­be­su­cher zu be­ob­ach­ten, die sonn­tags an ihm vor­bei in das Got­tes­haus gin­gen.

»Eber­hard, tu et­was! Die Kir­che ist zu!«, rief ihm sei­ne Frau schon aus der Fer­ne zu.«

»Ach!«, ant­wor­te­te er be­lus­tigt. Wer hät­te das ge­ahnt!

»Was grinst du denn so blöd? Ich will in die­se Kir­che!«

Eber­hard wuss­te ge­nau, was jetzt gleich kam. Mecht­hild wür­de einen ih­rer be­rühm­ten ‚Ich-spie­le-die-be­lei­dig­te- Le­ber­wurst-An­fäl­le‘ be­kom­men, ihn vor der Kir­che ste­hen las­sen und sich wut­ent­brannt auf den Heim­weg ma­chen, wenn er sie nicht in­ner­halb der nächs­ten zwei Mi­nu­ten in die­se gott­ver­damm­te Kir­che brach­te. In Ge­dan­ken ent­schul­dig­te er sich für aus­ge­rech­net die­sen Fluch, den man nun wirk­lich nicht vor ei­ner Kir­che aus­spre­chen soll­te.

Doch Mecht­hild schaff­te es im­mer wie­der, die­se Sei­te an ihm zu we­cken. So war sie. War­um er noch im­mer mit ihr zu­sam­men war? Manch­mal wuss­te er es selbst nicht. Wahr­schein­lich hat­te er sich ir­gend­wann an ihre Lau­nen ge­wöhnt – so wie sie sich an sei­nen für sie stets ge­öff­ne­ten Geld­beu­tel.

Er woll­te ge­ra­de sein Han­dy aus der Jack­en­ta­sche zie-hen, um für sich ein Taxi zu ru­fen – Mecht­hild hat­te sich, wie er­war­tet, ohne ihn auf den Heim­weg ge­macht – als er aus der Kir­che ein Ge­räusch hör­te. Er konn­te es nicht ge­nau de­fi­nie­ren, doch es klang ein­deu­tig nach ei­nem mensch­li­chen Laut. War dort je­mand ein­ge­schlos­sen? Hat­te Mecht­hild einen Ein­gang über­se­hen? Lang­sam ging er am Kirch­turm vor­bei um die Kir­che her­um. Bei­de Sei­ten­ein­gän­ge wa­ren fest ver­schlos­sen. Wie­der hör­te er das selt­sa­me Ge­räusch. Die­ses Mal et­was lau­ter. Es muss je­mand in der Kir­che sein!

»Hal­lo?«, rief er. »Ist da je­mand? Brau­chen Sie Hil­fe?«

Eber­hard be­kam kei­ne Ant­wort. Dann be­merk­te er plötz­lich Scher­ben un­ter ei­nem Sei­ten­fens­ter. Es muss­te je­mand ein­ge­schla­gen ha­ben. Er konn­te deut­li­che Blut­sprit­zer auf dem Bo­den rund um das Fens­ter ent­de­cken.

Das wur­de ihm nun doch et­was zu un­heim­lich. Schnell lief er zu­rück, eil­te die Trep­pen hin­un­ter auf das Ge­mein­de­bü­ro zu, das er un­ter­halb der Kir­che ent­deckt hat­te und klin­gel­te. Nie­mand öff­ne­te ihm die Tür. Kein Wun­der, es war Sams­tag­nach­mit­tag.

Was soll­te er tun? Die Po­li­zei ru­fen? Doch was soll­te er den Be­am­ten sa­gen? »Herr Wacht­meis­ter, kom­men Sie schnell, hier stimmt et­was nicht?« Das war nun doch et­was zu ba­nal. Er brauch­te mehr In­for­ma­ti­o­nen. Al­ler­dings war er im Ur­laub und was in die­ser Kir­che, in die­sem ab­ge­le­ge­nen Kaff vor sich ging, muss­te ihn nun wirk­lich nicht tan­gie­ren.

Noch ein­mal ging er um die Kir­che her­um. Er war neu­gie­rig. Viel­leicht war­te­te im In­ne­ren ein Aben­teu­er auf ihn. Viel­leicht brauch­te je­mand Hil­fe?

Eber­hard er­in­ner­te sich an die Zeit, in der er noch re­gel­mä­ßig den Got­tes­dienst be­sucht hat­te: ‚Was du dem Ge­rings­ten un­ter mei­nen Brü­dern ge­tan hast, das hast du mir ge­tan!‘

Sein Herz war be­rührt und ver­wun­dert zu­gleich, dass er sich an die­ses Bi­bel­zi­tat er­in­nern konn­te. Es war sein Kon­fir­ma­ti­onss­pruch ge­we­sen. Aus wel­cher Ge­schich­te war er noch gleich? Ir­gend­wo aus dem Neu­en Tes­ta­ment … klar, im Al­ten Tes­ta­ment gab es Je­sus noch nicht!, lach­te er über sich selbst.

Der Ge­dan­ke, dass dort je­mand sei­ne Hil­fe brau­chen könn­te, ließ ihn nicht mehr los. Ob es der Hei­li­ge Geist, sei­ne Neu­gier­de oder die pure Aben­teu­er­lust war – er nahm sei­nen Spa­zier­stock und schlug da­mit be­herzt die Res­te der Glas­schei­be ab, um nicht an den scha­r­fen Kan­ten hän­gen­zu­blei­ben, an de­nen das ge­trock­ne­te Blut wie eine War­nung zu kle­ben schien. Das lau­te Klir­ren ließ ihn zu­sam­men­zu­cken.

Mu­tig klet­ter­te er in die Kir­che. Da­bei ver­renk­te er sich das eh schon lä­dier­te Knie, so­dass ein schmerz­er­füll­ter Laut sei­ner Keh­le ent­wich. Sein Schrei hall­te vom Al­tar­raum zu­rück und er­füll­te die Kir­che. Er­schro­cken zuck­te er zu­sam­men. Das hat­te er nun von sei­ner ei­ge­nen Cou­ra­ge. Sei­ne Au­gen brauch­ten einen Mo­ment, bis sie sich an das Dun­kel im In­ne­ren ge­wöhnt hat­ten.

Eber­hard hielt inne. Lei­se hin­k­te er zu der Kir­chen­bank, die ihm am nächs­ten war, und setz­te sich. Still saß er da und lausch­te. Doch au­ßer sei­nem ei­ge­nen Herz­schlag hör­te er nichts.

Da! Da war es wie­der, die­ses selt­sa­me Ge­räusch. Jetzt hör­te er es laut und deut­lich. Es war ein Jam­mern, ein Wei­nen, ein Schluch­zen. Er war si­cher, dass sich je­mand in der Kir­che be­fand, der in Not war.

»Hal­lo? Brau­chen Sie Hil­fe? Soll ich einen Kran­ken­wa­gen ru­fen?«

Kei­ne Ant­wort.

Vor­sich­tig quäl­te er sich aus der Bank und hum­pel­te auf den Al­tar zu. Aus die­ser Rich­tung hat­te er das Ge­räusch ge­hört. Das ver­mu­te­te er je­den­falls.

»Hal­lo?«, ver­such­te er es er­neut.

Es hilft nichts, ist muss wohl doch die Po­li­zei ru­fen, dach­te er un­si­cher. Auch wenn sie sich um­sonst auf den Weg ma­chen, aber die ein­ge­schla­ge­ne Schei­be, das Blut,das Wim­mern … ir­gend­je­mand ist doch hier! Das kann ich ganzdeut­lich spü­ren. Bei dem Ge­dan­ken dar­an, wie sorg­los er auf der Su­che nach ei­nem Aben­teu­er in die Kir­che ge­klet­tert war, be­kam er Angst. Was, wenn ein Ver­bre­cher hier Zu­flucht ge­sucht hat­te? Was, wenn er sich völ­lig naiv in Ge­fahr ge­bracht hat­te? Er spür­te einen Luft­zug in sei­nem Nacken. Das Herz schlug ihm bis zum Hals. Er trau­te sich kaum zu at­men. Wie von Geis­ter­hand ge­malt sah er einen Schat­ten an der Wand ihm ge­gen­über. Völ­lig ver­ängs­tigt zog er das Han­dy aus sei­ner Ta­sche und wähl­te die 110.

Noch be­vor er et­was sa­gen konn­te, durch­fuhr ihn ein ge­wal­ti­ger Schmerz. Das ret­ten­de Mo­bil­te­le­fon fiel ihm aus der Hand auf den kal­ten Stein­bo­den. Ir­ri­tiert re­gis­trier­te Eber­hard, dass et­was War­mes sei­ne Wan­ge hin­un­ter­rann und vor ihm auf den Bo­den tropf­te.

 

Er­staunt setz­te er sich zu­rück in die Kir­chen­bank, wo er kurz dar­auf hilf­los in sich zu­sam­men­sank.

9.

 

Jo­han­na saß an ih­rem Schreib­tisch und starr­te an die De­cke. Der Traum der letz­ten Nacht hat­te sie noch bis in die frü­hen Mor­gen­stun­den ver­folgt, so­dass sie nicht wie­der hat­te ein­schla­fen kön­nen.

Sie war früh auf­ge­stan­den und hat­te sich aus dem Schlaf­zim­mer ge­schli­chen. Da­ni­el war ne­ben ihr noch im Tief­schlaf ge­we­sen.

Karl, ein fröh­li­cher sie­ben­jäh­ri­ger Jun­ge war aus dem Kin­der­heim in Wilns­dorf weg­ge­lau­fen – oder Schlim­me­res. Noch wuss­ten sie es nicht. Dass die­ser Fall sie der­ma­ßen be­schäf­ti­gen wür­de, so, dass er ihr sämt­li­ches Herz­blut in Be­schlag nahm, er­schreck­te sie selbst. Jo­han­na wuss­te, dass sie auf­pas­sen muss­te. Sie woll­te auf kei­nen Fall in ihre al­ten Mus­ter ver­fal­len.

Sport zu trei­ben, um den Kopf frei zu be­kom­men war völ­lig le­gi­tim. Doch was sie mit ih­rem Kör­per ver­an­stal­te­te, ging über jeg­li­ches ge­sun­de Maß hin­aus. Sie wuss­te das. Den­noch konn­te sie nicht an­ders. Ihre Sucht war ge­ra­de da­bei, wie­der Be­sitz von ihr zu er­grei­fen. Das durf­te sie nicht zu­las­sen.

Aber heu­te Mor­gen muss­te es ein­fach sein. Au­ßer­dem hat­te sie auf kei­nen Fall Da­ni­el be­geg­nen wol­len. Wenn sie sich ihm er­klär­te, wür­de er ihr so­fort ver­bie­ten, wei­ter in dem Fall zu er­mit­teln. Sie konn­te sei­ne Ein­wän­de förm­lich hö­ren: »Das ist viel zu ge­fähr­lich! Du musst dei­ne Kräf­te scho­nen …« Wer weiß, was ihm noch al­les an Ar­gu­men­ten ein­fal­len wür­de.

Also war sie ge­flo­hen. Sie hat­te sich ihre Laufsa­chen an­zo­gen und war im Eil­tem­po um die Ober­nau ge­rannt. Sie hat­te es un­ter fünf­zig Mi­nu­ten ge­schafft. Un­ter an­de­ren Um­stän­den wäre sie stolz dar­auf ge­we­sen.

Nach ih­rer Run­de hat­te sie es sich ver­knif­fen, bei Da­ni­el zu Hau­se un­ter die Du­sche zu sprin­gen. Statt­des­sen hat­te sie sich im Kel­ler auf der Po­li­zei­wa­che den mitt­ler­wei­le kal­ten Schweiß vom Kör­per ab­ge­wa­schen, sich ihre nas­sen Lo­cken zum Pfer­de­schwanz zu­sam­men­ge­bun­den und sich an ih­ren Schreib­tisch ge­setzt, ob­wohl ihr Spät­dienst ei­gent­lich erst um 14 Uhr be­gon­nen hät­te.

Sie ver­miss­te Hol­ger. Sie ver­miss­te ihr all­täg­li­ches Ri­tu­al, wenn sie ihn da­mit auf­zog, dass er viel zu viel Zu­cker in sich hin­ein­stopf­te, wäh­rend er sich einen Ber­li­ner Bal­len aus sei­ner be­vor­zug­ten Bä­cke­rei in der Wald­hausstra­ße zwi­schen die Kie­men schob.

Hol­ger war mehr für sie als nur ihr Part­ner. Er war ihr Men­tor, ihr vä­ter­li­cher Freund, der sie un­ter sei­ne Fit­ti­che ge­nom­men hat­te, als sie frisch ins Sie­ger­land ge­zo­gen war. Sie hat­te auf­ge­hört, die Wo­chen zu zäh­len, die sie nun schon durch die Glas­schei­be auf sei­nen lee­ren Schreib­tisch starr­te, wäh­rend Hol­ger in Bad Ber­le­burg flei­ßig ver­such­te, sei­nen durch­schos­se­nen Ober­schen­kel wie­der auf Trab zu brin­gen.

Achen­bach hat­te ihr et­was Gu­tes tun wol­len und ihr einen Prak­ti­kan­ten zu­ge­wie­sen, der sie un­ter­stüt­zen soll­te. Da­bei wuss­te er ganz ge­nau, dass ihr da­mit nicht ge­hol­fen war. Ein Prak­ti­kant mach­te zu­sätz­li­che Ar­beit und war de­fi­ni­tiv kei­ne Ar­beits­er­leich­te­rung.

Aber sie hat­te den Mund ge­hal­ten. Letz­ten En­des war sie dank­bar ge­we­sen, nicht al­lein zu sein. Und Hol­ger konn­te eh nicht er­setzt wer­den. Egal von wem. Dann konn­te sie auch mit ei­nem Prak­ti­kan­ten vor­lieb­neh­men.

Vor zwei Wo­chen hat­te Ni­klas Schrei­ber al­ler­dings be­reits sei­nen letz­ten Tag bei ihr im KK3 in Wei­denau ge­habt, be­vor er an der Hoch­schu­le für Po­li­zei und öf­fent­li­che Ver­wal­tung in Ha­gen wei­ter­stu­die­ren muss­te.

Mit Ver­wun­de­rung muss­te sie fest­stel­len, dass er es tat­säch­lich ge­schafft hat­te, dass sie ih­rem Prak­ti­kan­ten nach­trau­er­te.

Ni­klas Schrei­ber hat­te sich gar nicht so schlecht an­ge­stellt. Nach­dem sie bei­de ihre ers­ten An­lauf­schwie­rig­kei­ten über­wun­den hat­ten – er hat­te vor den an­de­ren Prak­ti­kan­ten laut ge­stöhnt, dass er ei­ner Frau zu­ge­teilt wor­den war – hat­te sie neid­los an­er­ken­nen müs­sen, dass er eine schnel­le Auf­fas­sungs­ga­be be­saß, die rich­ti­gen Fra­gen stell­te, und, was sie bei ei­nem Mann sel­ten ent­deckt hat­te, sehr ein­fühl­sam mit den Op­fern um­ging.

Am drit­ten ge­mein­sa­men Ar­beits­tag hat­te sie ihm sei­nen Seuf­zer ver­zie­hen, nach­dem er ihr völ­lig un­auf­ge­for­dert ver­si­chert hat­te, dass er mit ihr und dem KK3 das gro­ße Los ge­zo­gen hät­te.

Sie er­in­ner­te sich dar­an, wie sie ih­ren Prak­ti­kan­ten nach der Ar­beit zu­fäl­lig im Su­per­markt in Dreis-Tie­fen­bach ge­se­hen und sich dar­über ge­wun­dert hat­te, was sich al­les im Ein­kaufs­wa­gen die­ses jun­gen Hüp­fers ge­türmt hat­te. Sei­ne Mut­ter schien ihm einen lan­gen Ein­kaufs­zet­tel für die gan­ze Fa­mi­lie mit­ge­ge­ben zu ha­ben. Ne­ben Mehl, Zu­cker, Nu­deln, Kaf­fee und vie­len wei­te­ren Din­gen, war ihr be­son­ders ein Bil­der­rah­men auf­ge­fal­len, den er an ei­nem der Wühl­ti­sche er­gat­tert ha­ben muss­te.

 

Zwei Tage spä­ter hat­te sie das Haus der acht­und­sieb­zig­jäh­ri­gen Frau Zim­mer­mann be­tre­ten, um noch ein­mal mit ihr über den Ein­bruch in de­ren Ein­fa­mi­li­en­haus zu spre­chen, der eine Wo­che zu­vor völ­lig un­be­merkt statt­ge­fun­den hat­te. Zum Glück war die alte Dame nicht auf­ge­wacht. Wer weiß, wie die Sa­che sonst aus­ge­gan­gen wäre.

Die Ein­bre­cher wa­ren auf der Su­che nach Bar­geld ziem­lich rüde vor­ge­gan­gen und hat­ten in der Kü­che ein Cha­os ver­ur­sacht, das Frau Zim­mer­mann nie­mals al­lein wür­de be­sei­ti­gen kön­nen.

Auch im Ar­beits­zim­mer ih­res ver­stor­be­nen Man­nes, er war Leh­rer ge­we­sen, hat­ten die Die­be ge­wü­tet. Ak­ten­ord­ner wa­ren aus den Schrän­ken ge­zo­gen und Bü­cher aus den Re­ga­len auf den Bo­den ge­wor­fen wor­den. Selbst vor den Trau­er­kar­ten mit Bei­leids­be­kun­dun­gen der Freun­de und Nach­barn war nicht Halt ge­macht wor­den. Ne­ben ei­nem mitt­ler­wei­le völ­lig ver­al­te­ten Du­den hat­te sie das Hoch­zeits­fo­to der bei­den ent­deckt. Der Bil­der­rah­men war zer­bro­chen, das Glas zer­split­tert ge­we­sen. Den­noch hat­te es sie ge­rührt, welch tief­emp­fun­de­nes Glück das frisch ver­mähl­te Paar auf die­sem Foto aus­ge­strahlt hat­te.

Das Bild hat­te eine Sehn­sucht in ihr ge­weckt, die sie über­rascht und die sie bis­her nicht ge­kannt hat­te.

 

Ein paar Tage nach dem Ein­bruch hat­te sie er­neut im Haus der Acht­und­sieb­zig­jäh­ri­gen ge­stan­den und muss­te sie nach den Zer­ti­fi­ka­ten ei­ni­ger Schmuck­s­tü­cke fra­gen, die sie bei Jo­han­nas ers­tem Be­such als ge­stoh­len ge­mel­det hat­te.

»Frau Zim­mer­mann, es tut mir leid, dass ich sie er­neut be­hel­li­gen muss, aber ich woll­te mit Ih­nen noch ein­mal kurz über die Lis­te der ge­stoh­le­nen Ge­gen­stän­de spre­chen. Darf ich her­ein­kom­men?«, hat­te sie be­hut­sam ge­fragt.

Sie woll­te die alte Dame auf kei­nen Fall über­for­dern. Für ihr Al­ter hat­te sie nun wirk­lich Auf­re­gung ge­nug ge­habt. Hin­zu kam, dass es ihr si­cher schwer­fal­len wür­de, in den nächs­ten Ta­gen das Cha­os in ih­rem Haus zu be­sei­ti­gen und wie­der Ord­nung zu schaf­fen. Die Ein­bre­cher hat­ten bei ihr gan­ze Ar­beit ge­leis­tet.

»Aber na­tür­lich, Fräu­lein. Kom­men Sie her­ein!«, wur­de sie freund­lich her­ein­ge­be­ten.

Als Jo­han­na nach ihr die Kü­che be­tre­ten hat­te, muss­te sie sich sehr wun­dern. Al­les schien wie­der an sei­nem Platz zu sein. Die durch­sich­ti­gen Vor­rats­do­sen wa­ren auf­ge­füllt wor­den und Jo­han­na ver­mu­te­te, dass auch der Kaf­fee wie­der in der rot ge­punk­te­ten Me­tall­do­se auf dem Kühl­schrank zu fin­den war.

»Gut sieht es bei Ih­nen aus. Wie ha­ben Sie das denn so schnell ge­schafft?«, hat­te sie be­ein­druckt ge­fragt.

Jo­han­na be­kam eine Ant­wort, mit der sie nicht ge­rech­net hät­te: »Die Hein­zel­männ­chen wa­ren hier«, scherz­te die Dame.

Frau Zim­mer­mann scheint den Ein­bruch in ihr Haus er­staun­lich gut weg­ge­steckt zu ha­ben, wenn sie schon wie­der zu sol­chen Scher­zen auf­ge­legt ist, wun­der­te sie sich. Da hat­te sie schon ganz an­de­re Re­ak­ti­o­nen er­lebt. Man­che Frau­en trau­ten sich in den ers­ten Wo­chen nach solch ei­ner Ver­let­zung der Pri­vat­sphä­re nicht mehr al­lein in ihr ei­ge­nes Zu­hau­se. Doch die­se Acht­und­sieb­zig­jäh­ri­ge war da an­ders. Oder sie war schlicht­weg zu alt, um zu ver­ste­hen, dass frem­de Men­schen bei ihr ein­ge­drun­gen und nicht ge­ra­de zim­per­lich mit ih­ren per­sön­li­chen Sa­chen um­ge­gan­gen wa­ren.

»Darf ich Ih­nen einen Kaf­fee an­bie­ten, Frau Ober­kom­mis­sa­rin?« Auf je­den Fall ist sie nicht zu alt, um sich dar­an zu er­in­nern, dass ich Ober­kom­mis­sa­rin bin, re­gis­trier­te Jo­han­na.

»Sehr ger­ne!«, hat­te sie höf­lich geant­wor­tet, nur um sich kurz dar­auf zu kor­ri­gie­ren. »Oder hät­ten Sie viel­leicht auch einen Tee?« Sie soll­te wirk­lich lang­sam da­mit be­gin­nen, auf ih­ren Kaf­fee­kon­sum zu ach­ten.

Kur­ze Zeit spä­ter und mit ei­ner Tas­se Pfef­fer­minz­tee be­waff­net, wa­ren sie hin­über ins Ar­beits­zim­mer ge­gan­gen. Dort hat­ten die Die­be das meis­te mit­ge­hen las­sen.

Völ­lig ver­blüfft hat­te sie re­gis­triert, dass auf dem Schreib­tisch von Wil­helm Zim­mer­mann wie­der das Hoch­zeits­fo­to stand – und das in ei­nem Rah­men, den sie noch vor Kur­z­em im Ein­kaufs­wa­gen ei­nes jun­gen Man­nes ent­deckt hat­te.

»Frau Zim­mer­mann, kann es sein, dass ihr per­sön­li­ches Hein­zel­männ­chen zu­fäl­lig un­ser Kom­mis­sar­an­wär­ter Ni­klas Schrei­ber ist?«

Ein Schul­ter­zu­cken war die Ant­wort ge­we­sen.

 

Jetzt war er wie­der weg. Ni­klas Schrei­ber, ihr Prak­ti­kant, den sie in der kur­z­en Zeit sehr zu schät­zen ge­lernt hat­te. Als vor drei Ta­gen der An­ruf we­gen ei­nes ver­miss­ten Kin­des aus ei­nem Kin­der­heim in Wil­gers­dorf bei ihr ein­ging, saß er mit vie­len an­de­ren Kol­le­gen in ei­nem nüch­ter­nen Hör­saal in Ha­gen. Er hät­te si­cher ger­ne mit ihr an die­sem Fall ge­ar­bei­tet.

Statt­des­sen hat­te Achen­bach ihr je­mand an­de­ren zu­ge­teilt.

Die letz­ten drei Tage hat­te sie ge­lit­ten. Sie hat­te al­les ge­ge­ben. Bis zur Er­schöp­fung hat­te sie auf ih­ren Schlaf ver­zich­tet, um den Jun­gen zu fin­den. Selbst in ih­ren Träu­men sah sie ihn vor sich.

So konn­te das nicht wei­ter­ge­hen! Sie muss­te mit Da­ni­el re­den!

 

Sie konn­te nicht ah­nen, dass die­ser Tag im Fall des ver­miss­ten Karl eine Wen­de mit sich brin­gen wür­de.

10.

 

Zwei Wo­chen zu­vor.

 

»Hey, mein Schatz, war­um siehst du dich so hek­tisch um? Ist al­les in Ord­nung?«, frag­te Klaus be­sorgt.

Ka­trin wuss­te auch nicht, was los war. Sie hat­te ein un­gu­tes Ge­fühl. Mehr nicht. Ein Ge­fühl, das sie seit so vie­len Jah­ren im­mer wie­der be­schlich, so­bald sie das Haus ver­ließ. Sie hat­te Angst und konn­te nichts da­ge­gen tun. Da half es auch nicht, dass Klaus ihre Hand hielt, wäh­rend sie wie je­den Sonn­tag am Spree­u­fer ent­lang spa­zie­ren gin­gen.

Ka­trin fühl­te sich be­ob­ach­tet. Doch das kam häu­fi­ger vor. Sie woll­te ih­ren Mann da­her nicht un­nö­tig be­un­ru­hi­gen. War­um auch soll­te sich je­mand für ihr Le­ben in­ter­es­sie­ren? Sie wa­ren nach au­ßen hin ein glü­ck­li­ches Ehe­paar mit zwei un­spek­ta­ku­lä­ren Jobs, das in ei­ner klei­nen aber fei­nen Ei­gen­tums­woh­nung in Ber­lin-Pan­kow leb­te und eine Lau­be in der Klein­gar­te­n­an­la­ge Born­holm be­saß.

Und den­noch wur­de sie die­ses selt­sa­me Ge­fühl nicht los.

»Ja, Klaus, es ist al­les in Ord­nung. Mir ist nur et­was kalt ge­wor­den. Ich hät­te doch den wär­me­ren Man­tel an­zie­hen sol­len«, log sie ih­ren Mann an, mit dem sie nun schon fast drei­ßig Jah­re ver­hei­ra­tet war.

Sie hat­ten in den Ha­cke­scher Hö­fen zu Mit­tag ge­ges­sen und wa­ren an­schlie­ßend zu Fuß durch den Mon­bi­jou­park ge­gan­gen, bis sie die Pro­me­na­de an der Spree er­reicht hat­ten.

Ka­trin lieb­te es, an die­sem Fluss zu sit­zen und von dort den Ber­li­ner Dom zu be­trach­ten, der sich mit sei­nen drei Spit­zen alt­ehr­wür­dig gen Him­mel streck­te. Die­ser Aus­blick hat­te eine be­ru­hi­gen­de Wir­kung auf sie. Doch nicht heu­te.

»Dann lass uns zu­rück­ge­hen«, sag­te Klaus be­sorgt. »Wir wol­len ja nicht, dass du dir hier drau­ßen den Tod holst.«

Sehrwit­zig!, dach­te sie. Treib du ru­higdei­ne Scher­ze.

Ka­trin moch­te es nicht, wenn ihr Mann be­sorgt um sie tat. Das hät­te er frü­her sein sol­len, be­vor er sich mit ei­ner Nut­te im Puff ver­gnügt hat­te.

Die­ser Fehl­tritt war schnell auf­ge­flo­gen und da­mals in der Pres­se groß breit­ge­tre­ten wor­den. Von die­sem Tage an war al­les an­ders ge­we­sen und das konn­te und woll­te sie ihm nicht ver­zei­hen.

Den­noch war sie heu­te noch bei ihm. Auch wenn sie sich manch­mal frag­te, war­um. Die Ant­wort war ein­fach: sie hat­te kei­ne an­de­re Wahl. Auch das warf sie ihm vor.

Es lag nicht an den Tem­pe­ra­tu­ren, dass sie so fror. Ihr zog eine Gän­se­haut bis in den Nacken hin­auf, die ihre klei­nen Här­chen auf­stel­len ließ.

»Klaus, et­was stimmt nicht. Ich glau­be, wir wer­den be­ob­ach­tet«, ver­trau­te sie sich nun doch ih­rem Mann an.

»Schatz, nicht schon wie­der«, stöhn­te er. »Es ist ganz si­cher al­les in Ord­nung. Wie im­mer, wenn du ein ko­mi­sches Ge­fühl hast! Viel­leicht soll­test du dir trotz al­lem mal einen The­ra­peu­ten su­chen.«

War ja klar, dass du mich nicht ernst nimmst!

»Oder glaubst du, die jun­ge Frau mit dem Kin­der­wa­gen wür­de dir et­was an­tun?«, mach­te er sich lus­tig. »Nein war­te, viel­leicht doch eher ei­ner der Jog­ger dort hin­ten? Ach nein, die lau­fen ja in die falsche Rich­tung …«, tat er ihre Sor­ge la­chend ab.

Ka­trin war sau­er. Sei­ne Über­heb­lich­keit är­ger­te sie. Sie ver­stand nicht, war­um er von An­be­ginn an der­art sorg­los mit ih­rer Si­tua­ti­on um­ge­gan­gen war. Er hat­te nie Ver­ständ­nis für ihre Angst ge­habt, die seit so vie­len Jah­ren zu ih­rem stän­di­gen Be­glei­ter ge­wor­den war.

»Weißt du was, mein Schatz«, zisch­te sie wü­tend zu­rück, »ich glau­be, wenn hier ei­ner eine The­ra­pie braucht, dann bist du das. Schein­bar ha­ben sie bei dei­nem Reit­un­ter­richt im Puff ver­ges­sen dir bei­zu­brin­gen, wie man von sei­nem ho­hen Ross wie­der ab­steigt.«

Sie hat­te kei­ne Lust mehr, wei­ter fried­lich ne­ben ihm her zu spa­zie­ren, als sei­en sie das glü­ck­lichs­te Paar auf die­sem Pla­ne­ten.

»Gib mir die Schlüs­sel!«

»Was? Ka­trin, ich bit­te dich! Hör auf mit dem Mist! Was willst du mit den Schlüs­seln? Willst du mich hier ein­fach so ste­hen­las­sen?«

»Du kannst ger­ne mit der U-Bahn nach Hau­se fah­ren«, ant­wor­te­te sie schnip­pisch.

Un­ent­schlos­sen stan­den sie in­mit­ten des Parks und sa­hen sich wü­tend an. Aus dem Au­gen­win­kel her­aus be­merk­te sie einen Mann, der sich ver­däch­tig schnell nä­her­te. Es war ein Jog­ger, der mit ver­mumm­tem Ge­sicht auf sie zu­ge­lau­fen kam.

Ka­trin ge­ri­et in Pa­nik.

Eis­kalt lief es ihr den Rü­cken hin­un­ter.

»Klaus, pass auf!«, schrie sie un­ver­mit­telt auf und stieß ih­ren Mann ret­tend zur Sei­te. Völ­lig über­rascht ver­lor Klaus das Gleich­ge­wicht und wäre fast zu Bo­den ge­stürzt, konn­te sich aber ge­ra­de noch fan­gen.

Der Läu­fer starr­te sie an als sei sie eine Irre, wäh­rend er kopf­schüt­telnd an ih­nen vor­bei­lief.

»Jetzt ist aber mal gut! Reiß dich bit­te et­was zu­sam­men! Ich brin­ge dich nach Hau­se. Das ist ja nicht aus­zu­hal­ten. Und mor­gen rufst du bit­te bei die­sem Dr. Beh­rend an und lässt dir einen Ter­min ge­ben!«, schimpf­te Klaus.

»Ent­schul­di­ge!«, sag­te sie. Viel­leicht hat­te er recht. So konn­te das nicht wei­ter­ge­hen. In den letz­ten Wo­chen war es täg­lich schlim­mer ge­wor­den. Wenn das so wei­ter­gin­ge, wür­de sie sich ei­nes Ta­ges nicht mehr aus dem Haus trau­en.

Sie wa­ren ein paar Schrit­te wei­ter­ge­gan­gen, als sie die­ses Mal von hin­ten über­holt wur­den. Ka­trin er­schrak, ver­such­te sich aber zu­sam­men­zu­rei­ßen. Es war eine durch­trai­nier­te Frau in en­ger Lauf­ho­se, die ih­ren stram­men Po deut­lich zur Gel­tung brach­te.

»Das ge­fällt dir, hab ich recht?«, sti­chel­te sie.

Klaus war ste­hen­ge­blie­ben und sah sie an. Er woll­te et­was er­wi­dern, aber es ge­lang ihm nicht. Mit weit auf­ge­ris­se­nen Au­gen starr­te er sie an. Er be­kam kei­ne Luft. Mit der einen Hand fass­te er sich an sei­nen Hals, mit der an­de­ren klam­mer­te er sich an ihr fest. Un­gläu­big­keit stand in sei­nem Ge­sicht. Rö­chelnd ging er zu Bo­den.

Ka­trin knie­te sich ne­ben ihn.

»Nein, nein, nein, Klaus, bit­te, tu mir das nicht an! Ver­lass mich nicht!«

Sie sah sich su­chend nach Hil­fe um, doch ein äl­te­res Ehe­paar war noch zu weit weg. Sie wühl­te in ih­rer Hand­ta­sche nach dem Han­dy, ohne den Blick von ih­rem Mann zu wen­den. Sei­ne Au­gen wa­ren jetzt blut­un­ter­lau­fen, wei­ßer Schaum kam in klei­nen Bläs­chen aus sei­nem Mund und lief ihm die Wan­ge hin­un­ter.

Ka­trin schluchz­te. End­lich hat­te sie das Han­dy ge­fun­den. Sie woll­te ge­ra­de den Not­a­rzt ru­fen, als Klaus sie mit letz­ter Kraft zu sich hin­un­ter­zog. Er schien ihr in sei­nem To­des­kampf noch et­was Wich­ti­ges sa­gen zu wol­len. Ka­trin leg­te ihr Ohr an sei­nen Mund und hör­te, wie er lei­se flüs­ter­te:

 

»Anna!«

11.

 

Achen­bach hat­te al­les ver­sucht, um Kri­mi­nal­o­ber­kom­mis­sa­rin Jo­han­na Daub ab­zu­len­ken. Der letz­te Fall hat­te sie sehr mit­ge­nom­men. Nicht nur, weil ihr Part­ner, Haupt­kom­mis­sar Hol­ger Stein, da­bei schwer ver­letzt wor­den war und noch im­mer nicht fest­stand, ob er je wie­der an ih­rer Sei­te er­mit­teln wür­de, son­dern auch, weil sie ih­ren Le­bens­ge­fähr­ten in Ge­fahr ge­bracht hat­te.

Das wür­de an kei­nem von ih­nen spur­los vor­über­zie­hen. Erst recht nicht an ei­ner Frau. Ob­wohl … naja, über­leg­te er, ei­gent­lich ist Frau Daub ja kei­ne so rich­ti­ge Frau.

Achen­bach war ein Mann der al­ten Schu­le und der Po­li­zei­be­ruf war für ihn ein­deu­tig kei­ne Tä­tig­keit, die von ei­ner Frau aus­ge­übt wer­den soll­te. Die Frau­en­quo­te hielt er für ab­so­lut über­f­lüs­sig.

---ENDE DER LESEPROBE---