Erfolg gestalten - Richard Glahn - E-Book

Erfolg gestalten E-Book

Richard Glahn

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Beschreibung

Mehr Wachstum und Gewinn dank engagierter Mitarbeiter und fähiger Führungskräfte Sie möchten mit einfachen Mitteln sicher und nachhaltig die Arbeits- und Führungskultur in Ihrem Unternehmen weiterentwickeln? Der Berater Richard Glahn stellt zwei nachvollziehbare und praxiserprobte Vorgehensweisen vor, die sich ideal ergänzen und die dazu führen, dass - die Mitarbeiter mit viel Motivation eigenverantwortlich und kundenorientiert handeln, - die Führungskräfte ihre Aufgabe verstehen und auch die strategischen Aspekte ihrer Arbeit umfänglich wahrnehmen, - eine Kultur entsteht, in der kontinuierliche Verbesserung im gesamten Unternehmen selbstverständlich ist und mit der sich das Unternehmen merklich nach vorne bewegt.

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RICHARD GLAHN

ERFOLGGESTALTEN

So entwickeln Führungskräfte und Mitarbeiter gemeinsam die Unternehmenskultur

Campus VerlagFrankfurt/New York

Über das Buch

Strategie, Vertrieb und Führung: Markus Milz, Gründer und Geschäftsführer der Unternehmensberatung Milz & Comp., ist einer der gefragtesten Fachleute, wenn es um Werkzeuge für die Wirtschaft geht. Der Mittelstandsexperte und sein Consultant-Team bieten Beratung, Konzeption, Umsetzung und Schulung aus einer Hand. Insbesondere für mittelständische Unternehmen hat Markus Milz systematische Module entwickelt, die messbare und nachhaltige Steigerungsraten bewirken. Markus Milz ist nicht nur Autor, Trainer und Redner, sondern auch der Initiator einzigartiger Verbundprojekte für den Mittelstand. In den von ihm moderierten Treffen auf oberster Leitungsebene kommen ambitionierte Vertreter des Mittelstands und namhafte »Hidden Champions« zu einem Erfahrungsaustausch im Bereich Vertriebs- und Wachstumsstrategien zusammen.

Mehr auf http://www.milz-comp.de/

Vita

Dr. Richard Glahn ist als freiberuflicher Trainer und Berater im In- und Ausland tätig. Seine Schwerpunkte sind Prozessverbesserung, organisatorische Veränderungen, kultureller Wandel und die Entwicklung von Führungskräften. Sein vielfältiges Kundenspektrum aus unterschiedlichsten Branchen umfasst mittelständisch geprägte Unternehmen ebenso wie große Konzerne. Zuvor hat er in einer mittelständisch geprägten Maschinenbau-Gruppe im Verlauf von fünf Jahren länderübergreifend ein Verbesserungsprogramm aufgebaut, das zu einer außergewöhnlichen Renditesteigerung geführt hat. Außerdem hat er mehrere Jahre den Bereich »Verbesserungsprogramme« in einer Konzerngesellschaft der Siemens AG geleitet.

Mit Dank Benita gewidmet

Inhalt

1 Von allen gewünscht und im Prinzip ganz einfach zu erreichen Eine Unternehmenskultur, in der Führungskräfte und Mitarbeiter gemeinsam Erfolg gestalten

2 Unternehmenskultur Was ist das eigentlich?

3 Wie kann man eine Unternehmenskultur entwickeln?

Einfluss und Aufgabe der Führungskräfte

Ausgangspunkt der Veränderung: Das strategische Ziel

3.1 Einfach umzusetzen und doch nicht trivial: Das Konzept zur Entwicklung der Arbeitskultur

Gedankliche Basis und ein paar fachliche Grundlagen

Das 3-Level-Konzept

Level 1

Level 2

Ablagestandards

Arbeits- und Ablaufstandards, Stellvertreterregelungen

Informations- und Kommunikationsstandards

Operatives Vorgehen in Level 2

Brainstorming: Ideen sammeln und strukturieren

Mehrere Sichtweisen: Herausarbeiten von Vor- und Nachteilen

Strukturen darstellen

Lösungsvorschläge präsentieren

Darstellung von Abläufen

Schaffen einer neuen Stelle

Level 3

Worum es bei Prozessverbesserung immer geht – und worum es nie gehen sollte

Wie man mit dem Level-Konzept alle Engpässe findet

Die Bedeutung von Level 2

Wie man so ein Programm aufbaut

Wie viele Workshops, um das Programm weiterzuführen? Und warum dabei nur so wenige Level-3-Workshops?

Nur ein Teilnehmer pro Abteilung: Warum Level-3-Maßnahmen trotzdem akzeptiert werden

Über das Level-Konzept und das traditionelle betriebliche Vorschlagswesen

Grenzen des Level-Konzepts

Weitere Nutzungsmöglichkeiten der Methoden

Veränderungen der Struktur

Marktstrategie

Innovationen

Machen eigentlich alle mit?

Über Beweger und Bewahrer

3.2 Und wie entwickelt man die Führungskräfte und die Führungskultur?

Ein generischer Coaching-Ansatz

Warum alle Führungskräfte mitziehen müssen

Wie viel Menschenfreund darf ich sein? Eine Anekdote für die Menschenfreunde unter den Unternehmensleitern

Das Phänomen der Institution

Über die Verlockung von Kennzahlen, verschiedene Denkweisen und unser Menschenbild

4 Nachverfolgung Mehr als nur Audits

Fragen für Level-1- und Level-2-Audits

Level-3-Audits

Mitarbeiterbefragung und Vorgesetztenbeurteilung

5 Erfolgsfaktoren Welches ist »der wichtigste«?

6 Auf den Punkt gebracht Elf häufige Fehler bei der Einführung eines Verbesserungssystems und wie man sie vermeidet

Erster Fehler: Keine eindeutige Leitung/Verantwortung

Zweiter Fehler: Zu wenig Unterstützung aus der Unternehmensleitung, zu wenig Konsequenz

Dritter Fehler: Führungskräfte aus der KVP-Verantwortung nehmen

Vierter Fehler: Fokussierung auf Methoden

Fünfter Fehler: Spezialisten, die den Mitarbeitern Lösungen vorsetzen

Sechster Fehler: Falsche Aufbauorganisation beim Thema Verbesserung

Siebenter Fehler: Nur punktuelle und keine systemische Verbesserung

Achter Fehler: Zielsetzung Kosteneinsparung

Neunter Fehler: Zu viele Kennzahlen, zu wenig Vertrauen und Wertschätzung

Zehnter Fehler: Zu viel Perfektionsstreben

Elfter Fehler: Nur Prozesse im Fokus

7 Nicht zu vergessen Die Suche nach einer optimalen Struktur

Struktur und Verantwortung

Analysekriterien

Wie viel und welche Art Spezialisierung benötige ich für das Erreichen meiner unternehmerischen Ziele?

Wie sollen die im Unternehmen zu erbringenden Leistungen auf die Ziele des Unternehmens ausgerichtet beziehungsweise koordiniert werden?

Persönliche Weisung

Selbstabstimmung

Programme

Pläne

Unternehmenskultur

Welche Konfiguration ist mit Blick auf die Unternehmensziele passend?

Wie viel Formalisierung benötigt das Unternehmen?

Weiterführende Literatur

Register

1 Von allen gewünscht und im Prinzip ganz einfach zu erreichen Eine Unternehmenskultur, in der Führungskräfte und Mitarbeiter gemeinsam Erfolg gestalten

Motivierte Mitarbeiter, die offen miteinander umgehen und gerne Verantwortung übernehmen. Produkte, die stets auf dem neuesten Stand der Technik sind, weil die Mitarbeiter in Vertrieb und Entwicklung die Trends fest im Blick haben und manche Trends sogar selbst setzen. Innovative Personalentwicklung. Die höchste Qualität innerhalb der Branche. Effiziente Prozesse entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Und basierend auf einer klaren Marktstrategie steht natürlich stets der Kunde im Vordergrund – bei allen Handlungen, in allen Abteilungen, an allen Standorten des Unternehmens. Das sind wir, die XYZ GmbH.

Klingt schön. Schon mal gelesen? Ja, die Broschüren und Webseiten vieler Unternehmen sind voll von solchen Versprechungen. Und wenn sie stimmen, ist die Welt ja auch in Ordnung. Dann sind die Kunden und Anteilseigner zufrieden und die Mitarbeiter haben offenbar ideale Arbeitsbedingungen. Ein mustergültiges Unternehmen, basierend auf einer offensichtlich rundum passenden Kultur.

In gar nicht so wenigen Unternehmen klafft jedoch eine kleine oder auch größere Lücke zwischen dem, was das Unternehmen über Broschüren, Webseiten und Co. verlauten lässt und dem, wie die Mitarbeiter ihr Arbeitsumfeld im Vier-Augen-Gespräch beschreiben würden. Und egal, wie viel Geld dafür in die Hand genommen wird, um den Zustand – oder den vermeintlichen Zustand – des Unternehmens über verschiedene Kommunikationskanäle möglichst gut darzustellen, eines bleibt unterm Strich immer stehen: Die Kultur eines Unternehmens lässt sich nicht herbeireden oder gar verordnen. Sie ist, wie sie ist. Und wenn man möchte, dass das Zusammenspiel aller im Unternehmen von Kundenorientierung, Motivation und Effizienz gekennzeichnet ist, gepaart mit beispielsweise Qualitätsbewusstsein, Eigenverantwortung, Flexibilität und Innovationsbereitschaft, dann erreicht man dies nicht durch das unternehmensinterne Veröffentlichen wohlformulierter Texte, sondern nur dadurch, dass man das Zusammenspiel aller Beteiligten und damit die gesamte Kultur des Unternehmens entwickelt – gemeinsam mit allen Führungskräften und möglichst allen Mitarbeitern.

Wie das gelingt, werde ich in diesem Buch zeigen. Dabei werde ich eine zweigliedrige Vorgehensweise vorstellen, die bereits in Dutzenden Unternehmen erfolgreich zur Anwendung kommt.

Im Zentrum der Vorgehensweise steht ein Programm kontinuierlicher Verbesserung (KVP), das den Mitarbeitern auf allen drei operativen Ebenen (Arbeitsplatz, Arbeitsgruppe, übergreifende Prozesse) große Freiräume schafft. Mit der Einführung dieses besonderen Verbesserungsprogramms nutzt die weit überwiegende Mehrheit der Mitarbeiter die Möglichkeit, Verantwortung für die operativen Abläufe und Handlungen zu übernehmen und diese passend aufeinander abzustimmen. Im Zuge dessen erleben die Mitarbeiter ganz schrittweise und mit jeder von ihnen selbst geprägten Optimierung, dass die sie umgebende Arbeitswelt immer mehr ihre Arbeitswelt wird. Das schafft viel und vor allem dauerhafte Motivation – und führt wegen der Identifikation mit den Verbesserungen auch dazu, dass die Verbesserungen dauerhaft beibehalten, sozusagen »gelebt« werden.

Ergänzt wird dieses Verbesserungsprogramm durch eine Art Coaching-Programm, mit dem Führungskräfte unter Begleitung eines erfahrenen Coachs, eines hausinternen Paten oder auch ganz selbstständig anhand bestimmter Fragestellungen individuell ausarbeiten, wie sie sich als Führungskraft zu allen wesentlichen Aspekten des Führens aufstellen möchten. Zu diesen wesentlichen Aspekten gehören die Entwicklung einer Strategie für den eigenen Verantwortungsbereich, das Thema »Entscheiden«, die Themen »Delegation« und »Personalentwicklung«, die Themen »Begeisterung« und »Vorbild« und weitere, eben alles was wesentlich ist, um als Führungskraft wirksam agieren zu können. Meiner Erfahrung nach haben sich die wenigsten Führungskräfte bewusst zu diesen Themen aufgestellt, sondern lösen ihre Herausforderungen mehr oder weniger intuitiv – was im Ergebnis oft trotzdem sehr gut ist, wodurch jedoch ebenso oft insbesondere die Arbeit an strategischen Themen etwas zu kurz kommt. Ich frage einmal ganz keck: Haben Sie die folgenden Fragen für sich beantwortet?

»Welches werden die Anforderungen sein, die in den nächsten drei Jahren an meinen Bereich gestellt sind?«

»Wie möchte ich diesen Anforderungen gerecht werden und wie soll mein Bereich in drei Jahren aussehen?«

»Was muss ich dafür in den nächsten sechs bis zwölf Monaten tun?«

Und wie viel Zeit verbringen Sie pro Monat mit der Ausarbeitung und Umsetzung entsprechender Themen – 20 Stunden? Zehn Stunden? Oder bleibt meist keine Zeit? Um die strategischen Themen systematisch und wirksam anzugehen, braucht man einen Maßnahmenplan und ein entsprechendes Zeitmanagement, das Raum für strategische Themen bietet. Alle genannten und weitere Aspekte werden im Rahmen des hier darzustellenden Coaching-Ansatzes behandelt, um Anregungen zu bieten, wie man den eigenen Verantwortungsbereich strategisch weiterentwickeln kann und wie man gleichzeitig einen passenden Rahmen bereitet, innerhalb dessen jeder Mitarbeiter die Möglichkeit hat, sich umfänglich einzubringen und weiterzuentwickeln.

Zurück zur Kultur: Meiner Erfahrung nach führt erst der konsequente Einsatz beider Komponenten – Weiterentwicklung der Führungskultur durch Weiterentwicklung der Führungskräfte und Weiterentwicklung der Arbeitskultur durch KVP – zum Erfolg. Immer wieder beobachte ich jedoch, wie in Unternehmen schwerpunktmäßig entweder das eine oder das andere betrieben wird. Dazu möchte ich an dieser Stelle zwei Erfahrungen teilen:

In Gesprächen mit Unternehmensleitern stoße ich immer wieder mal auf das Phänomen, dass es in fast jedem Unternehmen Führungskräfte gibt, die sich bislang noch nicht so recht aus der Rolle des besten Sachbearbeiters ihres Fachbereichs heraus entwickelt haben und die immer noch Aufgaben wahrnehmen, für die eigentlich ihre Mitarbeiter zuständig sind. Wenn wir das weiter diskutieren, kommen wir irgendwann zu dem Punkt, dass die Aufgaben, die diese Führungskräfte eigentlich wahrnehmen sollten, wegen deren Einbindung in Sachbearbeitungsfragen oft nur rudimentär und manchmal sogar überhaupt nicht wahrgenommen werden. Dies vor Augen folgt von meinem Gesprächspartner oft der Vorschlag, man müsse für die Entwicklung des Unternehmens schwerpunktmäßig bei den Führungskräften ansetzen. Der Logik nach stimme ich zu. Der Erfahrung nach jedoch nicht. Denn wenn man sich auf die Entwicklung der Führungskräfte konzentriert, führt dies ganz oft zu dem folgenden oder einem ähnlichen Ablauf: Zunächst wird auf einer betriebsinternen Besprechung oder Tagung mit Führungskräften seitens der Unternehmensleitung angesprochen, dass es Entwicklungsbedarf bei der Führungskultur gibt. Ein guter Teil der Führungskräfte erkennt dabei, dass dies zutrifft, jedoch fühlt sich keine Führungskraft von solch einer allgemeinen Aussage persönlich angesprochen – und falls doch, dann leider nicht diejenigen, die den größten Entwicklungsbedarf haben. Darauf aufbauend wird mit Unterstützung der Personalabteilung und in intensiver Abstimmung mit den durchführenden Trainern eine Seminarveranstaltung oder Seminarreihe konzipiert, die zwar grundsätzlich passende Themen aufgreift, letztlich aber weder die individuelle Situation noch das individuelle Wirken der einzelnen Teilnehmer berücksichtigen kann und die mit der Vermittlung und Diskussion allgemeiner Grundsätze endet. Ergänzt und verstärkt wird die Wirkungslosigkeit solch klassischer Schulungen dann noch durch den folgenden Umstand: Das Verhalten jeder Führungskraft ist zu einem gewissen Teil nicht selbstbestimmt, sondern wird geprägt durch stabile Verhaltenserwartungen aus dem gesamten sie umgebenden System – von oben, von unten und von Kollegen auf derselben Ebene. Das eigene Verhalten – auch wenn man es als »nicht vorteilhaft« erkennt – wird sozusagen von den anderen Mitspielern im System durch deren zur Gewohnheit gewordene Verhaltenserwartungen festgehalten. Es ist in gewisser Hinsicht energiesparend, den anderen so zu akzeptieren, wie er ist und ihn entsprechend zu behandeln. Genau damit wird jedoch zur Verfestigung von Verhaltensweisen beigetragen, auch zur Verfestigung jener Verhaltensweisen, für die eine Änderung wünschenswert wäre. Und wenn dann eine Führungskraft tatsächlich ihr Verhalten ändern möchte, fehlt ihr zumeist das Durchhaltevermögen, um gute Vorsätze konsequent gegenüber der Menge stabiler Verhaltenserwartungen so lange zu vertreten, bis die Änderungen vom Umfeld angenommen werden. Insbesondere aus diesem Grund versanden oftmals die guten Vorsätze, die Teilnehmer aus Seminaren mitbringen, im Alltag rasch wieder. Am Ende steht dann meist, dass viele Führungskräfte zwar den Änderungsbedarf sehen und dass sie die Inhalte der Schulungen interessant fanden, dass sie jedoch nicht sehen, wie sie als Individuum konkret sich und ihre Umgebung verändern können. Letztlich bleibt alles wie es ist und es wird weiterhin geführt wie bisher.

Andere Unternehmensleiter sehen diese Problematik und es kommt zu dem Versuch, das System schwerpunktmäßig sozusagen von unten her zu heilen, indem ein Verbesserungsprogramm eingeführt wird – jedoch ohne gleichzeitig den Fokus auf die Entwicklung der Führungskräfte zu legen. In diesen Fällen erscheint es mir geradezu, als sollten die Mitarbeiter durch ihre KVP-Aktivitäten nicht nur Prozesse entwickeln, sondern irgendwie auch alle Führungsschwächen kompensieren. Das kann nicht funktionieren. Die so erzielten Erfolge sind überschaubar. Und darüber hinaus schlafen solche Verbesserungsprogramme meist nach einiger Zeit mangels Motivation der Mitarbeiter ein, denn wenn sich die Führungskräfte das Thema Verbesserung/Veränderung nicht über alle Ebenen hinweg auch auf ihre eigenen Fahnen schreiben und passende Rahmenbedingungen bereiten, dann bringt sich niemand dauerhaft ein. Vom Start bis zum Versanden eines solchen Verbesserungsprogramms vergehen erfahrungsgemäß drei bis sechs Jahre. Mit etwas Sarkasmus: Große Unternehmen wissen das und lancieren entsprechend rechtzeitig immer wieder neue Verbesserungsprogramme. Und sogar die Macher von Management-Moden stellen sich auf dieses Verhalten großer Organisationen ein. Schauen wir doch nur einmal bis in die Mitte der 80er-Jahre zurück (einige der nachfolgend genannten Vorgehensweisen entstanden, lange bevor sie zur Modevorgehensweise gemacht wurden.): Auf Business-Process-Reengineering folgten TPM und Kaizen. Auf diese beiden folgte Six-Sigma. Auf Six-Sigma folgte Lean. Und nun stehen gerade Kata und Scrum besonders hoch im Kurs. Bleibt abzuwarten, was als nächstes kommt. Immer derselbe Themenkreis, nur in neuem Gewand. Wirklich ändern tut sich jedoch nichts, solange nur die Mitarbeiter vor den Karren gespannt werden.

Insbesondere große Unternehmen versuchen zusätzlich, den von ihnen momentan eingeschlagenen Weg durch Werbung zu unterstützen, getreu dem Motto: »Wenn es nur alle oft genug hören und lesen, wird es schon irgendwann so sein«. Die Folge sind dann umfangreiche Plakataktionen oder Texte, wie Sie ihn zu Beginn dieses Kapitels gelesen haben. Trotz dieser wohlgemeinten – und von der Belegschaft manchmal durchaus als lächerlich wahrgenommenen – Werbeaktionen bleibt festzuhalten, dass die Weiterentwicklung der Kultur ausbleibt.

Und ganz extreme Unternehmen versuchen es mit Indoktrination. In einem DAX-30-Unternehmen durfte ich erleben, wie sich im Rahmen entsprechender Schulungen alle teilnehmenden Führungskräfte zu den neuen, verordneten Werten bekennen mussten. In der Wirklichkeit haben sich dadurch freilich keine wahrnehmbaren Verhaltensänderungen ergeben.

Eine Weiterentwicklung der Kultur entsteht also nicht dadurch, dass man schwerpunktmäßig versucht, das Unternehmen von oben her oder von unten her zu entwickeln. Und sie lässt sich auch nicht durch Werbeaktionen herbeireden. Und schon gar nicht lässt sie sich durch erzwungene Wertebekenntnisse erwirken. Meiner Erfahrung nach entsteht ein wirklicher Veränderungsprozess nur dann, wenn man das Unternehmen – wie bereits angedeutet – gleichermaßen von oben und von unten her entwickelt und damit Führungskräften und Mitarbeitern die Möglichkeit gibt, sich und das Unternehmen zu entwickeln. »Sowohl – als auch« anstatt »Entweder – oder«.

Dabei bin ich jedoch dafür, nicht beides unmittelbar gleichzeitig zu beginnen, sondern dem KVP – der Entwicklung »von unten« – einen 18- bis 24-monatigen Vorsprung einzuräumen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es sinnvoll ist, den Mitarbeitern im ersten Schritt mit dem KVP eine Plattform zu schaffen, auf der sie Verantwortung übernehmen und auf der sie Eigenverantwortung erlernen können – wozu sie von ihren Führungskräften bis zur Einführung des Verbesserungsprogramms oft nicht im selben Umfang ermutigt wurden. Mit der Einführung des in diesem Buch dargestellten Verbesserungsprogramms und entsprechend regelmäßigen KVP-Aktivitäten in allen Bereichen des Unternehmens besetzen die Mitarbeiter schrittweise, wirksam und flächendeckend den Raum der Sachbearbeitung und Prozessentwicklung. Und während dies geschieht, wird auf vielfältige Weise transparent, an welchen Stellen Führungsschwächen vorliegen. Dann kommt nach einer Weile der richtige Zeitpunkt, die Unternehmensentwicklung um das Thema Führungskräfteentwicklung/Coaching zu ergänzen. Vorher hat es wenig Sinn, aufs Geratewohl Führungskräfte zu coachen. Ab dann aber ist es wichtig, beides kontinuierlich zusammenwirken zu lassen, denn es geht immer um das Zusammenspiel aller Beteiligten: um das Zusammenspiel von Führungskräften und Mitarbeitern, von Führungskräften untereinander und von Mitarbeitern untereinander. Unterm Strich geht es also um nicht weniger als um die Entwicklung der gesamten Arbeits- und Führungskultur des Unternehmens. Gelingt es uns, die Arbeits- und die Führungskultur sozusagen im Verbund zu entwickeln, ist dies nach meiner Erfahrung der Garant für Erfolg. Dann entwickeln sich durch gemeinschaftliche Anstrengung die grundsätzlichen Denk- und Handlungsmuster aller Beteiligten.

Mit der detaillierten Darstellung beider Komponenten – Verbesserungsprogramm und Coaching-Programm – zeige ich in diesem Buch, wie es gelingt, von einem nahezu beliebigen Ausgangspunkt aus eine Unternehmenskultur zu entwickeln,

in der die Mitarbeiter die Bedürfnisse des Kunden stets fest im Blick haben und in der sie im Sinne des Kunden verantwortungsbewusst und eigenverantwortlich handeln,

in der die Mitarbeiter als Wissensträger wertgeschätzt werden und in der sie motiviert sind, Höchstleitungen zu erbringen,

in der die Führungskräfte ihre Aufgabe verstehen und auch die strategischen Aspekte ihrer Arbeit umfänglich wahrnehmen, anstatt sich als bester Sachbearbeiter ihres Bereichs zu begreifen, und

die einerseits stabil ist, um dynamischen Einflüssen diverser Managementmoden zu widerstehen, und andererseits flexibel genug, um das Unternehmen immer wieder an neue Anforderungen anzupassen.

Nein, dies ist nicht der Anfang eines Werbetextes à la Unternehmensbroschüre oder Website, wie ich ihn oben kritisiert habe. Dies ist der Übergang zu einem Buch, das Ihnen zeigt, wie Sie diese Ziele gemeinsam mit Ihrer gesamten Belegschaft erreichen.

2 Unternehmenskultur Was ist das eigentlich?

Um zu wissen, von wo aus wir loslaufen wollen, wenn wir die Kultur in unserem Unternehmen entwickeln wollen, müssen wir erst einmal die Möglichkeit haben, unseren Ausgangspunkt zu beschreiben. So erwartet uns in diesem Kapitel eine kurze und überschaubare Grundlagendiskussion zum Thema Kultur beziehungsweise Unternehmenskultur.

In einer früheren Publikation habe ich mehrere Seiten damit verbracht, einen Kulturbegriff herzuleiten. Um Ihnen diese Herleitung zu ersparen, verwende ich hier schlicht die Grundzüge meiner damaligen Definition als Ausgangspunkt:

»Im Kern besteht eine Kultur aus Werten, die durch das Verhalten der Angehörigen des Kulturkreises reproduziert […] und durch […] Sprache und Handlung vermittelt werden. Mit diesen Werten einhergehen […] informelle/soziale sowie schließlich formelle/juristische Regeln […]. Die Regeln determinieren, bis zu welchem Grad Abweichungen von den kulturspezifischen Verhaltenserwartungen toleriert werden und wie diese […] zu sanktionieren sind.«1

Im Grunde sieht es mit einer Unternehmenskultur sehr ähnlich aus wie mit einer National- oder Gesellschaftskultur. Mitarbeiter aller Ebenen eines Unternehmens reproduzieren ihre Kultur täglich durch die Art, wie sie sich begegnen und dabei miteinander umgehen.

Während man im einen Unternehmen auf eher traditionelle Weise mit Vorgesetzten, Kollegen und Mitarbeitern umgeht, wird in einem anderen Unternehmen munter über alle Hierarchieebenen hinweg geduzt. Auch die Wahl der Kleidung markiert grundlegende Wertehaltungen. Oftmals unterscheiden sich diesbezüglich ganze Branchen von anderen. Mit gutem Grund gibt es zu diesem Punkt Unterschiede zwischen beispielsweise einer renommierten Großbank und einer Werbeagentur. Auch haben alle Unternehmen formelle oder informelle Regeln, wie Regelverstöße zu sanktionieren sind. Um bei dem Beispiel zu bleiben: In einer Agentur werden Sanktionierungen in den meisten Fällen vermutlich etwas laxer ausfallen als in der angesprochenen Großbank oder bei einem DAX-30-Industriekonzern. In keiner Weise soll dies damit bewertet werden, lediglich die Unterschiede möchte ich verdeutlichen – zwischen Branchen, aber auch innerhalb einer Branche. Die Großbank wird anderes Auftreten (Kleidung, Umgangsformen und so weiter) von ihren Mitarbeitern erwarten als die Filiale einer Genossenschaftsbank oder Sparkasse in einem Ort mit 8 000 Einwohnern, in dem fast jeder jeden kennt. Jedes Unternehmen hat seine eigenen Gepflogenheiten, angepasst an seine individuelle Umwelt und seine Wahrnehmung in der Öffentlichkeit. Und wer gegen die Normen seines Unternehmens verstößt, hat Schwierigkeiten dazuzugehören, ja läuft gar Gefahr, sich zu isolieren oder im Extremfall von der Gruppennorm »abgestoßen« zu werden. Abweichungen »nach unten«, beispielsweise auffällig schlechtes Benehmen, werden gemeinhin stärker und formeller sanktioniert als Abweichungen »nach oben«, beispielsweise wenn jemand jeden Tag völlig »overdressed« zur Arbeit erscheint. Letzterer wird sicher nicht Gefahr laufen, wegen seines Kleidungsstils eines Tages die Kündigung auf dem Tisch liegen zu haben, die völlige Integration ist solchen Sonderlingen aber wohl verwehrt.

Soviel ganz grob zu den Unterschieden von Unternehmenskulturen. Sprechen wir nun darüber, wie Unternehmenskulturen entstehen. Meist zeigt sich der folgende Verlauf:

Am Anfang stehen die sogenannten Basisannahmen. Dabei handelt es sich um die Werte, die bei der Gründung des Unternehmens bestehen und die bewusst oder unbewusst weiterentwickelt werden. Beispiele dafür sind die Frage, ob kooperativ oder direktiv geführt werden soll, ob Führungskräfte ihre Mitarbeiter alle gleich behandeln oder individuell beziehungsweise den Erfordernissen entsprechend, ob wir uns als Führungskraft eher herausfordernd oder eher fürsorglich verhalten, ob im Unternehmen eher risikoscheu oder risikofreudig gehandelt wird, und so weiter und so fort. Diese Werte werden in der Regel durch das subjektive Wertegerüst des Firmengründers bestimmt und durch alle nachfolgenden Unternehmensleiter weiterentwickelt. Und sie sind nur in den seltensten Fällen dokumentiert – auch ein Grund, warum sich um Firmengründer oft Mythen ranken.

Aus den Basisannahmen erwachsen mit der Zeit Normen und Standards. Spätestens mit dem ersten Führungswechsel einhergehend entsteht der Bedarf, Normen festzulegen – denn wenn ein Neuer an die Unternehmensspitze kommt, ändert sich zwangsweise irgendetwas, das zuvor liebgewonnen und zur festen Gewohnheit gebracht wurde. Aus diesem Wandel resultieren dann Warum-Fragen dem Wandel gegenüber und in der Folge die Notwendigkeit, die Verhaltensänderung zu erklären. Spätestens aus dem so entstehenden Diskussionsprozess entstehen am Ende – durch mündliche Vereinbarung oder schriftliche Fixierung – Normen und Standards, die für alle eine grundlegende Orientierung bieten. Nicht, dass durch personelle Veränderungen an der Unternehmensspitze Desorientierung entstünde, aber eine gewisse – in den meisten Fällen fruchtbare – Unruhe allemal.

Wenn bis dahin noch nicht geschehen, ist dies oft der Zeitpunkt, an dem erste Unternehmensbroschüren entstehen, mit denen neben dem Produktangebot auch das Innenleben und Wirken des Unternehmens abgebildet werden soll. Dabei bleibt es in vielen Fällen nicht aus, dass auch Elemente ins Selbstbild aufgenommen werden, die zwar gewünscht sind, die so aber noch nicht vorliegen. Die Festschreibung solcher Ziele ist sicher nicht verkehrt, markiert aber oft auch den ersten Schritt in Richtung Abweichung des Wunsches von der Wirklichkeit, denn ganz oft fehlt ein mit den Zielen korrespondierender kleiner Maßnahmenkatalog, der notwendig wäre, um den Wunsch am Ende Wirklichkeit werden zu lassen.

Basierend auf dem mehr oder weniger passenden und mehr oder minder dokumentierten Selbstbild des Unternehmens entstehen in einem dritten typischen Entwicklungsschritt aus den Normen und Standards dann schrittweise ganze Handlungs- und Symbolsysteme, so wie oben auszugsweise anhand von Beispielen beschrieben (Großbank, Werbeagentur und so weiter). Ab diesem Entwicklungsstadium gibt es in jedem Unternehmen ein sichtbares, manchmal sogar fast fühlbares System, mittels dem – größtenteils informell – geregelt ist, wie man miteinander umgeht, als Führungskraft mit den Mitarbeitern, als Mitarbeiter mit den Führungskräften und auf allen Ebenen untereinander. Eher selten gibt es für diese Handlungssysteme ein formelles Regelwerk. Die mit den Handlungssystemen korrespondierenden Symbolsysteme reichen von der Kleidung über die Arbeitsplatzgestaltung und manchmal sogar bis in die Architektur des Unternehmens. Als Beispiel dafür mag ein deutscher Automobilhersteller dienen, dessen Firmenhauptsitz an Zylinder erinnert.

Abbildung 1: Entstehung von Unternehmenskultur

Weil die Handlungs- und Symbolsysteme interpretationsbedürftig sind, werden spätestens in diesem Stadium der Entwicklung Kommunikationskanäle sehr ausgeprägt genutzt, meist mindestens die bereits angesprochenen Broschüren, aber auch der Internet-Auftritt und gegebenenfalls Intranet und Mitarbeiterzeitung. Hat man es bis dahin verpasst, die Entwicklung hin zum Zielzustand der Kultur durch passende Führung zu beeinflussen, erscheint diese Kommunikation weniger als Abbild dessen, was im Unternehmen erlebbar ist und gelebt wird, sondern vielmehr als Versuch der Indoktrination.

Den betroffenen Unternehmen erscheint das Kommunizieren ihres (Wunsch-)Selbstbildes jedoch wichtig, weil mit zunehmender Größe des Unternehmens auch die Dynamik immer weiter zunimmt. Diese Dynamik resultiert zum einen aus dem Hinzukommen immer neuer Mitarbeiter und damit immer neuer Ideen, wie dieses oder jenes alternativ zur bestehenden Norm geregelt sein könnte. Nicht zu unterschätzen ist jedoch auch die Dynamik, die durch den Stellenwechsel von Mitarbeitern, insbesondere von Führungskräften entsteht – sei dies innerbetrieblich oder durch den Weggang zu einem anderen Arbeitgeber. Jeder Wechsel, insbesondere auf Führungsebenen, erzeugt Unruhe und Unsicherheit. Auch dem soll – soweit durch das Abbilden eines Selbstbildes überhaupt möglich – begegnet werden; ein klares Unternehmensselbstverständnis soll stets grundlegende Orientierung bieten, auch in Situationen der Unsicherheit.

Um kurz einmal zu verdeutlichen, welche Dynamik es erzeugen kann, wenn insbesondere Führungskräfte ihre Stelle wechseln, möchte ich Ihnen eine Übung vorstellen, die ich als »Systemisches Dreieck« kennengelernt habe:

Man beginnt damit, die Teilnehmer (beispielsweise 15 Personen) aufzufordern, sich aus der Gruppe der Teilnehmer zwei Personen auszuwählen, über ihre Auswahl jedoch Stillschweigen zu bewahren. Dann geht man auf einen nahegelegenen größeren Platz, beispielsweise einen Parkplatz oder eine Wiese. Nun soll sich jeder so zu den zwei ausgewählten Personen stellen, dass er in einem gleichschenkligen Dreieck zu den beiden anderen steht. Wenn das nach ein paar Minuten erreicht ist, wählt man einen Teilnehmer aus und bittet diesen, drei große Schritte nach hinten zu treten und dann stehen zu bleiben (als Fixpunkt). Dann fragt man alle anderen: »Ist das für Sie alle in Ordnung?« Die Antwort wird von mehreren Teilnehmern verneint werden.

Daraus lernen wir: Wenn sich eine Position einfach so verändert, stimmt für manche Positionen das gemeinschaftlich arrangierte Gefüge nicht mehr. Und weiterhin ist absehbar: Wenn in einem Gefüge von Abhängigkeiten einer etwas verändert, müssen mehrere Personen etwas anpassen, damit das System wieder funktioniert – hinsichtlich der Prozesse ebenso wie kulturell.

Als nächstes folgt die Aufforderung an alle Teilnehmer, deren Dreieck zu diesem Zeitpunkt nicht mehr gleichschenklig ist, sich neu zu positionieren, auf dass sie nach dieser erneuten Ausrichtung mit den zwei von ihnen ausgewählten Personen wieder ein gleichschenkliges Dreieck bilden. Der »Fixpunkt« bleibt dabei stehen, ebenso diejenigen Personen, die zu diesem Zeitpunkt keinen Änderungsbedarf haben, weil ihr gleichschenkliges Dreieck noch intakt ist. Sobald das System erneut steht, stellt man die Frage an alle außer an den Fixpunkt: »Passt’s nun wieder?« Von denjenigen, die sich gerade ausgerichtet haben, wird dies bejaht werden. Nun jedoch werden viele der anderen die Frage verneinen. Daher ergeht nun an alle – außer an den Fixpunkt – die Aufforderung, erneut ein gleichschenkeliges Dreieck mit den zwei gewählten Personen herzustellen. Nach erneuten Positionsveränderungen meist aller Personen passt es dann auch wieder für alle – außer für den Fixpunkt, denn er hat sich ja nicht ausgerichtet.

Aus dem gesamten Vorgang lernen wir schließlich das, was wir nach dem ersten Schritt bereits vorausgesehen haben, nämlich dass es auch bei geringfügigen Änderungen für viele oder gar alle Mitwirkenden einen gewissen Aufwand bedeutet, sich neu aufeinander auszurichten beziehungsweise neu aufeinander einzustellen.

Und aus der Sicht des Fixpunktes ist der Lernwert: Wenn man nicht aktiv mitgestaltet, kommt möglicherweise kein Gefüge dabei heraus, in dem wir gerne und gut unsere Aufgaben wahrnehmen.

Letzteres ist vielleicht schon ein wenig voraus gegriffen, denn ich werde in diesem Buch deutlich herausarbeiten, warum es so wichtig ist, möglichst jeden Mitarbeiter soweit wie möglich in die Entwicklung beziehungsweise Veränderung des Unternehmens mit einzubeziehen. Herausstellen wollte ich an dieser Stelle lediglich, dass bereits der Wandel auf einer einzigen Führungsposition zur – mehr oder weniger starken – Anpassung des gesamten Systems führen muss. Wie oft ist zu hören, es sei ja »nur der Vertriebsleiter« oder »nur der Produktionsleiter«, der das Unternehmen verlassen habe und der ersetzt werden müsse, und man könne als Geschäftsführer nicht verstehen, warum die Prozesse denn nun nicht mehr stabil liefen. Ich denke, diese Übung zeigt ganz gut, dass eine einzige Änderung an wesentlicher Stelle im System zu Anpassungsbedarf in fast dem gesamten Restsystem führt. Bezogen auf das Thema »Kultur« heißt das: Kommt eine neue Führungskraft ins Unternehmen, die nuanciert andere Wertvorstellungen und vielleicht auch einen Stall neuer Ideen hat, führt dies zu einer nicht zu unterschätzenden Dynamik. Dies kann ebenso negativ wie positiv sein – je nachdem, in welcher Lage sich das Unternehmen befindet und wie tauglich die derzeitigen Werte, Normen und Standards sowie Handlungssysteme sind, um den Herausforderungen des Unternehmens gerecht zu werden.

Einem erfolgreichen Unternehmen kann man wünschen, dass die Werte und die daraus folgende Kultur stark genug sind, einen neuen Einflussträger sozusagen »auf die Spur« zu bringen. Und einem wenig erfolgreichen Unternehmen, dem eine neue und fähige Führungskraft geschenkt wird, mag man genau das Gegenteil wünschen.

Damit möchte ich zu der interessanten Frage kommen, welche Stärken und Schwächen ausgeprägte Unternehmenskulturen haben. Meiner Erfahrung nach haben ausgeprägte Unternehmenskulturen mindestens die folgenden Stärken und Schwächen:

Stärken ausgeprägter Unternehmenskulturen: Mit einer ausgeprägten Unternehmenskultur läuft vieles einfacher. Kommunikation findet effizienter statt, weil Werte und Ziele geteilt werden. Basierend auf gelebten Werten und von allen akzeptierten Zielen werden Entscheidungen rascher getroffen als in Unternehmen mit schwachen Kulturen. Auch alle den Entscheidungen nachfolgenden Handlungen laufen in der Regel geschmeidiger, denn Werte und Ziele bieten Orientierung: Es gibt sichtbare Zeitersparnisse bei der Gewinnung und Verarbeitung von Informationen, dem Implementieren von Plänen und dem Durchführen von Projekten. Die Identifikation der Mitarbeiter mit dem Unternehmen und seinen Zielen ist in der Regel ausgeprägter als bei Unternehmen mit schwacher Kultur. Entsprechend sind die Mitarbeiter loyaler. Es gibt meist einen vergleichsweise geringen Krankenstand, hohe Stabilität und geringen Kontrollaufwand. In sehr umsichtigen Kulturen wird die Struktur der Organisation in zur Markt- und Unternehmensentwicklung passenden Zyklen angepasst. Dabei werden alle Veränderungen an den Werten der Kultur gespiegelt; niemals werden Veränderungen einfach so ohne Hinterfragen vorgenommen. So weit, so gut.

Schwächen ausgeprägter Unternehmenskulturen: Dazu zählt zum Beispiel, dass ausgeprägte Kulturen Flexibilität hemmen, weil dominante Werte die Denk- und Blickrichtung vorgeben. Oft ist man in solchen Kulturen auch auf die Erfolgsmuster der Vergangenheit fixiert. In besonders starken Kulturen wird das, was in der Vergangenheit zum Erfolg geführt hat, als unantastbar erachtet – was dann nicht selten zu einer Versteifung der Organisation, ihrer Sichtweisen und Abläufe führt. Je länger Erfolgsmuster nicht revidiert werden müssen, desto wahrscheinlicher sind eine Stereotypisierung der Außenwelt und ein daraus folgender Druck auf interne Abweichler. Die Folge ist meist eine ausgeprägte Zensur von Ideen, die nicht zum Wertekanon des Unternehmens passen – auch wenn diese Ideen vernünftig sind und Wandel in der Umwelt des Unternehmens konstruktiv aufgreifen. Im Extremfall finden wir nicht nur Zensur, sondern darüber hinaus auch Selbstzensur, nach dem Motto »