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Trading ist ein kurzfristiges Geschäft. Doch oft lohnt es sich erst, wenn man einen Wert länger im Depot behält und so bestmöglich vom Kursanstieg profitiert. In diesem Buch überträgt Williams erstmals Gesetzmäßigkeiten der langfristigen Anlage auf den kurzfristigen Tradingbereich und entwickelt so völlig neue Strategien, die bis dato noch nie veröffentlicht wurden.
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Larry Williams
Erfolgsrezept: Kurzfristtrading
LARRY WILLIAMS
ERFOLGS REZEPT: KURZFRIST TRADING
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://d-nb.de abrufbar.
Für Fragen und Anregungen:
3. Auflage 2020
© 2013 FinanzBuch Verlag,
ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH
Nymphenburger Straße 86
D-80636 München
Tel.: 089 651285-0
Fax: 089 652096
Original edition copyright © 2012 by Larry Williams. All rights reserved.
Die Originalausgabe erschien 1999 unter dem Titel »Long-Term Secrets to Short-Term Trading« bei John Wiley & Sons, Inc., Hoboken, New Jersey.
Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.
In diesem Buch geht es unter anderem um Wertpapiere. Hierzu muss gesagt werden: Eine Anlage in Wertpapiere birgt gewisse Risiken – bis hin zum Verlust des eingesetzten Kapitals. Da Kapitalmärkte teilweise hohen Schwankungen unterliegen, darf eine Anlage in Wertpapiere niemals mit einem kurzfristigen Anlagehorizont einhergehen. Historische Renditen bieten keine Garantie für zukünftige Renditen. Eine Haftung für Schäden, die durch die in diesem Buch beschriebenen Anlagestrategien möglicherweise entstehen, ist ausgeschlossen. Die Umsetzung erfolgt auf eigenes Risiko. Die gelieferten Informationen sind zu keiner Zeit als Anlageempfehlung im Sinne des Wertpapierhandelsgesetzes anzusehen – sie entsprechen den persönlichen Ansichten des Autors.
Übersetzung: Horst Fugger
Lektorat: Monika Spinner-Schuch
Satz: Georg Stadler, München
Druck: Sowa Sp. z. o. o., Polen
eBook: ePubMATIC.com
ISBN Print 978-3-89879-690-3
ISBN E-Book (PDF) 978-3-96092-767-9
ISBN E-Book (EPUB) 978-3-96092-768-6
Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter
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Danksagung
EinführungSie sind bereits ein Rohstofftrader!
Mein wichtigster Glaubenssatz über den Markt
Der Beginn meiner Spekulantenkarriere
Die Reise Ihres Lebens
Kapitel 1Bringen Sie Ordnung in das Chaos
Wie ich mein Wissen über die Märkte erworben habe
Mit Charts den Markt erforschen
Der nicht zufallsbedingte Markt
Die Marktstruktur verstehen
Die Marktstruktur wird sich niemals verändern
Leerverkaufsmuster
Zeitliches Ziel und bewegliche Stopps
Zusammenfassung
Kapitel 2Es ist eine Frage von Preis und Zeit
Alles, was Sie schon immer über Zyklen wissen wollten
Der natürliche Zyklus einer Kursspannenänderung
Wenn der Trend auf Ihrer Seite ist – das zweite Powerplay
Zusammenfassung
Kapitel 3Das wahre Geheimnis des kurzfristigen Tradings
Alles dreht sich um die Zeit
Wie man heißgelaufenen Tradern unter die Arme greift
Der Beweis
Wie man das meiste Geld verdient
Zusammenfassung
Kapitel 4Volatilitäts- und Momentum-Ausbrüche
Einfache Ausbrüche aus der täglichen Kursspanne
Ein Blick auf die Volatilität des S&P-500
Trendumschwünge nutzen
Die Ergebnisse
Der nächste Schritt
Zusammenfassung
Kapitel 5Die Theorie des kurzfristigen Tradings
Die Kehrseite des Informationszeitalters
Die goldenen Regeln der Millionäre – von E. H. Harrimans
Zusammenfassung
Kapitel 6Wir kommen der Wahrheit näher
Der Markt ist kein Münzwurfspiel
Der TDM und der Goldpreis
Der TDM und der Anleihenmarkt
Monatliche Straßenkarten
Zusammenfassung
Kapitel 7Gewinnmuster
Das gemeinsame Element
Fragen, die man stellen muss
Das Smash-Day-Muster
Wie man Smash-Day-Muster verwendet
Die Spezialistenfalle
Eine wichtige Anmerkung:Das funktioniert auch in kürzeren Zeitrahmen
Ups! Das ist doch kein Fehler!
S&P-Ups!-Trading
Zusammenfassung
Kapitel 8Die Käufer von den Verkäufern unterscheiden
Der größte Swing-Wert
Aktienindex-Trading mit dem größten Swing-Wert (GSV)
Einige Hinweise
Zusammenfassung
Kapitel 9Kurzfristiges Trading an einem Kursmonitor
Wie ein Kursmonitor-Trader Geld verdient
Swing-Punkte als Indikatoren einer Trendwende
Das Drei-Balken-Hoch/Tief-System
Ein neuer Indikator für Kurzfristtrader: der Will-Spread
Der Will-Spread und der S&P-500-Aktienindex
Zusammenfassung
Kapitel 10Besondere kurzfristige Situationen
Trading von Aktienindizes am Monatsende
Wie man es noch besser macht
Anleihentrading am Monatsende
Die Einzelheiten
Besser und besser
Zeit zu verkaufen
Zusammenfassung
Kapitel 11Wann Sie aus Trades aussteigen sollten
Kapitel 12Gedanken über das Geschäft der Spekulation
Ausstiege vor Einstiegen
Worum es bei der Börsenspekulation geht
Es ist an der Zeit
Trademanagement
Grundlegendes zur Spekulation
Zusammenfassung
Kapitel 13Money Management – Der Schlüssel zum Königreich
Methoden des Money Managements – eine davon ist die richtige für Sie
Das Gute, das Schlechte und das Hässliche am Money Management
Ein Ausblick in neue Richtungen:Der Rückschlag als Vermögenswert
Zurück zu Ralph: Der Durchbruch des Money Managements
Das Trugbild der Kelly-Formel
Zusammenfassung
Kapitel 14Von Kennedy bis Obama:Gedanken aus 50 Jahren als Trader
Trading und Honigernten
Die niedrig hängenden Früchte
Erst sehen, dann gehen
Erinnern Sie sich noch an das Mikado-Spiel?
Und es kann noch viel schlimmer kommen …
Lock-up-Zeit
Genug von der Gier – kommen wir nun zu der Angst
Laufen, Traden und Verlieren
Das Falsche tun … das ist so einfach, oder?
Es ist nicht der Trade, es ist der Kampf
Die Kunst des Fliegenfischens
Blicken wir der Angst und der Gier noch einmal ins Auge
Warum die meisten Trader meistens verlieren
Ein Rückblick auf die Verlusttrades zeigte es
Der Hauptgrund, warum wir beim Trading Geld verlieren
Ihr wichtigster Glaubenssatz beim Trading
Der schlimmste Flop, den ich je erlebt habe – und der mich auch das meiste Geld gekostet hat
Sport und Trading weisen viele Parallelen auf
Was Trends auf Aktien- und Rohstoffmärkten verursacht
Wie man Amateurtrader im Vergleich zu Profis beurteilen kann
Leute, es ist einfach nicht zu schaffen
Der Rausch des Tradings
Prognosen und Resultate
Ich verstehe es einfach nicht
Die Show muss weitergehen
Gebrochene Nasenbeine, Blumenkohlohren und schlechte Trades
Lernen, wie man Geld verliert
Hillary, große Hoffnungen und Kummer
Die Rolle der Zeit
Die Geheimnisse der Systementwicklung und des Tradings
Der Unterschied zwischen Gewinnern und Verlierern
Zusammenfassung
Kapitel 15Was löst eine Rally am Aktienmarkt aus?
Logik 101
Anleihen als Prognosefaktoren für den Aktienmarkt
Ein Blick auf Daten A und Daten B
Legen wir einige schlechte Angewohnheiten ab
Wie man schlechte Angewohnheiten überwindet
Das Setzen von Stopps –Dollar-Verluste und Unvorhersehbarkeit
Ein Überblick über mein Trading
Meine Tradingstrategie – wie sie funktioniert
Zusammenfassung
Kapitel 16Harte Fakten über ein Spiel, das schwer zu gewinnen ist
Es ist wie im echten Leben
Vielleicht sind Sie nicht zum Trader geboren
Sie haben es nicht leicht
Aber es gehört noch mehr dazu …
Zum guten Schluss
Dieses Buch ist nicht das Produkt von Untersuchungen, sondern quasi das i-Tüpfelchen auf einer Karriere, die eine ganze Menge Forschungsarbeit, Selbstbeobachtung und hoffentlich auch persönliche Weiterentwicklung umfasst hat.
Es ist anrührend, mehr oder weniger denselben Menschen danken zu können wie bei der Erstausgabe dieses Buches. Damals wusste ich noch nicht, dass Menschen wie Tom DeMark, Ralph Vince, Glen Larson, Greg Alesandra, Harvey Levine, Kurt und Jimena Hallock, Richard Joseph und Gene Iredale in meinem Leben eine derart wichtige Rolle spielen würden.
Natürlich verspüre ich auch Trauer wegen der (zu vielen) Menschen, denen ich in der ersten Auflage gedankt habe und die heute nicht mehr unter uns sind: Don Sarno, Al Alesandra, Bill Meehan, Bruce Babcock, Frank Taucher und Michele Maggi von der Tradingbibliothek in Italien. Mein erster Broker Joe Miller und unser gemeinsamer Freund Don Southard sitzen nun im Himmel beim großen Trendlinienzieher, und ich bin mir sicher, dass sie immer noch OBV-Charts studieren.
Im Lauf der Zeit lernt man viel – und ich habe gelernt, wer meine engsten Freunde sind. So viele Menschen haben mir geholfen, aber niemand mehr als meine Partnerin, Mittraderin und Ehefrau Louise Stapleton.
Meine Karriere und dieses Buch würden anders aussehen, hätten mich andere nicht unterstützt und ihr Wissen mit mir geteilt. Herausragend dabei waren Don Sarno, der mich als Erster eingeladen hat, für Commodities Magazine zu sprechen, und Bill Meehan sowie Tom De Mark. Beide sind brillante Analysten, obwohl sie völlig unterschiedliche Ansätze vertreten, und haben am stärksten zu meinem Verständnis der Märkte beigetragen. Tom hat in meinem Leben eine einzigartige Rolle gespielt; wir könnten tolle Geschichten übereinander erzählen. Diese beiden Männer waren immer dazu bereit, ihre Ideen mit mir auszutauschen. Ich möchte Mike Stock für seine Programmierarbeit und seine Ideen danken; Jake Bernstein für seine nun schon vier Jahrzehnte währende Freundschaft, meinem jetzigen Broker Alberto Alvarez und Ed Walter, mit dem ich früher tradete (er ist der einzige mir bekannte Trader, der nie in den Ruhestand ging). Danken möchte ich auch Al Alesandra und seinem Sohn Greg, die seit dem Beginn meiner Traderkarriere meine ständigen Fragen und Anrufe ertragen haben. Wir wissen gar nicht mehr, seit wie vielen Jahren sie mir täglich Kursdaten geliefert haben.
Zahlreiche Analysten haben mich in die eine oder andere Richtung gedrängt. Bob Prechter war einer der ganz wenigen großen Namen, die sich für das im ersten Zusatzartikel zur amerikanischen Verfassung garantierte Recht eingesetzt haben, dass Newsletters publiziert werden dürfen, ohne bei der Commodity Futures Trading Commission der US-Regierung registriert zu sein. Und er hat auch die Rechnungen der Anwälte bezahlt. Ned Davis und Marty Zweig brachten uns allen bei, was Research eigentlich ist. Ich danke auch den vielen Freunden, die ich in der Finanzbranche kennengelernt habe: Joe DiNapoli, Welles Wilder, R. E. McCaster, Brian Schad, Mark Benjamin, Sheldon Knight, Stan und Gretchem Marzalk, John Hill und Bo Thunman, dem Gründer des »Club 3000«.
Ed Dunne, Linda Raschke, Vic Niederhoffer und John Bollinger – allesamt Legenden in ihren Arbeitsgebieten – sind Menschen, die ich respektiere und achte.
Hier in St. Croix haben Charlie Wright und Milo Prohaska mir geholfen, die Märkte besser zu verstehen. Ich habe das große Glück, euch alle zu kennen, und bin mir sicher, dass ich noch einige Menschen vergessen habe, die eigentlich auf diese Liste gehören. Graham und Adel Briggs in Australien schulde ich größten Dank. Ich danke auch der Gruppe bei Pan Rolling in Japan. Hiro und Masaki haben mir dort das Leben gerettet. In Tschechien danke ich Ludvig Turek, in Südafrika Malcolm Buchanan, in Singapur Aaron Sim, in China »Dr. E« oder Dr. Yi Zhi, der mich zum Honorarprofessor an der Zhejiang-Universität ernannte. Ich hatte das Glück, auf der ganzen Welt viele interessante Menschen und Trader kennenzulernen.
Darüber hinaus geht mein größter Dank an Sie, meine Leser, die meine Arbeit beobachten und erstaunliche Gewinne erzielt haben. Menschen wie Marc Bruel, Michael Poissant, Andre Unger, Brady Preston und Chris Johnson haben bewiesen, dass das, was Sie hier lernen, auch wirklich funktioniert. Ich habe nur eine Tür geöffnet, aber sie haben den Ball hindurchgeschossen.
Meine Karriere und dieses Buch wären niemals möglich gewesen ohne die Menschen auf der ganzen Welt, die meinen Newsletter Commodity Timing abonniert haben, ohne die Seminarteilnehmer und die Leser meiner anderen Bücher. Ich schulde ihnen Dank dafür, dass sie mir während der guten Zeiten treu blieben – und auch in den Zeiten, die ich am liebsten vergessen würde!
Sie alle sind großartige Menschen, die mich dazu gedrängt haben, besser zu werden. Jeden Einzelnen habe ich kennen- und zutiefst schätzen gelernt. Danke.
Mit meinen besten Wünschen für Sie alle.
Larry Williams
St. Croix
U.S. Virgin Islands
In den Jahren seit der Veröffentlichung der ersten Auflage dieses Buches sind immer mehr Leute Aktien-, Rohstoff- oder FOREX-Trader geworden. Unser Hausmeister tradet ebenso wie mein Zahnarzt und mein Lieblingskoch. Warum?
Ich glaube, es gibt dafür noch einen anderen Grund als die mit der Spekulation verbundene Spannung. Immer mehr Menschen suchen nach einem Ausweg. Sie wollen weder ein Angestellter noch ein Chef sein. Sie wollen Unabhängigkeit, und das scheint nur als Trader möglich zu sein. Das ist ein Traum, dem viele gefolgt sind und der für zahllose Trader zu einer überraschenden Realität geworden ist. Es gibt einen Ausweg – und genau darum geht es in diesem Buch: Ihnen die Tricks und Techniken meines Handwerks zu zeigen.
Ob Sie es wissen oder nicht: Sie haben Ihr Leben lang Rohstoffe getradet. Gut, vielleicht haben Sie noch nie einen Schweinebauchkontrakt getradet, aber sicherlich haben Sie schon einmal ein Besitztum wie ein Auto, ein Haus oder eine Antiquität für Geld an jemand anderen verkauft. Und selbst wenn Sie das noch nie getan haben, dann haben Sie Ihre Zeit für Geld verkauft. Sie haben Ihre Zeit als Lehrer, Anwalt, Klempner oder Kanalarbeiter für Geld an jemand anderen verkauft. Sie sind also schon die Hälfte des Weges gegangen – Sie wussten es nur noch nicht!
Wenn wir unsere Zeit traden, verkaufen wir ja eigentlich unsere Zeit und dazu unsere Fähigkeiten. Aus diesem Grund verdient ein Gehirnchirurg pro Stunde mehr als ein Kniechirurg. Und deshalb verdient auch ein hervorragender Football-Quarterback mehr als sein Verteidiger und der Chirurg zusammen. Er hat ein höheres Karriererisiko. Das liegt nicht daran, dass eine Fähigkeit per se wertvoller ist als eine andere, sondern daran, dass sie schwieriger zu erreichen ist und höhere Risiken birgt. Aus diesem Grund verdient die betreffende Person auch mehr, wenn sie ihre Zeit und ihr Können verkauft.
Michael Jordans Können beim Dribbling und beim Werfen haben keinen inneren Wert, aber der Eigentümer der Chicago Bulls sah die Chance, mit diesen scheinbar wertlosen Fähigkeiten durch ausverkaufte Stadien und Fernsehrechte sehr viel Geld zu verdienen. Und so kann etwas »Wertloses« sehr wertvoll sein. Bei einem Tradingseminar demonstrierte ich das einmal, indem ich einen Umschlag mit einem Scheck zusammen mit 14 ähnlichen versiegelten Umschlägen in eine durchsichtige Plastiktüte steckte. Die Teilnehmer durften je einen Umschlag aus der Tüte nehmen, und wer den 5000-Dollar-Scheck erwischte, durfte ihn behalten.
Die Tüte enthielt 14 wertlose Umschläge, aber plötzlich hatten sie einen Wert! Obwohl alle Umschläge bis auf einen leer waren, gab es eine Chance von 1 zu 15, 5000 Dollar zu gewinnen. Daher war jeder Umschlag – oder die Chance, ihn aus der Tüte zu nehmen – 333,33 Dollar wert. Sobald die Teilnehmer damit begannen, Umschläge zu ziehen, gewannen die verbliebenen an Wert. Die ersten zehn Umschläge waren leer, und der Wert der übrigen war auf 500 Dollar gestiegen. Als nur noch zwei Umschläge in der Tüte steckten, waren einige Teilnehmer bereit, 2500 Dollar zu zahlen, um einen von ihnen herausnehmen zu dürfen! Plötzlich hatte das Wertlose einen wirklich hohen Wert!
Das ist Ihre erste Lektion auf dem Weg, ein aggressiverer Rohstofftrader zu werden. Ebenso wie die Schönheit liegt auch der Wert im Auge des Betrachters. Ihre erste Lektion als Trader besteht darin, den Wert niemals zu hinterfragen. Er sagt aus, was der Markt bezahlen wird. Der Markt – oder das kollektive Urteil anderer Trader – bezahlt diesen Wert vielleicht nicht für lange Zeit, aber der Preis ist der König: Er ist, was er ist. Schon vor langer Zeit habe ich gelernt, nicht darüber zu streiten.
1974 gelangte ich zu der Überzeugung, dass der Preis für Rinder explodieren würde. Also kaufte ich meine erste Position zu 43 Cents je Pound. Ich »kannte den Wert« von Rindern. Zu diesem Preis waren sie massiv unterbewertet und boten einen sicheren Trade. Daher stockte ich meine Position auf, als der Preis auf etwa 40 Cents sank. Wenn 43 Cents schon billig waren, dann waren 40 Cents natürlich noch besser.
Dann sank der Preis auf 38 Cents. Das war ein Schnäppchen, und da ich ja nicht dumm war, kaufte ich noch mehr. Der Preis fiel dann auf 35, 30 und schließlich auf 28 Cents – und da, lieber Leser, wurde ich aus dem Markt geworfen. Meine Ressourcen waren begrenzt. Diese Preisbewegung kostete mich innerhalb von knapp 30 Tagen etwa drei Millionen Dollar.
Zwei Monate später stieg der Rinderpreis auf über 60 Cents je Pound. Aber ich war nicht mehr dabei. Ein sicherer Trade hatte mich viel Geld gekostet und zu Gerüchten beigetragen, die heute noch kursieren – über ein Vierteljahrhundert später. Es hieß, ich hätte das Trading aufgegeben – trotz einiger Erfolge, auf die wir noch zu sprechen kommen werden.
Das jahrelange Nachdenken über diese Erfahrung hat mich dazu befähigt, zwei wichtige Regeln zu formulieren. Die erste besagt, dass Wert etwas Kurzfristiges ist: Er kann alles sein; alles kann passieren, wenn man Rohstoffe oder Aktien tradet.
Die zweite und wichtigere Regel: Trend und Richtung des Markts sind zwar bedeutende Faktoren; das Wichtigste ist aber der richtige Umgang mit den eigenen Ressourcen. Hätte ich beim Trade mit den Rinderkontrakten meine Ressourcen richtig eingesetzt, hätte ich die schlechte Phase überstehen und einen riesigen Gewinn machen können.
Sie wissen nie, wann die Märkte das tun werden, was Sie erwarten. Ähnlich wie Gott verweigert sich der Markt nicht, aber es kommt oft zu Verzögerungen. Ernsthafte Trader bauen in ihr Programm einen Schutz vor diesen Verzögerungen ein. Sämtliche Horrorgeschichten, die Sie über Rohstofftrading gehört haben, sind wahr. Gute Trader haben sich restlos ruiniert, weil sie das Falsche getan haben. Dieses Falsche war nie der Markt oder eine schlechte Markteinschätzung des Traders. Jeder erfolgreiche Trader erlebt Fehlentscheidungen und Verlusttrades. Und zwar eine ganze Menge davon.
Die Katastrophen, von denen Sie gehört haben, und zwar jede einzelne, waren die Folge zu hoher Einsätze bei einem einzelnen Trade oder des zu langen Festhaltens an einem Verlusttrade. Je eher Sie lernen, mit Ihren Niederlagen umzugehen, desto früher werden Sie den Reichtum anhäufen können, der in diesem Geschäft erreichbar ist. Nicht Ihre Erfolge, sondern Ihre Misserfolge bringen Sie in diesem Geschäft um. Misserfolge bauen Ihren Charakter nicht auf, sondern sie zerstören Ihr Bankkonto.
Die Grundlage Ihres gesamten Erfolgs finden Sie im obigen Absatz. Menschen mit telepathischen Fähigkeiten mögen in der Lage sein, eine Vorhersage über den Markt zu treffen oder auch nicht. Der Wert kann die Oberhand behalten oder auch nicht. In der Welt der Spekulation geht es um die Prognose der Zukunft, und das ist schwierig – bestenfalls. Die berühmten amerikanischen Intellektuellen, die angeblich die Klügsten der Klugen ausgebildet haben, waren nicht in der Lage, den Fall der Berliner Mauer vorherzusagen! Wie also können Sie oder ich hoffen, besser abzuschneiden?
Unsere Unfähigkeit, die Zukunft vorherzusehen, wird jedes Jahr von so illustren Sportmagazinen wie Sports Illustrated bewiesen. 1997 prognostizierten ihre Orakel, Penn State sei das beste Footballteam, Michigan sei die Nummer 18. Am Ende der Saison gewann Michigan die Meisterschaft und Penn State strauchelte. Washington wurde auf Platz 3 eingestuft, verlor jedoch gegen Washington State, ein Team, das auf keiner Top-20-Liste auftauchte, aber die Pac-10-Meisterschaft gewann und im Finale um die Rose Bowl beinahe Michigan besiegt hätte!
Geschichte wiederholt sich; ein lebender Beweis dafür ist Mike Tyson. Dazu eine interessante Randbemerkung: Der Mann, der vor einigen Jahren in Montana zum Banker des Jahres ernannt wurde, hatte in Wirklichkeit Gelder seiner Bank veruntreut. Um die Summe auszugleichen und den Diebstahl zurückzuzahlen, veruntreute er eine weitere Million Dollar und wettete damit auf »Iron Mike« Tyson, der seinen Kampf gegen Buster Douglas natürlich verlor. Nun wurde der Dieb ertappt, überführt und zu einer Haftstrafe verurteilt.
Wer hätte das allmähliche Verschwinden von Print-Zeitungen oder den Abstieg von Tiger Woods prognostizieren können? Oder anders ausgedrückt: Wer davon leben will, in Kristallkugeln zu blicken, wird viele Glasscherben schlucken müssen.
Aber bleiben Sie mutig: Obwohl weder Sie noch ich in die Zukunft schauen oder die Preisentwicklung vorhersagen können, so können wir doch lernen, unsere Verluste zu kontrollieren. Das ist eine auf Mathematik basierende Tatsache, die Ihnen die Bausteine Ihres Erfolgs liefern wird. Und zwar jeden einzelnen davon.
Jahrelang habe ich den Propheten des Gewinns zugehört, diesen Wahrsagern, die behaupteten, sie oder ihre Indikatoren könnten die Zukunft aufdecken. Letztlich wurde mir klar: Gott will nicht, dass wir die Zukunft kennen. Es ist tatsächlich so einfach.
Wenn wir dazu in der Lage wären, dann könnten wir alle zu Multimillionären werden. Wir könnten Pferdewetten abschließen, Roulette spielen, würfeln – abgesehen davon, dass kein Casino eine Wette eingehen würde, die es nicht gewinnen kann. Hinzu kommt: Wie furchtbar langweilig wäre das Leben, wenn wir heute schon wüssten, was an jedem einzelnen Tag unserer Zukunft passieren wird? Wer möchte denn so leben? Wo blieben dann der Spaß am Entdecken, die Magie des Unbekannten, der Nervenkitzel des Sieges und die Herausforderung, die eigenen Grenzen zu überwinden?
Wenn wir alle Propheten wären und dadurch reich würden, wer würde dann für uns arbeiten, Weizen anbauen oder Rinder züchten? Es gäbe kein Telefonunternehmen, keine Filme und kein Fernsehen, weil niemand arbeiten müsste. Und noch schlimmer: Wer würde uns einen Job geben?
Wie schon gesagt: In seiner unergründlichen Weisheit will Gott nicht, dass wir viel über die Zukunft wissen – und vor allem nicht über die Zukunft von Futures. Möchtegern-Spekulanten glauben, bei diesem Spiel gehe es darum, die Zukunft zu kennen, also zu wissen, was wir nicht wissen können. Aber so ist es nicht. Es geht darum, Strategien mit gewinnbringenden Vorteilen zu entwickeln, die Wahrscheinlichkeit zu seinen Gunsten zu wenden, dies auszunutzen und ständig darauf gefasst zu sein, dass sich das Spiel verändert, mit neuen Mitspielern, Ideen und Konzepten.
Das Wort spekulieren kommt vom lateinischen speculari, das so viel heißt wie »beobachten«. Man findet es auch im Wort spectacles, einem altmodischen Wort für Brille. Wir sind keine Glücksspieler, die sich auf ein Spiel einlassen, das sie auf lange Sicht nicht gewinnen können. Glückspieler können nur hoffen, dass sie Glück haben werden. Wir Spekulanten beobachten, wie sich die Dinge in Zukunft entwickeln sollten. Aber weil wir wissen, dass es keine Garantien gibt, schützen wir unsere Positionen mit geeigneten Techniken, um unser Kapital zu bewahren, damit wir unser Spiel gewinnen können.
Die Kunst der Spekulation erfordert zum Teil Beobachtung und eine große Portion Enthaltsamkeit.
Auf der Basis meines Researchs und meiner Erfahrung habe ich ein mächtiges und profitables System von Überzeugungen entwickelt:
»Ich glaube, dass der Trade, den ich gerade durchführe, Verluste bringen wird – und zwar hohe Verluste.«
Das ist und bleibt mein wichtigstes Mantra über die Märkte. Mit Gewinnen können wir umgehen. Die Verluste bringen uns um.
Für Sie, die Sie alle positiv denken, klingt das vielleicht ziemlich negativ, aber positives Denken kann zu der Überzeugung führen, dass man gewinnen wird – ein sicheres Konzept dafür, zu viele Kontrakte zu kaufen oder zu verkaufen und Positionen zu lange zu halten. Wenn Sie überzeugt sind, dass Ihr Trade ein Erfolg wird, werden Sie Ihre Positionen mit Sicherheit halten und auf eine Erholung oder eine Trendwende warten, die niemals kommt.
Ich sehe es so: Wenn Sie voller positiver Überzeugungen über Ihren Markterfolg sind, werden Sie Verlusttrades schlecht managen. Aus diesem Grund sind Glaubenssysteme für einen Trader so wichtig. Wenn Ihr Glaubenssystem Ihnen sagt, dass Ihr aktueller Trade ein Gewinner wird – und es dann nicht ist –, wird das Bedürfnis, die Überzeugung in Ihrem Kopf zu bestätigen, Sie buchstäblich zwingen, Verluste laufen zu lassen und Verlustpositionen nicht abzustoßen. Kein erfolgreicher Trader wird das jemals tun. Am gefährlichsten ist eine extrem positive Überzeugung, dass die nächsten ein oder zwei Trades Ihr Konto retten oder Ihnen ein kleines Vermögen einbringen werden.
Sehen wir uns nun meine Sichtweise an, dass ich mit meinem aktuellen Trade verlieren werde und dass ich keinen Pakt mit Gott geschlossen habe, dass dieser Trade ein Erfolg wird. Ich bin wirklich davon überzeugt, dass der Markt nicht völlig perfekt ist. Bedenken Sie, dass die Daten in überwältigendem Ausmaß für meine Überzeugung sprechen. 75 Prozent der Fondsmanager schneiden nicht besser ab als der Dow, 80 Prozent der Kurzfristtrader verlieren ihr Risikokapital. Eine persönliche Bemerkung: Mit vielen meiner eigenen Trades verdiene ich kein Geld, und ich kann Ihnen absolut garantieren, dass auch viele von Ihren Trades keinen Erfolg bringen werden.
Kein bedeutender Verlust, den ich jemals erlitten habe – und es waren mehr als genug –, war die »Schuld« des Markts. Niemand hat mich je ausgetrickst. Ich habe mich selbst ausgetrickst, indem ich glaubte, mein jeweils aktueller Trade werde Gewinne bringen, und deshalb habe ich vernachlässigt, die Spielregeln zu befolgen.
Ich stimme den Menschen zu, die sagen, man sei nur so kraftvoll wie sein eigenes Glaubenssystem, denn dieser Glaube gibt einem die Kraft, sicherer und weniger zögerlich zu agieren. Diese Glaubenssätze schreiben das Drehbuch unseres Lebens.
Wenn Sie sich an meine Überzeugung halten, dass der aktuelle Trade höchstwahrscheinlich nicht funktionieren wird, werden Sie sich todsicher mit Stopps absichern. So können Sie Katastrophen kontrollieren und gleich ins erste Rettungsboot steigen, statt mit einem sinkenden Schiff unterzugehen.
Folgen Sie meinen Glauben, dass der aktuelle Trade höchstwahrscheinlich nicht funktionieren wird, dann werden Sie sich mit einem einzelnen Trade sicher nicht finanziell übernehmen und darauf setzen, dass er alle ihre Probleme lösen wird. Schon ein zahlenmäßig kleiner Verlust kann zu Ihrer Pleite führen, wenn Sie eine sehr große Position, eine hohe Zahl von Aktien oder Kontrakten haben.
Positive Überzeugungen über zukünftige Ergebnisse verleiten uns dazu, unangemessene Risiken einzugehen. Wenn man das in einer unvorteilhaften Situation tut, ist dies ein perfekter Bauplan für eine sichere Einladung zum Desaster.
»Ich bin Rodeoreiter, weil ich zum Arbeiten zu faul und zum Stehlen zu ehrlich bin.«
Freckles Brown, Weltmeister im Bullenreiten
Meine Karriere als Spekulant begann in der 7. Klasse, als ein Junge namens Paul Highland mir zeigte, wie viel Geld man mit Münzenwerfen verdienen konnte. Ich bin in Billings, Montana, aufgewachsen, und das war eine exzellente Vorbereitung auf die Spekulation. Zunächst warfen wir Vierteldollars. Natürlich verlor ich einiges, aber wenn ich außer meinen Kunstkursen und Football noch etwas verstand, dann war das, dass man mit dem Glücksspiel um Vierteldollars und Dollars auf einfache Weise viel Geld verdienen konnte.
Es kann gut sein, dass ich alles, was ich über Spekulation wissen musste, schon an der Junior High School gelernt habe. Es dauerte zwar eine Weile, aber schließlich merkte ich doch, dass mir Paul und Virgil Marcom mein Geld abnahmen, indem sie zusammenarbeiteten. Der eine kontrollierte seine Münze so, dass sie auf »Kopf« fiel, der andere so, dass sie auf »Adler« fiel, so dass ich nicht gewinnen konnte. Später teilten sie sich die Gewinne, und ich hatte meine erste Lektion über Marktmanipulation gelernt.
Ich rief nicht die Polizei oder andere Behörden. Ich habe das auf meine eigene Art geregelt und misstraue bis zum heutigen Tag den Bürokraten, die solche Gesetzesverstöße ahnden sollen. Sie tun es nicht. Jedenfalls nicht rechtzeitig, um mir oder Ihnen zu helfen.
Jack McAferty war der härteste Junge in Billings. Er war sogar der härteste Junge im ganzen Staat Montana, was einiges heißt, wenn man bedenkt, wie viele Cowboys, Grobiane und Bergarbeiter es dort gab. Wenn einem ein großer Kerl auf den Arm schlägt, dann tut das weh. Wenn Jack, der kein großer Kerl war, einem eine mitgab, dann hat der Arm bis auf die Knochen höllisch geschmerzt. Er besaß unglaublich viel Kraft, was ihm bei jeder Schlägerei eine große Hilfe war. Niemand war mit ihm zu vergleichen. Kämpfen wurde zu seinem Leben, aber schließlich wurde er wurde von einem Polizisten in Los Angeles erschossen. Angeblich nach einer Verfolgungsjagd auf der Straße. In Wahrheit war so, dass sich Jack, ein geborener Verführer, an die Frau eines Polizisten herangemacht hatte.
Die meisten Münzwurf-Spekulanten wollten nicht mit Jack spielen. Wenn er verlor, bezahlte er in der Regel seinen Vierteldollar, aber was konnte man schon tun, wenn er sich weigerte? Sollte man ihm drohen und sich dann zusammenschlagen lassen? Ja, das ist eine weitere Lektion für das Spekulieren: Suchen Sie sich Ihre Kontrahenten und Ihre Geschäftspartner sorgfältig aus.
Jahre später steigerten wir ein 5000-Dollar-Konto auf über 40.000 Dollar, indem wir ein System tradeten, das Richard Ulmer entwickelt hatte. Das passierte bei einer Brokerfirma, die George Lane gehörte, der behauptet, er sei der Erfinder des weithin beachteten Stochastik-Index. Aber George hat die Stochastik nicht erfunden, und ich bekam meine 40.000 Dollar von der Brokerfirma auch nicht. Die Regulierungsbehörden sperrten den alten George weg, und kurz vorher verschwand das Geld von meinem Konto!
Was ich noch von Jack lernte: Starke Menschen respektieren schwache Menschen nicht. Als Jack sich beim Münzenwerfen wieder einmal weigerte, den Vierteldollar herauszurücken, den er gerade verloren hatte, schlug ich ihn mit aller Kraft in den Magen. Verblüfft starrte er mich an und fragte: »Warum zum Teufel hast du das getan? Du weißt doch, dass ich dir jetzt alle Lichter ausblasen werde.«
Ich konnte nur sagen: »Gut, dann tu das. Aber ich habe es satt, dass du dich nicht an die Regeln hältst. Ich weiß, dass du mir sämtliche Knochen brechen und viel Spaß dabei haben wirst. Aber das ist nichts gegen mein Gefühl, dass du mich nicht einschüchtern kannst!«
Jack entgegnete: »Das gefällt mir, ich respektiere dich.« Dann gab er mir den Vierteldollar, den ich gerade gewonnen hatte, und ging weg. Danach wurden wir gute Freunde, aber wir warfen nie mehr Münzen gegeneinander.
In Montana arbeitet jeder hart, aber mit Sicherheit arbeitete niemand härter als mein Vater. Er kam auf über 40 Wochenstunden, und an den Wochenenden arbeitete er noch in Doc Zincs stinkender Schwefelraffinerie. Und als ob das noch nicht gereicht hätte, blieb er bis spät in der Nacht auf, las Bücher und belegte Kurse in Elektronik, um für seinen lebenslangen Arbeitgeber Conoco wertvoller zu werden. Der Einsatz von harter Arbeit und Loyalität zahlte sich aus – er wurde befördert.
Wenn der Vater in der Raffinerie arbeitete, hatte das unter anderem den Vorteil, dass man dort Sommerjobs bekam, wenn man ein College besuchte. Auch ich habe das gemacht, und es verstärkte noch meinen dringenden Wunsch, nicht das zu tun, was diese Männer taten. Sie arbeiteten viele Stunden, und die Schichten veränderten sich ständig. In einer Woche fing man um 15.30 Uhr mit der Arbeit an, in der nächsten Woche um 23.30 Uhr und in der dritten entweder um 15.30 Uhr oder um 7.30 Uhr. Für mich hatten diese Zeitpläne weder einen Rhythmus noch einen Sinn. Ich sah nur die endlosen Stunden freiwilliger Knechtschaft in einer heißen, stinkenden und lauten Raffinerie, wo nichts für mich einen Sinn ergab.
In einer Ölraffinerie gibt es eine Million Ventile, und ich bin sicher, dass man sie alle auf die gleiche Weise auf- und zudreht. Ich fand aber nie heraus, wie man das richtig macht. Das war frustrierend. Nicht nur, weil es meine Ungeschicklichkeit zeigte, sondern weil es auch auf meinen Vater zurückfiel, der alle mechanischen Arbeiten beherrschte. Es gab nichts Mechanisches, das er nicht reparieren konnte. Hätte ich eine Herzoperation vor mir, dann würde ich meinem Vater mehr vertrauen als einem Arzt.
Vater wusste, wie man Dinge baut (unser Haus und schöne Möbel für Mutter) und konnte Dinge reparieren. Sicherlich zum Teil auch deshalb, weil wir kein Geld hatten, um Dinge reparieren zu lassen. Arme Menschen entwickeln mehr Fähigkeiten als reiche.
Meine Ungeschicklichkeit wurde auch benutzt, um mich lächerlich zu machen, wenn Leute mich mit meinem älteren Bruder verglichen, der einfach von Natur aus wusste, was man in der Raffinerie tun musste und offenbar gut mit den älteren Männern umgehen konnte. Meine allgemeine Faulheit, verbunden mit dem Wunsch, allein zu sein, und die völlige Unfähigkeit, irgendetwas gut zu machen, führte bei mir zu Minderwertigkeitsgefühlen. Meine erste Reaktion war, mir beim Sport Selbstvertrauen zu holen. Aber diese Art von Anerkennung dauert nur so lange wie das Spiel. Ich lag im Bett, machte mir Gedanken über den Weg zu einem besseren Leben und fragte mich, wie die wenigen Leute mit den wirklich großen Häusern ihre Erfolge erreicht hatten. Ich war nicht zufrieden. Was ich suchte, war ein Ausweg.
Münzenwerfen schien vernünftig zu sein. Führerscheine (5 Dollar pro Stück) oder Geburtsurkunden (20 Dollar pro Stück) zu fälschen, wurde wesentlich besser bezahlt. Mit meinen begrenzten künstlerischen Fähigkeiten verdiente ich mehr Geld und konnte unabhängig arbeiten. Aber das war natürlich mit erheblichen Risiken verbunden. Mir gefiel der Gedanke, dass ich etwas tat, was ein durchschnittlicher Mensch nicht tun könnte oder würde. Und diese Art von Befriedigung sah ich damals im eintönigen Leben meines Vaters ganz bestimmt nicht. Mein Vater folgte immer den Regeln – mit einer Ausnahme.
Wenn die Jagdsaison begann, wurden die Regeln gebrochen. Wir schossen genügend Hirsche, Gabelböcke und Elche, um unsere Familie das ganze Jahr über zu ernähren. Wir benutzten dieselbe Jagdlizenz drei oder vier Mal. Dabei lernte ich, dass es keine Regeln gibt, wenn es ums Überleben geht: Menschen müssen Risiken eingehen, sogar mein Vater. Was gefiel mir bei diesen Jagdausflügen am besten? Meinen Hirsch mitzunehmen, oder das Risiko, mit zu viel Hirschfleisch, anderem Wild oder Fischen erwischt zu werden? Darüber habe ich oft nachgedacht. In gewisser Hinsicht ist beides spannend. So begann meine Karriere als Spekulant.
Wirklich gute Spekulanten mögen den Nervenkitzel. Sie suchen sogar danach, als eine Art von intellektuellem Rausch.
Vielleicht ist das der Grund, warum ich nach der Schule gern Zeitungen an Straßenecken und Weihnachtskarten oder Blumensamen von Tür zu Tür verkaufte, um ein wenig Geld zu verdienen. Das war ein Risiko, weil ich niemals wusste, ob ich etwas verkaufen würde, aber ich konnte gutes Geld verdienen, weil ich einfach da war, mit den Leuten redete und meine Waren präsentierte.
Ich hatte genug harte Arbeit gesehen, um zu wissen, dass das nichts für mich war. So wie die Rodeoreiter war ich »zu faul zum Arbeiten« und dazu erzogen worden, »zu ehrlich zum Stehlen« zu sein. Daher hielt ich es für den richtigen Weg, nach der High School auf ein College oder zur Marine zu gehen, und meine Eltern stimmten mir zu. Sie sagten uns immer, wir sollten es besser machen als sie: Es gab ein leichteres Leben, und das College war das Eingangstor zu diesem Leben.
1962 fragte ich jemanden, was die Liste der »aktivsten« Aktien in der Zeitung bedeutete. Er antwortete: »Siehst du, dass die Aktie von General Motors gestern um 1,50 Dollar gestiegen ist? Wenn du gestern gekauft hättest, wärst du jetzt um 150 Dollar reicher.« Ich war fasziniert.
»150 Dollar an einem einzigen Tag!«
Wow, das war wirklich besser als Vierteldollar-Münzen zu werfen! Damals waren 150 Dollar mehr als der Wochenlohn eines Arbeiters in der Raffinerie. Das sah einfach aus, und die Gewinne waren beeindruckend. Meine beiden einzigen Fragen waren: Wie kann man damit anfangen und wo habe ich eigentlich mein ganzes Leben verbracht? Sofort entstand eine Verbindung zwischen mir und dem, was wie leicht verdientes Geld aussah!
Diese Affinität führte zur größten Herausforderung meines Lebens, an der ich seit 1962 praktisch jeden Tag gearbeitet habe. Ich blieb der Börse tatsächlich nur in der Zeit fern, als ich 1978 und 1982 für den US-Senat kandidierte. Mit Ausnahme dieser beiden Unterbrechungen habe ich jeden Tag meines Lebens mit »Arbeit« verbracht, sehr zur Freude meines Vaters, da bin ich mir sicher. Es war aber niemals so wie die Arbeit in der Raffinerie oder wie die Jobs, die ich während meiner Zeit am College und danach hatte.
Wegen dieser Erfahrung glaube ich, dass erfolgreiche Trader von drei Faktoren motiviert werden: vom intensiven Wunsch, viel Geld zu verdienen, vom Verlangen, es jemand anderem richtig zu zeigen, und von der inneren Unzufriedenheit mit der eigenen Situation. Jede Menge Unruhe scheint für einen Spekulanten ein wichtiges Gut zu sein. Obwohl die meisten Menschen in ihrem Leben Ausgeglichenheit anstreben, habe ich das noch nie für besonders gesund gehalten. Völlig normale Menschen haben noch nie etwas wirklich Außergewöhnliches erreicht. Manchmal denke ich darüber nach, ein ausgeglicheneres Leben zu führen. Das dauert aber meist nur ein paar Sekunden. Ich weiß, dass meine Unruhe niemals verschwinden wird, aber wenn man aus meiner Lebensführung etwas schließen kann, dann ist es die Tatsache, dass die Unruhe die Flammen anfacht, die im Inneren des Spekulanten brennen.
Wahrscheinlich würde ich auch ohne die Hoffnung auf Gewinne traden, sondern nur, um meinen Wert der ganzen Welt, einer alten Freundin, meinen Eltern, meinem Bruder oder sogar jemandem zu beweisen, an den ich mich gar nicht mehr erinnern kann. Vielleicht stimmt die Aussage, dass mein Ego mich antreibt, aber es geht dabei nicht um Prahlerei, sondern um die Demonstration, dass ich Schwierigkeiten überwinden kann.
Ich möchte der Welt zeigen, dass ich einen Ausweg gefunden habe. In diesem Buch geht es darum, Ihnen diese Tür zu zeigen, und auch darum, Ihnen zu zeigen, was ich in den vergangenen Jahren gelernt habe, wie sich die Märkte verändert haben und was wir tun können, um erfolgreiche Trader zu bleiben.
Ich habe in den vergangenen Jahren noch so viel mehr gelernt. Vor allem habe ich gelernt, mich Marktveränderungen anzupassen. Sie werden also mehr lernen als nur ein paar Erfolgsrezepte für Kurzfristtrading – Sie werden auch die Kunst der Anpassung erlernen.
Wenn das für Sie interessant klingt, legen Sie den Sicherheitsgurt an, denn Sie brechen zur Reise Ihres Lebens auf.
Für mich geht diese Reise immer weiter, während die meisten meiner Altersgenossen (um die 70 Jahre) im Ruhestand leben und damit zufrieden sind, im Internet zu surfen und bei American Idol vor dem Fernseher einzudösen. Mich faszinieren diese verdammten Märkte immer noch. Sie halten mich am Leben. Ich denke nach und trade weiterhin, oft mehr als 1000 Kontrakte pro Monat. Weitere Informationen dazu finden Sie auf meiner Website www.ireallytrade.com.
Die Märkte halten einen lebendig. Ein anderes oder glücklicheres Leben als das, was ich führe, kann ich mir nicht vorstellen.
Die große Lebensweisheit, die mir mein Vater mitgab, war diese: »Mein Sohn, du wirst vom Leben nur das bekommen, was du hineinsteckst.« Wenn Sie bei der Spekulation Erfolg haben wollen, dann müssen Sie Herz und Seele hineinstecken. Die Erträge fallen reichlich aus.
»Es gibt hauptsächlich zwei Möglichkeiten, mit Trading Geld zu verdienen: Man hat eine kleine Position und erwischt eine große Bewegung, oder man hat eine große Position und erwischt eine kleine Bewegung.«
Bill Meehan
Wenn das, was ich bisher geschrieben habe, mit Ihren spekulativen Zielen übereinstimmt, ist es Zeit zu lernen, wie die Märkte funktionieren. Spekulation – Trading von Aktien und Rohstoffen – eignet sich nicht für jeden. Vielleicht ist es nichts für Sie. Manchmal habe ich mich sogar gefragt, ob es für mich das Richtige ist!
Es ist erstaunlich, wie wenig sich beim Thema dieses Kapitels geändert hat. Die hier vorgestellten Konzepte sind die gleichen wie vor 10, 20 oder 100 Jahren. Das ist die Grundlage meines Tradings. Aus meiner Sicht gibt es eine klare Marktstruktur und eine Landkarte oder einen Weg, auf dem sich der Kurs von einem Punkt zum anderen bewegen wird. Sobald Sie das erkannt haben, bewährt es sich im Parketthandel ebenso wie im elektronischen Börsenhandel. Kurse entwickeln sich nach einem Muster, das von den Anfangs-, Höchst-, Tiefst- und Schlusskursen jedes Tages bestimmt wird. Es war meine Mission, diese Schriftzeichen zu entschlüsseln, damit wir alle die Märkte besser »lesen« können. Und ich widme mich dieser Aufgabe immer noch wie ein Archäologe, der sich über die Schriften der Sumerer bückt und die Wahrheit sucht.
Seit der ersten Auflage dieses Buches haben sich gewisse Dinge geändert: Der Parketthandel hat dem elektronischen Handel Platz gemacht. An diesen neuen elektronischen Märkten vergehen zwischen Handelsschluss und Handelsbeginn irgendwo auf der Welt nur wenige Stunden. Der Einfluss des Parketthandels ist verschwunden.
Meine Karriere als Trader begann in Portland, Oregon, wo ich einen Broker von Merrill Lynch traf, der meinte, wir könnten zusammen Geld verdienen. Zur Hälfte behielt er Recht: Wir hatten sofort Glück. Er verdiente gutes Geld mit seinen Gebühren und ich verlor Geld. Schlimmer noch: Dieses Geld gehörte mir gar nicht. Jemand, den ich gar nicht kannte, hatte mich gebeten, es zu investieren. Rückblickend war dieser erste Rückschlag nicht nur ein Glück für mich, sondern er veränderte mein Leben.
Dieses Ereignis verstärkte meinen Wunsch, dieses Geschäft zu erlernen. Wenn man so leicht verlieren konnte, dann musste man doch auch ganz leicht gewinnen können – oder etwa nicht? Mein Broker war ebenso wie ich ein Neuling und konnte mir wirklich kaum weiterhelfen. Sein Wissen über die Börse beschränkte sich darauf, gute Aktien zu kaufen und sie zu behalten (eine brillante Einsicht), aber meine Fähigkeit oder mein Wunsch war, von kurzfristigen Marktbewegungen zu profitieren. So begann meine Ausbildung zum Kurzfristtrader.
Ich hatte keinen Lehrer und kannte keine anderen Trader. Also suchte ich natürlich nach Büchern, um meine Probleme zu lösen – so wie Sie es mit dem Kauf dieses Buches getan haben. Die Autoren ließen die Sache alle sehr einfach aussehen. Ich las Joe Granvilles klassisches Werk über technische Analyse. Dann begann ich auf Joes Rat hin, jeden Tag die Anfangs-, Höchst-, Tiefst- und Schlusskurse der Aktien sowie andere Indikatoren zu beobachten. Das Buch von Joe, der eine wirkliche Legende ist, ist immer noch lesenswert.
Ehe es mir klar war, ließ ich mich nicht nur völlig von den Märkten vereinnahmen, sondern verbrachte auch noch jede Nacht fünf, sechs Stunden und alle meine Wochenenden mit dem Versuch, die Wall Street zu schlagen. Dabei verdiente ich ein Vermögen und verlor allmählich meine Ehe.
Meine erste Frau, Alice Fetridge, war zu einer »Chartistenwitwe« geworden, aber dennoch stand sie zu meinen Vorhaben. Schließlich verließen wir Portland und zogen nach Monterey in Kalifornien. Wir hatten beide Jobs, und ich arbeitete zusätzlich an meinem Abschluss als Rechtsanwalt. Ich bestand sogar das »Baby Bar Exam« für Fernstudenten. Aber damals wollte ich eigentlich schon nicht mehr Anwalt werden, vor allem, nachdem ich für einen Anwalt gearbeitet hatte. Ich dachte, dass man als Anwalt vor Gericht das Leben anderer Menschen rettet. In Wahrheit ging es aber hauptsächlich darum, Geld aus Urteilen zu ziehen, Versager zu finden, Penner oder wirkliche Verbrecher zu verteidigen. Das war nicht so wie Trading.
In Monterey lernte ich zum Glück zwei Broker kennen, die ebenso wie ich Charts beobachteten. Joe Miller und Don Southard erzählten mir bald von ihren Erfahrungen und brachten mir bei, was sie über die Märkte wussten. Wir waren alle große Anhänger von Joe Granvilles Arbeiten über On-Balance-Volume (OBV) und führten OBV-Charts der 30 bis 50 Aktien, die wir beobachteten. Ich verfolgte nun auch die gleitenden Durchschnitte; ein weiteres Werkzeug, das damals ebenso wie heute in allen Fachbüchern hervorgehoben wurde.
Allmählich hatte ich mit meinem Aktientrading Erfolg. Wirklich beschleunigt wurde meine Karriere aber durch ein Buch von Gil Haller mit dem unbescheidenen Titel The Haller Theory of Stock Market Trends (Gilbert Haller, 1965). Aus diesem Buch lernte ich viel über Aktien und Spekulation. Dann traf ich Gil und bin ihm für seine Hilfe und Ermutigung bis heute dankbar. Gils Konzept – wir reden hier von 1963 – bestand aus dem Kauf von Aktien, die bereits stark gestiegen waren. Heute ist das eine Methode, die von Fonds angewendet wird, um »Momentum-Aktien« zu kaufen. Haller tat das schon 1964 und lebte gut davon. Aber er lebte nicht so, wie ich leben wollte! Sein Schreibtisch war eine alte Tür, die »Tischbeine« bestanden aus aufgestapelten Backsteinen. Seine Notizen machte er auf der Rückseite eines alten Briefs, den ihm einmal jemand geschrieben hatte. Gil war nicht geizig, aber er drehte trotzdem jeden Penny zweimal um, bevor er ihn ausgab.
Schließlich entwickelte ich eine Theorie davon, wie die Märkte funktionieren. Kurzfristig bewegen sie sich heftig nach oben und unten, steigen über und fallen unter einen Gleichgewichtspunkt, den man als den »durchschnittlichen« Kurs bezeichnen könnte. Ich wollte erkennen können, wann ein Kurs tief war und sich zum Durchschnitt zurückbewegen sollte. Ich musste also eine übertriebene Kursbewegung identifizieren können und brauchte etwas, das mir sagte, wann diese Bewegung vorbei war und der Kurs sich wieder in Richtung des Durchschnitts entwickeln würde. Weil das alles so einfach aussah, war ich sicher, dass es einen Masterplan oder eine Formel geben musste, nach der dies funktionierte. Ich glaubte, dass es einen grundsätzlichen und eindeutigen Weg geben musste, auf dem sich der Markt – alle Märkte – von Punkt A zu Punkt B bewegte.
Schließlich fand ich heraus, dass diese ursprüngliche These zutraf: Es gibt einen bestimmten Weg, auf dem sich die Märkte bewegen. Die gute Nachricht: Es gibt eine Struktur, wie sich die Kurse von Punkt A zu Punkt B bewegen. Die schlechte Nachricht: Diese Struktur ist unpräzise. Trotzdem weisen die Kursbewegungen so etwas wie eine Ordnung auf, die man erlernen kann – etwa so wie eine Fremdsprache. Ich habe den größten Teil meines Lebens damit verbracht, die Grundlagen dieser Sprache zu lernen, die der Markt spricht, und ich bin mehr als glücklich, Ihnen dabei behilflich zu sein zu lernen, wie man dieses magische Decodierwerkzeug anwendet.
Wenn Sie mit Ihrem Studium der Märkte schon begonnen haben, dann wissen Sie bereits, dass es sich hier um eine visuelle Welt handelt - Charts haben die Vorherrschaft. Wie in Abbildung 1.1 zu sehen ist, zeigen gewöhnliche Charts den täglichen Eröffnungskurs mit einer horizontalen Strichmarkierung auf der linken Seite jedes Balkens und den Schlusskurs mit einer solchen Markierung auf der rechten Seite. Das oberste Ende des Charts zeigt den höchsten Kurs, den eine Aktie oder ein Rohstoff im Lauf des Tages erreicht hat, das untere Ende zeigt den niedrigsten.
Abbildung 1.1: Ein typischer Chart, der Eröffnungs-, Schluss-, Höchst- und Tiefstkurse zeigt
Wie Sie später noch sehen werden, ist der Eröffnungskurs der wichtigste Kurs des Tages. Diese Beobachtung habe ich mit Joe Miller, Don Southard und Curt Hooper entwickelt, einem Absolventen der Marineakademie, der – im Jahr 1966 – der Erste war, mit dem ich an einem Computer arbeitete, um Antworten zu finden. Vom OBV waren wir zwar beeindruckt, aber wir wollten eine zuverlässigere Formel ausarbeiten. Als wir hörten, dass ursprünglich zwei Männer aus San Francisco den OBV entwickelt hatten, dachten wir, dass wir auf eine bessere Lösung kommen könnten.
Unser Problem beim Chartlesen beginnt – und führt zum Chaos –, wenn wir anfangen, diese Tagescharts der Kursentwicklung auf einem Chart zu organisieren. Diese grafischen Darstellungen der Kursbewegung wurden jahrelang von Leuten »interpretiert«, die sich selbst »Chartisten« nannten. Bis zu den frühen 1980er-Jahren waren Chartisten ungefähr so willkommen wie unser arbeitsloser Schwager.
Diese Leute saßen über Chartformationen gebückt, fanden Muster und gaben ihnen Namen wie Keil, Kopf-Schulter, Wimpel, Flagge, Dreieck, W-Böden und M-Tops oder 1-2-3-Formationen. Man nahm an, dass diese Muster die Schlacht zwischen Angebot und Nachfrage darstellten. Manche Muster sprachen für Verkäufe, andere für Käufe professioneller Investoren. Faszinierend – aber irreführend. Exakt die gleichen Muster findet man in Charts von Dingen, bei denen Angebot und Nachfrage gar keine Rolle spielen.
Abbildung 1.2 zeigt den Chart von 150 Würfen eines alten Silberdollars, und er sieht ganz ähnlich aus wie ein Schweinebäuche-Chart. Abbildung 1.3 zeigt einen Chart oder eine Grafik von Temperaturextremen – oder sind es etwa doch Sojabohnen? Wer weiß? Was wir tatsächlich wissen, ist, dass die als Chart dargestellten Daten, die nichts mit Märkten zu tun haben und nicht von wirtschaftlichen Faktoren abhängen, genauso aussehen wie die Charts von Aktien und Rohstoffen. Sie zeigen die gleichen Muster, die angeblich Käufe und Verkäufe reflektieren. Ich möchte Sie davor warnen, Chartbilder mit Intelligenz zu verwechseln.
Aus Chartisten wurden »technische Analysten«, die ihre Zahlentafeln und Charts gegen Computer tauschten. Computer ließen die Chartisten respektabler klingen und aussehen, so wie Wissenschaftler. Tatsächlich erschienen Bücher mit Titeln wie Die neue Wissenschaft vom … oder Wissenschaftliche Methoden für … Hat dieser Unsinn etwas mit Wissenschaft zu tun?
Abbildung 1.2: Der Chart von 150 Münzwürfen
Abbildung 1.3: Eine Aktie? Nein, die Tagestemperatur. Hoch, Tief und Schluss.
Zusammenfassend würde ich sagen: nein.
Die Kurse tanzen nicht zum Rhythmus einer mystischen, magischen Trommel, die tief in einem plüschigen Zimmer in New York City verborgen ist, und den nur wenige Eingeweihte verstehen. Die Kurse springen einfach herum, und unsere Charts werden erratisch, weil menschliche Emotionen von Nachrichten und den heißen Tipps der Broker über einen bevorstehenden Boom oder Niedergang beeinflusst werden.
Rohstoffpreise verhalten sich meist wie ein betrunkener Seemann, der die Straße hinunterwankt, ohne zu wissen, wohin er geht oder wo er gerade war. Mathematiker würden sagen, dass es keine Korrelation zwischen den Kursentwicklungen der Vergangenheit und zukünftigen Trends gibt.
Rohstoff
Eröffnungskurs höher als Schlusskurs (in %)
Schweinebäuche
51
Baumwolle
53
Sojabohnen
51
Weizen
52
Britisches Pfund
56
Gold
52
Nikkei
55
EUR/USD
57
US-Staatsanleihen
52
Standard & Poor’s 500
53
Durchschnittl. Gewinn je Trade
53,2
Tabelle 1.1: Rohstoffe: Vergleich zwischen Schluss- und Eröffnungskurs
Mein Traderfreund Vic Niederhoffer hat viel über dieses Thema geschrieben; sowohl für die Leser seiner »Spec-List« als auch in seinem Hauptwerk The Education of a Speculator (John Wiley & Sons, 1997). Wir sind wahrscheinlich unterschiedlicher Meinung über die Kursentwicklung, aber ich würde sagen, dass es eine gewisse Korrelation gibt. Warum? Obwohl dieser betrunkene Seemann wankt, taumelt und sich scheinbar zufällig bewegt, hat sein Unsinn Methode. Er versucht, irgendein Ziel zu erreichen, und in der Regel können wir auch herausfinden, wohin er will. Wir müssen seine Verrücktheit verstehen, um zu wissen, wo sein Ziel liegt.
Die Kursentwicklung ist zwar zu einem großen Teil, aber bei weitem nicht vollkommen zufällig. Hier, am Beginn des Buches, kann ich dieses Argument zwar noch nicht beweisen, aber in den folgenden Kapiteln möchte ich das tun. Es ist wie beim Dartwerfen: Wäre das alles ein Glücksspiel, dann könnte man die Experten schlagen, indem man Pfeile auf einen Kurszettel wirft.
Wenn wir 100-mal eine Münze werfen, fällt sie 50-mal auf Kopf und 50mal auf Zahl. Immer wenn sie auf Kopf fällt, bleibt die Wahrscheinlichkeit beim nächsten Wurf 50 zu 50. Wenn die Münze zweimal auf Kopf fällt, ändert sich an dieser Wahrscheinlichkeit nichts. Wie Sie wahrscheinlich wissen, haben die Münzen, die Würfel oder das Rouletterad kein Gedächtnis. Es handelt sich jeweils um ein zufallsabhängiges Spiel mit festen Wahrscheinlichkeitswerten.
Träfe dies auch auf die Märkte zu und läge der Schlusskurs in 50 Prozent aller Fälle höher als der Eröffnungskurs, dann würden wir dies auch für die Zukunft erwarten. Und das trifft natürlich auch auf einen niedrigeren Schlusskurs zu. In der realen Welt des Tradings ist das aber nicht so, und das kann nur bedeuten, dass die Kursentwicklung nicht völlig zufällig verläuft.
Tabelle 1.1 zeigt, wie oft die Kurse in einem breiten Spektrum von Märkten höher schlossen. Auswahlkriterien gab es nicht. Der Computer kaufte einfach jeden Tag bei der Handelseröffnung und verkaufte zum Handelsschluss. Statt eines Ergebnisses von 50 zu 50 sehen wir eine leichte Verschiebung, weil die Kurse in 53,2 Prozent aller Fälle höher schlossen. Das sollte eigentlich nicht so sein.
Und wenn das »nicht so sein sollte«, wie wäre es dann damit, bei Handelsbeginn nach einem Verlusttag zu kaufen? Theoretisch sollten wir hier die gleichen Prozentsätze sehen wie in Tabelle 1.1. Das Problem (zumindest für Universitätsprofessoren, die viel über Theorie und wenig über die Märkte wissen) besteht darin, dass es eben nicht so ist. Tabelle 1.2 zeigt, wie oft die Kurse nach einer bestimmten Anzahl von Verlusttagen höher schlossen.
Rohstoff
Anzahl der Fälle nach einem Verlusttag
Prozentualer Gewinn am folgenden Tag
Anzahl der Fälle nach zwei Verlusttagen
Prozentualer Gewinn am folgenden Tag
Schweinebäuche
3.411
55
1.676
55
Baumwolle
1.414
53
666
55
Sojabohnen
3.619
56
1.612
56
Weizen
3.643
53
1.797
55
Britisches Pfund
2.672
57
1.254
56
Gold
2.903
58
1.315
55
Nikkei
920
56
424
60
EUR/USD
1.598
59
708
56
US-Staatsanleihen
961
54
446
52
Standard & Poor’s 500
1.829
55
52
Schlusskurs + Durchschnitt
55,8
785
55,2
Tabelle 1.2: Rohstoffe: Prozentsatz der Fälle, in denen die Kurse nach einem oder nach zwei Verlusttagen höher schlossen
Für einen Trader sind das keine besonders überraschenden Nachrichten. Wir wissen, dass auf Kursrückgänge Erholungen folgen. Die genauen Prozentsätze waren in der Vergangenheit nicht bekannt, und ich würde diese Tabellen niemals dazu heranziehen, in einem Trade zu bleiben oder auszusteigen. Darum geht es aber auch gar nicht. Es geht darum, dass wir nach einem oder zwei Verlusttagen bei einem Wert im Bereich von 55,2 Prozent stehen sollten. Die Tatsache, dass das nicht so war, zeigt uns, dass sich der Markt nicht zufällig entwickelt. Muster taugen nicht zur Prognose, und nun können wir weitergehen – ganz ohne Wurfpfeile.
Hier ist ein Update des DAX von 1998 bis Mitte 2011: Wenn man nach jedem Verlusttag kaufte und am Ende des Tages wieder ausstieg, waren das 1591 Trades mit einer Trefferquote von 52 Prozent, aber einem erstaunlichen Gesamtverlust von 60.558 Dollar. Nach zwei Verlusttagen waren es 724 Trades mit einer Gewinnerquote von 52,2 Prozent. Es kam ebenfalls zu Verlusten, die mit 1568 Dollar aber wesentlich geringer ausfielen. Wenn Sie die Geduld hatten, nach drei Verlusttagen einzusteigen, gab es 334 Trades mit einer Gewinnerquote von 55 Prozent und einem erheblichen Gewinn von 25.295 Dollar. Sie möchten noch besser abschneiden? An manchen Wochentagen neigt der DAX eher zu starken Kursgewinnen als an anderen, also kaufen wir nur an Dienstagen, Donnerstagen und Freitagen, wenn es zuvor drei Verlusttage gegeben hat. Die Ergebnisse sind wesentlich besser: 204 Trades, eine Gewinnerquote von 58 Prozent und ein Nettogewinn von 44.795 Dollar.
Sie sehen: Jahre später und an einem anderen Markt, den es bei der ersten Ausgabe dieses Buches noch gar nicht gab, gelten immer noch die gleichen Prinzipien und wirken sich auf die Kursentwicklung aus.
Die Chartisten haben zwar viele Namen für jede erdenkliche Marktbewegung, aber offenbar übersehen sie den wichtigsten Punkt an der Börse: Der Kurs (repräsentiert durch Tagesbalken, deren Top den Höchstwert und deren unteres Ende den Tiefstwert des Tages markieren) bewegt sich auf gut definierte und erstaunlich mechanische Art und Weise. Das ist etwa so, wie wenn man ein neues Alphabet lernt: Sobald man die Buchstaben kennt, kann man die Wörter lesen, und wenn man die Wörter kennt, kann man die ganze Geschichte lesen.
Zuerst müssen Sie den Buchstaben erlernen, der Ihnen sagt, welche Marktaktivität zur Ausformung eines kurzfristigen Hochs oder Tiefs führt. Wenn Sie diesen grundlegenden Punkt gelernt haben, wird Ihnen die Bedeutung der gesamten Marktstruktur allmählich klar.
Ein kurzfristiges Markttief kann ich mit der folgenden einfachen Formel definieren: Immer wenn ein Tagestief mit höheren Tiefs auf beiden Seiten auftaucht, handelt es sich um ein kurzfristiges Tief. Wir wissen dies, weil eine Untersuchung der Marktentwicklung zeigt, dass die Kurse am Tag des Tiefs gesunken sind, dann kein neues Tief erreichten und sich folglich erholten, was das genannte Tief als kurzfristig markiert.
Ein kurzfristiges Markthoch ist genau das Gegenteil. Hier sehen wir ein Hoch mit tieferen Hochs auf beiden Seiten. Das bedeutet, dass die Kurse an diesem mittleren Tag ihren Höhepunkt erreichten, dann wieder sanken und somit ein kurzfristiges Hoch bildeten.
Zunächst nannte ich diese kurzfristigen Veränderungen »eingegrenzte« Hochs und Tiefs, mit Respekt für die Arbeiten von Henry Wheeler Chase in den 1930er-Jahren. Bevor es Computer gab, führten wir Notizbücher über die Kurse. Um das Ende einer Kursbewegung zu identifizieren, markierten wir in unseren Büchern diese Punkte einfach oder »grenzten sie ein«, damit wir sie einfacher erkennen konnten.
Abbildung 1.4 zeigt einige kurzfristige Hochs und Tiefs. Nehmen Sie sich eine Minute Zeit um zu sehen, worum es bei diesem Muster geht.
Abbildung 1.4: Britisches Pfund (Tagesbalken). Dargestellt durch den Navigator (Genesis Financial Data Services)
Wenn Sie dieses Konzept verstehen, können wir damit beginnen, diese beiden Elemente miteinander zu verbinden. Vielleicht haben Sie die Abfolge schon erkannt. Der Markt schwingt zwischen kurzfristigen Hochs und Tiefs hin und her. Das ist spannend, denn wir können tatsächlich auf mechanische und automatische Weise Marktbewegungen messen. Komplizierte Argumente von Chartisten sind nicht nötig, und wir neigen auch nicht dazu, uns auf die illusionäre Welt der Chartisten oder Techniker einzulassen.
Zwei bestimmte Arten von Tradingtagen können unsere Grunddefinition durcheinanderbringen. Da sind zunächst die sogenannten Inside-Tage. Sie heißen so, weil sich das gesamte Trading an einem solchen Tag innerhalb des Kursspektrums des Vortages abgespielt hat. Definitionsgemäß weist er also ein tieferes Hoch und ein höheres Tief auf als der Vortag. Ich untersuchte neun bedeutende Rohstoffe mit insgesamt 50.692 Tradingtagen und notierte dabei 3892 Inside-Tage. Sie weisen also eine Häufigkeit von 7,6 Prozent auf.
Für unsere Zwecke der Identifizierung kurzfristiger Swingpunkte ignorieren wir die Inside-Tage und die von ihnen verursachten möglichen kurzfristigen Punkte ganz einfach. Ein Inside-Tag bedeutet, dass der Markt in eine Konsolidierung eingetreten ist; die aktuelle Bewegung hat sich nicht fortgesetzt. Sie hat sich aber auch nicht gedreht. Deshalb muss man zunächst einmal abwarten und den Inside-Tag nicht für unseren Identifizierungsprozess verwenden.
Zudem gibt es die Outside-Tage. Man erkennt sie leicht, weil sie ein höheres Hoch und ein tieferes Tief als der Vortag aufweisen. Wenn solche Tage auftreten (in etwa 3 Prozent der Fälle), müssen wir die Kursentwicklung während dieses Tages studieren: Wie hat sich der Kurs vom Beginn bis zum Schluss des Handelstages bewegt? Unter den schon genannten 50.692 Sitzungen gab es 3487 Outside-Tage. Sie sind also nicht ganz so häufig wie Inside-Tage, machen aber fast 7 Prozent aller Handelstage aus.
Mit diesen Informationen im Kopf sehen Sie sich nun Abbildung 1.5 an, die diese Inside- und Outside-Tage illustriert. Denken Sie daran: Wir versuchen die kurzfristigen Trendwenden zu identifizieren, in denen Trader sich von einer Endstation zu einer anderen aufmachen. In Abbildung 1.6 habe ich diese Endstationen oder Wendepunkte markiert und die Punkte mit geraden Linien verbunden, um die Swingmuster zu zeigen.
Jetzt beginnt das Vergnügen! Bedenken Sie: Wenn wir ein kurzfristiges Hoch als Punkt identifizieren können, der tiefere Hochs zu beiden Seiten hat (Inside-Tage ausgenommen), dann können wir einen großen Schritt nach vorne machen, indem wir ein mittelfristiges Hoch als ein beliebiges kurzfristiges Hoch mit niedrigeren kurzfristigen Hochs zu beiden Seiten identifizieren. Wir können auch noch einen Schritt weitergehen: Jedes mittelfristige Hoch mit niedrigeren mittelfristigen Hochs zu beiden Seiten ist – Sie haben es bereits erraten – ein langfristiges Hoch.
Abbildung 1.5: Schweinebäuche (Tagesbalken). Dargestellt durch den Navigator (Genesis Financial Data Services)
Abbildung 1.6: Schweinebäuche (Tagesbalken. Dargestellt durch den Navigator (Genesis Financial Data Services)
Abbildung 1.7: Chartbeobachtung bringt Ordnung ins Chaos
In einem einzigen Absatz konnten wir die drei dominanten Trendwenden eines Marktes definieren: von kurzfristig über mittelfristig bis zu langfristig. Die Identifikation von Markttiefs verläuft ebenso. Erst muss man einen Tag mit höheren Tiefs auf beiden Seiten finden – das ist ein kurzfristiges Tief. Dann sucht man ein kurzfristiges Tief mit höheren kurzfristigen Tiefs auf beiden Seiten, um ein mittelfristiges Tief zu finden. Ein langfristiges Tief ist leicht zu lokalisieren: jedes mittelfristige Tief mit höheren mittelfristigen Tiefs auf beiden Seiten.