Eric - Terry Pratchett - E-Book
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Terry Pratchett

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Beschreibung

Eric ist der jüngste Dämonologe der Scheibenwelt. Er beschwört nicht nur Tod und Teufel, sondern auch Rincewind, den unfähigsten Zauberer der Galaxis. Und dafür stehen ihm drei handelsübliche Wünsche frei: ewiges Leben, Macht und die schönste Frau der Weltgeschichte. Eric, Rincewind und die bissigste Truhe der Galaxis geraten in ein turbulentes Abenteuer, bis alles schiefgeht und Eric nur noch eines will – zurück »zu Mama« …

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Entdecke die Welt der Piper Fantasy:

Übersetzung aus dem Englischen von Andreas Brandhorst

© 1990 Terry und Lyn Pratchett

Titel der englischen Originalausgabe: »Eric«, Victor Gollancz Limited, London 1990

Deutschsprachige Ausgabe:

© Piper Verlag GmbH, München 2006

Covergestaltung: Guter Punkt, München

Covermotiv: Anke Koopmann, Guter Punkt unter der Verwendung eines Motivs von Katarzyna Oleska

Datenkonvertierung: Kösel Media GmbH, Krugzell

Sämtliche Inhalte dieses E-Books sind urheberrechtlich geschützt. Der Käufer erwirbt lediglich eine Lizenz für den persönlichen Gebrauch auf eigenen Endgeräten.

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Tods Bienen sind groß und schwarz, summen dumpf und unheilvoll. Das Wachs ihrer Waben hat das Weiß von Altarkerzen, der Honig ist so schwarz wie Nacht, dick wie Sünde und süß wie Sirup.

Acht Farben ergeben Weiß, wie allgemein bekannt sein dürfte, aber dem wahren Kenner sind auch die acht Farben des Schwarzen vertraut. Der Bienenstock des Todes steht im schwarzen Gras des schwarzen Obstgartens, unter den schwarzen Blättern eines uralten Baums, an dessen schwarzen Ästen Äpfel wachsen, die – drücken wir es so aus – vermutlich nicht rot sein werden.

Das Gras war jetzt kurz. Eine Sense hatte es geschnitten und lehnte am Stamm eines knorrigen Birnbaums. Tod beobachtete seine Bienen, griff mit knöchernen Fingern nach den Waben und hob sie vorsichtig.

Einige Tiere umschwirrten ihn. Wie jeder, der sich mit Bienen beschäftigt, trug Tod einen Imkerhut. Er brauchte natürlich nicht zu befürchten, gestochen zu werden, aber manchmal geriet eine Biene in seinen Schädel, summte dort umher und bereitete ihm Kopfschmerzen.

Als er eine Wabe ins graue Licht dieser kleinen Welt zwischen den Realitäten hielt, spürte er ein leichtes Zittern. Im Bienenstock knisterte etwas. Ein Windhauch flüsterte durch den Obstgarten, und das war besonders unheimlich: Im Land des Todes ist die Luft immer warm und unbewegt.

Tod glaubte, kurz das Geräusch hastiger Schritte zu hören, untermalt von einer Stimme, die folgende Worte sagte beziehungsweise dachte: Ohmistomistohmist, ich sterbe ich sterbe ich STERBE!

Der Tod ist fast das älteste Geschöpf im Universum, und kein Sterblicher darf hoffen, seine Angewohnheiten und Überlegungen zu verstehen. Aber da er auch ein guter Imker war, legte er die Wabe ins Gestell zurück und schloss den Deckel des Bienenstocks, bevor er reagierte.

Er schritt durch den dunklen Garten zur Hütte, nahm den Schleier ab, entfernte behutsam einige Bienen, die sich in den Tiefen des Schädels verirrt hatten, und betrat sein Arbeitszimmer.

Als er am Schreibtisch Platz nahm, kam es zu einem zweiten Windstoß, der die Stundengläser in den Regalen zum Klirren brachte. Die große Pendeluhr im Flur verharrte kurz in ihrer endlosen Aufgabe, die Zeit in handliche Stücke zu schneiden.

Tod seufzte und konzentrierte sich.

Es gibt keinen Ort, den Tod nicht aufzusuchen vermag, ganz gleich, wie weit entfernt und gefährlich er sein mag. Mehr noch: Je gefährlicher es irgendwo zugeht, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich Tod bereits dort befindet.

Er blickte nun durch den Nebel von Zeit und Raum.

OH, sagte er. ER IST ES.

Es war ein hochsommerlich heißer Nachmittag in Ankh-Morpork, der größten Stadt auf der Scheibenwelt. Normalerweise ging es dort immer ziemlich hektisch zu, aber jetzt gelang den Speeren der Sonne etwas, das zahlreiche Angreifer, mehrere Bürgerkriege und diverse Ausgangssperren nie geschafft hatten: Sie brachten Frieden in die Metropole.

Hunde hechelten im siedenden Schatten. Der Fluss Ankh funkelte und glitzerte nie, doch jetzt quoll er so träge an den Ufern entlang, als sei in der Hitze sein Temperament verbrannt. Die Straßen waren leer und backofenheiß.

Kein Feind hatte Ankh-Morpork jemals erobert. Na ja, genau genommen war das recht oft geschehen: Die Stadt hieß barbarische Eroberer mit viel Geld in den Taschen herzlich willkommen. Doch nach wenigen Tagen stellten die verwirrten Angreifer fest, dass ihnen die Pferde nicht mehr gehörten. Einige Monate später waren sie nur eine weitere ethnische Minderheit mit eigenen Graffiti und Lebensmittelläden.

Die Hitze hatte Ankh-Morpork belagert und über ihre Mauern triumphiert. Wie ein dichtes Tuch hing sie über den zitternden Straßen. Unter der Lötlampe der Sonne waren Assassinen zu müde, jemanden umzubringen. Diebe verwandelten sich in ehrliche Leute. In der efeuüberwucherten Feste der Unsichtbaren Universität – weit und breit wichtigstes Lehrinstitut für Magie – dösten die Zauberer unter ihren spitzen Hüten. Selbst Schmeißfliegen waren zu erschöpft, gegen Fensterscheiben zu prallen. Die Stadt hielt eine kollektive Siesta, wartete auf den Sonnenuntergang und die kurze, heiße, samtene Ruhe der Nacht.

Nur der Bibliothekar genoss Kühle. Er hing von der Decke herab und ließ es sich gut gehen.

Er hatte mehrere Seile gespannt und Ringe daran befestigt, in dem Keller der Bibliothek, wo man die, äh, erotischen Bücher1 aufbewahrte: Sie lagen in Fässern mit zerstoßenem Eis. Der Bibliothekar baumelte verträumt im frostigen Dunst.

Alle magischen Bücher führen ein Eigenleben. Einige besonders vitale Exemplare können nicht einfach an die Regale gekettet werden – man muss sie zunageln oder zwischen dicken Stahlplatten geschlossen halten. Was die Werke über tantrischen Sex für Aufgeschlossene und Sehr Interessierte betrifft: Nur kaltes Wasser hindert sie daran, ganz plötzlich Feuer zu fangen und ihre (schlichten) Cover zu verkohlen.

Über den brodelnden Fässern schwang der Bibliothekar langsam hin und her, während er friedlich vor sich hin döste.

Dann kamen die Schritte aus dem Nichts, hasteten mit einem Geräusch über den Boden, das die Seele peinigte, und verschwanden kurz darauf durch die Wand. In der Ferne erklang ein Schrei, und es hörte sich an wie: Ogottogottogottogott, jetzt ist es SO WEIT, ich STERBE.

Der Bibliothekar erwachte, verlor den Halt und fiel in einen Behälter. Nur einige Zentimeter tiefes lauwarmes Wasser trennte ihn von Die Freuden des tantrischen Sex, mit Illustrationen für den fortgeschrittenen Schüler, von Einer Dame, und spontaner Verbrennung.

Als Mensch hätte der Bibliothekar mit ernsten Konsequenzen rechnen müssen, aber glücklicherweise war er derzeit ein Orang-Utan. Immer wieder schwappt pure Magie durch die Bibliothek, und unter solchen Umständen bleiben Unglücksfälle nicht aus. Ein ausgesprochen eindrucksvoller Zwischenfall hatte ihn in einen Affen verwandelt. Nur wenige Personen bekommen Gelegenheit, das menschliche Volk lebend zu verlassen, und der Bibliothekar widersetzte sich allen Bemühungen, ihn in einen Mann zurückzuverwandeln. Da es sonst niemanden gab, der mit den Füßen nach Büchern greifen konnte, beharrten die Zauberer nicht auf ihrem Standpunkt.

Natürlich entfaltete seine gegenwärtige Natur auch einen gewissen Einfluss auf die Wünsche nach weiblicher Gesellschaft. Er stellte sich etwas vor, das aussah wie ein Sack Butter, den man durch eine Rolle aus alten Schläuchen gepresst hatte. Deshalb kam er in diesem Fall mit dem metaphorischen blauen Auge davon: einigen leichten Verbrennungen, Kopfschmerzen und einem seltsamen Verlangen nach Gurken, das bis zum Abendessen nachließ.

In der Bibliothek weiter oben raschelten die Blätter erstaunter Grimoires, als ein Unsichtbarer durch die Bücherregale lief und verschwand beziehungsweise noch mehr verschwand …

Allmählich erwachte die Stadt Ankh-Morpork aus ihrem Schlummer. Etwas Unsichtbares, das laut schrie, lief durch alle Viertel der Metropole und zog dabei einen Schweif der Zerstörung hinter sich her. Wohin es sich auch wandte, überall kam es zu Veränderungen.

Eine Wahrsagerin in der Straße Schlauer Kunsthandwerker hörte die Schritte im Schlafzimmer und stellte fest, dass ihre Kristallkugel zu einem gläsernen Objekt geworden war, in dem Schnee auf eine kleine Hütte rieselte.

In einer stillen Ecke der Geflickten Trommel saßen drei Abenteurerinnen – Herrena die hennahaarige Vettel, die Rote Scharron und Diome, Hexe der Nacht –, sprachen über Frauendinge und spielten Canasta. Überrascht beobachteten sie, wie sich ihre Getränke in kleine gelbe Elefanten verwandelten.

»Bestimmt stecken die Zauberer der Universität dahinter«, sagte der Wirt und beeilte sich, neue Gläser zu bringen. »So etwas sollte nicht erlaubt sein.«

Die Uhr schlug Mitternacht.

Der Universitätsrat tagte. Zauberer rieben sich die Augen und wechselten müde Blicke. Auch sie vertraten die Ansicht, dass so etwas nicht erlaubt sein sollte, vor allem deshalb, weil sie es nicht erlaubten.

Schließlich unterdrückte der neue Erzkanzler Ezrolith Brodel ein Gähnen, setzte sich auf und versuchte, angemessen gebieterisch zu wirken. Er wusste, dass er nicht das Zeug zum Erzkanzler hatte, und eigentlich legte er gar keinen Wert auf den Job. Er war achtundneunzig, und dieses ehrenwerte Alter verdankte er dem Umstand, nie jemandem im Wege gewesen zu sein. Zunächst hatte er gehofft, seinen Lebensabend damit verbringen zu können, eine siebenbändige Abhandlung über Einige bekannte Aspekte der kuianischen Regenbeschwörungsrituale fertigzustellen. Seiner Meinung nach handelte es sich um das ideale Thema für eine akademische Studie, denn die entsprechenden Rituale hatten nur in Ku funktioniert, und jener Kontinent war vor einigen Tausend Jahren im Meer versunken.2 In diesem Zusammenhang gab es ein Problem: Seit einiger Zeit schien die Lebenserwartung von Erzkanzlern nicht besonders hoch zu sein, und der natürliche Ehrgeiz, mit dem Zauberer jenes Amt angestrebt hatten, war einer Art zurückhaltenden Höflichkeit gewichen. Als Brodel eines Tages sein Zimmer verlassen hatte, nannten ihn plötzlich alle ›Herr‹ – er hatte Tage gebraucht, um den Grund dafür herauszufinden.

Dumpfer Schmerz hämmerte hinter seiner Stirn, und er glaubte, schon seit Wochen nicht mehr geschlafen zu haben. Aber er hatte etwas zu sagen.

»Meine Herren …«, begann er.

»Ugh.«

»Entschuldigung. Meine Herren und Tie…«

»Ugh.«

»Womit natürlich Affen gemeint sind …«

»Ugh.«

Der Mund des Erzkanzlers klappte stumm auf und zu, während er die Gedanken zu ordnen versuchte. Kraft seines Amtes gehörte der Bibliothekar zum Universitätsrat. Trotz einer ebenso heimlichen wie sorgfältigen Suche hatte niemand eine Vorschrift gefunden, die den Ausschluss des Orang-Utan rechtfertigte.

»Ein Spuk«, sagte Brodel schließlich. »Vielleicht eine Art Geist. Glocke, Buch und Kerze genügen sicher, um ihn zu vertreiben.«

Der Quästor seufzte. »Wir haben es damit versucht, Erzkanzler.«

Ezrolith Brodel beugte sich zu ihm.

»Wie?«, fragte er.

»Wir haben es damit versucht, Erzkanzler«, wiederholte der Quästor laut und sprach direkt ins Ohr des greisen Mannes. »Nach dem Essen, erinnerst du dich? Wir haben Buckelkrumms Des Prickelns Lösung verwendet und den Alten Tom3 geläutet.«

»Das haben wir getan, nicht wahr? Und es hat geklappt, oder?«

»Nein, Erzkanzler.«

»Wie?«

»Außerdem hatten wir nie Schwierigkeiten mit Geistern«, warf der Oberste Tutor ein. »Zauberer spuken nicht herum.«

Brodel tastete nach einer Krume des Trostes.

»Vielleicht ist es etwas Natürliches«, vermutete er. »Das Plätschern einer unterirdischen Quelle. Oder Bewegungen im Boden. Oder ein Problem mit den Abflussrohren. Manchmal verursachen sie die sonderbarsten Geräusche, wenn der Wind aus einer bestimmten Richtung weht.«

Er lehnte sich zurück und strahlte.

Die übrigen Ratsmitglieder sahen sich an.

»Die Abflussrohre klingen nicht wie hastige Schritte, Erzkanzler«, sprach der Quästor mit erzwungener Geduld.

»Es sei denn, jemand hat vergessen, einen Wasserhahn zuzudrehen«, erwiderte der Oberste Tutor.

Der Quästor maß ihn mit einem verärgerten Blick. Er hatte in der Badewanne gelegen, als das unsichtbare und schreiende Etwas durchs Zimmer gestürmt war. Eine Erfahrung dieser Art reichte ihm.

Der Erzkanzler nickte ihm zu.

»Das wäre also geklärt«, stellte er fest und schlief ein.

Der Quästor musterte ihn schweigend. Nach einer Weile nahm er Brodel den Hut ab und schob ihn unter den Kopf des Greises.

»Nun?«, fragte er müde. »Irgendwelche Vorschläge?«

Der Bibliothekar hob die Hand.

»Ugh«, grunzte er.

»Ja, ausgezeichnet, sehr konstruktiv«, sagte der Quästor forsch-fröhlich. »Sonst noch jemand?«

Der Orang-Utan schnitt eine finstere Miene, während die anderen Zauberer den Kopf schüttelten.

»Ein Beben im Gefüge der Realität«, verkündete der Oberste Tutor. »Das ist die Erklärung.«

»Und was sollen wir dagegen unternehmen?«

»Keine Ahnung. Wir könnten den alten Ritus von …«

»O nein!«, entfuhr es dem Quästor. »Erwähn ihn nicht einmal! Bitte. Es ist viel zu gefährlich …«

Er unterbrach sich, als sich ein Schrei aus einer Ecke des Zimmers erhob. Ein ausgeprägter Dopplereffekt trug ihn am Tisch vorbei, und es folgte das Pochen vieler laufender Füße. Stühle kippten um, als die Zauberer in Deckung gingen.

Die Kerzenflammen formten lange dünne Zungen aus oktarinem Licht, bevor sie erloschen.

Stille schloss sich an, die Art von Stille, die man nach einem sehr unangenehmen Geräusch bekommt.

Dann sagte der Quästor: »Na schön. Ich gebe nach. Wir versuchen es mit dem Ritus von AshkEnte.«

Acht Zauberer können kein ernsteres Ritual beschließen. Sie beschwören damit den Tod, der natürlich genau weiß, was überall geschieht.

Außerdem wird es nur sehr ungern durchgeführt: Die meisten Zauberer des Universitätsrates sind recht alt und vermeiden es, die Aufmerksamkeit des Todes auf sich zu lenken.

Der Ritus fand mitten in der Nacht im Großen Saal der Universität statt. Man benutzte dabei Weihrauch, Kerzen, Runen und magische Kreise; zwar waren sie nicht unbedingt nötig, aber nach Meinung der Zauberer gehörten sie zu jeder ordentlichen Zeremonie. Magische Energie entlud sich, als acht Zungen Formeln und Beschwörungen sprachen.

Die Magier starrten in ein Oktagramm, das auch weiterhin leer blieb. Nach einer Weile begannen die in weite Umhänge gehüllten Gestalten zu murmeln.

»Offenbar ist uns ein Fehler unterlaufen.«

»Ugh.«

»Vielleicht ist Er nicht zu Hause.«

»Oder beschäftigt …«

»Was haltet ihr davon, wenn wir aufgeben und zu Bett gehen?«

AUF WEN WARTEN WIR EIGENTLICH?

Der Quästor drehte sich langsam um. Den Mantel eines Zauberers erkannte man auf den ersten Blick: Er war mit Pailletten, Amuletten, Pelz und Tressen geschmückt und enthielt außerdem eine beträchtliche Menge Zauberer. Dieser Umhang hingegen erwies sich als schwarz. Der Stoff schien außergewöhnlich strapazierfähig zu sein, eine Beschreibung, die auch auf die Gestalt darin zutraf. Sie erweckte folgenden Eindruck: Wenn sie ein Buch über Abmagerungskuren geschrieben hätte, wäre sicher ein Bestseller daraus geworden.

Tod betrachtete das Oktagramm mit höflichem Interesse.

»Äh«, machte der Quästor. »Die Sache ist die, wenn ich mich nicht sehr irre, ich meine, äh, du solltest dort drin stehen.«

BITTE UM VERZEIHUNG.

Tod trat würdevoll in die Mitte des Raums und hob erwartungsvoll den Kopf.

ICH HOFFE, WIR KÖNNEN DIESMAL AUF BEMERKUNGEN WIE ›HÖLLISCHES WESEN‹ UND ›TEUFLISCHER DÄMON‹ VERZICHTEN, sagte er.

»Wir haben dich doch nicht bei einer wichtigen Angelegenheit gestört, oder?«, fragte der Quästor unsicher.

ALLE MEINE ANGELEGENHEITEN SIND WICHTIG, erwiderte Tod.

»Natürlich«, bestätigte der Quästor.

FÜR JEMANDEN.

»Äh. Äh. Der Grund, warum wir dich beschworen haben, o hölli… Herr, ich meine, der Grund …«

RINCEWIND.

»Was?«

DER GRUND FÜR DEN RITUS VON ASHKENTE. ER HEISST RINCEWIND.

»Aber wir haben dich noch gar nicht danach gefragt!«

TROTZDEM. DIE ANTWORT LAUTET: RINCEWIND.

»Äh, wir möchten gern wissen, wer für die Unruhe verantwor… oh.«

Tod strich imaginäre Staubkörner von der Schneide seiner Sense.

Ezrolith Brodel wölbte eine knotige Hand am Ohr.

»Was hat er gesagt? Wer ist der Bursche mit dem Stock?«

»Der Tod, Erzkanzler«, entgegnete der Quästor geduldig.

»Wie?«

»Der Tod, Herr. Du weißt schon.«

»Sag ihm, wir brauchen nichts«, brummte der alte Zauberer und winkte.

Der Quästor seufzte. »Wir haben ihn beschworen, Erzkanzler.«

»Tatsächlich? Warum denn? Erscheint mir ziemlich töricht, wenn du mich fragst.«

Der Quästor sah Tod an und lächelte verlegen. Er wollte ihn bitten, das Verhalten des Erzkanzlers zu entschuldigen und sein hohes Alter zu berücksichtigen, aber dann wurde ihm klar, dass er damit nur Zeit vergeudet hätte.

»Sprechen wir über den Zauberer namens Rincewind, der von einer schrecklichen Truhe auf Beinen begleitet wurde?« Dem Quästor schauderte. »Aber er starb doch während der Auseinandersetzung mit dem Kreativen Magus4, oder?«

ER GERIET IN DIE KERKERDIMENSIONEN. UND JETZT VERSUCHT ER, INS DIESSEITS ZURÜCKZUKEHREN.

»Ist er dazu imstande?«

EIN UNGEWÖHNLICHES ZUSAMMENTREFFEN VON BESONDEREN UMSTÄNDEN WÄRE DAFÜR NÖTIG. DIE REALITÄT MÜSSTE AN BESTIMMTEN STELLEN AUF UNERWARTETE WEISE GESCHWÄCHT WERDEN.

»Und das ist so gut wie ausgeschlossen, wie?«, fragte der Quästor besorgt. Wer immer wieder betont hat, zwei Monate lang die Tante besucht zu haben, reagiert nervös auf Leute, die von anderen Annahmen ausgehen und aufgrund irgendwelcher Halluzinationen oder optischen Täuschungen glauben, den Betreffenden bei Dingen beobachtet zu haben, mit denen er sich gar nicht beschäftigt haben konnte, weil er zum gegebenen Zeitpunkt bei seiner Tante gewesen war.

DIE CHANCE IST EINS ZU EINER MILLION, antwortete Tod. GENAU EINS ZU EINER MILLION.

»Oh«, sagte der Quästor. Es klang überaus erleichtert. »Lieber Himmel. Wie bedauerlich.« Ein dunkler Schatten wich aus seinen Zügen. »Die Geräusche sind sehr laut. Aber unglücklicherweise wird Rincewind nicht lange überleben, oder?«

DAMIT KÖNNTEST DU RECHT HABEN, entgegnete Tod offen. WIE DEM AUCH SEI: VERMUTLICH MÖCHTEST DU NICHT, DASS ICH ES MIR ZUR ANGEWOHNHEIT MACHE, IN DIESER HINSICHT EXAKTE AUSKUNFT ZU GEBEN.

»Nein!«, stieß der Quästor hervor. »Nein, natürlich nicht. Äh. Gut. Herzlichen Dank. Armer Kerl. Wirklich schade um ihn. Tja, aber so ist das nun einmal. Vielleicht sollten wir uns damit abfinden.«

VIELLEICHT SOLLTET IHR DAS.

»Und wir wollen dich jetzt nicht länger aufhalten«, fügte der Quästor höflich hinzu.

DANKE.

»Leb wohl.«

»AUF WIEDERSEHEN.«

Die letzten sonderbaren Geräusche verklangen kurz vorm Frühstück, und nur der Bibliothekar trauerte: Rincewind war sein Assistent und Freund gewesen, jemand, der wusste, wie man eine Banane schälte. Außerdem hatte er großes Geschick bewiesen, wenn es darum ging, möglichst schnell wegzulaufen. Zweifellos gehörte er nicht zu den Leuten, die sich leicht schnappen ließen.

Es musste also zu einem ungewöhnlichen Zusammentreffen von besonderen Umständen gekommen sein.

Diese Erklärung hielt der Bibliothekar für viel wahrscheinlicher.

Es war zu einem ungewöhnlichen Zusammentreffen von besonderen Umständen gekommen.

Eine Chance von eins zu einer Million wollte es, dass jemand beobachtete, Vorbereitungen traf und nach den richtigen Werkzeugen für eine spezielle Aufgabe suchte.

Er bemerkte Rincewind. Es erschien fast viel zu einfach.

Rincewind schlug die Augen auf und sah eine Decke. Wenn es sich um den Boden handelte, war er in Schwierigkeiten.

So weit, so gut.

Vorsichtig betastete er die Substanz, auf der er lag. Sie war maserig: Holz mit einem alten Nagelloch. Eine Art menschliches Material.

Seine Ohren empfingen das Knistern und Knacken eines Feuers, des Weiteren leises Blubbern, Ursprung unbekannt.

Die Nase fühlte sich übergangen und berichtete hastig von Schwefelgeruch.

Na schön. Was ergab sich daraus? Er lag auf den hölzernen Dielen eines Zimmers, in dem ein Kaminfeuer brannte und etwas blubberte, das nach Schwefel roch. Verträumte Benommenheit sorgte dafür, dass Rincewind mit seinen logischen Schlussfolgerungen recht zufrieden war.

Sonst noch etwas?

O ja.

Er öffnete den Mund und schrie und schrie und schrie.

Dadurch fühlte er sich besser.

Eine Zeit lang blieb er liegen. Aus dem Durcheinander seines Gedächtnisses krochen einzelne Erinnerungsfetzen, zeigten ihm ein warmes Bett und den Knaben namens Rincewind, der die verstreichende Zeit mit wachsender Verzweiflung in kleinere Stücke teilte, um einen schrecklichen Augenblick hinauszuschieben. Viel zu bald musste er aufstehen und sich den Problemen des Lebens stellen, zum Beispiel Fragen, die jetzt folgendermaßen lauteten: Wer bin ich? Wo bin ich? Und warum bin ich hier?

»Was bist du?«, drang eine Stimme in Rincewinds Bewusstsein vor.

»Dazu wollte ich ja gerade kommen«, murmelte er.

Der Raum gewann zitternde Konturen, als er sich auf den Ellbogen hochstemmte.

»Ich warne dich«, fuhr die Stimme fort, die ihren Ursprung bei einem Tisch hatte. »Ich bin mit vielen mächtigen Amuletten geschützt.«

»Wie schön für dich«, sagte Rincewind. »Ich wünschte, das wäre auch bei mir der Fall.«