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Achtsam im Alltag zu sein, bedeutet vor allem, die Wahrnehmung zu schulen. Der Leser wird überrascht sein, wohin ihn die Reise mit diesem Übungsbuch führt. Ob Shopping, Arbeit, Kindererziehung, Geld, Meditation, Ernährung, Liebe und Partnerschaft oder Freizeit – jedes Thema des Alltags wird beleuchtet, denn die Gewohnheiten des Alltags prägen unser Leben. Und das Leben ist nichts anderes als die Summe aller unserer täglichen Handlungen. Es lohnt sich also, beim Gewöhnlichen, beim Alltäglichen zu beginnen. Und die Erfahrung zeigt, dass es gerade die kleinen Schritte sind, die große Veränderungen bewirken.
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Seitenzahl: 183
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Sandy Taikyu Kuhn Shimu
ERLEUCHTUNG ZUM
FRÜHSTÜCK
Nimm dir Zeit zum Leben –
Achtsamkeit im Alltag
Über die Autorin
Sandy Taikyu Kuhn Shimu ist Zen-Meisterin, Künstlerin und Autorin. Sie ist hauptberuflich als Lehrerin und Ausbilderin in den Bereichen Kung Fu, Yoga, Qi Gong und Zen und als Beraterin tätig. Sie entwickelte das WU LIN Prinzip sowie eine eigene Beratungsmethodik, das WU LIN Zen-Coaching. Sie ist Mitbegründerin der WU LIN Organisation und der WU LIN Zen-Linie. Sie legt großen Wert auf die Verbindung und die Anwendbarkeit der traditionellen Lehren in die Praxis und den modernen Alltag. Sandy Taikyu Kuhn Shimu findet ihre Erfüllung im Schreiben und im Unterricht ihrer Schülerinnen und Schüler im In- und Ausland.
Weitere Informationen zur Tätigkeit der Autorin finden Sie unter:
www.taikyu.ch | www.wulin.ch | www.wulintempel.ch | [email protected] | blog.taikyu.ch
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ISBN 978-3-8434-6058-3
www.schirner.com
1. E-Book-Auflage 2014
Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Funk, Fernsehen und sonstige Kommunikationsmittel, fotomechanische oder vertonte Wiedergabe sowie des auszugsweisen Nachdrucks vorbehalten
Inhalt
Über die Autorin
Vorwort
Einführung
Was die Energie zum Fließen bringt
Die heilende Kraft der Achtsamkeit
Der Wecker klingelt
Reinige deinen Körper
Bewege deinen Körper
Atme dich frei
Poliere deinen Geist
Buddhas Reissuppe
Von A nach B
Ein Tag ohne Arbeit, ein Tag ohne Essen
Ordnung ist das ganze Leben
Die Kunst des Loslassens
Das Mittagsritual
Eine Pause oder die Kraft der Tasse Tee
Hör auf, es allen recht zu machen
Pflege eine Fehler- und Konfliktkultur
Übernimm Verantwortung
Du siehst, was du sehen willst
Freizeit, die freie Zeit
Shopping
Geld
Liebe und Partnerschaft
Kinder, Erziehung und Co.
Freunde auf dem Weg
Durch Verzicht die Mitte finden
Der Umgang mit Krankheit
Alles hat ein Ende
Probleme und sonstige Hindernisse
Ethik im Alltag
Das Abendritual
Die Frage nach dem Sinn des Lebens
Schlusswort
Danksagung
Weiterführende Literatur
Abbildungsverzeichnis
24 STUNDEN
im Herz-Geist des Zen
Vorwort
Das Glückliegt imLeben selbst.
Meine Beweggründe, ein Buch über Zen und die Wichtigkeit der Achtsamkeit zu schreiben, lassen sich auf meine Praxis als Zen-Buddhistin und meine Tätigkeit als Kampfkunstlehrerin zurückführen. Zen nimmt in der Kampfkunst eine bedeutende Stellung ein. Die Schulung des Geistes spielt dabei eine ebenso große Rolle wie das Training der körperlichen Fertigkeiten, und die in der Ausbildung enthaltenen Elemente der Zen-Lehre lassen die Kampfkunst zur Lebenskunst werden. Die Vervollkommnung von Körper und Geist soll Spuren im Alltag hinterlassen und sich in Achtsamkeit, Respekt, Mitgefühl, Disziplin, Geduld, Gelassenheit, Verantwortungsbewusstsein, Ehrlichkeit, Klarheit, Zufriedenheit, Gesundheit und Erkenntnis ausdrücken.
Meine Kung-Fu-Ausbildung begann 1993. Zu diesem Zeitpunkt kam ich auch zum ersten Mal mit Zen in Kontakt, d. h. mit der Praxis des Zen, mit Zazen, der Sitzmeditation in Stille. Seither befasse ich mich eingehend mit der buddhistischen Lehre, dem Inhalt und den Auswirkungen der Zen-Praxis auf die Laien, also auf die Menschen, die Zen nicht als Nonnen oder Mönche in Klöstern praktizieren.
Es lag mir deshalb sehr am Herzen, ein Übungsbuch mit praktischen Anleitungen zu schreiben, das jedem Menschen die Lehre des Zen für die Umsetzung im ganz normalen Alltag vermittelt und ihm die Möglichkeit bietet, den Geist des Zen, den Herz-Geist, zu erfahren, zu schulen und zu pflegen.
Im Jahr 2006 nahm ich in der japanischen Rinzai-Zen-Tradition an der Jukai-Zeremonie teil. Jukai ist die Ordination für die Laien. Ich legte die Fünf Silas (Gelübde) ab, nahm Zuflucht zu den Drei Juwelen »Buddha«, »Dharma« und »Sangha« und erhielt den Dharma-Namen »Taikyu«, was »immerwährender Frieden« bedeutet. Nach dem Verständnis des Zen wird man durch diese Zeremonie offiziell zur Zen-Buddhistin.
Mein privater und beruflicher Alltag erlaubt es mir, den Weg des Zen in mein Leben zu integrieren und die Lehre des Zen im täglichen Unterricht weiterzuvermitteln. Gern komme ich mit diesem Buch dem Wunsch meiner Schülerinnen und Schülern nach einer praktischen Übungsanleitung nach, die die Kunst des Zen in einer einfachen und leicht verständlichen Sprache vermittelt und viele praxisbezogene Übungen für den Alltag bereithält.
Die Gewohnheiten des Alltags prägen unser Leben. Und unser Leben ist nichts anderes als die Summe aller unserer täglichen Handlungen. Es lohnt sich also, beim Gewöhnlichen, beim Alltäglichen zu beginnen. Die Erfahrung zeigt, dass es gerade die kleinen Schritte sind, die große Veränderungen bewirken. Lesen Sie selbst:
Zwei neue Schüler traten in ein Zen-Kloster ein. Der Meister unterwies beide in der Gehmeditation. Als sich die Neuankömmlinge am nächsten Morgen wieder im Garten des Klosters begegneten, fragten sie sich, ob sie nicht während der Gehmeditation eine Zigarette rauchen könnten. Schließlich wären sie im Freien, und der Rauch würde niemanden stören. Sie beschlossen, am Nachmittag den Zen-Meister zu fragen. Am Tag darauf trafen sich die Schüler erneut. Einer von beiden rauchte während der Gehmeditation. Etwas verdutzt erkundigte sich der andere: »Du rauchst, obwohl der Meister uns das Rauchen verboten hat?« Darauf erwiderte der Raucher: »Wieso verboten? Mir hat der Meister das Rauchen erlaubt!« – »Was!«, schrie der erste Schüler. »Mir hat er es verboten! Warum hat dir der Meister das Rauchen erlaubt?« – »Was hast du ihn denn gefragt?«, wollte der Schüler mit der Zigarette im Mund wissen. »Ich habe den Meister gefragt, ob ich während der Gehmeditation im Garten rauchen darf. Er ist sehr wütend geworden, hat mich mit dem Stock auf den Kopf geschlagen und laut ›Nein!‹ gebrüllt. Was hast du ihn gefragt?«, wollte nun der andere Schüler wissen. »Ich habe den Meister gefragt, ob ich während des Rauchens meditieren kann. Er hat sich darüber gefreut und gesagt: ›Gut, wenigstens meditierst du!‹«
Unser Leben steht und fällt mit unserer Wahrnehmung. Unsere Sinneseindrücke legen den Grundstein für unser Denken und Fühlen. Und unsere Gedanken und Empfindungen erzeugen den Impuls zur Handlung. Die Zen-Praxis beeinflusst unsere Wahrnehmung und dadurch auch unsere Gefühle und unsere Denk- und Handlungsmuster. Unsere Absicht, unsere Motivation hinter einer Handlung, entscheidet darüber, auf welche Art und Weise wir leben und wie wir unser Leben wahrnehmen, bewerten und erfahren.
Denken Sie daran: Alles beginnt in Ihrem Kopf, in Ihrem Geist, mit Ihren Gedanken. Zen ist die natürliche Hygiene Ihres Geistes. Die Praxis des Zen-Weges ist Zazen. Zazen bedeutet absichtsloses Sitzen oder geistige Versenkung in stiller Sitzhaltung. Es ist nichts Fantastisches, das es zu erlangen gilt, denn die Zen-Praxis ist nichts anderes als die Rückkehr in den Normalzustand von Körper und Geist.
Der Zen-Geist beinhaltet die Präsenz und Achtsamkeit in der Gegenwart, in der Zeit, in der das Leben stattfindet, im Hier und Jetzt. Daraus wächst die Erkenntnis, dass nicht nur Körper und Geist untrennbar miteinander verbunden sind, sondern dass auch wir selbst und das gesamte Universum eins sind. Zen ist ein Weg zur Transzendenz – zu mehr Weisheit und Mitgefühl.
Zen ist aber nichts Abstraktes und kann niemals losgelöst vom wahren Leben, d. h. nur auf dem Meditationskissen, praktiziert werden. Der Herz-Geist des Zen entwickelt sich zwar durch das Sitzen in Stille, er formt sich aber mit der Anwendung und der Erfahrung im Alltag.
Mein Wunsch ist es daher, Sie mit diesem Buch vor allem mit der praktischen Seite der Zen-Lehre bekannt zu machen, d. h., ich werde Sie durch einen Tag im Geiste des Zen führen. 24 Stunden lang im Zen-Geist zu leben bedeutet vor allem Achtsamkeits- und Wahrnehmungsschulung. Es heißt aber auch, die dem Zen zugrunde liegenden Prinzipien, Theorien und Anschauungen zu verstehen und anzuwenden. Sie werden überrascht sein, wo der Herz-Geist des Zen beginnt und wohin Sie diese Reise führt!
Wie bestellt ein Zen-Meister sein Sandwich?
»Eins mit allem!«
Ich wünsche mir, dass Sie durch die Lektüre den Mut und die Kraft finden, Ihr eigenes Potenzial zu entfalten und in Harmonie mit Ihrer wahren Natur zu leben. Das bedeutet, dass Sie als Mensch vom Intellektuellen zum Intuitiven zurückkehren und als multidimensional lebendes, ganzheitliches Wesen wach, lebendig, mitfühlend und zentriert sind.
Im Feuer des Geistes verbrennen alle Gedanken.Der Wind wirbelt den Staub in deinem Herzen auf.
Die Tränen der Erfahrung tränken die Erde undlassen den Baum der Zuversicht wachsen.
Die reife Frucht trägt die Erkenntnis aller Zeiten.Koste sie, und nähre deine wahre Natur.
Valentinstag 2012,Ihre Sandy Taikyu Kuhn Shimu
Einführung
Aus derinneren Leereentsteht die Fülledieser Welt.
Was ist Zen? »Zen ist eine Lehre außerhalb der Schriften, sie ist frei von Worten und Zeichen, sie zeigt direkt auf das Herz des Menschen. Es geht darum, die eigene Natur zu erkennen und dadurch Erleuchtung zu erfahren.« Diese Worte gehen auf Bodhidharma zurück, den indischen Mönch, der im 6. Jahrhundert n. Chr. die Lehre des Zen von Indien nach China brachte.
Die Flut an Zen-Literatur nimmt stetig zu. Dem Anschein nach entspricht das nicht dem Grundgedanken von Zen. Wenn man die Aussage von Bodhidharma betrachtet, könnte man meinen, dass die Zen-Lehre ausschließlich von »Herz zu Herz« vermittelt wird und Bücher, Abhandlungen und Schriften deshalb nicht nötig, vielleicht sogar überflüssig sind.
Lesen, Denken, Reden und Fühlen sollen und können nie das Handeln, die Tatkraft, ersetzen. Aber gerade in der Praxis, im Umgang mit Zen, gibt es viele Missverständnisse und herrschen oft Zweifel und Unsicherheiten vor. Es ist wichtig und von grundlegender Bedeutung, den Menschen, die wirklich interessiert, offen und bereit dafür sind, Erfahrungen und Erkenntnisse in schriftlicher Form, also von »Geist zu Geist«, zugänglich zu machen. Aus eigener Erfahrung weiß ich, wie schwer es ist, das Wissen und die Einsichten vom Meditationskissen in den Alltag zu transportieren.
Ein Hausbesitzer bittet einen Zen-Meister: »Segne mein Haus.«
Der Meister antwortet: »Ich glaube nicht, dass dein Haus mich versteht.«
In der Lehre des Zen unterscheidet man zwischen der »Sitzungszeit« und der »Zwischen-Sitzungszeit«. Die Sitzungszeit ist die Zeit, in der der Schüler meditiert. Sie ist der Rückzug der Sinne in die Stille. In dieser Abgeschiedenheit und Ruhe erfährt der Schüler sich auf eine ganz neue Art und Weise. Wenn er die Bereitschaft entwickelt, wirklich aus tiefstem Herzen alles aufzugeben und loszulassen, hat er die Möglichkeit, sich körperlich und geistig zu erneuern. Das setzt aber voraus, dass der Schüler bereit ist, sich seinen inneren Dämonen zu stellen, bevor er wahren inneren Frieden finden kann. Das heißt, dass er sich seinen Ängsten, Befürchtungen, Schmerzen und Sehnsüchten stellt und diese überwindet. Lesen Sie dazu die nachfolgende Geschichte.
Eine Frau mittleren Alters begab sich in ein Zen-Kloster, um sich einer Gruppe von Meditierenden anzuschließen. Die Zen-Meisterin erkundigte sich bei der Frau: »Was willst du hier?« Die Frau antwortete: »Ich bin auf der Suche nach Ruhe.« Darauf erwiderte die Meisterin: »Nur damit keine Verwechslungen auftreten, falsche Hoffnungen geweckt werden oder Missverständnisse entstehen, dieser Platz hier ist kein friedliches Paradies. Er ist ein Ort des Feuers, der deine Erwartungen in Flammen aufgehen lässt. Er ist ein glühender Ofen, der deine Verblendungen zum Schmelzen bringt und deine egoistischen Sichtweisen verbrennt. Auf diesem Kissen, im Schweiße deines Angesichts, wirst du dich mit dir selbst auseinandersetzen müssen, und in der Hitze der Gedanken hast du die Chance, deine Illusionen verdampfen zu lassen! Bist du dazu bereit?«
Die Zwischen-Sitzungszeit ist die Zeit, in der der Schüler versucht, die Erkenntnisse und Erfahrungen, die er in der Meditation gewonnen hat, in sein Leben zu integrieren. Das bedeutet, dass der Schüler immer erst in der Zwischen-Sitzungszeit erfährt, wie es tatsächlich um seine spirituellen Fortschritte bestellt ist. Denn die Inhalte seines Geistes bestimmen nicht nur die Qualität seiner Gedanken, Gefühle und Handlungen in der Meditation, sondern sie beeinflussen auch seinen Alltag und prägen somit sein ganzes Leben. Der Zen-Weg hat die Kraft, uns direkt zu unserer wahren Natur zu führen, wenn wir bereit sind, die Augen nicht vor uns selbst und der Welt zu verschließen.
Mein Buch befasst sich vorwiegend mit der Zwischen-Sitzungszeit. Werfen Sie zu Beginn ganz bewusst all Ihre Erwartungen ab, und überprüfen Sie Ihre Ansprüche. Vertrauen Sie auf die Energie des Augenblicks, probieren Sie aus, und machen Sie neue Erfahrungen.
Zen ist eine Haltung, die sich immer zuerst in Ihrem Geist entwickelt und manifestiert und sich dann über Ihre Handlungen im Alltag ausdrückt. Der Geist des Zen ist geduldig, natürlich, frisch, lebendig, ausgeglichen, stabil, weise und mitfühlend.
Leben im Sinne von Zen bedeutet:
Aufgeschlossenheit
Direktheit
Klarheit
Offenheit
Bewusstheit
Ehrlichkeit
Mitgefühl
Gegenwartsbezogenheit
Wertfreiheit
Achtsamkeit
Gelassenheit
Erwartungslosigkeit
Geradlinigkeit
Mitfreude
Im Geiste des Zen leben heißt aber auch, dass Sie das annehmen, was ist, und sowohl Anhaftung als auch Ablehnung überwinden. Es ist wichtig, dass Sie die Vorstellungen von Erfolg und Misserfolg, Gewinn und Verlust auf dem Weg des Zen loslassen:
Ein Schüler des Zen bat seinen Meister: »Bitte beruhige meinen Geist.« Der Meister antwortete: »Bring mir deinen Geist, dann werde ich ihn beruhigen.« Der Schüler suchte überall nach seinem Geist, konnte ihn aber nicht finden. Da sprach der Zen-Meister: »Siehst du, dein Geist hat seinen Frieden schon gefunden.«
Obwohl ich meine »Zuflucht« in der japanischen Rinzai-Zen-Tradition genommen habe, liegt mir die chinesische Interpretation des Zen (chinesisch: Chan) viel näher. Meiner Erfahrung nach ist sie viel spontaner, authentischer und natürlicher.
In China gehen die ersten Datierungen des Chan auf das 6. Jahrhundert n. Chr. zurück. Ursprünglich stammt der Begriff Chan aus Indien und heißt in der altindischen Sprache, dem Sanskrit, Dhyana. Dhyana bedeutet ein Zustand meditativer Versenkung, der durch Sammlung und Achtsamkeit erreicht wird. Die Lehre des Chan fand im 12. Jahrhundert n. Chr. den Weg von China nach Japan und wurde dort als Zen bekannt.
Wenn man der Geschichte des Zen Glauben schenkt, gilt Bodhidharma als der erste Patriarch der Chan- bzw. Zen-Linie. Der indische Mönch ließ sich 523 n. Chr. im Norden Chinas nieder, in der Provinz Henan, wo auch das sagenumwobene Shaolin-Kloster steht. Bodhidharma, der das buddhistische Gedankengut aus Indien mitbrachte, stieß in China auf den Taoismus und den Konfuzianismus. Aus dem Kontakt dieser drei großen philosophischen Richtungen entwickelte sich die Lehre des Chan.
Meine Ausführungen und die Übungen im Buch lassen sich auf diesen Ursprung zurückführen. Das bedeutet, dass ich der Anwendung und der Integration von Zen in den Alltag, d. h. in die Zwischen-Sitzungszeit, wesentlich mehr Beachtung schenken werde als den theoretischen Hintergründen. Ich möchte Sie ganz bewusst weg von der Theorie, weg vom Denken und hin zur Praxis, zum Handeln führen. Ihr Wille zur Veränderung, Ihre Motivation zum Handeln und Ihre Einsicht zur Kontinuität zählen. Denn jede Veränderung beginnt in diesem Augenblick!
Ein Zen-Meister sagte treffend: »Bevor ich Zen studierte, waren die Berge Berge und die Flüsse Flüsse. Während ich Zen studierte, waren die Berge keine Berge und die Flüsse keine Flüsse. Nachdem ich Zen studiert habe, sind die Flüsse wirklich Flüsse und die Berge wirklich Berge.« Ein anderer Meister formulierte es so: »Wenn ich hungrig bin, dann esse ich. Wenn ich müde bin, dann schlafe ich. Wenn ich meine Dinge verrichten muss, dann gehe ich zur Toilette. Die Narren werden lachen, die Weisen aber werden verstehen.«
Die Welt wird sich nach dem Lesen dieses Buches nicht verändern. Ihre Wahrnehmung der Welt aber schon! Die vollkommene Befreiung zeigt sich im Alltäglichen. Warum also sollte Erleuchtung nicht schon zum Frühstück möglich sein!?
Was die Energie zum Fließen bringt
Die Kraftliegt im Augenblick.
Energie kennt keine Grenzen. Sie kann nicht zerstört, nur umgewandelt werden. Der rechte Umgang mit Energie bedeutet daher, sie richtig und gezielt einzusetzen. Jeder von uns hat seine eigenen, individuellen Energiemuster. Diese Muster bestimmen, wie wir auf die Welt und unsere Mitmenschen reagieren und ob wir uns zufrieden, ausgeglichen, erfüllt, gesund und angenommen fühlen. Das heißt, dass es von unseren persönlichen Energiemustern abhängt, wie wir mit Krankheiten, Verletzungen und Unfällen umgehen und wie wir Umwelteinflüssen, Stress und den vielfältigen Anforderungen aus unserem sozialen Umfeld begegnen.
Ein Schüler beklagt sich bei seinem Meister: »Meister, ich bin überhaupt nicht zufrieden mit meinen Fortschritten in der Meditation. Ich kann mich nicht konzentrieren, meine Beine schlafen ein, mein Rücken schmerzt, und ich habe große Mühe, wach zu bleiben!« Der Meister erwidert trocken: »Das geht vorüber.« Nach ein paar Wochen berichtet derselbe Schüler seinem Meister voller Freude: »Oh, Meister, meine Meditationen sind wunderbar, ich bin konzentriert und hellwach. Meine Beine und mein Rücken sind ohne Schmerzen. Ich bin im Frieden!« Der Meister antwortet schlicht: »Auch das geht vorüber.«
Wir alle kommen mit bestimmten energetischen Grundvoraussetzungen auf die Welt. Diese Energiepotenziale beeinflussen vom Beginn unseres Lebens an unsere Entwicklungs-, Konzentrations- und Leistungsfähigkeit. Oft ziehen sich diese Energiemuster wie rote Fäden durch unser Leben. Wir sind diesen Mustern aber nicht hilflos ausgeliefert. Jeder Mensch hat die Möglichkeit, aufgrund seiner persönlichen Entscheidungen seine angeborene Energie in die Richtung zu lenken, die er sich wünscht.
Ob Ihre Energie zu- oder abnimmt, hängt von ganz alltäglichen Faktoren ab, wie z. B. der Art, wie Sie denken, was Sie essen und trinken, wie Sie atmen, ob und wie Sie Ihren Körper bewegen und pflegen, wie Sie mit Ihren Gefühlen umgehen, ob und wie Sie Ihre Bedürfnisse befriedigen. Jedes dieser Elemente formt Ihren Geist, prägt Ihre Gedanken, beeinflusst Ihre Gefühle und zeigt sich in Ihren Handlungen, die Ihr Energiemuster aufrechterhalten.
Ganz allgemein formuliert, können wir zwischenfolgenden vier Energiemustern unterscheiden:
1. Muster:WENIG ENERGIE
Sie fühlen sich matt und ausgelaugt. Vielleicht sind Sie körperlich leicht angeschlagen oder bereits krank. Sie sind allgemein anfällig für Erkältungen und lassen im Normalfall keine Grippe aus. Nach einer Krankheit sind sie zwar schnell wieder fit und fühlen sich körperlich und geistig gut, aber dieser Zustand hält meist nicht sehr lange an. Sie haben schnell das Gefühl, erschöpft, müde, überfordert und deprimiert zu sein.
Dieses Bild wird als unstabiles und schwaches Energiemuster bezeichnet.
2. Muster:NORMALE ENERGIE
Sie werden Ihren täglichen Anforderungen gerecht. Sie fühlen sich nicht krank, sind aber zwischendurch empfindlich, reizbar, nervös und etwas müde. Manchmal müssen Sie sich zu einer Sache motivieren. Im Grundsatz läuft aber alles rund, es geht Ihnen gut, und alles fühlt sich normal an.
Dieses Bild gilt als gewöhnliches, herkömmliches Energiemuster.
3. Muster:VIEL ENERGIE
Sie sind fit und fühlen sich den Herausforderungen des Lebens gewachsen. Sie werden nur selten krank und Ihre körperliche und geistige Regenerationsfähigkeit ist sehr gut. Ihre Grundstimmung ist ausgeglichen. Sie sind stressresistent, haben einen tiefen Schlaf und einen guten Appetit. Ihre Ausstrahlung wird von den Mitmenschen als positiv und dynamisch bezeichnet.
Dieses Bild zeigt ein gutes und harmonisches Energiemuster.
4. Muster:HÖCHSTE ENERGIE
Sie sind körperlich und geistig ausgeglichen. Ihre Handlungen stehen mit Ihrem Denken und Fühlen in Einklang. Sie besitzen die Fähigkeit, Dinge nach Ihren Wünschen und in Übereinstimmung mit Ihrem wahren Selbst zu beeinflussen. Ihre Anwesenheit wird von Ihren Mitmenschen als Bereicherung und Ihre Ausstrahlung als anziehend empfunden. Ihre wahre Natur zeigt sich in jedem Gedanken, in jedem Wort und mit jeder Tat, die in Harmonie mit dem gesamten Universum steht.
Dieses Bild charakterisiert ein optimales und starkes Energiemuster.
Ihr Energiemuster lässt sich verändern. Ihre Gedanken, Ihre Gefühle und Ihre Handlungen beeinflussen die Qualität und die Quantität Ihrer Energie fortlaufend. Sie entscheiden tagtäglich darüber, ob Sie Ihre Energie stärken oder schwächen. Meist geschieht das aber unbewusst. Sowohl die positiven als auch die negativen Gewohnheitsenergien erfüllen ihren Dienst ganz ohne Ihr bewusstes Zutun.
24 Stunden im Herz-Geist des Zen zu leben bedeutet, dass Sie:
Ihr persönliches Energiemuster feststellen,
Ihre Gewohnheitsenergien erkennen,
Ihre Handlungen (gemäß Ihren Erkenntnissen) bewusst beeinflussen.
Alles beginnt und endet mit unserer Energie. Unser Energiemuster bestimmt, ob wir glücklich, zufrieden und gesund sind oder ob wir uns depressiv, krank und überfordert fühlen.
Die Lehre des Zen ist sich der Wechselwirkung zwischen Körper und Geist bewusst. Jeder Anhänger des Zen strebt deshalb einen ausgeglichenen, zufriedenen und ruhigen Gemütszustand an und achtet auf einen beweglichen, entspannten, starken und gesunden Körper.
Eine Schnecke sagte zum Zen-Meister:
»Ich möchte den Fujiyama,den höchsten Berg in Japan, besteigen.Hast du einen Rat für mich?«
Der Meister antwortete:»Geh, Schnecke. Aber geh langsam!«
Lang anhaltender Energiemangel oder permanente Energieblockaden führen früher oder später unweigerlich zu physischen oder psychischen Problemen und Erkrankungen. Wenn Sie körperlich und geistig vollkommen gesund sein wollen, müssen Sie nicht nur darauf achten, dass Ihre Energie fließt, sondern auch darauf, dass Ihre Energie an Stärke zunimmt.
Im Zen werden Symptome weder unterdrückt noch behandelt. Ziel ist es, der Ursache, der Wurzel auf den Grund zu gehen. Krankheit zeigt sich demnach nicht nur bei den ersten Anzeichen einer Grippe. Unruhe, Gereiztheit, Ungeduld, Lustlosigkeit, Erschöpfung, Unzufriedenheit, Verspannungen, Verstopfung, Kopf- und Rückenschmerzen usw. sind bereits deutliche Anzeichen dafür, dass der Energiefluss gestört ist.
Die nachfolgenden Kapitel bieten Ihnen die Möglichkeit, sich mit den verschiedenen Aspekten auseinanderzusetzen, die Ihre Energie und somit Ihre Persönlichkeit und Ihr Leben beeinflussen. Sie werden schnell erfahren, dass Zen ein Erkenntnisweg ist und eine äußerst praktische und authentische Lebensweise pflegt.
Die Lehre des Zen bietet Ihnen keine Patentlösungen an. Der Zen-Weg bereitet Sie aber darauf vor, dass Sie alle Antworten in sich selbst finden können!
Die heilende Kraft der Achtsamkeit
Achtsamkeitist das Geheimniseines glücklichenLebens.
Achtsamkeit ist der Schlüsselbegriff in der Zen-Lehre. Wenn Sie Achtsamkeit praktizieren, dann können Sie bewusst Einfluss auf Ihr Denken, Fühlen und Handeln nehmen. Das bedeutet, dass Sie durch die Praxis der Achtsamkeit Ihr Energiefeld reinigen. Sie lösen sich damit aus den negativen, unheilsamen Wiederholungen, die Ihr Energiemuster schwächen und beeinflussen. Im Gegenzug stärken Sie die positiven, heilsamen Eigenschaften und Gewohnheitsmuster.
Im besten Fall hält eine neutrale Energie Einzug, die Sie von den Überlagerungen durch Ereignisse aus der Vergangenheit und deren Wirkungen befreit. Man spricht in diesem Zusammenhang auch vom energetischen Prozess des Loslassens, der die Achtsamkeit in Gang zu setzen vermag. Bewusstheit und klare Wahrnehmung treten an die Stelle von Unbewusstheit, emotionalen Entscheidungen und der Vernebelung des Geistes.
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