Im Angesicht des Todes - und jetzt? - Sandy Taikyu Kuhn Shimu - E-Book

Im Angesicht des Todes - und jetzt? E-Book

Sandy Taikyu Kuhn Shimu

4,3

Beschreibung

Wir bereiten uns auf die Einschulung, die Fahrprüfung und den Berufsabschluss vor. Wir planen unseren Geburtstag, die Hochzeit und unseren Urlaub. Wir zerbrechen uns den Kopf darüber, welches Kleid wir bei der nächsten Party tragen werden. Wir sind gut organisiert, alles ist durchdacht, doppelt versichert und in unseren Terminplanern notiert. Doch sind wir auch so minuziös auf unsere Vergänglichkeit vorbereitet? Der Tod betrifft uns alle. Im Normalfall gehen wir aber davon aus, dass uns der Tod erst in ferner Zukunft einholt, und wir verdrängen gekonnt den Gedanken daran, dass wir grundsätzlich bereits in der nächsten Sekunde sterben könnten. Die Zen-Buddhistin, die auch als psychologischer Coach tätig ist, bietet jedem Leser ein praktisches Seminar, das ihn mit dem Leben, dem Sterben und dem Tod konfrontiert. Die praktischen Übungen, Anleitungen zur Reflexion und Meditation lassen ihn das Unvermeidliche in einer anderen Dimension wahrnehmen und erleben. Obwohl sich der Inhalt dieses Buches mit dem Vergänglichen beschäftigt, ist es in Wahrheit eine Hommage an das Leben.

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Im Angesicht des Todes– und jetzt?

Ein Übungsbuch zur Integration und Akzeptanz des Unvermeidlichen

Über die Autorin

Sandy Taikyu Kuhn Shimu ist Zen-Meisterin, Künstlerin und Autorin. Sie ist hauptberuflich als Lehrerin und Ausbilderin in den Bereichen Kung Fu, Yoga, Qi Gong und Zen und als Beraterin tätig. Sie entwickelte das WU LIN Prinzip sowie eine eigene Beratungsmethodik, das WU LIN Zen-Coaching. Sie ist Mitbegründerin der WU LIN Organisation und der WU LIN Zen-Linie. Sie legt großen Wert auf die Verbindung und die Anwendbarkeit der traditionellen Lehren in die Praxis und den modernen Alltag. Sandy Taikyu Kuhn Shimu findet ihre Erfüllung im Schreiben und im Unterricht ihrer Schülerinnen und Schüler im Inund Ausland.

Weitere Informationen zur Tätigkeit der Autorin finden Sie unter:

www.taikyu.ch | www.wulin.ch | www.wulintempel.ch | [email protected] | blog.taikyu.ch

Dieses Buch enthält Verweise zu Webseiten, auf deren Inhalte der Verlag keinen Einfluss hat. Für diese Inhalte wird seitens des Verlags keine Gewähr übernommen. Für die Inhalte der verlinkten Seiten ist stets der jeweilige Anbieter oder Betreiber der Seiten verantwortlich.

ISBN 978-3-8434-6073-6

Sandy Taikyu Kuhn Shimu:Umschlag: Murat Karaçay, Schirner,Im Angesicht des Todes – und jetzt?unter Verwendung von # 32426214Übungsbuch zur Integration und(foto76), www.fotolia.deAkzeptanz des UnvermeidlichenLektorat: Katja Hiller, SchirnerCopyright © 2012E-Book-Erstellung: HSB T&M, AltenmünsterSchirner Verlag, Darmstadt

www.schirner.com

1. E-Book-Auflage 2015

Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Funk, Fernsehen und sonstige Kommunikationsmittel, fotomechanische oder vertonte Wiedergabe sowie des auszugsweisen Nachdrucks vorbehalten

Inhalt

Über die Autorin

Vorwort

Einführung

Teil 1 – Leben

Wie die Zeit vergeht

Das Bewusstsein der Dringlichkeit

Das Wesentliche im Leben

Du bist, was du denkst

Altes überwinden, Neues erleben

Zusammenfassung von Teil 1

Teil 2 – Sterben und Tod

Du wirst sterben

Wie willst du sterben?

Wie wünschst du dir deine Bestattung?

Sei immer bereit für den Tod

Wiedergeburt

Zusammenfassung von Teil 2

Teil 3 – Rituale im Umgang mit Sterben, Tod und Trauer

Warum Rituale so wichtig sind

Rituale, die beim Loslassen helfen

Rituale, die Kraft geben

Rituale, in denen du dem Tod begegnest

Teil 4 – Meditationen zum Vergeben, Heilen und Loslassen

Die Notwendigkeit von Vergeben, Heilen und Loslassen

Hintergrund der Herzmeditation – Vergebung

Die Praxis der Herzmeditation – Vergebung

Hintergrund der Lichtmeditation – Heilung

Die Praxis der Lichtmeditation – Heilung

Hintergrund der Flussmeditation – Loslassen

Die Praxis der Flussmeditation – Loslassen

Teil 5 – Fragen und Antworten

Warum Fragen so wichtig sind!

Interview mit Shokan Marcel Urech Osho, westlicher Zen-Lehrer und Mönch

Interview mit Sibilla und Jo Brombach, Gründer eines Hospizes

Interview mit Martin Zürcher, Bestatter

Interview mit Christian Scharpf, Pfarrer

Schlusswort

Begriffe im Zusammenhang mit Sterben und Tod

Literaturhinweise

Abbildungsverzeichnis

»Wenn ein buntes Blatt zu Boden fällt,

bedeutet dies nicht das Ende dieser Welt.

Nur ein kleiner Zyklus geht zu Ende,

mit ihm aber kommt auch die Wende.

Was einst verloren und ausgedient am Boden lag,

spendet Leben und Kraft an einem neuen Tag.

Dieses Gleichgewicht wird immer fortbestehen,

und lässt dich mit freudigen Augen in die Zukunft sehen.

Denn wo ein dunkles Ende nah in Sicht,

»Der Tod des Ego ist die Geburt unserer wahren Natur.«

Vorwort

»Es tut mir sehr leid, aber ich höre keinen Herzschlag mehr!« Mein Arzt sprach bedacht und mit ruhiger Stimme. Er drehte langsam den Computerbildschirm weg, legte das Ultraschallgerät beiseite, zog seine Handschuhe aus und blickte mir in die Augen. »Wie wollen wir vorgehen?«, fragte er mich.

Es war meine dritte Fehlgeburt. Ich kannte die besorgten Blicke meines Arztes. Ich wusste, wie viele Entscheidungen mein Mann und ich nun eigenverantwortlich zu treffen hatten. Auch die damit verbundenen Emotionen, die körperlichen Schmerzen und die Trauerverarbeitung waren mir nur zu gut vertraut. Und obwohl sich dieses Ereignis nun zum dritten Mal in Folge wiederholte, war ich überrascht, schockiert, traurig und wütend zugleich. Es ist schwierig, sich an den Tod zu gewöhnen!

Mein Interesse am Thema Sterben und Tod hat sich bereits in meiner frühen Jugend entwickelt. Ich fand den Gedanken, zu sterben und somit endlich zu sein, auf der einen Seite befremdend, beängstigend und abstoßend, auf der anderen Seite aber auch interessant, faszinierend, berührend und unfassbar. Denn durch die Beschäftigung und Auseinandersetzung mit dem Tod tauchten unwillkürlich Fragen auf, die das Leben ganz konkret betrafen: Wieso werde ich geboren, wenn ich später einmal sterben muss? Was war vor der Geburt? Was kommt nach dem Tod? Hat die Art, wie ich lebe, einen Einfluss auf die Art, wie ich sterbe? Ist mit dem Tod alles vorbei? Weshalb sterben Menschen einen frühen Tod, während andere sehr alt werden? Ist Sterben mit Schmerzen verbunden? Weshalb forschen Wissenschaftler nach dem ewigen Leben? Was bedeutet es, alt zu werden? Was ist der Sinn des Lebens?

Die direkte Konfrontation mit der eigenen Vergänglichkeit hilft mir, mehr Klarheit und Bewusstheit in mein Leben zu bringen. Sie wirft mich unweigerlich auf das Essenzielle zurück und hält mir unverblümt den Spiegel der Bedrohungen, Ängste, Hoffnungen, Erwartungen, Sehnsüchte und Wünsche vor mein ungeschütztes Selbst.

Seit der ersten Faszination für das Thema habe ich verschiedene Lehrgänge besucht, mich mit dem eigenen Sterben und dem Tod auseinandergesetzt und gelernt, Menschen in Trauer, Krankheit und im Sterben zu begleiten. Ich leite verschiedene Seminare zum Thema Leben und Sterben und lasse mich dabei vor allem durch die Inhalte und die Perspektive des Zen und durch meine ganz persönlichen Erfahrungen inspirieren und führen. Mich beeindrucken dabei die direkte Herangehensweise, die Reduktion auf das Wesentliche, die Einfachheit und die herzerfrischende Ehrlichkeit und Direktheit, mit der Zen dem Leben, dem Sterben und dem Tod begegnet.

Auch in meiner Tätigkeit als Kampfkunstlehrerin spielt der Begriff des Todes eine wichtige Rolle und zwar sowohl während des Unterrichts als auch im individuellen, persönlichen Training. Als Kampfkünstler verfügt man über das technische Potenzial und die körperlichen Fähigkeiten, um im Ernstfall, d.h. in einer Notsituation, jemanden zu verletzen oder ihm sogar das Leben zu nehmen. Andererseits weiß ich aus eigener Erfahrung und erworbenem Wissen um die Verletzlichkeit, die Zerbrechlichkeit und die Vergänglichkeit des eigenen Körpers.

Neben dem physischen Aspekt gilt es aber auch den psychischen und den spirituellen Zusammenhang zu berücksichtigen. Das Ausüben einer traditionellen Kampfkunst schult in erster Linie Achtsamkeit, Demut, Respekt und verlangt eine nicht zu unterschätzende Portion Mut, Ausdauer, Ehrlichkeit und Beherztheit im erbitterten Kampf gegen sich selbst. Ich bezeichne diesen inneren »Krieg« gegen das Ich, gegen das Ego und die Emotionen, als den weitaus schwierigeren Kampf als den, den ich im Außen gegen einen physischen Kontrahenten führe. Das innere Gefecht fordert mich dazu auf, wahrzunehmen, anzunehmen und loszulassen. Der Tod des Ego ist die Geburt des natürlichen Selbst, unserer wahren Natur.

Die oben genannten Tugenden sind genau die Fähigkeiten, die die Akzeptanz der Vergänglichkeit, die Integration von Schmerzen, den Umgang mit einer Krankheit oder den Prozess des Sterbens positiv beeinflussen können. Unter anderem aus diesem Grund bieten mein Mann und ich regelmäßig Meditation und Achtsamkeitspraxis für unsere Kampfkunstschülerinnen und Kampfkunstschüler an. Phasen der Besinnung und der Ruhe sind gerade auch in unserem Kampfkunstunterricht ein wesentlicher Bestandteil. Kampfkunst ohne geistige Schulung ist wie ein Vogel, der nur einen Flügel hat: Er wird nie richtig fliegen können. Ein Mensch, der den Tod nicht in sein Leben integrieren kann, verneint das Leben: Er wird nie wahrhaft leben können.

Mein Zen-Lehrer hielt mich in größter Trauer dazu an, mich auf mein Kissen zu setzen und zu meditieren. »Setze dich hin, richte deine Wirbelsäule auf, schließe deine Augen, bewege dich nicht, und stelle dich deinen Emotionen!«, forderte er mich auf. Und ich tat, wie er mir es geraten hatte, und saß ...

»Vor deinem geistigen Abgrund hast du Angst zu fallen.

Springe, und du merkst, dass es nichts gibt, was du auffangen kannst. Vor deinem Tod hast du Angst, alles zu verlieren. Lasse los, und du merkst, dass es nichts gibt, was sterben kann.«

Ein junger, aufgeweckter Zen-Schüler zerbrach versehentlich die wertvolle Teeschale seines Meisters. Der Schüler wusste, dass sein Lehrer täglich seinen Tee aus dieser einzigartigen und kostbaren Schale genoss. Traurig, beschämt und verzweifelt hielt er die einzelnen Stücke der zerbrochenen Schale hinter seinem Rücken verborgen, als der alte Meister das Teehaus betrat. »Großer Meister«, fragte der junge Schüler, »warum müssen die Menschen sterben?« Der Lehrer antwortete: »Mein Junge, das ist ganz natürlich. Alles unterliegt der Vergänglichkeit und muss sterben. Es lebt eben gerade so lange.« Da hielt der Schüler die zerbrochene Teeschale vor das Gesicht des Meisters und fügte erleichtert hinzu: »Meister, es war für eure Teeschale an der Zeit zu sterben!«

Die Zeit heilt alle Wunden, wenn wir gelernt haben, mit dem Schmerz schöpferisch umzugehen, und die Narben, die zurückbleiben, als Zeichen der Erfahrung und des geistigen Wachstums zu verstehen und sie in die eigene Persönlichkeit und in das Leben integrieren können. Solange wir leben, wird Schmerz ein Bestandteil unserer Biografie sein. Wir müssen lernen, mit unseren Gefühlen, Emotionen und Empfindungen zu leben. Die persönliche Erfahrung von Leid hingegen kann überwunden und bewältigt werden, denn Leiden ist eine geistige Zutat, die wir einem Erlebnis, einem Geschehen und den damit verbundenen Emotionen hinzufügen.

Leid äußerst sich zum Bespiel in den Fragen »Warum ich? Wieso jetzt? Wann hört das auf? Wie lange noch?« Die Erfahrung und die Bewältigung von Leid sind immer subjektiv und hängen von der Situation, dem Umstand und dem Menschen selbst ab, der Leid erfährt. Die Kunst des Loslassens nimmt im Zusammenhang mit dem Thema Vergänglichkeit, Sterben und Tod eine zentrale Stellung ein. Loslassen ist eine Haltung des Geistes und ein immerwährender Prozess. Loslassen schafft den Raum, den wir benötigen, um Abschied nehmen und im Fluss des Lebens treiben zu können.

»Schmerz, Trauer und Verlust mögen wohl

allgegenwärtig sein.

Doch nichts hat ewig Bestand.

Gib das Leiden auf, denn jedes Ding

hat seine Zeit und seinen Platz.

Wissend um die Vergänglichkeit aller Wesen,

kehrt Ruhe und Frieden in dein Herz.«

Möge Ihnen der Inhalt dieses Buches auf dem Weg zum Unvermeidlichen mehr Gelassenheit, Ruhe, innere Kraft und Selbstvertrauen schenken. Lassen Sie zu, dass Achtsamkeit, Mitgefühl und Freude Ihnen dabei helfen, das Leben Augenblick für Augenblick anzunehmen. Sie schaffen damit die Grundlage, dass nicht nur Ihr Leben, sondern auch das Leben aller Wesen an Liebe, Verständnis und Weisheit reicher wird. Ich freue mich, Sie ein Stück auf Ihrem Lebensweg begleiten zu dürfen, und danke Ihnen für Ihr Vertrauen.

Vollmond im September 2011

Sandy Taikyu Kuhn Shimu

»Die Art, wie wir leben, hat viel mit der Art zu tun, wie wir sterben.«

Einführung

Der Tod betrifft uns alle. Die Tatsache, dass jeder von uns eines Tages sterben wird, ist unumstößlich. Im Normalfall gehen wir aber davon aus, dass uns der Tod erst in ferner Zukunft einholt, und wir verdrängen gekonnt den Gedanken daran, dass wir grundsätzlich bereits in der nächsten Sekunde tot umfallen könnten. Mit einer sehr überzeugenden Vorstellung täuscht uns der menschliche Geist vor, dass es garantiert eine nächste Stunde, einen nächsten Morgen, ein nächstes Jahr, eine gesicherte Zukunft für uns und unsere Liebsten geben wird. Tief im Innersten hoffen wir sogar, dass der Kelch des Todes ganz an uns vorübergeht.

Und umso schockierter, verärgerter und überraschter sind wir dann, wenn wir hören, dass ein kleines Kind, eine junge Mutter oder ein Mann im mittleren Alter »viel zu früh« von uns gegangen ist. Wir schließen gedanklich einen Lebensvertrag mit fester Laufzeit ab. In dieses geistige Konzept beziehen wir auch unsere nächsten Mitmenschen ein, die Personen, die wir lieben, achten und brauchen.

Etwas leichter fällt es uns, einen geliebten Menschen im hohen Alter gehen zu lassen und das Sterben als Teil eines erfüllten und langen Lebens zu akzeptieren. Eine Lebensgarantie bleibt eine Illusion, ein Wunschdenken unseres ichbezogenen Geistes. Das Leben ist ein Geschenk und keine Vereinbarung oder ein Anrecht.

»Zeit ist hier und jetzt.

Keine Vergangenheit und keine Zukunft.

Kein Gestern, kein Morgen – nur im Heute, in der Gegenwart, lebe ich.

Den kleinen Tod sterbe ich jeden Tag.

Ich atme ein und atme aus.

Wie viele Atemzüge bleiben mir noch?«

Genau aus diesem Grund ist es wichtig, sich auf das vorzubereiten, was unumgänglich ist und was uns früher oder später alle betrifft – die eigene Sterblichkeit, unseren Tod.

Wir bereiten uns auf die Einschulung, die Fahrprüfung und den Berufsabschluss vor. Wir planen unseren Geburtstag, unseren Urlaub und unsere Hochzeit. Wir zerbrechen uns den Kopf darüber, welches Kleid wir bei der nächsten Party tragen werden, und stöbern in Zeitschriften, damit wir unsere Freunde beim nächsten Grillabend mit den neusten Häppchen beeindrucken können. Wir sind gut organisiert, alles ist durchdacht, doppelt abgesichert, in unseren Terminplanern und Smartphones notiert, elektronisch bestätigt und gespeichert.

Doch sind wir auch so minutiös auf unsere Vergänglichkeit, auf das Sterben und auf unseren Tod vorbereitet? Unser Verstand beschwichtigt uns hier erneut: Wie soll ich mich auf etwas vorbereiten, wenn ich den Zeitpunkt dieses Ereignisses gar nicht kenne?

Wir benötigen keine Einladung, keinen Termin, kein Datum – allein die Tatsache, dass wir sterben werden, sollte uns genügen, damit wir uns mit dem Tabuthema vertraut machen und uns mit den wichtigsten Angelegenheiten rund ums Sterben und den Tod auseinandersetzen. Und schon wieder ertönt eine innere Stimme, die trotzig erwidert: Was kümmert es mich, wenn ich tot bin?

Das ist natürlich eine legitime Frage. Die Antwort ist einfach: Wenn du es nicht für dich tust, dann tue es für deine Hinterbliebenen!

In erster Linie müssen wir wieder lernen, den Tod in unser Gedächtnis und unser Bewusstsein zu rufen. Die Taktik der Verdrängung ist keine langfristige und gesunde Lösung.

Zwei Freunde, die sich schon länger nicht mehr gesehen haben, treffen sich im Park. »Hallo, wie geht es dir?«, fragt der eine höflich. »Entsetzlich, meine Frau ist letzte Woche gestorben!«, erwidert der andere. »Wie furchtbar! Was hat sie den gehabt?«, erkundigt sich der Freund. »Eine kleine Boutique in der Altstadt, ein Cabrio, etwas Schmuck und ein paar tausend Euro auf der Bank«, antwortet der andere. »Nein, ich meine, was hat deiner Frau gefehlt?« hakt der Freund nach. »Ein Häuschen auf Ibiza und die Baugenehmigung, um das Geschäft zu erweitern.« – »Nein, das habe ich nicht damit gemeint. Warum ist deine Frau gestorben?« – »Aha! Sie hat im Keller Kartoffeln und Sauerkraut für das Mittagessen geholt und ist auf der Treppe ausgerutscht und hingefallen. Beim Aufprall hat sie sich den Kopf angestoßen und dabei das Genick gebrochen«, erzählte der Mann. »Das ist ja tragisch. Was hast du da gemacht?« – »Nudeln und Salat …«

Sehen Sie dieses Buch als praktisches Seminar an, das Sie mit dem Leben, dem Sterben und dem Tod konfrontiert. Sie erhalten interessante und wertvolle Informationen, die Sie zum Schmunzeln, aber auch zum Nachdenken anregen werden. Ich führe Ihnen vor Augen, dass es notwendig ist, sich auf das Unausweichliche vorzubereiten, und ich motiviere Sie dazu, Ihre Pläne in die Tat umzusetzen. Die praktischen Übungen und Anleitungen zur Reflektion und Meditation, die Geschichten und die philosophischen Gedanken lassen Sie das Gelesene in einer anderen Dimension wahrnehmen und erleben. Durch die Auseinandersetzung mit dem Tod wird sich die Qualität Ihres Lebens wandeln, und Veränderungen bedeuten, am Prozess des Lebens aktiv teilzunehmen.

»Leben strömt durch meine Adern, Gedanken formen meinen Geist.

Die Kraft der Liebe erfüllt mein Herz und lässt mich tief in meine Seele schauen.

Die Angst macht der Erkenntnis Platz.

Die Hoffnung weicht der Weisheit.

Die Welle der Ungewissheit bricht am Ufer der Transzendenz.«

Obwohl sich der Inhalt des Buches mit dem Vergänglichen beschäftigt und Sie mit dem Sterben und dem Tod konfrontiert, ist es in Wahrheit eine Ehrerbietung an das Leben im Allgemeinen und eine Hommage an Ihr Leben.

Teil 1 – Leben

»Es ist nicht so entscheidend, wie viel Zeit dir noch bleibt. Viel wichtiger ist es, was du aus deiner Zeit machst.«

Wie die Zeit vergeht

Haben Sie nicht auch manchmal das Gefühl, dass die Zeit immer schneller verrinnt? Als wir noch Kinder waren, verging die Zeit nur sehr langsam, und jetzt wo wir älter sind, eilt sie wie im Flug dahin. Unser Zeitempfinden ist also sehr subjektiv. Wenn unsere biologische, innere Uhr langsamer läuft, verfliegt die Zeit im Außen schneller. Zudem empfinden wir, dass die Zeit schneller vergeht, wenn wir viele Ereignisse erleben, die schnell hintereinander folgen. Alles, was zur täglichen Routine, zur Gewohnheit wird, hinterlässt dann fast keine Spuren mehr in unserer Wahrnehmung der Zeit.

Kinder hingegen, die alles neu erlernen müssen, die immer wieder anderen Reizen und Impulsen ausgesetzt werden, haben das Gefühl, dass die Zeit stillsteht. Das bedeutet: Wenn wir neue Erfahrungen machen, verlangsamt sich die Zeit in unserem Empfinden. Äußere Ereignisse wirken also direkt auf unsere innere Zeitwahrnehmung.

Wenn wir auf den Bus warten, erscheinen uns zehn Minuten als eine Ewigkeit. Verabschieden wir uns aber von unseren Liebsten, sind zehn Minuten viel zu kurz. In Stress- und Paniksituationen scheint die Zeit fast stillzustehen, und im Angesicht des Todes entwickeln die meisten Menschen das Gefühl, dass sich die Zeit ausdehnt. Zeit ist also eine Dimension des Erlebens und der Wahrnehmung und hängt von unserer jeweiligen inneren Stimmung und den äußeren Einflüssen ab.

Es ist also entscheidend, sich der Selbstverantwortung wieder bewusst zu werden, dass die Zeit das ist, was wir aus ihr machen. Zeit ist ein abstraktes Modell. Im Grundsatz existiert keine Zukunft, und es existiert keine Vergangenheit. Es gibt nur das Hier und Jetzt. Es existiert nur dieser Moment, die Gegenwart, und er bestimmt, was wir erleben und wie wir es erleben!

Vor dem Übungsraum in unserem Kampfkunstzentrum hängt an einer Wand ein hölzernes Brett, der Han. Zu Beginn jeder Meditationssitzung wird mit einem großen Holzschlegel in einem speziellen, vorgegebenen Takt auf das Brett geschlagen. In der Zen-Tradition wird damit die Zeit angekündigt, und die Schüler werden an die Vergänglichkeit aller Wesen und Dinge erinnert. Die Schläge sind stark und dringen tief in das Bewusstsein jedes Einzelnen ein. Gedankenverloren findet man sofort in die Gegenwart zurück und wird sich der Kostbarkeit jedes Augenblickes bewusst.

Der Han ist meist zusätzlich mit einer traditionellen Kalligrafie versehen, die unmissverständlich die Bedeutung von Leben und Tod zum Ausdruck bringt. So steht in unserer Meditationshalle auf einem kleinen gerahmten Schild direkt neben der Tür für jede Schülerin und jeden Schüler sichtbar in großen Buchstaben geschrieben:

»Leben und Tod sind die wichtigsten Angelegenheiten.

Die Vergänglichkeit zeigt sich plötzlich.

Achte sorgfältig Tag und Nacht auf dich.

Die Zeit wartet auf niemanden.«

»Es ist nicht wenig Zeit, die wir haben, sondern es ist viel Zeit, die wir nicht nutzen.« Das waren die treffenden Worte des römischen Philosophen Seneca. In der Zen-Praxis macht uns der Han auf die Flüchtigkeit und die Sterblichkeit unseres Lebens aufmerksam. »Dok, Dok, Dok« mit jedem Schlag verrinnt Zeit … wertvolle Lebenszeit, die nicht gespart, vor- oder nachgeholt werden kann. Der eindringliche Ton erinnert uns daran, dass sich das Leben im Hier und Jetzt abspielt und dass Gedanken an die Vergangenheit oder an die Zukunft weder tiefen Frieden noch anhaltendes Glück bringen können. Erfahrungen finden nur in der Gegenwart statt. Veränderungen können nur jetzt geschehen. Leben bedeutet sein. Hier sein! Ganz im Moment, im gegenwärtigen Augenblick.

Ein Schüler fragte seinen Zen-Lehrer: »Meister, wie spät ist es?« Der Lehrer antwortete: »Du meinst jetzt!?«

Ich mag diesen Dialog sehr und schätze die kurze und tiefsinnige Antwort des Zen-Meisters. Denn es ist immer JETZT. Wir können nirgendwo anders sein, als dort, wo wir gerade sind! Lassen Sie uns also die Zeit sinnvoll nutzen. Wie viel Zeit uns noch bleibt, weiß niemand. Prioritäten setzen, Verantwortung übernehmen, Entscheidungen treffen, etwas unternehmen, anstatt es zu unterlassen, hin- und nicht wegsehen, Ordnung schaffen, sich auf den Weg machen, leben … wenn nicht JETZT, wann dann? Wenn nicht SIE, wer dann?

Übung: Zeit ist Leben

Ersetzen Sie in den nachfolgenden Sätzen das Wort »Zeit« mit dem Wort »Leben«:

•Ich bin im Zeitdruck.

•Ich versuche gerade, Zeit zu gewinnen.

•Ich verschwende Zeit.

•Ich schlage Zeit tot.

•Ich finde nie den richtigen Zeitpunkt.

•Ich habe keine Zeit für dich.

•Ich erlaube mir keine Zeit für eine Pause.

•Ich habe nicht so viel Zeit mit dir verdient.

•Ich glaube, mir läuft die Zeit davon.

•Du stiehlst mir gerade meine Zeit.

•Ich habe eine Aufgabe, die viel Zeit in Anspruch nimmt.

•Ich habe viel Zeit verloren.

•Wie soll ich diese Zeit überbrücken?

•Das ist eine große Zeitspanne?

•Ich habe zu viel Zeit verschenkt.

•Zeit ist kostbar.

•Zeit lässt sich nicht bezahlen.

•Zeit ist leben.

»Das Leben befindet sich stets am Rande des Todes.

Diese Wahrheit zu erkennen, bedeutet, die Zeit zu schätzen, genauso so, wie sie ist.«

Fazit:

Normalerweise geht es bei dem Thema Zeit immer nur um größere Effektivität, besseren Nutzen, mehr Gewinn, genauere Kontrolle oder um mehr Arbeit. Wenn wir aber das Wort »Zeit« mit dem Begriff »Leben« ersetzen, offenbart sich uns eine ganz andere Dimension. Inhalt, Qualität und Sinn unseres Tuns erhalten plötzlich eine Tragweite, die uns über das geläufige, alltägliche Verständnis von Zeit hinausführt.

Überprüfen Sie bitte ab jetzt Ihre Ausdrucksweise im Alltag, und stellen Sie sich immer wieder die folgenden Fragen:

•Möchte ich so viel Zeit/Leben mit jemandem oder mit etwas verbringen?

•Möchte ich so wenig Zeit/Leben mit jemandem oder mit etwas verbringen?

•Möchte ich überhaupt Zeit/Leben mit jemandem oder mit etwas verbringen?

»Erkenne, dass wirklich jede Sekunde in deinem Leben zählt.«

Das Bewusstsein der Dringlichkeit

Es gibt Dinge in unserem Leben, die sollten wir nicht verschieben. Die Auseinandersetzung mit Veränderung und die Akzeptanz der Vergänglichkeit sind zwei Themen, die keinen Aufschub dulden. Je früher Sie sich mit diesen unausweichlichen Angelegenheiten beschäftigen, desto besser gelingt Ihnen der Umgang damit, wenn Sie oder einer Ihrer Liebsten davon betroffen sind.

Deshalb ist es von großer Bedeutung, dass Sie sich bereits in jungen Jahren über gewisse Lebensgesetze Klarheit verschaffen und die Bereitschaft dafür entwickeln, die Botschaft dieser Lebensmerkmale ganz bewusst in Ihren Alltag zu integrieren. Das bedeutet, dass Sie Ihr Denken, Fühlen und Handeln, Ihr ganzes Leben danach ausrichten.

Ich stelle Ihnen nun die fünf Gewissheiten und die drei Daseinsmerkmale vor. Die Beschäftigung mit diesen Lebensgesetzen hilft Ihnen, bewusster, gelassener und glücklicher zu leben. Sie werden erfahren und erkennen, dass die Umstände in Ihrem Leben nicht gegen Sie persönlich gerichtet sind, sondern dass sie das sind, was sie sind: unausweichliche Fakten, die uns alle betreffen!

Die fünf Gewissheiten

»Entwickle ein Bewusstsein der Dringlichkeit im Angesicht der Vergänglichkeit.«