Erzählung von Begebenheiten - Francis V. Woodhouse - E-Book

Erzählung von Begebenheiten E-Book

Francis V. Woodhouse

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Beschreibung

Francis V. Woodhouse war Ende des 19. Jahrhunderts Apostel der katholisch-apostolischen Gemeinden und einer der führenden Köpfe bei der Entstehung der Neuapostolischen Kirche. In diesem Werk behandelt er die Grundlagen und Bedeutung des apostolischen Amtes im Licht seiner Zeit.

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Erzählung von Begebenheiten

 

(welche die gegenwärtige Lage und die Aussichten der gesamten Kirche Christi betreffen)

 

F. V. WOODHOUSE

 

 

 

 

 

 

 

Erzählung von Begebenheiten, F. V. Woodhouse

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

86450 Altenmünster, Loschberg 9

Deutschland

 

ISBN: 9783849680327

 

Textquelle: "Edition Albury - Sammlung Peter Sgotzai des Netzwerks Apostolische Geschichte e.V.", bei der wir uns sehr für die freundliche Genehmigung der Nutzung des Textes bedanken.

 

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

 

 

INHALT:

VORWORT.. 1

ERSTER TEIL.. 2

EINLEITUNG.. 2

ERSTES KAPITEL. ZUNGENREDEN UND WEISSAGEN.. 6

ZWEITES KAPITEL ORDINATIONEN UND DIE AUFRICHTUNG EINER GEMEINDE17

DRITTES KAPITEL AUSSONDERUNG DER APOSTEL. 35

VIERTES KAPITEL. DAS ZEUGNIS  UND TEILUNG DER STÄMME51

FÜNFTES KAPITEL DAS VIERFACHE AMT.. 61

SECHSTES KAPITEL. LITURGIE UND GEWÄNDER.. 81

SIEBENTES KAPITEL. DER ZUSTAND DER GEMEINDEN... 92

ACHTES KAPITEL SCHLUSS. 102

NACHSCHRIFT.. 106

ZWEITER TEIL.. 107

ERSTES KAPITEL. DIE KRISIS. 107

ZWEITES KAPITEL. DIE APOSTOLISCHE HANDAUFLEGUNG... 114

DRITTES KAPITEL. HEILIGE HANDLUNGEN,  GEBRÄUCHE UND SINNBILDER122

NACHSCHRIFT.. 132

VORWORT

Mehr als fünfzig Jahre sind verflossen, seitdem das unter dem Namen der „Apostolischen Gemeinden“ bekannte Werk seine bestimmte Gestalt empfing, vornehmlich durch die Aufrichtung der Sieben Gemeinden in London und die Aussonderung der Zwölf Apostel, welche letztere unter Handauflegung der Engel jener Gemeinden am 14. Juli 1835 erfolgte.

Fast alle Augenzeugen und Teilnehmer dieser Ereignisse sind unterdessen entschlafen. Die jetzige Generation hat von dem Ursprung und Fortgange des Werkes während der jenen Hauptaktionen vorausgegangenen und nächstfolgenden Zeit nur geringe Kenntnis. Ein Bericht, welchen der Verfasser der vorliegenden Schrift, ein Mitarbeiter bei dem Werke von Anbeginn, seinerzeit geliefert hatte, ist seit Jahren gänzlich vergriffen.

Indem er denselben, mit unwesentlichen Veränderungen, jetzt nochmals auflegen lässt (Erster Teil) und eine Fortsetzung bis auf unsere Tage (Zweiter Teil) hinzufügt, kommt er oftmals geäußerten Wünschen entgegen, in der Überzeugung, das Büchlein werde mit Interesse und Nutzen gelesen werden. Wie sollten auch die Jüngeren nicht Freude und Erbauung schöpfen aus einem gewissen Berichte der Dinge, die unter uns geschehen sind, und aus dem Glauben und Werke derjenigen, in deren Arbeit sie eingetreten sind! Der Verfasser aber ist vielleicht der einzige, der heute noch eine solche Erzählung geben und für ihre durchgängige Genauigkeit und Wahrheit persönlich einstehen kann.

Albury, im Februar 1885.

Francis Valentine Woodhouse

ERSTER TEIL

EINLEITUNG

„Sehet zu, dass nicht über euch komme, das in den Propheten gesagt ist: Sehet, ihr Verächter, und verwundert euch und werdet zunichte; denn Ich tue ein Werk zu euren Zeiten, welches ihr nicht glauben werdet, so es euch jemand erzählen wird.“ (Ap. Gesch. 13, 40-41

Eine alle Einzelheiten umfassende Erzählung von der Wiederbelebung des Apostolischen Amtes unter uns zu geben, erscheint geradezu unmöglich. Viele Vorkommnisse, an sich höchst bedeutungsvoll und wirkungskräftig, bewegten sich zunächst doch nur in der innersten persönlichen Erfahrung der Männer, zu denen Gott gleichsam von Angesicht zu Angesicht nahte und redete, auf eine im wesentlichen unaussprechliche Weise. Viele Erkenntnisse erschlossen sich ganz insgeheim denen, die der HERR, ihnen selber noch unbewusst, von Mutterleibe an für Seinen Dienst ausgesondert hatte. Wenn alles erzählt ist, was Sache eines geschichtlichen Berichts sein kann, bleibt eigentlich doch noch alles zu erzählen.

Nichtsdestoweniger ist der Versuch berechtigt, das Verständnis der Dinge, die unter uns stets geglaubt werden, durch eine Darstellung zu fördern, wie sie eben von einem Augenzeugen geliefert und von einem gläubigen Ohr aufgenommen werden kann.

Hierzu möchte es aber dienlich sein, zuvörderst einen Blick auf die kirchlichen Zustände im Anfang des 19. Jahrhunderts zu werfen.

Die französische Revolution hatte nicht Frankreich allein, sondern ganz Europa bewegt. Ihre neuen Grundsätze verbreiteten sich alsbald über die zivilisierte Welt und bewirkten eine allmähliche Umgestaltung von ganz Europa, die noch immer nicht abgeschlossen ist. Die Herrschaft Napoleons, durch welche anfänglich nur die älteste europäische Dynastie von der Sukzession in Frankreich ausgeschlossen zu werden schien, zeigte im Verlaufe, wie ein selbsterwählter Despot überall in der Christenheit die von den Vätern überlieferten Verfassungen umstürzen, neue Staaten bilden und über die Kronen der Völker durch seine Winke verfügen könne.

Solche Ereignisse traten doch zu gewaltig, zu unerwartet, zu erschrecklich auf, um bloß als weltgeschichtliche Kleinigkeit, als zufällige Veränderungen zu gelten. Alle tiefer und richtig Urteilenden erkannten darin den Anfang der letzten Gerichte Gottes, die Anzeichen des herannahenden Endes. Die biblische Bildersprache ward hier einmal gemeinverständlich: das Wanken und Stürzen der festesten öffentlichen Ordnungen zeigte sich wirklich wie ein „Erdbeben“, als jene „Erschütterung des Beweglichen, auf dass da bleibe das Unbewegliche“ (Hebr. 12, 26-27).

Die furchtbaren Ereignisse hatten daher sofort auch geistlich segensreiche Folgen. Ernste Männer in allen christlichen Landen erwogen die geistliche Bedeutung der Zustände. Durch Forschen in der Schrift und Beobachten der Zeichen der Zeit erwuchs ihnen die Überzeugung, dass der überall in der Heiligen Schrift angekündigte „Tag des HERRN“ vorhanden sei. Sowohl dieser Ausdruck als die ähnlichen von der

„Zukunft des Menschensohnes und der Welt Ende“ erschlossen sich dem Nachdenken, je länger je mehr in ihrem wahren Gehalte. Zugleich, und infolge gleicher Antriebe, ergab sich, selbst bei den weniger geistlich Gesinnten, eine größere sittliche Strenge, eine höhere Würdigung der Lehren, Übungen und Segnungen der Kirche und aller göttlichen Ordnungen.

Im Übrigen nahm diese Erweckung unter verschiedenen Menschen und Umständen auch verschiedene Formen und Wege an. In England kennzeichnete sie sich besonders dadurch, dass nicht wenige Geistliche anhoben, die Zukunft des HERRN eifrig zu predigen, nicht bloß als eine zuverlässige Lehre, sondern als ein zu ersehnendes Ziel und eine lebendige Erwartung. Ferner bildeten sich dort Vereinigungen erleuchteter Männer, Geistlicher und Laien, mit dem besonderen Zwecke, die prophetischen Teile der Schrift zu studieren und dabei den Aufschlüssen nachzugehen, welche die französische Revolution gebracht zu haben schien. Endlich entzündete sich dort in gar manchen Gemütern eine bestimmtere Erwartung, noch die Erneuerung jener Gaben und Offenbarungen des Heiligen Geistes zu erleben, welche das Unterpfand unseres himmlischen Erbteils, der Beweis der lebendigen Christenhoffnung und das Panier sind, das der HERR ja aufrichten wollte, wenn der Widersacher hervorbrechen werde wie ein Strom, die Völker zu überschwemmen mit der Flut der Gottlosigkeit (Jes. 59, 19).

Unter denen, welche damals in dieser Richtung größeres Aufsehen erregten, war namentlich Edward Irving, Prediger an einer Schottengemeinde in London. Seine Bezeugung der tiefsten Glaubenswahrheiten ward oft wenig verstanden, und noch öfter unverständig angegriffen. Dennoch erregte seine gewaltige Predigt die allgemeine Aufmerksamkeit, da er inmitten von London vor den Ohren der Angesehensten des Landes Staatsmänner und Gelehrte, Reiche und Vornehme die unter seiner Kanzel saßen, mit allem Ernste, mit einer anscheinlichen Inspiration, die göttlichen Urteile über Babylon und die Nähe des Tages des HERRN verkündigte. Zum höchsten aber stieg die Aufregung, als Reden in Zungen und Weissagungen in seiner Gemeinde hervortraten. Das Ende war, dass er mit seiner Herde (deren Kommunikantenzahl die der größten Parochien der Hauptstadt übertraf) aus dem vormals nur für ihn errichteten Kirchengebäude vertrieben wurde. Und da kein Diener irgendeiner Konfession ihm und den Seinigen eine gastliche Unterkunft gewährte, waren sie kirchlich heimatlos gemacht und buchstäblich auf die Straßen der großen Stadt geworfen.

Das nun folgende Predigen auf den Straßen und freien Plätzen musste, nach allem Früheren, diese Leute in ein öffentliches Geschrei bringen, wie es wohl über wenige Menschen jemals ergangen, doch auch dazu angetan war, ihr Zeugnis weithin vernehmlich zu machen.

Dagegen erlosch das öffentliche Interesse an der Sache fast plötzlich, als im Jahre 1834 Irving starb, mit dessen Namen und Eigentümlichkeiten man die ganze Bewegung einmal verknüpft hatte. Und wahrend die Zahl der Gemeindeglieder und derer, die mit Zungen redeten und weissagten, allerorten sich mehrte, ja wahrend die eifrige Predigt von Gottes Wirken weit und breit in England und Schottland, Irland und Amerika fortgesetzt ward, beharrte die Meinung des religiösen Publikums nun darauf, die Sache sei völlig zu Ende!

Wie irrig diese Annahme war, wird sich aus der folgenden Darstellung von selbst ergeben. Sie wird jedermann, der es wissen und erwägen will, zunächst doch die Tatsachen aufweisen. Ihre wahre Bedeutung, ihr ganzer Gehalt und Wert wird freilich erst in jener Zukunft, da alles Geheime an den Tag kommen und alles Verborgene offenbar werden wird, das angemessene Verständnis finden.

Unterdessen wird die Ankündigung der Wiedererweckung des Apostolischen Amtes in Männern unserer Zeit und Art, die eben mit ihrer ganzen Denkungsund Lebensweise auf dem Boden der heutigen, so hoch ausgebildeten Zustände stehen und all den Beschränkungen unterworfen sind, welche unsere komplizierten Staats-, Kirchenund Gesellschaftsformen der freien Entfaltung der Charaktere auferlegen immerhin eine ernste Aufmerksamkeit erregen müssen. Schon die Neugierde der Menschen wird sich auf eine so unerhörte Erscheinung richten, gleichviel wie sie im übrigen gestimmt seien: entschieden abweisend als gegen etwas, das ihnen von vornherein als eine Unmöglichkeit erscheint; oder wundernd, was die neue Größe eigentlich sei und wolle; oder auch geneigt zur gläubigen Hinnahme der Botschaft. Denn es gibt doch noch Christen, die sagen können: „Gott gebe, dass es wahr sei! Fürwahr, nur Apostel des HERRN könnten uns erretten aus all den Zweifeln und Befürchtungen, den Streitigkeiten und Spaltungen, aus der allgemeinen Zersetzung und Unheilbarkeit unseres Kirchenwesens!“

Sind die Männer, welche ein solches Amt ansprechen, wirklich solche, auf die man mit dem gebührlichen Respekt blicken könnte? Haben sie Beweise und Bürgschaften ihres Anspruchs vorzulegen? Sind ihrer unbestimmt viele, die sich etwa zufällig zusammengefunden haben, oder handeln sie von vornherein nach einem bestimmten Plan? Sind sie ganz plötzlich aufgetaucht oder, ähnlich wie Paulus, längere Zeit für ihren Beruf vorbereitet worden? Welche Ansprüche für sich selbst machen sie, oder lassen sie von anderen erheben? Woher kommen sie? Aus welcher Schule? Aus welcher Kirche? Oder zu welcher Kirche gehören sie? Das sind die Fragen, die sich bei der Kunde von neuen Aposteln sofort zu erheben pflegen. Wir werden diese Fragen zu beantworten suchen, soweit es durch eine kurze und wahrhaftige Erzählung der Begebenheiten der letzten 15 Jahre geschehen kann, die die Geschichte des wiedererweckten Apostolates umfasst.

 

 

ERSTES KAPITEL. ZUNGENREDEN UND WEISSAGEN

 

„Da Petrus noch diese Worte redete, fiel der Heilige Geist auf alle, die dem Worte zuhörten. Und die Gläubigen aus der Beschneidung, die mit Petrus gekommen waren, entsetzten sich, dass auch auf die Heiden die Gabe des Heiligen Geistes ausgegossen ward. Denn sie hörten sie mit Zungen reden und Gott hoch preisen.“ (Ap. Gesch. 10, 44-46)

In einem Schriftstück aus dem Jahre 1837, welches „an die Patriarchen, Erzbischöfe, Bischöfe und die anderen Vorsteher der Kirche Christi in allen Landen und an die Kaiser, Könige, Fürsten und anderen Regenten über die getauften Nationen“ gerichtet und von zwölf Männern ausgegangen ist, die sich als Apostel bekennen, berufen vom Heiligen Geiste, ausgesondert von ihrem Geburtslande für den Dienst Christi in allen Landen, um im Auftrag des Einen großen Hauptes der Kirche der Christenheit ihre Sünden zu zeigen und den Weg des HERRN zu bereiten ward erklärt: „Bereits hat der HERR begonnen, Sein Heiligtum wieder zu bauen.“

Es geschah im Jahre 1830, dass eine Anzahl von Gliedern der Schottischen Kirche, die auf eine allgemeine Erweckung in der Kirche Christi zu warten gelernt hatten und nach der Wiederbelebung der Geistesgaben zur Erquickung der ermatteten Kinder Gottes sich sehnten, außerordentliche geistliche Heimsuchungen erfuhren. Indem sie dem inneren Antriebe des Geistes sich hingaben, machte sich die Stimme des Trösters auf eine ganz unerwartete Weise durch sie hörbar mit jenen „stammelnden Lippen und anderen Zungen“ (Jesaja 28,11), an welchen abermals die geistliche Trunkenheit und der Verstandesdünkel der Zeitgenossen zuschanden werden sollte, während die Einfältigen und kindlich Gesinnten „die Entwöhnten von der Milch und die von Brüsten ab gesetzt sind“ aus dem Zungenreden und Weissagen wahrhaftige Ruhe und Erquickung sogen. Einige Mitglieder der Englischen Kirche in London, welche von gleichem Glauben erfüllt waren, empfingen die gleiche Antwort von Gott; auch ihnen gab der Heilige Geist, mit Zungen zu reden und zu weissagen.

Die meisten dieser ersten Werkzeuge des HERRN fanden sich bald in einer für ihre geistlichen Umstände doppelt gefährlichen Vereinsamung: ausgestoßen oder günstigenfalles sich selbst überlassen von ihren bisherigen Seelenhirten, welche ihre geistlichen Äußerungen nicht anerkennen wollten. Die Londoner indes gewannen Schutz und Freiheit bei dem Prediger der dortigen Schottischen Nationalgemeinde, E. Irving, der das Verderben der Christenheit und die Nähe der Zukunft des HERRN bereits seit Jahren auf seiner Kanzel und mit seinen Schriften bezeugt hatte.

Die Lehren aber, für welche Irving stritt und litt, wegen deren er von der gesamten Geistlichkeit seines Heimatlandes verketzert wurde, waren keine anderen als diese: dass Christus für alle Menschen gestorben ist; dass Er unsere gemeinsame Menschennatur angenommen hat, unterworfen allen Folgen und Strafen der Sünde; dass der HERR selbst jedoch persönlich heilig, frei von aller Erbund Tatsünde war; dass die Wiedergeborenen in einem Zustand der Heiligkeit und Reinheit erhoben sind, in dem sie durch Gottes Gnade fortan beharren sollten; auch, dass die Gaben des Heiligen Geistes eine Ausstattung der Kirche sind, welche als des Geistes Erstlinge und das Unterpfand der zukünftigen Herrlichkeit sich in den Wiedergeborenen kundtun müssten; ferner, dass die Christenheit verderbt und in den Charakter des apokalyptischen Babel verfallen ist; endlich, dass der HERR nahe ist, die Abgefallenen zu richten und die zu retten, welche sich zu Ihm bekehren wollen.

Erregte schon die Behauptung dieser Lehren an sich gewaltigen Widerstand, so wurde der Zorn und Hohn, die Feindschaft und Bitterkeit grenzenlos, seitdem das „Reden mit andern Zungen“, „das Zeichen den Ungläubigen“ (1. Kor. 14, 21-22) in ihrer Begleitung auftrat. Man sah einmal nur allzudeutlich, wie wenig Gottes Wege nach dem Sinne der Menschen waren; wie sehr die göttliche Torheit der menschlichen Weisheit widerwärtig und verächtlich erschien! In der Tat, die Äußerung des Geistes Gottes in den Einfältigen und kindlich Gesinnten hatte wenig Gleiche mit der geistlichen Trunkenheit, in welcher die bei der Welt hoch angesehenen Geister stolz einherfuhren. Von der unbeschreiblichen Aufregung, welche sich damals erhob und in allen Zeitungen und unzähligen Flugschriften äußerte, kann man sich heutzutage kaum noch eine Vorstellung machen.

Inzwischen entwickelte sich in Irvings Gemeinde die Gabe der Weissagung immer kräftiger, und die Erfahrung und Erkenntnis über ihren rechten Gebrauch ward reicher und gewisser. In den öffentlichen Gottesdiensten wie in den häuslichen Versammlungen der Gläubigen ergossen sich Ströme prophetischen Lichtes über die vorgelesenen Bibelstellen. Alle heiligen Schriften, besonders aber jene Teile, die bisher nur tote Buchstaben gewesen waren, wurden zu lebendigen Worten. Wie eine Leuchte an einem dunklen Orte scheint, so fiel das feste prophetische Wort auf die Weissagung der Schrift (2. Petri 1, 19). Der Geist gab Seine eigene lebendige Auslegung zum geschriebenen Worte der Wahrheit: Gesetz und Zeugnis waren in eines verbunden. (Vgl. Jesaja 8)

Gewiss ist die Gabe der Weissagung zugleich das begehrenswerteste und das verbreiteste Stück unter den mancherlei herrlichen Kleinodien, welche die Braut Christi schmücken sollten. Es stehet ja geschrieben: „Ihr möget alle nacheinander weissagen, auf dass alle lernen und alle getröstet werden“; und wiederum: „Fleißiget euch der geistlichen Gaben, am meisten aber, dass ihr weissagen möget“; denn „wer da weissagt, der erbaut die Gemeinde“ (1. Kor. 14, 31. 1.4). Doch fanden sich auch damals sogleich Erscheinungen ein, wie sie schon in der Gemeinde zu Korinth bei einem überreichen Zufluss der Geistesgaben sich gezeigt hatten eine weitgehende Freiheit und ein großer Mangel an Ordnung. Natürlich genug unter so ungewöhnlichen Umständen! Eine aus ganz verschiedenen Kirchenparteien ausgegangene Menge findet sich zusammen an der einzigen Stätte, die ihnen noch etwas von kirchlichem Obdach darbot: wer könnte erwarten, dass keine Unordnungen unter ihnen vorfallen sollten! Um so deutlicher zeigte sich im weiteren Verfolg aber das Wirken Dessen, der Ordnung aus dem Chaos hervorbrachte. Der Gott der Ordnung gedachte in Gnaden, welchen Gefahren sowohl die gebrechlichen Gefäße Seines Geistes selber, als auch die Hörer und Richter ihrer Äußerungen ausgesetzt waren.

Böse Geister, welche die Stimme des Trösters nachäfften, wurden manchmal sofort entdeckt; manchmal aber gelang es ihnen auch, die Vorsichtigsten eine Zeitlang zu täuschen und bei den Schwachen Angst und Schrecken, bei allen Zweifel und Besorgnis zu erregen. Der Missbrauch der Geistesgaben, die Bekehrung des himmlischen Gutes, die Unreinheit der Gefäße, der fleischliche Sinn derjenigen, die mit unbeschnittenen Ohren zuhörten das alles wirkte zusammen, um die Prüfungen, Unordnungen und Ängste der kleinen Herde zu steigern. Waren sie doch den Anläufen des Teufels, der boshaften Verfolgung der Selbstgerechten, dem Hohn und Gelächter der Weltkinder, und manchmal auch der Gewalttätigkeit der Gottlosen ausgesetzt!

Dagegen erwies sich ihnen auch das stets mächtiger rauschende Wort der Weissagung als ein Lichtund Lebensstrom, der immer wieder neue Klarheit und frische Kraft im Worte der Wahrheit darreichte. An einzelne wurden in kleinen Privatversammlungen Worte der Tröstung, der Unterweisung und Züchtigung gerichtet, die ihnen im tiefsten Gewissen von der Gegenwart Dessen Zeugnis gaben, der ebenso wohl der Herzenskündiger und Offenbarer aller Geheimnisse, wie der liebevoll besorgte Hirte und Tröster ist. Durch Kinder und Mägde wurden Warnungen und Mahnungen geäußert, vor denen sich der Geist der Kühnsten und Gelehrtesten niederwerfen musste, als in der Gegenwart des lebendigen Gottes. Angefochtene und beladene Gemüter empfingen Verheißungen und Ermutigungen, dass sie vor Freuden hüpfen konnten. Nicht wenige wurden und vorzugsweise durch Weissager, deren Gabe zu vollerem Gehalt und Umfange gediehen war mit der Ankündigung von hohen und heiligen Berufen angeredet, zu denen sie bestimmt seien, wobei manchmal das Amt, das der Herr ihnen zugedacht, deutlich bezeichnet, manchmal auch nur die Absicht Gottes vorläufig angekündigt ward, bis die bestimmte Amtsberufung erfolgen sollte.

Unter den so Angeredeten waren viele jüngere Männer, die aus dem Drange ihres Herzens und angefeuert durch prophetische Ermahnungen, mit Irvings Genehmigung auf die Straßen und Plätze von London hinausgingen und kühnen Mutes den Fall Babels und die nahe Zukunft des HERRN verkündigten sowie Gottes unendliche Liebe und Erbarmung gegen alle, die sich von ihren Sünden bekehren und den Namen des HERRN anrufen wurden. Ihr Zeugnis war keineswegs wirkungslos: die Zahl derer, die andächtig hörten und glaubten, nahm täglich zu. Und ihre Freudigkeit wuchs selbst gegenüber dem bittersten Widerstand aller Art. Ihrer manche mussten mit Schmerzen erleben, wie Eltern und Kinder, nächste Verwandte und beste Freunde sich von ihnen lossagten, einträgliche Stellungen ihnen genommen und alle Aussichten in dieser Welt verschlossen wurden. Aber das Beispiel derer, die durch solche Trübsale von den ewigen Armen hindurch getragen waren, stärkte die anderen, deren Prüfungsstunde noch währte. Denn in der einen oder anderen Weise ist doch jeder, der sich der verachteten Sekte, der überall widersprochen wird (Ap.-Gesch. 28, 22), anschloss, so geführt worden, dass er auf alles verzichten musste, was er in dieser Welt teuer geachtet hatte.

Bei alledem und das kann nicht genug betont werden betrachteten sich diejenigen, welche zu den geistlichen Gaben sich bekannten und sammelten, von Anfang an und niemals als eine besondere Sekte. Sie wollten einfach das lebendige Wort des Geistes vernehmen und den vollkommenen Weg des HERRN lernen, damit aber keineswegs von den Kirchen sich trennen, in welchen sie zum lebendigen Glauben wiedergeboren, in die Gemeinschaft der Heiligen aufgenommen, zu Gliedern Christi und zu Erben der künftigen Herrlichkeit gemacht worden waren. Zumal jene Glieder der Englischen Kirche, darunter ordinierte Priester derselben, welche an die Äußerungen des Geistes Gottes durch Zungenreden und Weissagen glaubten, waren durchaus festgegründet in ihrer Erkenntnis der Ordnungen des Hauses Gottes und dachten nicht daran, die Gemeinschaft, in der sie bis dahin genährt und gesegnet worden waren, mit irgendeiner anderen zu vertauschen. Dennoch gestattete der Herr nicht lange, dass die, welche Seiner Stimme horchen und folgen wollten, unter den anerkannten Parteien der Christenheit eine Stelle hätten. Der einzige Diener einer christlichen Kirche nämlich, der die Äußerungen des Geistes in seiner Gemeinde anerkannt und gestattet und die Werkzeuge unter seine pfarrliche Fürsorge genommen und beschützt hatte Irving -, wurde dafür alsbald selber hinausgestoßen! Die Bauverwalter (trustees) des Kirchgebäudes, das eigens für ihn durch Subskription errichtet worden war, führten und gewannen einen geistlichen Prozess gegen ihn, wonach er von seiner Stelle entsetzt ward, weil jene übernatürlichen Vorkommnisse durch die Symbolschriften der Schottischen Kirche nicht autorisiert seien! Er musste mit dem Teil der Gemeinde, der seinem Glauben folgte, und mit vielen Gleichgesinnten (die nur Besucher, nicht eigentlich Gemeindeglieder in seiner Kirche waren), weil sich ihnen eben keine andere Kirchentür öffnete, eine Unterkunft nehmen in den Hütten der Gottlosen. Der Liberalität eines sozialistischen Vereins war es zu verdanken, dass man in einem zur Verbreitung ihrer Grundsätze gemieteten Saale sich so lange versammeln durfte, bis nach einigen Monaten ein für den Gottesdienst geeignetes Lokal gefunden war.

Wie ferne diesen Gläubigen jede sektiererische Gesinnung lag, zeigt sich auch darin, dass die zur Gemeinschaft neu Hinzutretenden in der Regel erst an ihre bisherigen Seelsorger gewiesen wurden. Ihnen sollten sie ihren Glauben und dessen Gründe vorlegen und von ihnen Gottes Leitung suchen, ob sie sich nach Pflicht und Gewissen dort anzuschließen hätten oder nicht. Außer diesen gab es ja viele, die wie Schafe ohne Hirten, ohne alle kirchliche Gemeinschaft dahingelebt hatten und keinen Seelsorger anzugeben wussten; und nicht wenigere, die zuerst durch die Stimme des Trösters aus völliger geistlicher Verkommenheit und ungöttlichem Wesen erweckt worden waren. Immerhin hielt man als Regel fest, dass jeder, der wirklich einen Seelsorger hatte, diesen ehren und befragen und sich seiner bisherigen Gemeinschaft nicht heimlich entziehen sollte.

Hier war weder die Theorie noch die Praxis der Sekten; hier gab es keine Normen, Glaubensbekenntnisse oder Artikel anzunehmen oder zu unterschreiben: Leute aus allen Konfessionen fanden sich zusammen in dem Glauben, dass der HERR in diesen letzten Tagen die Gaben Seines Geistes erneuert habe, zunächst mit Zungenreden und Weissagen, wie am Anfang.

Nur blieb das Zeugnis, das Gott den Gewissen und oft auch den Sinnen der Gläubigen gab, nicht auf jene Formen der Äußerung beschränkt. Es gab auch viele wunderbare Gebetserhörungen, augenblickliche und sinnfällige Heilungen sowohl von lange dauernden Krankheiten und unheilbarem Siechtum wie von schweren Unfällen und plötzlichen Zufällen, besonders solchen, die anscheinlich unmittelbar von Gottes Hand herrührten und als Heimsuchungen einzelner Personen oder der ganzen Gemeinde angesehen werden durften. Es gab Fälle von satanischer Besessenheit, in denen sofortige Befreiung gewirkt wurde. Es gab zahllose Antworten auf unausgesprochene Gedanken und Fragen der Herzen, wodurch der schwache Glaube der Leute gestärkt und ihre wankende Zuversicht befestigt ward. Und über alles ward eine innige Liebe und Gemeinschaft in den Gläubigen bewirkt, so dass sich vielen das Wort erfüllte: „Niemand verlasset Haus oder Eltern oder Brüder oder Weib oder Kinder um des Reiches Gottes willen, der es nicht vielfältig wieder empfange in dieser Zeit, und in der zukünftigen Welt das ewige Leben.“ (Luk. 18, 29)

Während nun durch die Arbeit derjenigen, die draußen verkündigten, was sie gesehen und gehört, die Zahl der Gläubigen fortwährend zunahm, widmeten sich andere der Aufgabe, dieselben in kleinen Scharen in ihre Häuser zu versammeln, sie weiter zu unterrichten und ihnen auch eine seelsorgerische Anleitung zu geben, wie sie selber für den HERRN zeugen müssten, nicht nur mit ihrem Glauben an des HERRN Wirken, sondern auch mit einem einfältigen, heiligen Wandel vor Gott und allen Menschen. Dieses freiwillige Predigen und Lehren war bei manchen eine vorläufige Erweisung der Amtsgnade, die sie nachmals empfangen sollten. Ihre Gaben wurden dadurch erprobt und auf den vollkommenen Weg Gottes vorbereitet.

Aber an sich genommen, war es keineswegs der kirchlichen Ordnung gemäß. Und es ist nicht zu leugnen, dass dabei oft genug mehr Eifer als Verständnis und allerlei Mängel und Schwachheiten sich zeigten. Durch die ungezügelten Weherufe über Babylon wurde mancher treugesinnte nüchterne Christ, der wie Nathanael fragen mochte: „Was kann aus Nazareth Gutes kommen?“ tief verletzt. Junge Leute, brünstig in der ersten Liebe, setzten alle anderen Rücksichten und Pflichten, Familienbande und Ansprüche an ihre Herzen beiseite, um mit missverstandenem Eifer nur Gott anzugehören und zu dienen! Irrtümer konnten nicht fehlen in den Vorträgen solcher, die, selbst noch unbelehrt namentlich nicht erzogen in den Schulen, welche die Weisheit und Frömmigkeit unserer Vorfahren zur Heranbildung von Dienern Gottes gestiftet hat -, sich daran wagten, andern die Lehren der Wahrheit und die Grundsätze der Gerechtigkeit darzulegen. Aus alledem musste freilich viel und oftmals nur zu begründetAnstoß und Ärgernis, Tadel und böse Nachrede erwachsen. Die Unsrigen hatten noch sehr zu lernen, wie viel darauf ankomme, die Sünden zu strafen im Geiste der Demut, Wahrheit zu reden in der Liebe, und in allen Stücken die Lehre Gottes unseres Heilandes zu zieren mit Wort und Werk (Tit. 2,10).

Aber was war zu machen? Der Heilige Geist wollte wirken; die Stimme des Trösters ließ sich hören! Sein Wort erscholl inmitten der Kirche, aber die Kirche verwarf es; inmitten der Wächter, aber die Wächter achteten nicht der Posaune und warnten nicht das Volk (Hesek. 33, 3 usw.); es kam inmitten des Volkes, und das Volk verspottete es und machte sich nichts daraus. So nahm denn Gott, wen Er finden konnte, wer sich von Ihm gebrauchen lassen wollte. Und diese erzog Er sich auch allmählich zu Seinem Dienste. Trotz aller jener Unordnungen und Missgriffe der Menschen gelang es dem Gotte der Ordnung, selbst mit so unzulänglichen Mitteln, Sein Werk zu fördern. Aus jenen unwürdigen Werkzeugen bildete Er sich Propheten, Evangelisten, Hirten und Lehrer heran, und mit ihnen die anderen, deren Stellungen am Leibe, wenn auch nicht so hervorragend, doch nicht weniger nötig sind, so dass Er nach Verlauf von etwa drei Jahren einen weiteren Schritt tun, eine neue Ordnung aufrichten und dem Werke der Herstellung Seiner Kirche Sein eigenes Siegel und Datum aufprägen konnte.

Gerade dreihundert Jahre nach der Reformation, deren Führer Luther war, und nach der Spaltung in der Kirche Christi, deren absichtsloses Werkzeug er war, dreihundert Jahre nach dem entscheidenden Reichstag zu Augsburg, nach Ablauf dieses Zeitmaßes, das Luther selbst in einer prophetischen Ahnung für die Fortdauer seines Werkes angenommen hatte goss der HERR wiederum Seinen Geist aus über Knechte und Mägde und erhob durch den Mund Seiner Propheten den Warnungsruf: „Siehe, der Bräutigam kommt; gehet aus Ihm entgegen!“ Denn das waren die ersten Worte, welche der Heilige Geist in Menschenzunge durch einen äußerte, der nun in dem HERRN ruht und auf den Schall der Posaune wartet, durch welchen der Heilige Geist zuerst in Zungen und Weissagungen sprechen konnte.

Was waren denn auch, um ganz offen zu reden, die Erfolge der Reformation des 16. Jahrhunderts gewesen? Statt Erneuerung Zertrennung! Und nach dreihundert Jahren stand die Kirche, schlimmer als zuvor, auf der einen Seite in einer kalten, herzlosen, nur formellen Einheit, ebenso selbstselig wie verfolgungssüchtig; auf der anderen in ewigem Zank, Streit und Neid, in immer frischen Spaltungen, ohne bestimmte Gestalt, ohne gewisse Lehre, ohne durchgreifende Grundsätze christlicher Offenbarung kurz ohne alles und jedes.

Und wie tief verschieden war schon dem Ursprung nach die Reformation des sechzehnten Jahrhunderts und das Werk Gottes im neunzehnten! Dort das Aufeinanderplatzen der Menschengeister; die Gewaltigen der Welt, die Helden der Erdengröße an Geist und Bildung, an Macht und Einfluss kämpften um die Oberhand in der ganzen Christenheit. Hier redeten, in einem abgelegenen Winkel von Britannien, Weiber und Kinder mit „stammelnden Lippen und anderen Zungen“. Dort folgte eine Bluttaufe; hier eine Geistestaufe! Bei der einen wurde die ganze Welt erschüttert und brachen alle wilden Leidenschaften los, die in dem ungereinigten Menschenherzen lauern; bei der anderen wirkte still und sanft die himmlische Hoffnung, die Hoffnung auf das Kommen des Menschensohnes in Seiner Herrlichkeit, welche die Menschen trieb, sich selber zu reinigen, gleichwie Er rein ist, und die Brüder zu derselben Hoffnung einzuladen!