Erziehung vor Verdun - Arnold Zweig - E-Book

Erziehung vor Verdun E-Book

Arnold Zweig

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Beschreibung

Der Erste Weltkrieg war in Zweigs literarischem Schaffen der zwanziger Jahre stets präsent. Die Kernzone der quälenden Erinnerung bildete die Schlacht um Verdun.

1927, nach dem erfolgreichen Roman "Der Streit um den Sergeanten Grischa", kündigte Zweig ein Buch mit dem Titel "Erziehung vor Verdun" und mit dem Protagonisten Bertin an. Die Grundidee war, den Schriftsteller Bertin eine tiefgreifende "Erziehung" durchmachen zu lassen. Um ihn herum schuf Zweig eine Reihe starker Figuren und dramatischer Begebenheiten, die die weitverzweigte Handlung und die Fülle der Episoden verflechten und vorantreiben.

Noch in den dreißiger Jahren wurde der Roman in acht Sprachen übersetzt. Lesern in Deutschland, für die das Buch hauptsächlich gedacht war, blieb es bis nach dem Zweiten Weltkrieg vorenthalten. 

"Ein großartiges Buch, großartig auch in der Fabel, die genau die richtige Dosis von Spannung und Detektivhaftem enthält, die eine gute und tragfähige Fabel haben muß." Lion Feuchtwanger.

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Seitenzahl: 858

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Arnold Zweig

Erziehung vor Verdun

Roman

Impressum

Textgrundlage:

Arnold Zweig. Berliner Ausgabe.

Herausgegeben von der Humboldt-Universität zu Berlin und der Akademie der Künste, Berlin.

Romane/5. Aufbau-Verlag, Berlin 2001.

Die Ausgabe folgt der Erstausgabe von 1935.

Mit Anmerkungen und einem Nachwort von Eva Kaufmann

ISBN 978-3-8412-0443-1

Aufbau Digital,

veröffentlicht im Aufbau Verlag, Berlin, April 2012

© Aufbau Verlag GmbH & Co. KG, Berlin

Bei Aufbau erstmals 1949 erschienen; Aufbau ist eine Marke der Aufbau Verlag GmbH & Co. KG

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jegliche Vervielfältigung undVerwertung ist nur mit Zustimmung des Verlages zulässig. Das gilt insbesondere für Übersetzungen, die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen sowie für das öffentliche Zugänglichmachen z.B. über dasInternet.

Umschlaggestaltung Torsten Lemme

Konvertierung Koch, Neff & Volckmar GmbH,

KN digital - die digitale Verlagsauslieferung, Stuttgart

www.aufbau-verlag.de

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Innentitel

Inhaltsübersicht

Informationen zum Buch

Informationen zum Autor

Impressum

Inhaltsübersicht

Erstes Buch: In den Wäldern

1. Kapitel: Abdrehung eines Wasserhahns

2. Kapitel: Appell

3. Kapitel: Das Glimmende

4. Kapitel: Christoph Kroysing

5. Kapitel: Manchmal geht’s schnell

6. Kapitel: Nach Billy

7. Kapitel: Der Ältere

Zweites Buch: Der Widerstand

1. Kapitel: Ein Knotenpunkt

2. Kapitel: Oderint, dum metuant

3. Kapitel: Die Erfordernisse des Dienstes

Drittes Buch: Im hohlen Berg

1. Kapitel: Die Wildschweinschlucht

2. Kapitel: Stimme aus dem Grabe

3. Kapitel: Hauptmann Niggl

4. Kapitel: Generalprobe

5. Kapitel: Unter Nachbarn

6. Kapitel: Abgejagte Beute

Viertes Buch: Am Rande der Menschheit

1. Kapitel: Tiefenwirkung

2. Kapitel: Der kleine Süßmann

3. Kapitel: Pater Lochner

4. Kapitel: Zwei Untergebene

5. Kapitel: »... unterschreiben wird.«

6. Kapitel: Ein Zettel kommt zurück

7. Kapitel: Das Geschenk

Fünftes Buch: Im Nebel

1. Kapitel: Oktober

2. Kapitel: Durchbruch

Sechstes Buch: Abnutzung

1. Kapitel: Was der Jude sich einbildet

2. Kapitel: Signale

3. Kapitel: »Schreiben!«

4. Kapitel: Der Anruf

5. Kapitel: Professor Mertens sagt ab

Siebentes Buch: Die große Kälte

1. Kapitel: Der Pelikan

2. Kapitel: Wenn die Götter streiten

3. Kapitel: Der Kaufpreis

4. Kapitel: Wintergang

Achtes Buch: Knapp vor Toresschluß

1. Kapitel: Die selige Insel

2. Kapitel: Das leidende Fleisch

3. Kapitel: Der Mann und das Recht

4. Kapitel: Schwester Kläre

5. Kapitel: Gegenvorschlag

6. Kapitel: Nachtlektüre

7. Kapitel: Die Kroysingnovelle

8. Kapitel: Der Hilfeschrei

9. Kapitel: Alles in Butter

10. Kapitel: Ein Menschenfeind

11. Kapitel: Es wird Frühling

12. Kapitel: Post

Neuntes Buch: Feuer vom Himmel

1. Kapitel: Hilfestellung

2. Kapitel: Der Mensch

3. Kapitel: Das Brot des Hungrigen

4. Kapitel: Der Ziegel fällt vom Dach

5. Kapitel: Die Überlebenden

6. Kapitel: Die Erbschaft

7. Kapitel: Die Schraubenlinie

8. Kapitel: Abgesang

Nachbemerkung

Anhang

Anmerkungen

Entstehung und Wirkung

Erkenne deine Lage,

Erkenne deine Feinde,

Erkenne dich selbst.

Den Opfern

Erstes Buch

In den Wäldern

Erstes Kapitel

Abdrehung eines Wasserhahns

Die Erde ist eine gelbgrün gefleckte, blutgetränkte Scheibe, über die ein unerbittlich blauer Himmel gestülpt ist wie eine Mausefalle, damit die Menschheit den Plagen nicht entrinne, die ihre tierische Natur über sie verhängt.

Seit Mitte Mai stand die Schlacht. Jetzt, Mitte Juli, zerstampften die Geschütze noch immer die Senke zwischen dem Dorf Fleury und dem Fort Souville. Hin und her rollte dort eine Walze von Explosionen; Rauchschwaden, giftig zu atmen, Staubwolken, pulverisierte Erde und herumfliegende Brocken von Steinen und Mauerwerk verdunkelten die Luft. Legionen von Spitzkugeln durchpfiffen sie, große und kleine Stahlsplitter durchsiebten sie unermüdlich. Nachts flammte und gellte das Hinterland der Front vom Einschlag der Geschosse; tags fieberte die Bläue vom Schnattern der Maschinengewehre, vom Bersten der Handgranaten, vom Heulen und Winseln verlorener Menschen. Immer wieder verwehte dort der Sommerwind den Staub der Sturmangriffe, trocknete den Schweiß der Stürmenden, die mit starren Augen und Kiefern aus ihren Deckungen kletterten, entführte höhnisch das Stöhnen der Verwundeten, den letzten Atem der Sterbenden. Seit Ende Februar greifen hier die Deutschen an. Zwar ist der Krieg zwischen den Europäern, der seit zwei Jahren wütet, im Südosten des Erdteils entstanden; dennoch trägt Frankreich, sein Volk, sein Land und sein Heer die Hauptlast der Verwüstung; und obwohl gerade jetzt auch in der Bukowina erbittert gefochten wird, an den Flüssen Etsch und Isonzo, schlägt man sich doch am wildesten an den Ufern der beiden französischen Flüsse Somme und Maas. Und die Schlacht rechts und links dieses letzteren Gewässers ging um den Besitz der Festung Verdun.

Ein Trupp gefangener Franzosen marschiert unter Bedeckung von bayrischen Infanteristen die Landstraße hin, die von dem ehemaligen Dorf Azannes nach einem noch vorhandenen Bahnhof, namens Moirey, führt. Schlecht marschiert es sich zwischen aufgepflanzten Bajonetten, schlecht in die Gefangenschaft eines Gegners, der bei seinem Einbruch in Belgien und Frankreich bewiesen hat, daß ihm Menschenleben billig erscheinen, eigene wie fremde. In Deutschland hungert man, das ist weltbekannt, in Deutschland schindet man die Gefangenen, kennt man keine Achtung vor den Gesetzen der Gesittung; so steht es in allen Zeitungen. Es ist schweinisch, zu denken, daß man gerade jetzt in die Hände der Deutschen fallen mußte, kurz vor Toresschluß, kurz, bevor sie den Schwindel hier abblasen müssen, weil es ihnen an der Somme den Atem verschlägt vor der Wucht des französisch-englischen Angriffs. Zwar ist man dem Höllenofen mit heilen Gliedern entkommen, und wenn man sich vernünftig benimmt, wird man ja wohl die paar Monate Gefangenschaft noch aushalten; dennoch bleibt es zum Kotzen, wie eine Viehherde abgeführt zu werden. Man hat die Schluchten, die ehemaligen Wälder hinter sich, die aus lauter zerhackten Trichterfeldern bestehen; hinter sich die Maashöhen, den Abstieg nach Azannes; hier ist schon heiles Land, sozusagen, rechts unten fließt ein Bach, steigen die Höhen auf, die runden grünen Kuppen der lothringischen Landschaft. Wenn es wenigstens zur Tränke ginge! Hitze, Staub und Schweiß plagen die vierzig, fünfzig marschierenden Viererrotten in den blaugrauen Waffenröcken, Stahlhelmen oder zweizipfeligen Kappen.

Links an der Straße, man biegt um eine Ecke, winken zwei große Tröge, in die je ein Strahl klaren Wassers fällt. Dort waschen deutsche Armierungssoldaten ihre Kochgeschirre. Die Franzosen heben die Köpfe, straffen sich, beschleunigen den Schritt. Die bayrischen Wachtmannschaften wissen auch, was Durst heißt, und werden ihnen Zeit lassen, zu trinken oder die Feldflaschen zu füllen. Schließlich sind die Mannschaften beider Heere einander erbitterte Feinde nur während der Kämpfe; und außerdem hat sich bei den Franzosen längst herumgesprochen, daß Armierer unbewaffnete Arbeitssoldaten sind, jüngerer und älterer Landsturm, harmlose Leute.

Ein weitläufiges Barackenlager, schwarz gegen den blauen Himmel, überhöht die stäubende Straße; Treppen führen von ihm hinab. Immer mehr Schipper laufen herzu, das Schauspiel lockt sie, außerdem ist Mittagspause. Nun, je mehr Hände, desto schneller wird man getränkt werden. Im Augenblick umlagert ein blaugrauer Klumpen von durstigen Männern die Tröge, braune Gesichter, alle bärtig, recken sich hoch, Dutzende von Armen strecken sich aus, Becher und Kochgeschirre, ja die Gesichter werden in die Flut getaucht, die durchsichtig, mit leisen Kringeln auf dem Grund der Tröge spielt. Ach, wie das französische Wasser wohltut und gut schmeckt, wenn man es zum letzten Mal auf lange durch die ausgedörrte Gurgel schickt. Die Schipper verstehen auch gleich. Hilfreich entwickeln sie sich mit gefüllten Kochgeschirren längs des Zuges, friedlich klappert das deutsche Aluminium oder Blech an das französische, umrahmt das weiße oder hellgraue Drillichzeug die dunklen Tuchröcke.

»Schickts euch«, ruft der zugführende Unteroffizier, »macht voran!« Dieser Aufenthalt ist nicht eingerechnet; aber er meint es nicht sehr ernst. Niemand hat es eilig, zu seiner Truppe vorn zurückzukommen, wenn diese Truppe nahe am Douaumont Bereitschaftsstellungen besetzt hält. Langsam lösen sich die Gesättigten vom Brunnen ab, trocknen ihre triefenden Bärte, ordnen sich in der Mitte der Straße. Ihre Augen glänzen heller. Zwei Jahre Krieg haben in den Deutschen und Franzosen an den Fronten eine gewisse Achtung und sogar Sympathie herausgebildet. Nur im Hinterland, das in den Etappen beginnt, sind auf beiden Seiten eine Menge Leute bestrebt, Haß und Wut anzustacheln, damit die Kriegsmüdigkeit des Menschenmaterials nicht um sich greife.

Ein Armierungssoldat, den auf Backen und Kinn schwarzglänzender Bartwuchs weithin kenntlich macht, er heißt Bertin, sieht mit Vergnügen, wie einer seiner Unteroffiziere, Karde, der Buchhändler aus Leipzig, dem Bayern eine Zigarre anbietet, das Luntenfeuerzeug hinhält, ihn auf sächsisch ausfragt. Wasser schleppend drängt er sich durch den Schwarm, ruft zwei Kameraden namens Pahl und Lebehde ein paar Worte zu und trabt bis ans letzte Ende des Zuges, dorthin, wo die Leute vergeblich versuchen, ihre Vordermänner beiseitezuschieben. Wie abgetriebene braune Tiere, eine Herde fremdartiger und doch vertrauter Geschöpfe, recken sie ihre Hälse aus den aufgehakten Röcken, in kehligen Lauten schimpfend und bittend. Sie begrüßen mit dankbaren Augen die drei, die sich ihrer annehmen kommen.

»Mensch, mach Platz«, ruft Bertin, vom Brunnen wiederkehrend, in der einen Hand seinen Feldkessel, in der anderen den gefüllten Geschirrdeckel balancierend. Gefahr ist aufgetaucht: oben auf der Höhe, an den Baracken, stehen plötzlich Offiziere und beobachten, was vorgeht. Der dicke Oberst Stein klemmt eifrig den Scherben ins Auge, sein Bauch überwölbt die Reiterbeine; sein Adjutant, Oberleutnant Benndorf, flankiert ihn rechts, der Kompanieführer, Feldwebelleutnant Graßnick, links, und in achtungsvollem Abstand wirft Feldwebeldiensttuer Glinsky scheele Blicke auf das Treiben da unten. Entrüstet weist der Oberst mit seinem Reitstock auf die triefenden Gesichter, die sich im Wasserspiegel der Tröge gekühlt haben. Wie lange dauert das alles schon? Drei Minuten oder vier? Kein Nacheinander mißt all die Einzelheiten, die gleichzeitig abrollen.

»Schweinerei«, knurrt der Herr Oberst; »wer hat denn die hier trinken heißen? Mögen gefälligst anderswo ihre Schnauzen ins Wasser tunken.« Und, die Hand am Schnurrbart, kommandiert er hinunter: »Unteroffizier, weitergehen!«

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