Der Streit um den Sergeanten Grischa - Arnold Zweig - E-Book + Hörbuch

Der Streit um den Sergeanten Grischa E-Book

Arnold Zweig

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Beschreibung

»Das beste deutsche Kriegsbuch« Kurt Tucholsky.

Im März 1918 flieht der russische Kriegsgefangene Paprotkin aus einem Lager in Litauen. Er will nach Hause, ostwärts. Er will sein Kind sehen, das er noch nicht kennt. Als eine deutsche Streife ihn gefangennimmt, folgt er dem Rat der Partisanin Babka, die ihn liebt: Ahnungslos gibt er sich als der verstorbene Überläufer Bjuschew aus. Er wird der Spionage verdächtigt und zum Tode verurteilt. Von nun an wird Grischas Schicksal zum juristischen Fall, zu einer Frage der Kompetenzen.

"Die Geschichte Grischas hat die parabolische Ausdruckskraft einer Romanfabel, die man, ohne zu übertreiben, meisterhaft nennen darf. Dieser gutmütige Russe, der nicht einmal lesen kann, ist einer von den Millionen einfacher Menschen, die im Labyrinth des Krieges herumirren und von einer Last von Problemen erdrückt werden, die sie überhaupt nicht begreifen." Marcel Reich-Ranicki.


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Seitenzahl: 727

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Arnold Zweig

Der Streit um den Sergeanten Grischa

Roman

Impressum

Textgrundlage:Arnold Zweig. Berliner Ausgabe.Herausgegeben von der Humboldt-Universität zu Berlinund der Akademie der Künste, Berlin.Romane/2. Aufbau-Verlag, Berlin 2006.Die Ausgabe folgt der Erstausgabe von 1928

Mit einem Nachwort von Frank Hörnigk

ISBN 978-3-8412-0445-5

Aufbau Digital,veröffentlicht im Aufbau Verlag, Berlin, März 2012© Aufbau Verlag GmbH & Co. KG, BerlinBei Aufbau erstmals 1949 erschienen; Aufbau ist eine Marke der AufbauVerlag GmbH & Co. KG

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jegliche Vervielfältigung und Verwertung ist nur mit Zustimmung des Verlages zulässig. Das gilt insbesondere für Übersetzungen, die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen sowie für das öffentliche Zugänglichmachen z.B. über das Internet.

Umschlaggestaltung Torsten Lemme

Konvertierung Koch, Neff & Volckmar GmbH,KN digital - die digitale Verlagsauslieferung, Stuttgart

www.aufbau-verlag.de

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Innentitel

Inhaltsübersicht

Informationen zum Buch

Informationen zum Autor

Impressum

Inhaltsübersicht

Erstes Buch Babka

1. Kapitel Die Zange

2. Kapitel Ein Ausbrecher

3. Kapitel Der Waggon

4. Kapitel Der Wald

5. Kapitel Guter Rat

6. Kapitel Flußabwärts

7. Kapitel Das Gerücht

Zweites Buch Von Lychow, Exzellenz

1. Kapitel Merwinsk

2. Kapitel Das neue Gesetz

3. Kapitel Ein Rechtsanwalt

4. Kapitel Rückverwandlung

5. Kapitel Schön ist die Jugend

6. Kapitel Aus gutem Hause

7. Kapitel Bewegungen

Drittes Buch Schieffenzahn, Generalmajor

1. Kapitel Papiere allerlei

2. Kapitel Akten

3. Kapitel Bildnis eines Selbstherrschers

Viertes Buch Fülle der Zeit

1. Kapitel Alte Liebe

2. Kapitel Das Herrenfest

3. Kapitel Die Strippe

4. Kapitel Das Ziel

5. Kapitel Nicht ohne Schnaps

6. Kapitel Einiges hellt sich auf

7. Kapitel Urlaub fahren

Fünftes Buch »Vergeltung«

1. Kapitel Ein Sieg

2. Kapitel Eine Niederlage

3. Kapitel Schnee

4. Kapitel Neuigkeiten

Sechstes Buch Die Retter

1. Kapitel Babka rüstet

2. Kapitel Kriegsrat mit Musik

3. Kapitel Nach Canossa

4. Kapitel Gotteslehre, Menschenmut

5. Kapitel Ein Leutnant und ein Gefreiter

Letztes Buch Grischa allein

1. Kapitel Die Deuter

2. Kapitel Die Grableger

3. Kapitel Ein Letzter Wille

4. Kapitel Laurenz Pont

5. Kapitel Das schwarze Tier

6. Kapitel Auf dem Dienstweg

Letztes Kapitel Abgesang

Nachbemerkung

Nachwort

Zu dieser Ausgabe

Für die Frau Beatrice

Erstes Buch

Babka

Erstes Kapitel

Die Zange

Die Erde, Tellus, ein kleiner Planet, strudelt emsig durch den kohlschwarzen, atemlos eisigen Raum, der durchspült wird von Hunderten von Wellen, Schwingungen, Bewegungen eines Unbekannten, des Äthers, und die, wenn sie Festes treffen und Widerstand sie aufflammen läßt, Licht werden, Elektrizität, unbekannte Einflüsse, verderbliche oder segnende Wirkungen. Erde hat, umwallt von ihrer schweren, wolligen Lufthülle, auf ihrer elliptischen Bahn jene Phase hinter sich, die ihre Nordwestgefilde am weitesten vom Lebensquell der Sonne weghält; unaufhaltsam kreisend arbeitet sie sich in günstigere Stellung. Da prallen die Strahlen der großen Glut erregender in Europas Bereich; die Atmosphäre gerät in Gärungen, rasende Winde stürzen von den kalten Zonen überall zu den schon wärmeren Landgebilden, in denen es sich, gelockt von der Magie des wieder wachsenden Lichtes, zu regen beginnt, zu keimen. Die Welle des Lebens in den Nordländern steigt langsam an, in ihren Menschen vollziehen sich, wie Jahr für Jahr, befremdende Wandlungen.

Es steht ein Mann im dicken Schnee, unten am Fuße eines schwarz angekohlten Baumes, der spitzwinklig in gute Höhe ragt mitten im verbrannten Walde, schwarz auf vielfach zertretener Weiße. Der Mensch, gekleidet in viele Hüllen, versenkt die Hände in die Taschen der äußersten, blickt vor sich hin und denkt. »Butter,« denkt er, »anderthalb Pfund, und zweieinhalb Pfund Mehl von den Bauern, und ein gespartes Brot und die Erbsen. Ja, das wird’s tun. Dabei kann sie wieder eine Weile bestehen. Geb’s Fritzke mit, der morgen auf Urlaub fährt. Vielleicht tausch’ ich meinen Tabak gegen eine Büchse Schmalzersatz ein; wenn ich von der Löhnung eine Mark drauflege, rückt der Küchenbulle damit ’raus. Butter,« denkt er, »anderthalb Pfund«, und so breitet er den Inhalt eines Paketes, das er an seine Frau zu schicken plant, wieder in seinem langsamen, umständlichen Geiste aus, dies oder jenes in etwa noch entdeckte Lücken zu verstauen. Er möchte in dem grüblerischen Anfall seiner tiefen inneren Versenktheit gern die Füße aneinanderreiben, die ziemlich kalt sind, aber da sie in dicken Stiefeln stecken, umwickelt von Fußlappen und von dem unteren Teil der Hose, läßt er es sein. Seine Beine haften grämlich im hohen Schnee, nebeneinander wie die Hinterfüße eines Elefanten. Er hat einen eisengrauen Mantel an, mit sinnlosen roten Vierecken auf dem Kragen unterm Kinn und einem Streifen blauen Tuches mit einer Nummer auf jeder Schulter. Unter den Arm geklemmt steckt ihm, während er über Erbsen nachdenkt und Schmalz, ein langer schwerer Prügel, Holz gefügt an maschinenartig geformte Eisenteile, Gewehr genannt; damit vermag er geschickt gelenkte Sprengungen hervorzurufen, um andere Männer auf weite Entfernung hin zu töten oder zu verfehlen. Dieser Mann, die Ohren unter weichen schwarzen Klappen verborgen, im Munde eine kleine, zum Rauchen getrockneter Blätter eingerichtete Pfeife, deutscher Handwerker, hält sich unter diesem Baum des verbrannten Waldes nicht freiwillig auf. Seine Gedanken strömen ununterbrochen nach Westen, dorthin, wo in einigen würfeligen Räumen eines gemauerten Hauses Frau und Kind auf ihn warten. Er steht hier, sie hocken dort. Es drängt ihn heftig zu ihnen, aber da ist etwas zwischen sie geschaltet, unsichtbar, sehr mächtig: ein Befehl. Ihm ist befohlen, auf andere Menschen aufzupassen. Man schreibt Winter 1917, genauer: zweites Märzdrittel. Die Europäer sind in einen Krieg verwickelt, der sich schon einige Zeit auf ziemlich zähflüssige Weise abspielt. Mitten in einem Walde des Ostlandes hier, der den »Russen« genannten Weißen bis auf weiteres entrissen, grübelt dieser deutsche Soldat, der Landsturmgefreite Birkholz aus Eberswalde, und bewacht Gefangene, Krieger dieser Russen, welche nun für die Deutschen arbeiten müssen.

Gut siebzig Meter von ihm entfernt, auf den Schienen einer Eisenbahn, beladen sie große rotbraune und graugrüne Güterwagen mit zerschnittenen Hölzern. An jedem Wagen hantieren zwei Mann. Andere schleppen ihnen auf der Schulter ziemlich schwere, zweckmäßig bemessene Balken und Bretter zu, die wieder andere vor wenigen Tagen aus den erstorbenen Kiefern geschnitten haben, deren einst grün und braunrotes Meer von den Beilen und Sägen der gefangenen Menschen nach vielen Richtungen hin zerfressen worden ist. Viel weiter als Blicke sich zwischen Stämme drängen, Tageritte der Breite und Tiefe hin, ragt mit seinen schwarzen Säulen kraß gegen Schnee und Himmel ein Kadaver von Forst – zwanzigtausend Hektar. Die Brandbomben der Flieger und die Granaten der Feldgeschütze haben seinerzeit im Sommer ganz ausgezeichnet gearbeitet. Kiefern und Fichten, Birken und Buchen, einerlei: ausgebrannt, angesengt, von fern gedörrt oder totgequalmt – – hin sind sie, und nun dienen ihre Leichen. Noch riecht’s brandig aus den schorfigen Borken. Am letzten Wagen sprechen zwei Russen in ihrer Sprache von einer Zange.

»Es ist unmöglich«, zögert der schmälere von beiden, »wo werde ich sie dir geben? Zu solchen Dummheiten verhelfe ich dir nicht, Grischa.«

Der andere, zwei merkwürdig starke Augen von grauem Blau richtet er auf den Freund und lacht kurz. »Es ist, als hätt’ ich sie schon in der Tasche, Aljoscha.«

Dann legen sie wieder die gelblich weißen Pfosten, die dazu dienen werden, Unterstände – Menschenhöhlen – und Stollen zu stützen, nach einer bestimmten Ordnung in den Wagen, dessen vordere Wand heruntergeklappt hängt. Oben werkt dieser Grischa, verstaut die Ladung, unten Aljoscha und reicht ihm Mal um Mal die starkriechenden Bohlen hinauf. Sie sind etwas unter mannshoch, gut anderthalb Zoll dick, oben und unten mit einem Einschnitt versehen, einer Zarge; so kann man sie gut aneinanderfügen.

»Mir fehlt nichts weiter als die Zange«, beharrt Grischa.

Fünf oder sechs Gefangene in einer kurzen Reihe, jeder vier solcher Stützen auf der Schulter; sie schmeißen sie vor dem Wagen ab, das helldumpfe Klingen kalten Holzes prasselt auf, dann stehen sie alle sieben kurze Zeit nebeneinander. Sie reden nichts. Die Träger lassen ihre Arme hängen, betrachten den großen Haufen Holzes.

»Noch genug«, sagt Grischa, »geht, Kameraden, wärmt euch, es hat Zeit.«

»Gut, Grischa«, antwortet einer von ihnen, »wenn du so meinst, ist’s in Ordnung«, und sie nicken ihm zu. Drüben zwischen den Schienensträngen der beiden Bahnen, die sich an dieser Stelle treffen, einer schwachen Feldbahnspur und einem vollwertigen Hauptgeleise, brennt mächtig und duftend ein großes Feuer. Beständig sitzen und stehn an ihm auf hingelegten Schwellen, Klötzen, Brettern die bewachenden Mannschaften und die arbeitenden Russen mit ihren deutschen Vorarbeitern, Armierungssoldaten der Landsturmkompanie. Blecherne Kessel mit Kaffee werden an Stöcken in die Glut gehalten, der und jener röstet sich Brot auf einen frischen Ast gespießt an der Flamme. Mit knisternden Vorstößen, mit Fauchen und kleinen Knallen nährt sich das mächtige Element von den harzigen Zweigen.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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