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Manche Dinge lassen sich nicht ändern, und die, die sich ändern lassen, kann man nur mit einiger Energie angehen. Nossrat Peseschkian zeigt in diesem Buch, wie uns gelernte Verhaltensweisen oft ausbremsen: Verhaltensweisen, die durchaus hilfreich sind, wenn wir sie richtig einsetzen. Die aber einengen, wenn sie das Leben bestimmen. Peseschkian kennt die heilsame Kraft von Weisheitsgeschichten, die die Perspektive verändern und die mit einem heiteren Lachen den ersten Schritt zur Veränderung zeigen. Überraschend und pointiert zeigt dieses Buch: Schon ein erstes Lachen kann neue Perspektiven weisen.
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Seitenzahl: 170
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Nossrat Peseschkian
Es ist leicht,das Leben schwer zu nehmen.Aber schwer,es leicht zu nehmen
Geschichten und Lebensweisheiten
Titel der Originalausgabe: Es ist leicht, das Leben schwer zu nehmen. Aber schwer, es leicht zu nehmen
© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2018
Alle Rechte vorbehalten
www.herder.de
Umschlaggestaltung: Designbüro Gestaltungssaal
Umschlagmotiv: © TAW4/ shutterstock
E-Book-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig
ISBN (E-Book) 978-3-451-81312-2
ISBN (Buch) 978-3-451-03133-5
Inhalt
Es ist leicht, das Leben schwer zu nehmen. Aber schwer, es leicht zu nehmen
Was geschieht, wenn wir das Leben zu leicht oder zu schwer nehmen?
Welche Fähigkeiten entwickeln sich, wenn wir ausgeglichen sind und unsere Probleme positiv und konstruktiv aufarbeiten?
Einleitung – Zwei Seiten einer Medaille
Du weißt nicht, wie schwer die Last ist, die du nicht trägst
Wenn einem alles über den Kopf wächst
Was haben Magenbeschwerden mit Sparsamkeit zu tun? – Die Entstehung psychischer und psychosomatischer Krankheiten
Die Spielformen des Lebens – Aktualfähigkeiten und ihre Wirkung
Die Aktualfähigkeiten – was sie bedeuten
Die sekundären Aktualfähigkeiten
Pünktlichkeit – die Fähigkeit, mit Zeit sinnvoll umzugehen
Sauberkeit – die Fähigkeit, sich und seine Umwelt zu pflegen
Ordnung – die Fähigkeit, das Chaos zu organisieren
Gehorsam – die Fähigkeit, sich an fremde Sitten anzupassen
Höflichkeit – die Fähigkeit, die Beziehung zu anderen Menschen zu gestalten
Ehrlichkeit – die Fähigkeit, seine Meinung zu äußern
Treue – die Fähigkeit, sich vertrauenswürdig zu verhalten
Gerechtigkeit – die Fähigkeit abzuwägen
Leistung – die Fähigkeit, am Ball zu bleiben
Sparsamkeit – die Fähigkeit, mit eigenen und anderen Ressourcen umzugehen
Zuverlässigkeit – die Fähigkeit, sich auf sich selbst und andere verlassen zu können
Die primären Aktualfähigkeiten
Liebe – die Fähigkeit, zu sich und anderen liebenswürdig zu sein
Vorbild – die Fähigkeit, am Modell zu lernen oder selbst Modell zu sein
Geduld – die Fähigkeit, Menschen in ihrer eigenen Art anzunehmen
Zeit – die Fähigkeit, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft einzuordnen
Kontakt – die Fähigkeit, Beziehungen einzugehen und zu pflegen
Sexualität – die Fähigkeit, zwischen Sex, Sexualität und Liebe zu unterscheiden
Vertrauen – die Fähigkeit, sich geborgen zu fühlen und Geborgenheit zu geben
Hoffnung – die Fähigkeit, den Glauben an eine positive Zukunft nicht zu verlieren
Glaube, die Fähigkeit, auf eine unbekannte Dimension zu vertrauen
Zweifel – die Fähigkeit, den Glauben in Frage zu stellen
Gewissheit – die Fähigkeit, eine Entscheidung zu treffen und Zweifel hinter sich zu lassen
Einheit – die Fähigkeit zu integrieren
Andere verstehen – auch in der Gruppe
Die Aktualfähigkeiten – der Weg zum Glück
Eine Geschichte auf dem Weg
Dank
Literatur
Nicht weil die Dinge schwer sind, wagen wir es nicht, sie zu tun.Sondern weil wir sie nicht wagen, sind die Dinge schwer.
Ausdauer und Standhaftigkeit
kann der Mensch von einem Nagel lernen.
Je mehr man von oben draufhaut,
desto tiefer bohrt er sich unten durch.
Das Leben ist ein Theaterstück:
Es kommt weniger darauf an, wie lang es ist,
sondern eher darauf, wie es aufgeführt wird.
Der Traktor eines Bauern lief nicht mehr. Alle Versuche des Bauern und seiner Freunde, das Fahrzeug zu reparieren, misslangen. Schließlich rang sich der Bauer durch, einen Fachmann herbeiholen zu lassen. Dieser schaute sich den Traktor an, betätigte den Anlasser, hob die Motorhaube an und beobachtete alles ganz genau. Schließlich nahm er einen Hammer. Mit einem einzigen Hammerschlag an einer bestimmten Stelle des Motors machte er den Traktor wieder funktionsfähig. Der Motor tuckerte, als wäre er nie kaputt gewesen. Als der Fachmann dem Bauern die Rechnung gab, war dieser erstaunt und ärgerlich: „Was, du willst fünfzig Tuman, wo du nur einen Hammerschlag getan hast?! “ „Lieber Freund“, sagte da der Fachmann: „Für den Hammerschlag berechnete ich nur einen Tuman. Neunundvierzig Tuman aber muss ich für das Wissen verlangen, wo dieser Schlag zu erfolgen hat.“
In meiner psychotherapeutischen Praxis und Klinik fiel mir etwas auf, das ich seither – dafür sensibel geworden – auch im alltäglichen Leben immer wieder beobachte: Sowohl bei orientalischen als auch bei europäischen und amerikanischen Patienten finden sich im Zusammenhang mit bestehenden Symptomen Konflikte, die auf sich wiederholende Verhaltensweisen zurückgehen. In der Regel sind es nicht die großen Ereignisse, die zu Störungen führen. Vielmehr führen die immer wiederkehrenden kleinen seelischen Verletzungen zu „empfindlichen“ oder „schwachen“ Stellen, die schließlich zu schwerwiegenden Konfliktpotentialen auswachsen. Was sich auf dem erzieherischen und psychotherapeutischen Sektor als Konfliktpotential und Entwicklungsdimension darstellt, findet sich in der Moral, Ethik und Religion im normativen Sinn als Tugend wieder.
Ich habe versucht, diese Verhaltensbereiche zu sichten und zu einem Inventar zusammenzustellen, mit dessen Hilfe sich die inhaltlichen Komponenten der Konflikte und Fähigkeiten beschreiben lassen.
Aus dem eigenen Fähigkeitspotential der Erkenntnisfähigkeit und der Liebesfähigkeit eines jeden Menschen entwickeln sich im Zusammenleben einer Familie soziale Normen und Spielregeln, die – weil sie aktuell im täglichen Leben wirksam sind – als Aktualfähigkeiten bezeichnet werden. Aufgabe der Erziehung ist es dabei, die Entwicklungsbedingungen so zu gestalten, dass die in jedem Menschen angelegten Fähigkeiten zur Ausprägung gelangen können, was wiederum von den fördernden oder hemmenden Bedingungen von Körper – Umwelt – Zeit abhängt. Inhaltlich lassen sich die Aktualfähigkeiten in zwei grundsätzliche Kategorien einteilen:
Die sekundären Fähigkeiten sind Ausdruck der Wissensvermittlung und damit der Erkenntnisfähigkeit. In ihnen spiegeln sich die Leistungsnormen einer Gesellschaft wider, in der ein Mensch lebt. Zu ihnen gehören: Pünktlichkeit, Sauberkeit, Ordnung, Gehorsam, Höflichkeit, Ehrlichkeit, Gerechtigkeit, Fleiß, Leistung, Sparsamkeit, Zuverlässigkeit, Genauigkeit, Gewissenhaftigkeit …
Die primären Fähigkeiten werden zuerst, d. h. primär in der emotionalen Eltern-Kind-Beziehung auf dem Boden der Liebesfähigkeit entwickelt. Primäre Aktualfähigkeiten sind: Liebe (Emotionalität), Vorbild, Geduld, Zeit, Kontakt, Sexualität, Vertrauen, Zutrauen, Hoffnung, Glaube, Zweifel, Gewissheit, Einheit … Die primären Fähigkeiten sind also vor allem Bedingungen der Gefühlsbeziehungen, die jedem Kind in einer idealtypischen Entwicklungskette von seiner Ursprungsfamilie vermittelt werden. Aus den noch unbekannten Fähigkeitspotentialen entwickelt ein Kind über Angst, Aggression, Nachahmung, durch Vorbild, Glaube, Zeit, Zweifel, Hoffnung und Zutrauen seiner Bezugsperson das Urvertrauen, das die Grundlage für eine gesunde Entwicklung bildet.
Die Aktualfähigkeiten werden im Verlauf der Sozialisation inhaltlich entsprechend dem soziokulturellen Bezugssystem gestaltet und durch die einzigartigen Bedingungen der individuellen Entwicklung geprägt. Als Konzepte werden sie in das Selbstbild aufgenommen und bestimmen die Spielregeln dafür, wie man sich und seine Umwelt wahrnimmt und mit ihren Problemen fertig wird.
Der Einfluss der Aktualfähigkeiten vollzieht sich in den folgenden vier Medien:
1. Mittel der Sinne (Beziehung zum eigenen Körper)
2. Mittel des Verstandes
3. Mittel der Tradition
4. Mittel der Intuition und der Phantasie
Im Vordergrund steht das Körper-Ich-Gefühl. Wie nimmt man seinen Körper wahr? Wie erlebt man die verschiedenen Sinneseindrücke aus der Umwelt?
Stressfaktoren: Krankheit, Kuren, Operationen bei sich selbst oder Angehörigen, übermäßige akustische Reize (Lärm, Musik, Geräusche über einen bestimmten Zeitraum), optische Reize (Umwelt, Straßenverkehr, Fernsehen, Werbung etc.)
Zwei einander entgegengesetzte Konfliktreaktionen sind möglich: die Flucht in die Arbeit und die Flucht vor Leistungsanforderungen.
Stressfaktoren: Unzufriedenheit mit beruflichen Ergebnissen, Kündigungen, Rente, Höhergruppierung, Nichtbeförderung, Stellenwechsel, neue MitarbeiterInnen und Vorgesetzte, Verlust von MitarbeiterInnen etc.
Die sozialen Verhaltensweisen werden durch individuelle Lernerfahrungen und die Überlieferung (Tradition) bestimmt. Wir können auf Konflikte reagieren, indem wir die Beziehung zu unserer Umwelt problematisieren: Ein Extrem ist hierbei die Flucht in die Geselligkeit, wobei in der Geborgenheit der Gruppe und in der Aktivität die Probleme entschärft werden sollen. Man versucht, durch Gespräche mit anderen Sympathie zu erwecken und Solidarität zu erzielen: „Wenn ich mich über meine Schwiegermutter aufrege, rufe ich meistens eine Freundin an und spreche mit ihr stundenlang darüber.“
Umgekehrt kann man den Rückzug aus der Gemeinschaft antreten. Man distanziert sich von Menschen, die einen beunruhigen, fühlt sich gehemmt, meidet Geselligkeiten sowie jede Möglichkeit, mit anderen Menschen zusammenzukommen.
Stressfaktoren: Eingehen einer Partnerschaft, Heirat, Geburt, Trennung vom Partner, von Kindern, Eltern, Freunden, Scheidung, Hausbau, Wohnungswechsel, finanzielle Probleme, zwischenmenschliche Konflikte etc.
Der vierte Bereich, der wie der dritte im westlichen Abendland im Schatten zu stehen scheint, obwohl er ungemein wirksam ist, ist die Beziehung zur Fantasie und Zukunft.
Intuition und Fantasie reichen über die unmittelbare Wirklichkeit hinaus und können all das beinhalten, was wir als Sinn einer Tätigkeit, Sinn des Lebens, Wunsch, Zukunftsmalerei oder Utopie bezeichnen. Auf die Fähigkeiten der Intuition und Fantasie und die sich durch sie entwickelnden Bedürfnisse gehen Weltanschauungen und Religionen ein, die damit die Beziehung auch zu einer ferneren Zukunft (Tod, Leben nach dem Tode) vermitteln.
Man kann jedoch auch auf Konflikte reagieren, indem man die Fantasie aktiviert, Konfliktlösungen fantasiert, sich in Gedanken einen gewünschten Erfolg vorstellt oder Menschen, die man hasst, in der Vorstellung bestraft oder gar tötet. Als „Privatwelt“ schirmt die Fantasie gegen verletzende und kränkende Einbrüche aus der Wirklichkeit ab und schafft eine vorläufig angenehme Sphäre (Alkohol- und Drogenmissbrauch). Sie kann eine „böse Tat“ oder eine schmerzliche Trennung von einem Partner ungeschehen erscheinen lassen. Sie kann aber auch verängstigen, übermächtig werden und als Projektion der eigenen Ängste die Wirklichkeit unerträglich machen. Fantasie vermischt sich so mit Wahrnehmungen und führt zu Symptomen, wie sie in der Schizophrenie als Wahnvorstellungen anzutreffen sind.
Stressfaktoren: Todesfälle, Verluste, Selbstzweifel, Schwinden beruflicher oder privater Zukunftsperspektiven, Berentung, Alter etc.
Die Konzepte steuern das Verhalten. So hat beispielsweise das auf die Aktualfähigkeiten „Sparsamkeit“ und „Fleiß / Leistung“ bezogene Konzept „Sparst du was, dann hast du was – hast du was, dann bist du was“ Einfluss auf das Erleben eines Menschen und viele seiner Handlungen: auf das Verhältnis zum eigenen Körper, zum Essen, zum Lustgewinn, zur Bedürfnisbefriedigung, zum Beruf, zum Partner, zu zwischenmenschlichen Beziehungen, zur Phantasie, Kreativität und schließlich zur eigenen Zukunft. Mit anderen Konzepten verbunden, kann dieses Konzept in weitem Ausmaß die individuellen Möglichkeiten bestimmen: „Gäste einladen ist für mich rausgeschmissenes Geld.“ „Was für mich zählt, ist der berufliche Erfolg.“ „Ich brauche meine Mitmenschen in erster Linie, um meine Interessen durchzusetzen.“ „Gefühlsduselei ist Quatsch, Märchen sind Kinderkram.“
In dieser Form verknüpfen sich die Konzepte eng mit den Gefühlen und können im Konfliktfall zu Aggressionen und Ängsten führen.
Während der eine sehr viel Wert auf Fleiß und Leistung oder Sparsamkeit legt, betont der andere Ordnung, Pünktlichkeit, Kontakt, Gerechtigkeit, Höflichkeit, Ehrlichkeit. Jede dieser Normen erfährt ihrerseits eine eigene situations-, gruppen- und gesellschaftsgebundene Gewichtung. Diese unterschiedlichen Wertorientierungen treffen im zwischenmenschlichen Zusammenleben und im Erleben des Einzelnen aufeinander und können dort zu Unstimmigkeiten und Konflikten führen. So wird beispielsweise die „lebendige persönliche Unordnung“ des einen für den anderen, dem die Ordnung das halbe Leben ist, zu einem fast unüberwindbaren Problem.
Bildlich gesprochen entsprechen die vier Bereiche einem Reiter, der motiviert (Leistung) einem Ziel zustrebt (Phantasie). Er braucht dazu ein gutes und gepflegtes Pferd (Körper) und für den Fall, dass dieses ihn einmal abwerfen sollte, Helfer, die ihn beim Aufsteigen unterstützen (Kontakt).
Einige allgemein orientierende Fragen können helfen, den Schwerpunkt der Konfliktverarbeitung herauszufinden:
Wie reagieren Sie, wenn Sie Probleme haben? Antworten Sie auf Konflikte durch ihren Körper, durch Leistung, indem Sie Hilfe bei anderen Menschen suchen oder in Ihrer Phantasie?
Welche Aussage gilt für Sie? Ich glaube, was ich verstehe. Ich glaube an das, was – z. B. durch meine Eltern – überliefert ist. Ich glaube an das, was mir spontan einfällt.
Was war das Motto in Ihrem Elternhaus? Essen und Trinken hält Leib und Seele zusammen. Kannst du was, dann bist du was. Was sagen die Leute? Alles liegt in Gottes Hand.
Die Aktualfähigkeiten haben also eine komplexe Wirkung: Erlernt in dem primären Beziehungsgefüge der Familie, haben sie Auswirkungen auf verschiedene Funktionsebenen: auf die individuelle innerseelische Erlebnissphäre, auf die psychosomatischen Verarbeitungsmöglichkeiten und auf das Gruppengeschehen der Gesellschaft.
Bei jeder inhaltlich-dynamischen Analyse von Konflikten und Schwierigkeiten ist die Differenzierung hinsichtlich der aktiven und passiven Dimension der Aktualfähigkeiten wichtig. Aktiv meint dabei die aktive Handlungsweise oder das aktive Verhaltensmuster einer Person, z. B. ob jemand pünktlich oder unpünktlich, ordentlich oder unordentlich, gerecht oder ungerecht ist. Die passive Dimension einer Aktualfähigkeit beschreibt dagegen eine Erwartung an andere Menschen, also die Fähigkeit oder Unfähigkeit, die Unpünktlichkeit, Unordnung oder Ungerechtigkeit anderer ertragen zu können, ohne daran zu zerbrechen. Oft ist diese Erkenntnis der zwei Dimensionen schon der erste Schritt zu einer Konfliktlösung.
Die aktive Dimension am Beispiel „Ordnung“ bedeutet:
Die Fähigkeit, Ordnung zu halten, etwas zuzuordnen, zu organisieren, zu managen.
Die passive Dimension am Beispiel „Ordnung“ bedeutet:
Die Fähigkeit, mit Unordnung angemessen umzugehen, die Unordnung anderer ertragen zu können, andere Vorstellungen von Ordnung zu tolerieren.
Durch die Erziehung entwickelt jeder Mensch ein individuelles Muster an Verhaltensweisen, die sich inhaltlich auf die Kategorien der Aktualfähigkeiten beziehen. Dabei bleibt es nicht aus, dass jeder abhängig von seinen Erfahrungen und den jeweiligen familiären Bewertungen ganz individuelle Sensibilitäten entwickelt. Treffen nun wiederholt kleine alltägliche Verletzungen auf einen dieser empfindlichen Bereiche, wird sich eine dauerhafte emotionale Belastung einstellen – nach dem Motto: „Steter Tropfen höhlt den Stein“. Oftmals werden diese sogenannten „Mikrotraumen“ – kleine Ärgernisse und Verletzungen – als Bagatellen nicht genügend ernst genommen. Erst wenn „der letzte Tropfen das Fass zum Überlaufen bringt“, wundern wir uns über die Heftigkeit der Reaktion und registrieren dann erst die neuralgischen Punkte der Persönlichkeit.
Konfliktpotential kann entstehen, wenn nicht genügend zwischen eigenen und fremden Verhaltensmustern unterschieden wird. Konflikte treten aber auch auf, wenn einzelne Familienmitglieder verschiedene Erwartungen hegen und daraus Missverständnisse resultieren.
Die Aktualfähigkeiten besitzen für die Methode der Positiven Psychotherapie eine große Bedeutung. Um die Tragfähigkeit eines Patienten im Hinblick auf mögliche Konfliktbereiche zu prüfen und ihm in der Differenzierung seiner Situation zu helfen, orientieren wir uns an einer Liste der Aktualfähigkeiten, dem Differenzierungsanalytischen Inventar (DAI). Statt allgemein von Stress, Konflikt oder Krankheit zu reden, können wir feststellen, wann eine konflikthafte Reaktion auftritt, in welcher Situation, bei welchem Partner und bezüglich welcher Inhalte. Eine Frau, die regelmäßig abends schwere Angstanfälle erleidet, wenn ihr Partner zu spät nach Hause kommt, zeigt nicht nur Angst vor dem Alleinsein, was auf die Aktualfähigkeit „Kontakt“ hindeuten würde. Ihre Angst kann auch an die Aktualfähigkeit „Pünktlichkeit“ gebunden sein. Dieses differenzierte Vorgehen ermöglicht es uns, gezielter auf die Bedingungen eines Konflikts einzugehen.
In Geschichten werden die Aktualfähigkeiten in den unterschiedlichsten Erscheinungsformen thematisiert: Während pädagogisch ausgerichtete Geschichten wie der Struwwelpeter vor allem einzelne psychosoziale Normen wie Gehorsam, Höflichkeit und Ordnung vermitteln, stellen andere Geschichten eben diese Normen in Frage und bieten ungewohnte, neue Konzepte.
Die Einteilung der Aktualfähigkeiten in die leistungsbezogenen sekundären Fähigkeiten und die emotional orientierten primären Fähigkeiten findet sich in einer Reihe von hirnorganischen Untersuchungen bestätigt. Sie weisen darauf hin, dass die beiden Großhirnhälften, die Hemisphären, nach zwei unterschiedlichen Informationsverarbeitungsprogrammen operieren. Die linke, in der Regel dominierende Hemisphäre ist für logische Schlüsse, analytische Schritte und den verbalen Kommunikationsteil zuständig. Mit anderen Worten: die linke Gehirnhälfte trägt in irgendeiner Weise die leistungsorientierten sekundären Fähigkeiten und ist Repräsentant für Verstand und Vernunft. Der rechten Hemisphäre werden ganzheitliches Denken, einheitliches Erfassen, bildhafte Vorstellung und emotionale Assoziationen zugeschrieben. Sie steuert die emotional orientierten primären Fähigkeiten und ist demnach der „Sitz“ von Intuition und Phantasie. Legen wir diese Hypothese zugrunde, gewinnt die Anwendung von Geschichten und Mythologie in der Psychotherapie eine neue Wertigkeit: Der beabsichtigte Standortwechsel bahnt den Weg für Intuition und Phantasie, die dann therapeutisch wichtig werden, wenn Vernunft und Rationalität allein die auftretenden Probleme nicht bewältigen können. Man gewinnt Zugang zur Phantasie und lernt in den Sprachbildern der Geschichten zu denken.
Humor ist die Fähigkeit,heiter zu bleiben, wenn es ernst wird.
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Humor ist ein universelles Heilmittel.
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„Na, lieber Herr Kollege, wie ist die Arbeitsmoral in Ihrem Institut?“ – „Wie bei Robinson: Warten auf Freitag!“
Bei gleicher Umgebung lebt doch jeder in einer anderen Welt.
Eine Frau war mit ihrem Schicksal unzufrieden: sie war ärmer als alle anderen, und das Brot reichte nie für ihre sieben Kinder. Ihr Mann war schon früh gestorben. Da erschien ihr eines Nachts, nach verzweifeltem Gebet, ein Engel, der ihr einen Sack gab und befahl, alle ihre Sorgen und Nöte hineinzuwerfen. Der Sack war kaum groß genug, um so viel Kummer, Sorgen und Ängste zu fassen. Der Engel aber nahm sie bei der Hand und führte sie, die, stöhnend und vor sich hinschimpfend, den Sack trug, in den Himmel. Oben angekommen, staunte die Frau. Sie hatte sich den Himmel anders vorgestellt. Die Wolken waren alle Sorgensäcke. Und auf dem größten der Säcke saß ein alter, sehr ehrwürdiger Herr, der ihr aus der Kindheit von Bildern her noch bekannt war. Der Allwissende wusste auch um ihre Sorgen – hatte er doch ihre Gebete und Flüche tagtäglich gehört. Er gebot ihr, den Sack abzustellen, und sagte, sie dürfe alle anderen Säcke öffnen und in sie hineinschauen. Für einen aber müsse sie sich entscheiden und ihn in ihr Erdenleben zurücknehmen. Sie öffnete einen Sack nach dem anderen und fand Ärger, Probleme, bedrängende Konflikte, Langeweile und Ähnliches mehr. Viele dieser Dinge kamen ihr fremd vor, andere bekannt, und von wiederum anderen wusste sie nicht recht, ob sie sie schon einmal gesehen hatte oder nicht. Mühsam arbeitete sie sich durch die Wolken hindurch, bis sie endlich zu dem letzten Sack kam. Diesen öffnete sie, breitete den Inhalt aus, gliederte ihn und erkannte, dass es ihrer war. Als sie den Sack hob, kam er ihr viel leichter vor, mehr noch: ihre Sorgen quälten sie nicht mehr, ihre Schmerzen taten nicht mehr weh. Stattdessen sah sie reale Missstände und lohnende Ziele.
Mit der Geburt betreten wir einen Lebensraum, der, wie wir selbst, ständigen Veränderungen unterworfen ist. Als Kind werden wir uns allmählich unserer selbst bewusst. Die Pubertät lässt uns in die Erwachsenenwelt hineinwachsen. Singles werden zum Paar, Beruf und Elternschaft wollen gemeistert sein. Dann werden wir mit der Sinnkrise der Lebensmitte und der Wechseljahre konfrontiert. Der Ruhestand fordert wieder eine grundsätzliche Umgestaltung des Lebens, und das Alter führt uns in die Auseinandersetzung mit der Sterblichkeit und in die Vorbereitung auf den Tod.
Jeder neue Lebensabschnitt, jeder Übergang, jeder Einschnitt bringt unbekannte Risiken mit sich, die Ängste hervorrufen können. Psychotherapeuten diagnostizieren diese Wandlungsangst in allen Lebensphasen.
Individuell können die einzelnen Stressfaktoren natürlich sehr unterschiedlich stark empfunden werden. Doch ein Leben ohne Stress ist in den Industrienationen kaum vorstellbar. Dies gilt gleichermaßen für den privaten wie auch für den geschäftlichen Bereich. Der Tod des Partners ist, wie Befragungen ergeben haben, der größte Stressfaktor. Als sehr starker Stress wird von den Befragten auch eine Scheidung empfunden. Auf den nächsten Plätzen folgen Stressfaktoren am Arbeitsplatz, nämlich Kündigung, neue Verantwortung und vergeblich erwarteter Aufstieg. Umzug und Urlaub schließen die Liste der wichtigsten Stressoren.
Wie ein Mensch mit diesen Belastungen fertig wird, hängt von seiner Persönlichkeit und seinen Einstellungen ab. Vor ihrem Hintergrund erhalten die äußeren Ereignisse ihr emotionales Gewicht.
Um ein bestimmtes Verhalten zu verstehen, brauchen wir Hintergrundinformationen, die uns Maßstäbe für das spätere Urteil geben. Dies bedeutet, sowohl die besonderen kulturellen Bedingungen zu berücksichtigen, als auch die Bedingungen, die in der persönlichen Lebensgeschichte einem Verhalten erst Sinn geben.
Das positive Vorgehen besagt, dass wir eine möglichst umfassende Übersicht über die Interpretationsmöglichkeiten eines Symptoms oder eines Krankheitsbildes anstreben mit dem Ziel, Einfluss auf das Krankheits- und Selbstverständnis der Patientenfamilie zu nehmen.