Es klebt Blut an Euren Händen - Engdahl Frederik William - E-Book

Es klebt Blut an Euren Händen E-Book

Engdahl Frederik William

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Beschreibung

Der gnadenlose Kampf ums schwarze Gold. Alles dreht sich ums Öl – damals, heute und erst recht morgen und übermorgen. Je knapper der Rohstoff, umso erbarmungs- und skrupelloser tobt der Kampf darum. Wer Öl besitzt, dem gehört die Welt – und umgekehrt. Waren im Ersten und Zweiten Weltkrieg lediglich die Versorgungswege kriegsentscheidend, wird spätestens seit den Golfkriegen um den Zugang zu den Ölquellen selbst, den Nachschub an sich, reichlich Blut vergossen. Daran hat sich nichts geändert und wird sich nichts ändern. Im Gegenteil – so die Feststellung von William Engdahl. In seinem aktuellen Buch geht er zu den Ursprüngen der einseitigen und elementaren Abhängigkeit der westlichen Welt vom Öl als Energieträger Nr. 1 zurück. Heute verschärfen die aufstrebenden Schwellenländer, die neuen "Big Player" wie China oder Brasilien, die Konkurrenz. Sie behaupten massiv und kompromisslos ihre Ansprüche und stecken ihre Einflusssphären mit allen Mitteln ab – nicht zuletzt militärischen. Mit diesen knallharten Fakten konfrontiert uns Engdahl in diesem Buch – zu Recht. Denn alle anderen Vorstellungen und Hoffnungen – zum Beispiel auf alternative Energien als Ersatz – sind nichts als eine Illusion.

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1. Auflage 2012

© 2012 by FinanzBuch Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH,

Nymphenburger Straße 86

D-80636 München

Tel.: 089 651285-0

Fax: 089 652096

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Redaktion: Leonie Zimmermann

Korrektorat: Jana Stahl

Umschlaggestaltung: Judith Wittmann

Umschlagabbildung: istockphoto.com

Inhalt

Einführung

Von Gewürzkriegen zu Ölkriegen

Ölkriege und Ölpolitik

Ein katastrophaler Fehler wird wiederholt

Schmerzhafte Lektionen

Eine kurze Übersicht

Ein geheimer Krieg um die Bagdadbahn

Mesopotamien, Beute für das Empire

Ein kleiner Krieg für reiche Beute

Den Irak mit List an sich reißen

Zweiter Weltkrieg: Ein katastrophaler Fehler wird wiederholt

Der Wehrmacht geht das Benzin aus

Eine globale Machtverschiebung

Ein neuer Öl-Imperialismus

Zuerst werden die Straßenbahnen stillgelegt …

… dann sind die Züge an der Reihe

Stille Waffen für leise Kriege

Die neuen Könige des Öls

Ein folgenschweres Projekt der Harvard University

Die Ölpreise hoch halten

Big Oil fördert »M. King«

Hubberts malthusianisches Energiemodell

Big Oil benutzt Hubbert

Sieben mächtige Schwestern

Ein dramatischer Schock

Die US-Wirtschaft im Niedergang

Ein Paradigmenwechsel wird vorbereitet

Ein Elitetreffen in Schweden

Ein niederländisches Hotel und finstere Absichten der Atlantiker

Kissingers Ölschock

Deutschland: Zielscheibe, kein Verbündeter

Ein beinahe perfektes Verbrechen

Eine »fatale Entscheidung«

Hubberts Tag an der Sonne

Eine malthusianische Energiestrategie

Rockefellers Paradigmenwechsel

Das neue Paradigma schaffen

»Grenzen des Wachstums«

Der wirkliche Feind: die Menschheit

Paradigmenwechsel mit der Hilfe von NGOs

Ein mysteriöser kanadischer Insider

»Stille Waffen für leise Kriege«

Geisel der Chase Manhattan

Eine Ölschwemme wird versteckt

Wenn der Öl-Hebel abhandenkommt

Eine trilaterale Initiative

Eine berechenbare Energiestrategie

Rockefeller verliert einen alten Kumpel … und benutzt ihn anschließend

Stellvertreterkriege um Öl

Ein äußerst blutiger OPEC-Ölkrieg

CIA-Verbindungen zu Saddam Hussein

Doppeltes Spiel

Oktober-Überraschungen

Washingtons »umgekehrter« Ölschock

Die Sowjets in die Knie zwingen

Die Herrschaft über das gesamte Öl, überall

Saddam wird – wieder einmal – in die Falle gelockt

Kuwait wird ins Boot geholt

Aprils verhängnisvolle Plauderei mit Saddam

Der Griff nach den sowjetischen Ölressourcen

Die Kontrolle über das Öl, überall …

Washington nimmt Russland ins Visier

Der Griff nach dem Ölschatz

Tschetschenische Ölkriege

Washingtons Stellvertreterkriege

1994 – ein Wendepunkt

Eine neue russische Revolution

Eine »russische Revolution« in der Erdölwissenschaft

Öl entsteht in der Tiefe

Öl an den falschen Orten

Mit russischen Geophysikern nach Vietnam

Ein Auftrag Stalins

Füllen sich Erdöllager spontan wieder auf?

Big Oil schlägt zurück – Hubberts Peak Oil wird wieder ausgegraben

Scientific American – von wegen wissenschaftlich

Cheney macht sich zum Echo von Hubberts Freunden

Die Kriegsfalken in Washington rüsten sich für den »Zusammenprall der Kulturen«

Cheneys Energy Task Force

Cheneys »Peak Oil«-Freund

»Dämmerung« in der saudi-arabischen Wüste?

»Wo sich der Hauptgewinn letztendlich befindet«: Russland und Cheneys Ölkriege

Hingehen, »wo das Öl ist«

Der Irak und die chinesische Gefahr

»Es ging um Öl …«

Krieg gegen den Terror oder Krieg um Öl?

Die neuen Energiekriege

Brzezinskis Pipeline

Washingtons Rosenrevolution

Von Tiflis nach Kiew – die »Orange Revolution« in der Ukraine

Neues Ziel: China

China mausert sich zum neuen Rivalen

Pekings 11.-September-Schock

Schritte zur Sicherung der chinesischen Energieversorgung

Afrika wird umworben

Darfur: Es geht um Öl

AFRICOM

Washingtons Krieg im Großraum Naher Osten

Ein Flächenbrand beginnt in Tunesien

Washingtons Greater Middle East Project

Das Projekt für einen »erweiterten Nahen Osten«

Washingtons »weiche« Revolutionen

Kifaja – der »gewaltlose Widerstand« des Pentagon

RAND und Kifaja

Libyen: Ein NATO-Krieg ist nötig

Das strategische Ziel

Endnoten

Stichwortverzeichnis

Einführung

Von Gewürzkriegen zu Ölkriegen

Von George Santayana stammt das berühmte Wort: »Wer sich der Vergangenheit nicht erinnert, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen.« Die Geschichte der letzten 100 Jahre ist in vieler Hinsicht außergewöhnlich – nicht jedoch in den Grundzügen menschlichen Benehmens und Handelns.

Nach dem Anschlag auf die Zwillingstürme des New Yorker World Trade Center und das Pentagon im September 2001 trommelte US-Präsident George W. Bush im Namen der USA zum Krieg gegen den Terror. Er sprach vom »neuen Kreuzzug«, einem Krieg des Guten gegen das Böse: »Wer nicht mit uns ist, der ist wider uns.« Die Wahl der Worte und besonders der historische Vergleich waren verräterisch, rief Letzterer doch in der übrigen Welt – vor allem aber in den ölreichen Nahostländern – die Erinnerung an mehr als zwei Jahrhunderte währende »Heilige Kreuzzüge« wach, die Europa einst gegen die Länder des Nahen Ostens geführt hatte. Umgehend wurde Bush deshalb angewiesen, das Wort »Kreuzzug« fortan aus seinen Reden zu verbannen.

Fast 800 Jahre vor den dramatischen Ereignissen vom September 2001 standen der Nahe Osten und Nordafrika im Mittelpunkt eines geopolitischen Konflikts der damaligen Welt. Arabische Händler hatten sich in ganz Nordafrika und in der Region, die im Westen heute »Naher Osten« genannt wird, ein streng überwachtes Monopol für den wertvollsten Rohstoff der damaligen Zeit gesichert: Gewürze aus Asien.

Die cleveren arabischen Händler wahrten die Herkunft ihrer Schätze – Zimt, Pfeffer, Muskat und andere Gewürze – geradezu wie ein militärisches Geheimnis von höchster strategischer Priorität. Mit großem Aufwand wahrten sie den Mythos, diese begehrten Gewürze seien äußerst rar, um ihre Herrschaft über die weit entfernten Quellen zu behalten und sich die ungeheuren Gewinnspannen von bis zu 4.000 Prozent zu sichern.

Venedig – damals ein Stadtstaat an der Adria – unterhielt enge Verbindungen zum Orient. Infolge der Handelsbeziehungen zu arabischen Gewürzhändlern kam auch Venedig zu nie da gewesenem Reichtum und beispielloser Macht. Auf der Grundlage dieser Kontrolle über den Import der von den arabischen Händlern angebotenen orientalischen Gewürzen wurde Venedig zur stärksten Seemacht in Europa.

Als der Stadtstaat Gefahr lief, von der Lieferung dieser Gewürze aus Arabien abgeschnitten zu werden, lancierte Venedig eine der größten und brutalsten Plünderungsaktionen der Geschichte – den Kreuzzug von 1204, der in Wirklichkeit nichts anderes war als ein als Heiliger Krieg getarnter imperialer Eroberungsfeldzug.

Venedig rekrutierte Söldnertruppen aus Frankreich und anderen Ländern, denen ein – wenn auch bescheidener – Anteil am Plünderungsgut zugesichert wurde. Venedig selbst sicherte sich von vornherein den Löwenanteil der Beute. Bewaffnet mit Kreuz und Schwert, von Venedig finanziert und mit zahllosen Schiffen versorgt, zogen die Kreuzritter-Armeen in einen blutigen Krieg, der fast zwei Jahrhunderte dauern sollte – die christliche Spielart eines Jihad.

Diese »Gewürzkriege« kamen im religiösen Gewande daher, verkleidet als Heilige Kriege der Christen gegen die islamischen »Ungläubigen«. In Wirklichkeit waren es Eroberungskriege, es ging um die Kontrolle über die kostbarsten Rohstoffe der damaligen Zeit – die Gewürze des Orients. Zu Zehntausenden stellten die für einen Heiligen Krieg rekrutierten »Krieger Gottes« dann oftmals fest, dass man sie nicht etwa losgeschickt hatte, um den muslimischen Ungläubigen das Heilige Land zu entreißen, sondern um für ihre venezianischen Auftraggeber weit weltlichere Schätze zu erobern.

Der größte Kreuzzug, der im Jahr 1204 begann, richtete sich nicht einmal gegen arabische Länder, sondern vielmehr gegen die damals christliche Stadt Konstantinopel (das heutige Istanbul), die Metropole am Kreuzweg des Gewürzhandels vom Osten nach dem Westen. Die Kreuzfahrer plünderten und brandschatzten Konstantinopel, die märchenhaft reiche Hauptstadt des östlich-christlichen Byzantinischen Reiches. Es war die Zeit des Großen Schismas im Christentum zwischen der östlichen orthodoxen und der westlichen römischen Kirche. Im Zeichen des Kreuzes fielen dem Schwert der venezianischen Kreuzritter die orthodoxen Christen genauso zum Opfer wie die muslimischen »Ungläubigen«.

Die Araber hatten sich die Kontrolle über die Lieferungen exotischer Gewürze aus Indonesien und Indien, die wertvollsten Rohstoffe der damaligen Welt, dadurch gesichert, dass sie Mythen über deren Seltenheit und weit abgelegene Quellen verbreiteten. Für die Europäer erfanden sie Lügengeschichten über extreme Gefahren, unter denen sie an die angeblich seltensten Gewürze gelangten. Um ihre geheimen Quellen gegenüber den europäischen Händlern zu verteidigen, griffen sie zu militärischen Mitteln – bis ihnen die misstrauisch gewordenen Venezianer auf die Schliche kamen und sich aufmachten, diesen Reichtum selbst zu erobern. Damit begann ein dunkles Kapitel der Geschichte, bekannt als die Kreuzzüge des 10. und 11. Jahrhunderts. In Wirklichkeit jedoch waren diese Religionskriege nichts anderes als Gewürzkriege.

Ölkriege und Ölpolitik

In den 1890er-Jahren gab der deutsche Ingenieur Rudolf Diesel mit seiner Erfindung des Verbrennungsmotors, der bis zu fünfmal effizienter war als die bis dahin zum Antrieb von Kriegsschiffen eingesetzten Dampfmaschinen, den Anstoß für eine grundlegende Veränderung der Weltpolitik und Umwandlung der Weltwirtschaft. Innerhalb von zwei Jahrzehnten wurden Kriegsschiffe und Armeen weltweit auf Ölbetrieb umgestellt; es war der Beginn der größten Verschiebung des geopolitischen Kräftegleichgewichts seit Erfindung der Dampfmaschine 200 Jahre zuvor.

Wie die Geschichte der blutigen Kriege vergangener Jahrhunderte über die begehrten Gewürze des Orients so wurde auch die Geschichte des Öls in Blut geschrieben; auch hier wurden Kriege geführt und geradezu verzweifelte Anstrengungen unternommen, das Geheimnis seines Ursprungs zu wahren.

Um sich ihr scheinbares Monopol über das Erdöl der Welt und damit die stärkste Konzentration politischer Macht, welche die Welt je gesehen hat, zu sichern, schuf eine winzige Gruppe britischer und amerikanischer Unternehmen – mit geheimer Unterstützung der jeweiligen Regierung – einen der größten Mythen der modernen Wissenschaft: Sie erfanden den Mythos vom Öl als begrenzt vorhandene und rasch zur Neige gehende Energieressource, die auf geheimnisvolle Weise im Verlauf von Jahrmillionen durch die Umwandlung biologischer Überreste gebildet worden sei – in einem Prozess, der in den Geologie-Lehrbüchern der westlichen Welt wenn überhaupt, dann nur sehr vage beschrieben, aber dennoch als unumstößliche wissenschaftliche Tatsache dargestellt wird.

Seit Anbruch des sogenannten Erdölzeitalters vor über 100 Jahren hat man diesem sorgfältig gepflegten Mythos von begrenzten Ölvorräten – einer unwissenschaftlichen Behauptung, wonach Öl aus fossilisierten Überresten von Dinosauriern und Pflanzen entstanden ist – fast durchwegs Glauben geschenkt.

Das vorliegende Buch geht dem Ursprung dieses Mythos von begrenzten Ressourcen nach, es untersucht, welche Rolle er in zwei großen verheerenden Weltkriegen und in schier endlosen internationalen Konflikten – vom Kalten Krieg bis hin zu regionalen Kriegen in Afrika, im Nahen Osten und anderen Regionen – gespielt hat, um die Herrschaft über das Öl und vor allem über den Fluss des Öls und der damit verbundenen Dollars zu sichern. Diese Herrschaft lag in der Hand einiger weniger großer amerikanischer und britischer Ölkonzerne – einst bekannt als die Sieben Schwestern, von denen heute nur noch vier, nämlich ExxonMobil, Chevron, BP und Shell, existieren.

Als Ende der 1980er-Jahre in großem Stil neue Finanzinstrumente, die sogenannten »Öl-Derivate« oder »Öl-Futures«, auftauchten, begann ein neues Kapitel der anglo-amerikanischen Kontrolle über das Öl. Denn durch diese Instrumente wurde ein neuer Mechanismus geschaffen, mit dem der Preis für den wertvollsten Rohstoff der Welt unter bestimmten Bedingungen unabhängig von den traditionellen Gesetzen von Angebot und Nachfrage kontrolliert werden konnte. Öl war nunmehr als Waffe wirtschaftlicher Kriegsführung einsetzbar.

Dieses Buch verfolgt die Geschichte jenes Jahrhunderts des Erdöls sowie der ungewöhnlichen und oftmals schockierenden Mittel, mit denen eine identifizierbare anglo-amerikanische Elite den Mythos der begrenzten Ölreserven als tragende Säule ihrer weltweiten Macht verteidigte. Außerdem beschreibt es im Detail, wie eben dieser Mythos – der heute in eine beinahe religiöse, häufig als »Peak Oil«-Theorie bezeichnete Ideologie gefasst wird – erschüttert wird.

Denn es erläutert eine stichhaltige neue Theorie über den Ursprung des Erdöls tief im Erdmantel – in einer Region also, in der nach Ansicht der konventionellen Geologie überhaupt kein Öl vorhanden sein kann. Nach dieser neuen Erdölwissenschaft, deren Grundlagen in der dunklen Zeit des Kalten Kriegs zwischen den USA und der ehemaligen Sowjetunion entwickelt wurden, besteht die Aussicht, dass das Erdöl heute genauso in unbegrenzter Menge und zu erschwinglichen Preisen verfügbar ist wie die einst kostbaren exotischen Gewürze – nachdem das Geheimnis um ihren Ursprung gelüftet worden war.

Als George W. Bush zum neuen »Kreuzzug« gegen eine überwiegend islamische Welt – den Nahen Osten und Eurasien mit dem dort vorhandenen Ölreichtum – aufrief, da war die Parallele zu den Heiligen Kreuzzügen 800 Jahre zuvor also weit verräterischer, als die meisten verstanden.

Dieses Mal wurde ein beinahe religiöser Eifer geschürt, um Kriege zu rechtfertigen, die in Wirklichkeit neue Ölkriege waren – zur Sicherung der weltweiten Kontrolle über das Erdöl, den wertvollsten Rohstoff der Welt. Durch die unablässig wiederholten Fernsehbilder des Angriffs auf die Zwillingstürme des World Trade Center und eines schwer zu fassenden Osama bin Laden ließen sich die Amerikaner bereitwillig zu einer neuen Welle US-geführter Kriege von Kabul bis Bagdad, von Darfur bis Kairo und Tripolis verlocken, die, so wurde der Öffentlichkeit versichert, für »Frieden und Demokratie« geführt würden. In Wirklichkeit ging es um die Kontrolle über das Öl – das gesamte Öl, überall.

Am 17. Dezember 2010 verbrannte sich in Tunesien ein junger Mann namens Mohamed Bouazizi, nachdem ihm die Behörden in seinem verarmten ländlichen Heimatort verboten hatten, auf der Straße Gemüse zu verkaufen. Es heißt, dieser Vorfall habe die Welle von Aufständen, Protestmärschen und Konflikten ausgelöst, die schon bald auf die islamische Welt von Ägypten bis zum Jemen, auf Nordafrika und den gesamten Nahen Osten übergriff.

Der wirkliche Anstifter dieser Entwicklung saß jedoch, wie in der Folgezeit immer deutlicher zutage trat, im fernen Washington. Das Motiv hinter der größten Destabilisierungswelle für einen Regimewandel seit dem Fall der Berliner Mauer, die seinerzeit zum Zusammenbruch der Sowjetunion geführt hatte, war nicht echte Demokratie – obwohl man sich das Verlangen der Menschen nach Demokratie auf zynische Weise zunutze machte. Bei der um sich greifenden Destabilisierung ging es um Macht, um die Sicherung der Macht eines ins Wanken geratenen amerikanischen Kolosses, des einst bejubelten amerikanischen Weltreichs.

Ziel der Aufstände im gesamten Nahen Osten – die auch Anfang 2011 noch keineswegs abflauten – waren nicht korrupte oder dekadente Monarchien und despotische Regimes, obwohl es diese zweifellos gab. Das eigentliche Ziel lag mehr als 5.000 Meilen vom Nahen Osten entfernt: in Peking am anderen Ende Eurasiens und jenseits des Mittelmeers in Europa.

2011 setzte sich allgemein die Erkenntnis durch, dass sich China rapide zum weltweiten Wirtschaftskoloss entwickelt. Manche sprachen bereits von China als einer Supermacht, die in 10 bis 20 Jahren in der Lage wäre, die amerikanische Hegemonie herauszufordern. Eine Zeit lang hatte Washington China mit »Nadelstichen« provoziert – angefangen mit den US-finanzierten Unruhen in Tibet vor den Olympischen Spielen 2008 –, um Peking an die Abhängigkeit vom kontrollierten Dollar-System zu erinnern, allem Anschein nach jedoch mit geringem Effekt.

Ende 2010 wurde es auch für politische Kreise in Washington und an der Wall Street deutlicher, dass China weltweit mit zunehmender Wirksamkeit, Eindringlichkeit und wachsendem Selbstbewusstsein seine eigenen Interessen verfolgte. Damit nicht genug: Überall auf der Welt unterbreitete China brillante wirtschaftliche und diplomatische Offerten, um sich die Lieferung des Rohstoffs zu sichern, der für das zukünftige Wachstum Chinas unabdingbar war – nämlich Erdöl.

Sowohl die Regierung in Peking als auch chinesische Unternehmen schlossen Wirtschaftsverträge mit den rohstoffreichen Ländern in Afrika und am Persischen Golf ab, die der Westen lange Zeit vernachlässigt oder sicher unter seiner Kontrolle gewähnt hatte. Zu den wichtigsten Erdöllieferländern für die rapide wirtschaftliche Entwicklung Chinas gehörten Angola, Saudi-Arabien, der Iran, Oman, Sudan und Russland.

Anfang 2011, als diese Einführung geschrieben wurde, führten die Aufstände der sogenannten »Twitter-Revolutionen« in den islamischen Ländern Nordafrikas und des Nahen Ostens bereits zu einem dramatischen spekulativen Anstieg des Preises für Erdöl, Chinas wichtigstes Importgut. Noch weit alarmierender für China und viele andere Länder, besonders in Westeuropa, war die längerfristige Aussicht auf eine von Washington inszenierte Militarisierung der gesamten islamischen Welt. Tatsächlich vollzog sich die Umwandlung in einen »Greater Middle East«, von dem George Bush 2003 gesprochen hatte: in eine Region, die sich von Marokko im Westen bis an die chinesische Grenze im Osten erstreckt, in der die Zukunft von radikalen Marktreformen und Privatisierung, amerikanischen Abrams-Panzern, ­F-16-Jets und ferngesteuerten Drohnen bestimmt wurde.

Wie bei den Gewürzkriegen acht Jahrhunderte zuvor, ging es auch hier um die strategische Frage, wer die Kontrolle über den wichtigsten Rohstoff erhielt – Öl war der höchste Einsatz im geopolitischen Spiel. Schon Henry Kissinger, Präsident Nixons Außenminister in der Zeit der Ölschocks zu Beginn der 1970er-Jahre, soll gesagt haben: »Herrsche über das Öl und du beherrschst ganze Länder.« 2011 war klar: Für Washington stand die Kontrolle über China und dessen Verbündete in Asien, Eurasien und Europa ganz oben auf der Prioritätenliste. Ob es jedoch gelingen würde, ein solch riskantes Spiel zu gewinnen, war keinesfalls sicher.

F. William Engdahl,

Frankfurt am Main, März 2011

1 Ein katastrophaler Fehler wirdwiederholt

1.1 Schmerzhafte Lektionen

Der deutsche Generalstab hatte aus der demütigenden Niederlage im Ersten Weltkrieg einige schmerzhafte Lektionen gelernt. Bei der Vorbereitung der Feldzüge, die später als Zweiter Weltkrieg in die Geschichte eingehen sollten, waren die Generäle deshalb in erster Linie darauf bedacht, es nie wieder dazu kommen zu lassen, dass Deutschland einen Zweifrontenkrieg führen müsste gegen Russland im Osten und Frankreich und England im Westen.

Das erklärt das Bemühen, die Gefahr drohender Angriffe von Westen, das heißt von den Beneluxländern und Frankreich, durch mehrere Blitzkriegsüberfälle auszuschalten. Im September 1939 rollten die deutschen Panzer in Polen ein; dabei kam ihnen bei Brest-Litowsk die Rote Armee entgegen. Am 24. August hatten die Außenminister der UdSSR und des deutschen Dritten Reichs, Molotow und von Ribbentrop, in Moskau den deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakt, allgemein bekannt als Hitler-Stalin Pakt, unterzeichnet. Damit hatten die deutschen Truppen im Westen freie Hand, ohne einen Angriff der Sowjetunion fürchten zu müssen.

Im Mai 1940, acht Monate nach dem Überfall deutscher Panzerverbände auf Polen, erfolgte der Einmarsch in die Beneluxländer Holland und Belgien. Ein neues Wort,Blitzkrieg,fand fortan Aufnahme in den allgemeinen Sprachschatz. Deutsche Panzerdivisionen überquerten die Maas, überrollten Sedan und eroberten die Kontrolle über die Ardennen. Der französische General Maurice Gamelin erklärte, er sei außerstande, Paris zu schützen, weil er die Ardennen verloren habe. Sechs Wochen später wurde Marschall Philippe Pétain zum Chef des mit Deutschland kooperierenden Vichy-Regimes ernannt und Frankreich stand de facto unter deutscher Herrschaft. Als britische und französische Truppen in Dünkirchen ans Meer getrieben wurden, lehnte Hitler es ab, sie in Gefangenschaft zu nehmen oder völlig zu vernichten ohne Zweifel eine der merkwürdigsten Episoden des Zweiten Weltkriegs. Diese Entscheidung gab Churchill ausreichend Zeit für die Evakuierung von über 338.000 britischen und französischen Soldaten, die sich nach England in Sicherheit bringen konnten. Das war das wirkliche »Wunder« von Dünkirchen. Hitler war offensichtlich überzeugt, mit England eine Vereinbarung treffen zu können, doch da sollte er sich gehörig irren.

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