Esperanza HS78 - Mirjana Moser - E-Book

Esperanza HS78 E-Book

Mirjana Moser

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Beschreibung

Die Heimat, das Ausland, ein Esperanza-Schiff und seine Passagiere, die zwischen den beiden Welten hin und her pendeln, meist auf der «Esperanza HS78», die zwischen einer Inselgruppe im Mittelmeer und einer Bergregion mitten in Europa verkehrt. Die Biografien der Passagiere sind authentische Geschichten über Liebe und Freundschaften über die Heimatgrenzen hinaus. Über das Leben hier und dort und dazwischen. Über Heimat und Sehnsucht. Und darüber, warum die Heimat im Kopf, die Sehnsucht aber echt ist.

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Für Urs

«Die Liebe ist das beste Trojanische Pferd, um Teile der eigenen Heimat in eine andere zu schmuggeln.»

Inhaltsverzeichnis

Prolog

Erster Satz: Bilder der Heimat

Antonio und seine Oberdorf-Heimat

Die Insel

Antonio fliegt aus der Klosterschule

Der letzte Sommer vor dem Erwachsensein

Hochzeit auf der Insel

Mara und der Mond in den Brombeeren

Vier Freunde und ihre Stadt am Fluss

Vier Gymnasiasten und ihre Sommer am Fluss, wo sind die Mädchen?

Winter in Bergdorf und Lukas’ Zoo auf dem Gips

Der letzte Sommer im Bad und zehn kleine Negerlein, Thomas bleibt übrig

Zweiter Satz: Die Reise

Die erste Reise

Josip und der Sternenhimmel für einen Nichtschwimmer

Die Liebe im Paradies

Wieder im Ausland

Barbaras verlorener Buchstabe

Antonio in der Heimat, mit den Gedanken im Ausland

Wo liegt die Zukunft? Hier oder dort?

Zurück nach Hause, wo das Ausland heimisch wird

Verzwickte Lage eines Esperanza-Reisenden

Die Entscheidung

Marija und die Geschichte von Verlorene Bucht

Milena, die «Insel-Connection» und Esperanzas mit dem Kennzeichen «International»

Hochzeit auf der Esperanza als Reise in die zweite Heimat

Barbaras und Olivers antipodische Heimaten

Thomas’ Heimatbesuch und die Frage: Gibt es den Osterhasen wirklich?

Marinkos «mission impossible» und die Heimat im Kopf, Marija hilft

Dritter Satz: Die neuen Welten

Der Sturm

Der Krieg

West-Side – eine neue Heimat?

Danach

Paolas Rückkehr

«Unsere»

Die letzten Reisen

Verlorene Bucht zu einer neuen Zeit

Epilog

Prolog

«Esperanzas» sind jene Schiffe, die überall auf der Welt zwischen Heimat und Ausland verkehren. Wobei «Heimat» nicht einfach ein Land oder eine Region bedeutet. Eine Heimat ist ein komplexes Gebilde, eigenartig zusammengewoben aus unzähligen Einzelteilen – Familie, Kindheitserinnerungen, alten Freunden, Sprache, Musik, Düften und Geschmäckern, dem Blick auf Berge oder glitzernde Meere und vielem, vielem mehr.

Genau umgekehrt ist das Bild vom Ausland: Steigt man zum ersten Mal auf eine «Esperanza» mit Kurs «Ausland», heisst das lediglich eine Reise «nach Europa» oder «nach Amerika», «nach Norden» oder «nach Westen». Alles andere liegt im Nebel.

So ist es mehr als verständlich, dass alle Esperanza-Passagiere, kaum haben sie ihren Heimathafen verlassen, die gleiche Sehnsucht erfasst – das Heimweh! Nicht nach einer bestimmten geografischen Region, sondern nach eben diesen Elementen, die Heimat ausmachen – einmal mehr nach dem einen, einmal mehr nach dem anderen.

Und diese Sehnsucht trifft alle Passagiere gleich, egal, welche Route sie gewählt und aus welchem Grund sie die Heimat verlassen haben – sei es die Suche nach Arbeit, Abenteuerlust oder Flucht. Das Heimweh ist allen gemeinsam.

So ist auch verständlich, dass alle Esperanza-Reisenden, kaum im Ausland, die erste Gelegenheit packen, um wieder in die Gegenrichtung zu fahren, die Heimat zu besuchen oder eine Rückkehr vorzubereiten. Und dann, trotz allem, geht es wieder zurück. Getrieben von Hoffnungen, Erwartungen und Sehnsucht, pendeln sie zwischen hier und dort, zwischen dort und hier, Jahr für Jahr, jahrzehntelang.

Aber mit der Zeit verändern sich Esperanza-Destinationen, und damit auch die Reisen und das Leben ihrer Passagiere. Der Auslandsnebel lockert sich, Konturen und Farben tauchen auf. Man findet Freunde, lernt Sprachen, gründet Familien. Das Ausland wird immer heimischer.

Die Heimat dagegen entfernt sich, wird blasser und fremder. Immer öfter gibt es dort Dinge, die man nicht mehr versteht, die nicht dem Bild der Heimat entsprechen, das man im Kopf hat und nach dem man sich sehnt.

Eine verzwickte Lage für langjährige Esperanza-Passagiere! Wie gehen sie damit um?

Davon erzählen die Lebensgeschichten der Reisenden auf der «Esperanza HS78», die, rein geografisch gesehen, zwischen einer Inselgruppe im Mittelmeer und einer Bergregion mitten in Europa verkehrt, sowie ihrer Freunde auf anderen Esperanzas.

Wir begleiten diese Menschen auf ihren Reisen. Wir wollen herausfinden, wie sie leben, in der Heimat, im Ausland und dazwischen – auf ihren Esperanzas? Was sie auf ihren Reisen erleben. Wie sie mit den Veränderungen in der Heimat und im Ausland umgehen. Und schliesslich wollen wir erfahren: Was ist für sie «die Heimat»? Was macht Heimat aus? Wem oder was gilt diese unheimliche Sehnsucht – das Heimweh?

Erster Satz

Bilder der Heimat

Antonio und seine Oberdorf-Heimat

«Antonio!»

Mutter stellt den grossen, nun leeren Wassereimer auf den Boden neben dem alten Herd und dreht sich um. Im Raum ist es halbdunkel. Die vor langer Zeit weiss gestrichenen Steinwände sind allmählich schwarz von Rauch und Russ. Am einzigen kleinen Fenster hängen schneeweisse Vorhänge mit gezackten Rändern und eingestickten Blumenmustern, sie trotzen der restlichen ärmlichen Einrichtung und vermitteln Liebe und Geborgenheit.

In der Mitte des Raumes, am Holztisch mit abgeblätterter blauer Farbe, auf einem Stuhl ohne Lehne sitzt Anta, die ältere, unverheiratete Schwester der Mutter und formt Gnocchi. Sie ist fast fertig. Auf einem grossen Holzbrett, neben den fertigen Gnocchi, schneidet sie die letzte kleine Teigrolle und drückt die Stückchen über eine Gabel. Angeblich werden sie so weicher und können den Saft besser aufsaugen.

Hinter dem Tisch, auf einem Bett, bestehend aus einem groben Holzrahmen und einem Strohsack, sitzt Tea, Mutters zweite unverheiratete Schwester. Die Beine eingewickelt, sitzt sie ganz hinten auf dem Bett, das tagsüber als Sitzbank dient und nachts als ihr Schlaflager, hält den Rosenkranz mit beiden Händen nah am Gesicht und beobachtet zwischendurch, was Anta mit dem Teig anstellt.

Mutter und ihre beiden Schwestern tragen schwarze Kleider und kleine schwarze Kopftücher, die hinten am Kopf geknüpft und mit Haarspangen am Haar befestigt sind. Mutter und Anta tragen über ihren Kleidern eine kurze, schwarzgrau gemusterte Schürze.

«Antonio! Hol Wasser!» Mutter unterbricht ihre Arbeit und lauscht auf die Antwort, die ausbleibt.

«Der hat sich wieder in Luft aufgelöst. Immer wenn man ihn braucht, ist er nirgends.»

«Mara! Geh, such ihn! Er soll sofort hierherkommen!»

Das Mädchen hüpft auf. In der Ecke hinter dem Herd, auf einem Haufen Brennholz, hat sie sich eine eigene «Küche» eingerichtet und war gerade dabei, ihre «Torte», die Tante Anta ihr aus einer grünen, halb verfaulten Kartoffel geschnitten hat, mit Gnocchi-Teig und Schlamm zu füllen und mit Blüten von Myrte und wilder Kamille zu verzieren. Sie lächelt überlegen und verschwindet hinter dem schweren Eingangsvorhang, der als Fliegenbarriere dient.

«Der Bub wird mich noch mein Leben kosten», schimpft Mutter, «was habe ich dem lieben Gott angetan, dass er mich, neben der Last durch euch zwei, mit einem solchen Sohn bestraft hat?»

«Gott vergebe dir. Rede nicht so über deinen Sohn», protestiert Anta, «was hätten wir sonst an Freude ohne ihn? Und du wirst sehen, eines Tages wird er es weit bringen.»

«Ins Gefängnis wird er sich bringen. Und mich ins Grab», klagt Mutter.

«Ins Gefängnis? Antonio geht nicht ins Gefängnis!», wirft Tea ein, deckt das Gesicht mit beiden Händen ab und zieht die Knie enger an sich.

«Sicher nicht. Beruhige dich», Anta schaut auf die Schwester hinunter.

Niemand hat es leicht hier, an diesem kargen, steinigen, windigen Ort hoch oben auf der Insel. Bloss an Steinen mangelt es hier nicht. Jeder Krümel Erde muss von ihnen befreit werden. Und jeder Tropfen Wasser muss mühsam herangeschafft werden. Trotzdem. Es ist schön und friedlich im Dorf. Anta denkt an Mate. Sie denkt immer wieder an die vergangene Zeit mit Mate. An was sonst soll sie denken?

Damals, bevor das globale Unheil auch diese abgelegene Insel erreicht hatte, war es besonders schön im Dorf. Sie waren jung, verliebt und glücklich. Sie waren zusammen sehr glücklich – Anta und Mate. Mit Pater Juraj war schon alles vorbesprochen und die Lämmer für die Hochzeitsfeier waren bestimmt. In beiden Dörfern waren die Vorbereitungen in vollem Gang. Es wurde getuschelt und gelacht. Wer mimt die falsche Braut? Wer bringt eine Handorgel mit und musiziert? Damals wie heute war eine Hochzeit die schönste Abwechslung im monotonen, schweren Leben von Bauern auf der Insel.

Dann kam der Mobilisierungsbefehl. Anta verabschiedete sich von Mate, tränenüberströmt, wie viele andere Frauen von ihren Männern Abschied nahmen. Und dann kam der Krieg und mit ihm unendlich viele wache Nächte, gefüllt mit Angst, Angst und Angst, einem Warten und Bangen. Dann kehrten die Männer heim. Nicht alle, Mate kam nicht. Anta blieb alleine. Einen anderen Mann heiraten wollte sie nicht. Sie ist ihrem Mate über seinen Tod hinaus treu geblieben. Aber wenn sie heute an ihn denkt, schämt sie sich ein wenig dafür. Als sie Mate das letzte Mal gesehen hat, war er sehr jung. Und so ist er es auch in ihren Gedanken geblieben. Anta ist in der Zwischenzeit älter geworden. Mate nicht. Und so schämt sie sich, dass sie, eine ältere Frau, mit Liebe und Sehnsucht an einen viel jüngeren Mann denkt. Sie versucht, sich Mate älter auszumalen. Das geht aber nur, wenn sie sich Mate als Frane vorstellt. Als Jugendliche waren sich die zwei Brüder sehr ähnlich gewesen. Aber Frane hat geheiratet und wenn sie jetzt an Mate-Frane denkt, schämt sie sich noch viel mehr. Zum Glück kann niemand in ihren Kopf sehen. Ausser der liebe Gott. Aber der kann sie verstehen. Oder auch nicht? Müsste sie ihre Gedanken Pater Dinko beichten? Das bedrückt sie, aber sie redet darüber mit niemandem. Mit Mutter nicht, die hat ihre eigenen Sorgen, und mit Tea redet sie schon gar nicht darüber.

Mara weiss genau, wo sie ihren Bruder findet. Etwas ausserhalb vom Dorf, auf dem Steinhaufen einer verfallenen, mit Brombeersträuchern überwucherten Mauer, unter einem wild gewachsenen Feigenbaum, sitzen Antonio und sein bester Freund Nikola, lachend. Nikola hat seinem Vater zwei Zigaretten geklaut – jeden Tag eine, damit er es nicht merkt. Nun sitzen sie in ihrem Versteck und rauchen.

«Antonio, du sollst Wasser holen! Sofort! Und ich erzähl Mama, was du machst!»

Antonio erhebt sich. «Ich komme! Und du – ein Mucks und du kassierst einen Riesenklaps.» Um das zu verdeutlichen, fährt er der Schwester mit einem kleinen Stups über den Hinterkopf.

Singend steuert er auf die Steinhütte zu, schiebt den Vorhang beiseite und holt immer noch singend den Eimer, der neben dem Schüttstein steht.

«Er hat geraucht, mit Nikola. Alle beide habe ich gesehen.» Hinter Antonio betritt Mara triumphierend den Raum, um sich blitzschnell hinter Tea auf dem Bett zu verstecken.

«Petztante!» Antonio drückt mit einer Drehbewegung des Wassereimers ihre Kartoffeltorte platt.

«Maamaa!» Mara springt vom Bett und geht auf Antonio los.

«Schluss jetzt!», schreit Mutter, ohne sich umzudrehen und ohne ihre Arbeit zu unterbrechen, «ich brauche Wasser und zwar jetzt! Sofort!»

Tea beginnt leise zu summen. Es ist die gleiche Melodie, die Antonio vorher gesungen hat.

Mara kehrt zu ihrer «Küche» zurück. Von der «Torte» ist nur eine undefinierbare, dreckige Masse übrig – ein Teil davon. Der Rest klebt noch am Boden des Wassereimers. Sie fängt an zu schluchzen.

«Mara, komm her!», ruft Anta lächelnd. Sie stellt die Gnocchi auf den Nebentisch, räumt das grosse Holzbrett weg und reinigt den Tisch vom restlichen Mehl. Aus dem Nebenzimmer, das sie mit Antonio teilt, holt sie ihren Nähkasten. Aus ein paar farbigen Bändchen und einem Knopf fertigt sie ein Halskettchen an. Mara klettert auf einen Stuhl, um sich im kleinen Spiegel, der über der Kommode hängt, anzuschauen.

«Schön!» Der Vorfall mit der Torte ist vergessen, ausserdem hat Mara Hunger. Es riecht so fein. Das zieht sie zu Mutter und zum Herd.

«Schau mal!», stolz steht sie auf ihren Fussspitzen, um den Schmuck mehr zur Geltung zu bringen.

Mutter schaut kurz zu Mara: «Schön!»

«Schön!», wiederholt auch Tea und klatscht in die Hände.

Später im Ausland, als Anta längstens gestorben ist, wurde dieses, aus billigem farbigem Garn und einem Knopf hergestellte Halskettchen für Mara das kostbarste Stück in ihrem Schmuckkasten. Es war ein Stück ihrer alten Heimat.

Zur Dorfzisterne geht Antonio auf einem kleinen Umweg, am alten Feigenbaum vorbei. Nikola sitzt nicht mehr dort. «Ihm ist sicher genau gleich schlecht und schwindlig geworden. Hoffentlich werde ich beim Wasserholen nicht ohnmächtig in den Brunnen stürzen», denkt Antonio. Vorsichtig öffnet er den eisernen Deckel des Zisternenbrunnens und holt blind das Wasser hoch, ohne dass er, wie sonst üblich, in den Brunnen schaut und in das Loch schreit, um dem Echo zuzuhören. Zügig leert er es in den Eimer und kehrt nach Hause zurück.

Der schwere Vorhang an der Tür hält die Fliegen fern. Die feinen Düfte des in Olivenöl gebratenen Knoblauchs und des frischen Fladenbrots dringen hingegen nach draussen. Und es duftet auch nach Tomaten, Rosmarin und nach etwas ganz, ganz Feinem. Vielleicht gibt es sogar Fleisch. Antonio verspürt einen Riesenhunger. Hastig schiebt er den Vorhang beiseite.

«Was gibt es?»

«Waaasser! Und die Hände waschen!», ruft Mutter und lächelt dabei zufrieden. Ihr Bruder hat heute einen Hasen vorbeigebracht, der nun in einer Tomatensauce mit Rosmarin, Thymian und Rotwein im Topf schmort. Ein paar Oliven und ein Löffel von Antas besonderer Traubenkonfitüre ergänzen das Gericht.

Dass es heute einen Hasen gibt, ist ein guter Zufall, denn es gibt Grund zu feiern. Pater Dinko hat Mutter gerade eben mitgeteilt, dass die Dominikaner bereit sind, Antonio in ihre Klosterschule aufzunehmen. Mutter lächelt erneut und mit dem Zipfel ihrer Schürze wischt sie eine Träne aus dem Gesicht. Das ist seine Chance. Die Kinder sollen es schöner haben als sie selbst. Nein, sie beklagt sich nicht. Ihnen geht es gut. Es ist gut, dass sie gesund sind und es keinen Krieg gibt. Hunger müssen sie nicht leiden, so wie es ihre Vorfahren mussten. Sie hat eine Witwenrente, Anta ein kleines Einkommen als Aushilfe im Dorfladen und mit dem Verkauf von Käse und Stickereien an die Touristen können sie bescheiden leben. Grosse Sprünge liegen nicht drin, aber es reicht zum Leben. Mutter ist hier zufrieden. Hier sind ihre Liebsten begraben, und eines Tages wird sie ihnen folgen, hier oben, wo sie geboren ist. Aber die Kinder brauchen mehr, sie sollen es besser haben. Das Leben der Bauern war nie einfach. Hier oben auf der Insel, in dieser unwirtlichen Gegend, ist es besonders schwer. Antonio soll es schöner haben, unten im Dorf am Meer, und dann soll er vielleicht in die Stadt auf dem Festland gehen. Hoffentlich wird er es nicht vermasseln. Er ist intelligent und genau so wild. Wird ihn das Militär «zähmen»? Hoffentlich wird er es schaffen und keinen grösseren Blödsinn machen.

«Antonio!»

«Was?» Von draussen schaut er durch den Türvorhang.

«Schau mal nach Cicibela!»

«Bin schon unterwegs», sagt er brav. «Die blöde Ziege», murmelt er beim Hinausgehen leise, dreht sich um und schaut nochmals durch den Vorhang, Lachgrübchen im Gesicht: «Und noch was?»

«Esel!», antwortet Mutter verschmitzt.

Die Ziege, immer noch angebunden, steht mit den Vorderfüssen auf einem Steinhaufen in der Ecke neben dem Stall und rupft mit den Zähnen an einem Granatapfelbusch, der vom Nachbarsgarten über die Steinmauer herüberragt.

«Beeee», Antonio verzieht die Fratze, um irgendwie ziegenähnlich auszusehen.

Cicibela hört auf zu fressen, schaut Antonio gutmütig an und antwortet knapp mit «bee». Dann wendet sie sich wieder dem Granatapfelbusch zu.

«Also gut», meint Antonio und biegt hinter das Haus ab, wo ein Waschbecken auf einem Steinpodest steht. Eine schwarze Schicht Wespen bedeckt das Wasser, summt und tanzt wild durcheinander. Antonio flucht leise und schaut, ob ihn jemand hören kann. Aber ausser Cicibela ist niemand da. Dann betrachtet er seine Hände. Die sind zweifellos schmutzig. Er greift nach dem Wasserkrug, geht zum kleinen Blumenbeet und giesst ein paar Tropfen über die eine und dann über die andere Hand und gleichzeitig über die Blumen. Er macht das automatisch. Hier auf der Insel ist Wasser ein kostbares Gut. Jeder Tropfen wird maximal ausgenutzt. Dann trocknet er die Hände hastig mit dem von Anta bestickten, schneeweissen Handtuch. Auf dem Tuch bleiben erdige Striemen.

«Juhuuu! Ein Hase! Ein Hase hat Salat gefressen, judi judi je! Zur Strafe wird er selbst gegessen, judi judi jee!», hüpft Antonio und zwickt dabei seine Schwester im Rhythmus des Liedes.

Viel später im Ausland, wenn eine Sehnsucht Antonio überfällt, mischt sich unter die Bilder, Töne und Gerüche der Heimat auch die Sehnsucht nach einem in Tomatensauce geschmorten Hasen mit Kartoffelgnocchi und Fladenbrot.

Sehnsüchte nach der Heimat haben auch einen Geschmack. Solange Mutter und Tante Anta am Leben waren, war das immer seine erste Mahlzeit «zu Hause», und er freute sich Tage im Voraus auf das herrliche Gericht. Später probierten seine Frau und seine Freunde, gemäss seinen Anweisungen, es nachzukochen. Er selber versuchte es auch. Ohne Erfolg! Das Ergebnis war nie schlecht, aber es war nie der Hase der Mutter und es waren nie die Gnocchi der Tante. Seiner Schwester Mara gelang es am besten von allen, aber die nötigen Zutaten, die sie zwar im Ausland finden konnte, waren nicht gleich. Das Fleisch der ausländischen Hasen, die andere Kräuter und Gemüsesorten essen als die Inselhasen, hatte einen anderen Geschmack. Nicht zu reden von den Tomaten, dem Rosmarin und dem Insellorbeer, der der beste auf der Welt ist. Und die besondere Traubenkonfitüre von Tante Anta machte später niemand mehr, auch Mara nicht.

Die Insel

Winter auf der Insel, grau. Grau ist das Meer, grau ist der Himmel, grau sind die Felsen, grau auch die Silhouetten der Zypressen und Kiefern, grau ist die Macchia. Nicht nur grau, es ist kalt und windig. Wie Nebelkrähen versuchen vereinzelt ein paar gebückte Gestalten in dunklen Mänteln und mit schwarzer Kopfbedeckung, dem erbarmungslosen Wind auszuweichen. Ihr Bemühen ist vergeblich, denn er bläst durch Knopflöcher bis in die Knochen. Kalt ist es draussen, kalt ist es auch hinter den dicken grauen Steinmauern in den ungeheizten Räumen. Die Studenten, die im Norden, in der Grossstadt, in geheizten Studentenheimen wohnen, verlieren schnell die den Inselbewohnern aufgezwungene Kälteresistenz. Schon nach dem ersten Studienjahr beschränken sie ihre Heimatbesuche während der Winterzeit auf das Notwendigste. Die Annehmlichkeit der städtischen Heizsysteme verdrängt das Heimweh und verschiebt die Sehnsucht nach dem Meer auf die Sommerzeit. Im Winter auf der Insel zieht sich alles in sich zusammen, alles ist verlangsamt. Die Zeit bleibt stehen, kommt nicht vom Fleck. Über das ganze Eiland breitet sich ein Warten aus, ein einfaches Abwarten. Insulaner sind an Warten gewöhnt. Warten, bis der Fisch anbeisst, bis der Wind sich abschwächt, sie warten auf das Schiff, warten auf Neuigkeiten vom Festland, auf Neuigkeiten von ihren Liebsten, die weit weg auf einem fremden Meer ihr Brot verdienen. Warten auf mehr Sonnenschein, auf die Touristen, auf den Sommer. Im Windschatten, sich von der grauen Wintersonne das Gesicht wohltuend streicheln lassend, warten die Insulaner auf ihren Tod. Der wird bestimmt kommen, früher oder lieber etwas später, aber im Winter erscheint der Tod näher, wie die Nachbarinsel, die manchmal ganz nah und manchmal fern erscheint.

Mit den feinen, gelben Blütenbällchen und dem unverwechselbaren Geruch der Silber-Akazien erwacht die Insel aus ihrem Winterschlaf. Farb- und Geruchsreigen entfalten sich in immer stärkeren und intensiveren Erscheinungen bis zur Explosion des Frühsommers. Den blühenden Mandelbäumen folgen Rosmarin und Lavendel, Hyazinthen, Freesien, Anemone, Ginster, Iris, Calla, Margriten und Alpenveilchen – ein farbiger, duftiger Blumenteppich zieht sich über die ganze Insel. Die Sonne strahlt intensiver, die Farben werden leuchtender, der Duft wird stärker. Die Menschen verlassen ihren grauen Winterkokon und entfalten ihre Flügel. Sie lassen die Kräfte der Farben, der Gerüche, der Sonne in sich fliessen. Der Tod ist wieder weit weg – und soll dortbleiben. Jetzt müssen sie an die Arbeit. Wie Ameisen, vereinzelt oder in Gruppen, überall auf der Insel sind Gestalten mit hochgekrempelten Ärmeln zu sehen. Plaudernd, singend und lachend, selten schweigend, erledigen sie ihre Arbeiten. Die Insel muss auf den Sommer vorbereitet sein. Felder und Weinberge müssen bearbeitet, kleine Boote neu gestrichen sein. Strassen, die Wege, die ganze Infrastruktur muss erneuert werden. Man muss bereit sein, wenn Gäste und Touristen die Insel aufsuchen.

Endlich Schulferien. Zweieinhalb Monate nur Meer, Strand und Freunde. Antonios Clique badet am liebsten in der Maulbeerbucht unweit vom Dorf. «Baden» bedeutet für sie etwas anderes als für die Urlauber, die hier nur ein, zwei Wochen verbringen.

Am Strand liegen und in der Bucht schwimmen ist langweilig, davon haben sie im langen Sommer mehr als genug. So wird stets etwas Neues erfunden. Die Freunde spielen «Picigin» im seichten Wasser, nah am Ufer. Ein kleiner Ball soll möglichst lang in der Luft bleiben. Das ist die einzige Regel des Spiels. Es gibt weder Mannschaften noch Gewinner. Trotzdem setzt sich jeder ein, als ob es um einen echten Goldgewinn ginge. Roberto ist der Beste im «Picigin». Aufopfernd schmeisst er sich ins Wasser, ob nötig oder nicht steht nicht zur Debatte, akrobatisch holt er den Ball zurück aus jeder erdenklichen und fast aussichtslosen Lage.

Beim Spiel wird viel geschrien. Zum einen ist das eine Eigenschaft der Jugendlichen überall auf der Welt. Zum anderen ist das auch eine Eigenschaft der erwachsenen Insulaner. Für Aussenstehende ist es oft schwierig zu verstehen, dass zwei Insulaner, besonders Insulanerinnen, die gestikulierend laut reden, sich fast anschreien, nicht streiten, sondern ganz normal, freundschaftlich, miteinander reden. Der Grund für das Verhalten mag der Wind sein, die Einsamkeit der Insel, die Verständigung auf dem Meer, wer weiss. Das ist ihre Art zu kommunizieren. Anders können sie nicht.

Nach dem Ballspiel werden Wettkämpfe im Springen vom kleinen Pier am Ende der Bucht veranstaltet: Kopfsprung einfach, ein Kopfsprung mit Händen am Rücken, Salto vorwärts, Salto rückwärts. Marinko ist bei Weitem der Beste. Er ist der Einzige, der aus dem Handstand und mit dem Kopf voran ins Wasser springt. Bis auf diesen Handstand-Kopfsprung macht Paola alles gleich gut, dazu noch um einiges eleganter. Und im Tauchen ist Paola die beste. Das ist kein Wunder, denn sie besucht die Mittlere Seefahrtschule in der Hafenstadt, in der die Schüler auf den harten Seefahrerberuf entsprechend vorbereitet werden, auch die drei einzigen Schülerinnen. So ist Paola gut trainiert und sportlich und schafft ebenfalls Marinkos Handstand-Kopfstand. Der einzige Grund, es nicht zu machen, ist die Angst auszurutschen und sich das Gesicht an scharfen Steinen und Muscheln an der Wand des Piers aufzukratzen.

Antonio hat es nur bis zum Kopfsprung mit und ohne Hände gebracht, kommt aber von der froschartigen Beinhaltung nicht weg und landet immer wieder mit einem grossen «Platsch» auf dem Bauch. «Der typische Oberdorf-Springstil», lachen die anderen. Auch beim Schwimmen ist der «Oberdorf-Stil» von Weitem zu erkennen. Antonio ist gross und stark. Beim Kraulen rudert er breit und völlig ineffizient mit den Händen und platscht mit den Füssen auf die Wasseroberfläche, so dass es aus einiger Entfernung wie ein brodelnder Fischschwarm aussieht. Alle überholen ihn, inklusive Mara, die klein und rund, völlig geräuschlos durchs Wasser gleitet. «Wie ein Thunfisch», sagt Antonio. Dass seine kleine Schwester besser schwimmt als er, stört ihn überhaupt nicht und er bemüht sich gar nicht, seinen Stil zu verbessern. Auch noch später, wenn er nur noch ferienhalber nach Fischerhafen kommen wird, werden ihn die Insulaner von Weitem an seinem Spring- und Schwimmstil erkennen. Nur werden mit seinem Bauchumfang auch die «Platschs» grösser sein.

Mirko ist der Einzige, der keinen Kopfsprung macht. Er springt einfach aus dem Stand, und auch da hält er sich mit der einen Hand die Nase zu, in der anderen krallt er seine Brille fest. Den Kopfsprung beherrscht er. Er würde ihn sogar gerne machen. Nur hat er Angst, dass die anderen ihm während des Springens die Brille verstecken, wie sie es schon mal gemacht haben. Das war schlimm, denn ohne Brille ist er blind wie ein Maulwurf. Dieses Necken wird er ihnen nie verzeihen.

«Komm, spring wie ein Mann!», brüllt jemand, «nicht wie ein Mädchen!»

«Zeig doch selbst, was du kannst!», schreit Paola postwendend zurück.

«Lass ihn!», spottet Roberto, «du siehst doch, er ist schwul!»

Antonio, der gerade springen will, dreht sich um und schubst Roberto mit beiden Händen, so dass dieser auf dem Hintern landet. Kämpferisch, von unten, stichelt dieser in Richtung Antonio: «Klar verteidigst du ihn. Du bist es selbst, sonst wärst du nicht in der Klosterschule!»

«Du Eunuch!», schreit Antonio zurück und will ihn angreifen. Marinko kommt dazwischen und hält ihn fest. Er ist der Einzige, der stärker ist als Antonio. «Es reicht!»

Nikola nähert sich Roberto, der immer noch am Boden sitzt, und sagt mit ruhiger, aber entschiedener Stimme: «Wenn du noch einmal so etwas über Mirko sagst, wirst du es auch mit mir zu tun haben.»

Nikola ist der Einzige, der nicht schreit. Er ist gleich gross wie Roberto, aber nur halb so breit und offensichtlich schwächer. So ist unklar, was seine Drohung eigentlich bedeutet. Roberto überlegt kurz, ob er auch Nikola als schwul bezeichnen soll, verspürt aber ein leises Unbehagen und lässt es lieber sein. Ausserdem reicht ihm Nikola die Hand. Roberto steht auf, und Antonio klopft ihm auf die Schulter. «Eunuch» stand ihm schon auf den Lippen, doch schluckt er es im letzten Moment hinunter.

«Kindsköpfe!», brummt Julia und packt ihre Sachen zusammen.

«Ihr seid so doof!», fügt Paola hinzu und macht sich ebenfalls zum Aufbruch bereit.

Jetzt wird es ruhiger in der Bucht. Niemand muss mehr beeindruckt werden, niemandem etwas bewiesen werden. Es wird langweilig, ausserdem sind nun alle hungrig. Einer nach dem anderen verlässt die Bucht in Richtung Dorf, angelockt vom Duft nach gebratenem Fisch, Fleisch, Paprika, alles eingebettet in den allgegenwärtigen Duft der Tomatensauce, die praktisch jedes Gericht begleitet.

Antonio und Mara essen bei der Tante in Fischerhafen. Der Onkel arbeitet als Saisonnier «auf dem Bau» im Ausland. Dank seinem Verdienst wurde ihr altes Haus ausgebaut und ein Appartement und einige Zimmer können im Sommer vermietet werden. Wenn die Gäste es wünschen, kocht die Tante für sie. Antonio und Mara helfen bei der Vorbereitung, der Bedienung und dem Abräumen. Wenn die Gäste wechseln, helfen sie auch beim Putzen und Waschen; wobei die Tante ihre Arbeit, besonders die von Antonio, genau kontrolliert. Wenn sie schon an «ihren Gästen» Geld verdienen, wollen sie ihnen auch etwas Gutes anbieten. So werden aus Oberdorf Käse und Gemüse, Fleisch und Wein herangetragen, und wenn der ältere Cousin frei hat, geht er angeln. So bekommen die Gäste stets die frischesten Fische, die es gibt. Diese springen sozusagen vom Meer direkt auf den Teller. Diese Gastfreundschaft, das kristallklare Meer und die wunderbare Küche der Tante sind der Grund dafür, dass einige ausländische Gäste regelmässig, alljährlich, hierherkommen. Sie sind dann mehr als «unsere Gäste». Sie werden fast ein Teil der Familie.

Öfter sind auch Nikola und sein Vater beim Essen dabei, wenn sie ihre Landwirtschaftsprodukte bringen oder wenn sie in ihrem nah gelegenen Weinberg arbeiten. An diesen Tagen stehen sie sehr früh am Morgen auf, bevor die Sonne zu stark scheint. Nikola ist dann jeweils am Mittag todmüde und schläft nach dem Essen gleich ein.

Auch andere Jugendliche müssen im Sommer ab und zu helfen. Es ist die einzige Zeit, in der der Tourismus floriert, sodass in ein paar Monaten das Geld für das ganze Jahr verdient werden muss. Von anderen Arbeiten werden die Jugendlichen auf der Insel weitgehend verschont. Die Eltern arbeiten hart und opfern sich auf, mit dem einzigen Ziel, dass die Kinder es besser haben als sie oder zumindest lang unbeschwert leben können. Aber im Sommer, während der Hochsaison, müssen alle anpacken, sogar Roberto. Robertos Vater führt das grösste Restaurant in Fischerhafen – die Taverne Fischerhafen. An bester Lage im Zentrum, nah am Meer, mit einem Garten, in dem schattenspendende wilde Maulbeerbäume wachsen, ist das Restaurant im Sommer immer voll ausgebucht. Das Restaurant ist als einziges das ganze Jahr geöffnet. Neben zwei ständigen Angestellten helfen im Sommer weitere Verwandte aus, aber wenn es eng wird, muss auch Roberto einspringen, auch wenn ihm das nicht immer gefällt. Nicht, dass er grundsätzlich etwas dagegen hat, aber meistens wird seine Hilfe am Abend gebraucht, um die Zeit, wo er viel lieber zusammen mit den Freunden, besonders den Freundinnen, unterwegs ist. Robertos Familie ist nämlich dank dem Restaurant die reichste Familie im Dorf. Grund genug, dass fast alle Mädchen, Mara auch, in Roberto verliebt sind, auch wenn er schon jetzt die Tendenz zeigt, rundlich zu werden. Das Gymnasium, das er zusammen mit Marinko in der Hafenstadt angefangen hat, musste er abbrechen, und er besucht nun die Hotelfachschule im Dorf. Aber was soll’s, Geld macht schön und die Hotelfachschule bietet ihm für seine Zukunft als Restaurantbesitzer eine bessere Ausbildung als das Gymnasium.

Paola ist in den Schulferien öfter mit ihrem Vater unterwegs. Er betreibt eine kleine Schiffswerft und im Sommer fährt er mit einem umgebauten Fischkutter Touristen zu entlegenen Stränden und Buchten und veranstaltet Tagesausflüge zu benachbarten Inseln. Paola, und manchmal Marinko, begleiten ihn. Marinko hilft auch gerne beim Schiffsbau und den Reparaturen. Paola und Marinko sind es auch, die ihre Väter, die beide gut befreundet sind, beim nächtlichen Fischen begleiten, trotz der Proteste und Sorgen ihrer Mütter. Marinkos Eltern sind Lehrer und haben, im Gegenteil zu den Familien, die vom Tourismus leben, im Sommer frei. Trotzdem helfen sie überall mit und organisieren kulturelle Veranstaltungen, damit das Dorf sowohl für Touristen wie auch für Einheimische an Attraktivität gewinnt. Es ist ihr Verdienst, dass die Mittlere Hotelfachschule im Dorf eröffnet wurde. So erhalten Jugendliche vor Ort eine gefragte Ausbildung und bleiben auf der Insel statt auszuwandern.

Julia muss auch helfen, aber auf eine besondere Weise. Ihr Vater arbeitet für eine Schifffahrtsgesellschaft, hier sagt man: «Er navigiert.» Er fährt Schiffe auf internationalen Linien, meistens sind es Langstreckenfahrten rund um die Welt, sodass er mehrere Monate am Stück unterwegs ist. In dieser Zeit hören sie am Radio regelmässig die «Sendung für Seefahrer», die, abgesehen von Fussballmatchübertragungen, die höchste Anzahl Zuhörer hat. Hier werden Mitteilungen und Wünsche der Familien, von Verwandten und Freunden, insbesondere von Freundinnen, an die Seefahrer übertragen. Im Radio hört man dann beispielsweise: «Mate auf dem Schiff ‹Calypso› auf dem Weg von … nach … wünschen seine Mutter, seine Freundin und seine Grossmutter eine ruhige See mit dem Lied ‹In Gedanken mit dir›.» Und wenn die Radiowellen die Nachricht übertragen: «Lucia aus dem Dorf ... teilt Franko auf dem Schiff ... auf dem Ozean … mit, dass er Vater geworden ist. Seinem kleinen Sohn und der frisch gebackenen Mutter geht es gut, beide sind gesund und warten sehnsüchtig auf seine Rückkehr», dann haben einige Zuhörer Tränen in den Augen und die halbe Nation teilt die Freude der jungen Eltern.

Im Sommer, wenn der Vater «navigiert», widmet die Mutter ihre ganze Zeit und Aufmerksamkeit Julias Bruder, der intensiv Tennis spielt und als Hoffnungsträger bezeichnet wird. Den ganzen Sommer spielt er an zahlreichen Turnieren. Mutter führt seine Agenda, organisiert die Reisen, wäscht selbstverständlich seine Sportkleider und sorgt dafür, dass seine Reisetasche mit allem Nötigen vollständig gepackt ist und er sich richtig ernährt. Sie ist so auf den Sohn fixiert, dass ihr in Zeiten, wenn die Turniere dicht an dicht folgen, für die Töchter keine Zeit bleibt. So muss Julia auf die jüngere Schwester und im Sommer auch auf die kleine Cousine aus der Grossstadt aufpassen.

Das ist ein typisches Verhalten der Insulaner-Mütter: Der Glaube, dass die Söhne mehr mütterliche Aufmerksamkeit brauchen als die Töchter, wird von einer zur nächsten Generation weitergegeben. Das bewirkt, dass die Töchter früh selbstständig werden, während die Söhne länger und gern Muttersöhnchen bleiben, was für ihr späteres Leben nicht gerade vorteilhaft ist. Dafür haben die Töchter öfter engere Beziehungen zu ihren Vätern. Ob aus Eifersucht gegenüber den Söhnen, die die Aufmerksamkeit der Mütter stehlen, oder zum Ausgleich, bekommen die Töchter von den Insulaner-Vätern viel mehr Zuneigung als die Söhne. So werden auch Julia und ihre kleine Schwester vom Vater regelrecht verwöhnt. Von jeder grossen Reise kehrt er mit Geschenken beladen zurück. So war Julia die erste Insulanerin, die richtige Jeans tragen konnte. Für diese wurde sie von allen bewundert. Industriell produzierte Waren aus dem Ausland wurden auf der Insel höher geschätzt als die hochwertige einheimische Handarbeit. Doch nur Roberto und Julia können sich die teuren ausländischen Produkte leisten.

Julia hätte die Seefahrer-Tradition des Vaters und des Grossvaters gerne weitergeführt, aber sie hat sich nicht wie Paola getraut, die Seefahrerschule zu besuchen. Sie wird zur «Frau» erzogen. In ihrer Familie sind es ausschliesslich die Männer, die als Seefahrer auf den fremden Meeren das Brot für die Familie verdienen. Die Frauen bleiben zu Hause. Jemand muss zu Hause sein. Einen festen Anker in einem sicheren Hafen braucht jeder Seemann, um seinen harten Job auszuhalten. Das ist die Rolle der Frau. Julia ist mit der ihr zugewiesenen Rolle zufrieden, obwohl sie manchmal, aber nur manchmal und ein bisschen, auf Paola neidisch ist, die sich in dieser Männerdomäne gut zurechtfindet.

So atmen die Insel, ihre Dörfer und ihre Bewohner im Rhythmus der Jahreszeiten, der durch Landwirtschaft und Tourismus bestimmt wird. Im Frühling und Sommer tief einatmen, im Herbst und Winter tief ausatmen. Alles bewegt sich im gleichen Rhythmus. In einem Leben geprägt von Gemeinsamkeiten, in der jeder auf jeden angewiesen ist, und umrundet vom Meer, das manchmal so unfreundlich sein kann. Auf einer Insel, auf der kein Mensch einsam oder isoliert sein darf.

So funktionieren Insulaner wie ein grosses, kompliziertes Gesellschaftsmobil, in dem jedem ein Rädchen zugewiesen ist, aber keines die entscheidende Richtung vorgibt. Wenn ein Rädchen nicht richtig funktioniert, übernehmen die anderen seine Funktion. Das gibt Zuversicht und Sicherheit. Manchmal ist diese Verbindung zu stark, und wenn jemand wünscht, sein Rädchen gegen die anderen zu drehen, wird das schwierig, wenn nicht unmöglich.

Die Einschränkungen und der Kleingeist eines Lebens in der Provinz überschatten die Sicherheit und Geborgenheit und lassen die Abenteuer und Einsamkeit der Fremde herbeisehnen. Die Sehnsucht danach, sich zu entfalten und eigene Entscheidungen zu treffen, sein eigenes Rad zu drehen, wie es einem am besten entspricht, wecken Rebellion und Fernweh. Dann wird eine Esperanza-Reise angetreten.

Aber kaum ist man unterwegs, lösen sich diese kleinlichen Makel in Nichts auf. Aus der Ferne zeigt sich das Inselleben in der ganzen Schönheit einer Heimat, einem Zuhause, wo man sich wohl und akzeptiert fühlt. Und aus dem kristallklaren Wasser taucht die Sehnsucht auf, die das Esperanza-Schiff wieder zurück in die vertraute Heimat lenkt, zurück nach Hause.

Antonio fliegt aus der Klosterschule

Bruder Dinko steigt aus dem Wasser und setzt sich auf das Badetuch, das er auf einem flachen Stein ausgebreitet hat. Neben ihm auf der Steinbank sitzt der Prior und liest. Der lange Schatten der Zypresse hat die Bank verlassen und zeigt nun in Richtung Kloster. Die warme, wohltuende Abendsonne auf den Felsen der klostereigenen Meeresbucht geniesst Bruder Dinko ganz besonders. Es ist ein kleines Privileg der Dominikanermönche.

Die Bucht daneben liegt bereits vollständig im Schatten. Der Strand leert sich und auf dem schmalen Weg am Hang sind Kolonnen von Badenden zu sehen. Bepackt mit Strandtaschen, Kühlboxen, Luftmatratzen, aufblasbaren Tieren jeglicher Form und Farbe verschwinden sie in der dichten Macchia, um weiter oben, undeutlicher geworden, erneut aufzutauchen – wie ausgestorbene Tiere aus einer anderen Zeit.

«Ich habe über Antonio nachgedacht», Bruder Dinko setzt sich auf das Tuch und schaut auf zum Prior, wobei er die Augen zukneift, geblendet von der Sonne, die ihn sowohl von oben wie auch durch die Wasserspiegelung von unten attackiert.

«Aber auch ich sehe keine andere Lösung.» Er schaut auf das Meer hinaus und denkt nach. Vielleicht fällt ihm noch etwas ein. Doch nach langem Schweigen dreht er sich wieder zum Prior: «Es ist einfach schade. Er ist so intelligent, sprachbegabt, musikalisch, er hat eine schöne Stimme und ist redegewandt. Am Anfang habe ich gehofft, ihn als Bruder für uns gewinnen zu können.»

«Ich sehe, er ist dir ans Herz gewachsen», der Prior liest den Satz fertig, schliesst das Buch, behält aber den Finger auf der Seite, die er soeben gelesen hat. «Es ist wahr, er ist intelligent, redegewandt und auch charmant. Effektiv ist er einer unserer besten Schüler. Er ist aber ein Esel. Er ist intelligent und du kannst ihm vieles beibringen, aber ein Esel bleibt ein Esel. Ein eloquenter, charmanter Esel. Das ist er und das wird er bleiben – ein Oberdorf-Esel.»

Einen Finger zwischen die Seiten geklemmt, schlägt der Prior das Buch auf, genau an der Stelle, an der er mit lesen aufgehört hat.

«Wir hätten ihn schon letztes Jahr rausschmeissen sollen. Du wolltest ihm eine weitere Chance geben und du siehst, was daraus geworden ist. Ich verstehe dich und bin einverstanden, dass wir einem jungen Menschen nur wegen dem Rauchen nicht die Zukunft verbauen sollen. So war ich das letzte Jahr einverstanden, noch einmal beide Augen zuzudrücken. Er hat auch einiges versprochen. Und jetzt geht es nicht mehr um das Rauchen an sich. Es geht um Regeln, die auch die Esel von oben zu befolgen haben, aber das verstehen sie nicht. Und es geht um das Einhalten von Versprechen. Und das können nur Menschen, Esel können es nicht.»

Der Prior dreht sich zu Bruder Dinko und obwohl dieser, von der Sonne geblendet, den Prior nicht sieht, spürt er den durchbohrenden Blick: «Ich hoffe, du siehst es jetzt ein. Wir haben keine Wahl. Sonst ist mit unserem Wohlwollen unsere Glaubwürdigkeit gefährdet. Ich werde das nicht weiter dulden können.»

Der Prior wendet sich wieder seinem Buch zu. Mit dieser Bewegung ist das Gespräch beendet.

Bruder Dinko bleibt anstandshalber eine kurze Zeit sitzen. Dann steht er auf mit der unnötigen Entschuldigung, seine Badehose sei noch nass und er müsse sich vor dem Abendessen umziehen. Der Prior nickt, ohne den Blick vom Buch zu heben.

Bruder Dinko überquert langsam und nachdenklich den schönen Garten, der erfüllt ist vom letzten Stakkato der Zikaden, bevor diese mit dem Sonnenuntergang verstummen. «Antonio ist nicht nur eloquent, er ist auch humorvoll. Und das sind Esel nicht!», denkt er trotzig. Mit Antonio gab es in der Klosterschule immer etwas zu lachen. So oft musste Bruder Dinko ein Schmunzeln verstecken, um seine Autorität zu wahren. Das wird ihm fehlen. Alle anderen sind so brav. Ja, das wird ihm definitiv fehlen. Dinkos Gedanken schweifen ab zu seiner Kindheit und Jugend in den kargen Bergen auf dem Festland. In seinem Dorf sieht es genau gleich aus wie in Oberdorf – die Zeit ist an beiden Orten stehen geblieben. Die räumliche Distanz von Oberdorf bis Fischerhafen ist nicht weit, mit dem Auto braucht man kaum eine halbe Stunde. Aber oben lebt man immer noch in einer anderen Zeit, gleich wie in seinem Dorf. Und diese zeitliche Distanz der Abgeschiedenheit ist grösser als die räumliche. Manchmal müssen Jahrhunderte überwunden werden. Das ist nicht immer einfach. Er versteht Antonio sehr gut – nicht nur wegen der Ähnlichkeiten mit seiner eigenen Kindheit. Er war mit dem Vater von Antonio eng befreundet und nach dessen frühem Tod fühlt er sich für den Jungen verantwortlich. Er hat zusammen mit Antonios Onkel die Rolle des Paten übernommen, auch wenn das nirgends offiziell bekannt gemacht wurde.

Aus der Küche dringt ein Duft nach frittiertem Fisch. Bruder Dinko erinnert sich, dass der Fischer Juraj heute Morgen eine volle Kiste frische Sardellen gebracht hat. Er verspürt Hunger und verschiebt die Vorbereitung für das Gespräch mit Antonio auf die Nacht. Schlafen kann er sowieso nicht gut. All seine Gebrechen melden sich nachts. Das Baden und die Sonne helfen, aber ihre Kräfte reichen nicht aus, um die Dämonen der Nacht zu vertreiben.

Am nächsten Morgen nach dem Unterricht bestellt er Antonio in sein Zimmer.

«Du weisst, warum ich dich hierher bestellt habe?»

«Ja», antwortet Antonio knapp, senkt den Blick nicht, sondern schaut den Lehrer offen und direkt an. «Ich habe Mist gebaut», grinst er charmant.

«Ja», jetzt bleibt Bruder Dinko knapp, «diesmal musst du die Konsequenzen tragen. Du kennst die Regeln sehr gut. Sie gelten auch für dich.»

Antonio nickt ein paar Mal. «Sicher hat der Prior das beschlossen. Er konnte mich nie leiden.»

«Nein», sagt Bruder Dinko ernst, energisch und verärgert. «Das hier ist eine Klosterschule – eine sehr gute Klosterschule. Die Kinder, die hierherkommen, sind privilegiert. Sie bekommen die Chance, eine gute Ausbildung zu absolvieren. Aber wir verlangen von ihnen Disziplin und das Befolgen der Regeln. Auch das gehört zur Ausbildung und zum Erwachsenwerden. Du hast viele Chancen bekommen und hast sie verspielt! Ich habe an dich geglaubt. Ich habe sogar gehofft, dass du die Würde unseres Ordens weitertragen wirst. Du hast mich enttäuscht, Antonio.»

Jetzt wird Antonio ernst und ist nah am Weinen. Nicht nur, da er weiss, dass er von der Schule fliegt, nicht nur, da er nicht weiss, wie er das Mutter beibringen soll, nicht nur, da er nicht weiss, wie es jetzt weitergehen soll – die Enttäuschung von Bruder Dinko geht ihm nah. Er war für ihn mehr als der eigene Vater, den er nur knapp in Erinnerung hat. Pater Dinko hat ihn ernst genommen. Er hat an ihn geglaubt. Vielleicht ist er der Einzige, der je an ihn geglaubt hat – oder war der Einzige. Antonio will ihn unter keinen Umständen verlieren. Er sagt das auch, laut, auf seine spontan geschickte Art, ehrlich und offen.

Bruder Dinko ist gerührt und fährt etwas sanfter fort: «Du warst nun drei Jahre bei uns und hast einiges gelernt. Wenn du noch ein Jahr in der Hotelfachschule verbringst, hast du eine solide Ausbildung. Für die hiesigen Verhältnisse ist das mehr als genug, und ehrlich gesagt, sehe ich deine Zukunft mehr im Tourismus als bei uns im Kloster, obwohl mich das gefreut hätte.» Bruder Dinko schaut Antonio fragend an. Der ist für einmal nachdenklich und unsicher, aber mit einem leichten Ausdruck der Erleichterung. Er hat sich nie über seine Zukunft Gedanken gemacht, und jetzt ist er sich auch nicht darüber im Klaren, was das jetzt für ihn bedeutet; abgesehen vom Unbehagen darüber, die schlechte Nachricht der Mutter überbringen zu müssen.

«Ich habe mit der Schulleitung alles vorbesprochen», setzt Bruder Dinko fort, nachdem er keinen Zwischenkommentar von Antonio erhalten hat.

«Wenn du bereit bist, hart zu arbeiten, wirst du kein Jahr verlieren. Um die praktische Ausbildung nachzuholen, musst du den ganzen Sommer lang im Hotel verschiedene Arbeiten in der Küche und im Service verrichten. Du kannst dort auch ein Zimmer für die Angestellten beziehen, das wurde bereits organisiert. Zudem musst du das nächste Schuljahr, neben dem normalen Unterricht, einige Prüfungen in Spezialfächern vom vorherigen Jahr ablegen. Das sollte aber gehen. Du hast hier bei uns eine sehr gute Grundausbildung erhalten, die sicherlich hilfreich sein wird.»

Antonio nickt. Seine Sommerferien hat er sich anders vorgestellt. Anderseits kann er in Fischerhafen und in der Nähe von Zdenka bleiben. Dieser Gedanke steuert seinen Gesichtsausdruck eindeutig in Richtung Erleichterung. Es mischt sich sogar ein bisschen Freude darunter, getrübt jedoch durch die Gedanken an seine Mutter. Auch Bruder Dinko wird nachdenklich und macht eine lange Schweigepause. Antonio weiss, dass er seine Gedanken lesen konnte, weiss aber nicht, wie er reagieren wird und wie er selbst reagieren soll. Ist das Gespräch jetzt beendet? Soll es sich bedanken und gehen? Er würde Pater Dinko gern umarmen, als Abschied, aber er weiss nicht, ob sich das gehört oder nicht. Auch diesen Gedanken liest Bruder Dinko. Er legt seine Hand auf Antonios Schulter und sagt sanft: «Damit ist unsere offizielle Unterhaltung beendet. Ich möchte dir, anstelle deines verstorbenen Vaters, einige Ratschläge geben. Bitte denke stets an das, was ich dir jetzt sage! In einem Jahr wirst du volljährig. Du wirst deinen Weg gehen. Du hast gute Voraussetzungen. Du bist gesund und intelligent. Es gibt aber Gefahren, typisch für diese Insel, die schon viele Leben ruiniert haben, und da sehe ich auch dich als gefährdet. Es sind der Alkohol, die frühe Heirat und das schnelle Autofahren. Wir beide kennen viele Fälle gescheiterten Lebens aus einem dieser drei Gründe. Ich möchte nicht, dass es dich trifft.»

Bruder Dinko macht eine lange Pause und schaut Antonio an. Der wartet gespannt auf die Fortsetzung der Rede. Die erwähnten Gefahren könnten ihn schon treffen. Er spürt auch, weshalb und wie, will es aber nicht ganz wahrhaben. Nun, da es so deutlich ausgesprochen wurde, darf er die Tatsachen nicht vor sich verleugnen.

«Ich habe bemerkt, dass du Zdenka gernhast.» Antonio errötet, und Bruder Dinko lächelt in sich hinein, als ob er das Erröten nicht bemerkt hätte. «Kinder sind immer ein Geschenk Gottes, aber denk dran, dass du für ein Kind das ganze Leben verantwortlich bist. Ein Kind zu zeugen ist leicht, es grosszuziehen hingegen ist eine sehr verantwortungsvolle Aufgabe. Und denke auch an das Leben deiner zukünftigen Frau. Falls du Zdenka wirklich gernhast und sie dich auch, sollt ihr heiraten, aber nicht nur du, sondern auch sie soll ihre Ausbildung abschliessen, bevor ihr eine Familie gründet. Und eure Beziehung soll länger dauern als die Sommerferien.» Antonio errötet erneut.

«Und was der Alkohol und das schnelle Fahren anrichten, hast du auf der Insel zur Genüge sehen können.»

Antonio wird oft an diese mahnenden Worte denken müssen. Besonders auf dem langen Weg vom Ausland in die Heimat, wenn die Sehnsucht, so schnell wie möglich das Glitzern des Meeres zu erblicken, auf das Gaspedal drückte, hat Dinkos Stimme ihn zurückgehalten. Wie viele Leben hat diese Warnung gerettet? Und den zweiten Rat hat er, mit etwas Mühe und nur halbwegs, befolgt – fast hat er es versäumt. Der dritten Gefahr jedoch konnte er nicht ausweichen.

Antonio wartet, bis Bruder Dinko mit seiner Rede fertig ist und verspricht im Namen Gottes, dass er die Ratschläge beherzigen wird. Bruder Dinko verzieht das Gesicht, «lass Gott aus dem Spiel! Du solltest nie etwas im Namen Gottes versprechen!» Antonio antwortet mit Lachgrübchen im Gesicht: «Ich kann aber schwören im Namen Gottes, dass ich nie etwas im Namen Gottes versprechen werde. Das geht, oder?» Beide lachen und umarmen sich kurz. «Komm mich gelegentlich besuchen. Es würde mich sehr freuen. Es nimmt mich wunder, was aus dir wird. Und auch falls du irgendein Problem hast, kannst du mit mir rechnen.» Bruder Dinko dreht sich um und entfernt sich in Richtung Kloster, ohne den Blick noch einmal zurück zu wenden.

Unentschlossen bleibt Antonio eine Weile stehen. Dann nimmt er den Weg dem Meer entlang in die Gegenrichtung zum Dorf. Nach einer halben Stunde endet der Weg. In seinen Gedanken, die keine klare Linie haben, ist das Klosterkapitel abgeschlossen. Abgesehen davon, dass er es noch Mutter sagen muss. Das liegt ihm schwer auf dem Magen. Die Suche nach möglichen Ausreden und besten Darstellungen bringt nichts. Vom nahen Kieferbaum meldet sich laut eine Zikade. Er sucht und findet sie sofort. Das war nur eine kurze Ablenkung. In diesen sauren Apfel wird er wohl beissen müssen. Es gibt keinen Ausweg. Aber Mutter muss es auch einsehen. Für ihn ist es besser, wie es ist. Das hat schliesslich Pater Dinko gesagt und Mutter vertraut ihm.

Auf dem Rückweg freut er sich auf das neue Leben. Er wird in der gleichen Klasse sein wie Nikola, wird in der Nähe von Zdenka sein, ups, aber er wird schon aufpassen. Auf dem Rückweg, am Kloster vorbei, würde er am liebsten Pater Dinko sofort berichten, wie gut das alles eingerichtet wurde und wird nochmals versprechen, seinen Rat zu befolgen, jedoch ohne den Namen Gottes zu erwähnen. Zuerst möchte er die Neuigkeit Nikola überbringen, aber dafür muss er warten, bis der Unterricht fertig ist und das kann bis am späten Nachmittag dauern. Er schlendert durch schmale Gassen, läuft einige Kilometer bis zum schönen Kiesstrand, sucht die laute Zikade – und findet sie. Er watet im Meer. So gerne hätte er eine Zigarette angezündet, aber er hat keine. Endlich ist es so weit. Er sitzt mit Nikola oberhalb des Dorfes, raucht und plant die Zukunft, die erst vor drei Stunden eine neue Wendung genommen hat. Aber er ist zuversichtlich, dass es sich um genau den richtigen Weg handelt. Nur Mutter muss er noch überzeugen. Dieser Gedanke verzögert immer wieder das nach Hause gehen. Mit dem letzten Bus kommt er nach Oberdorf, macht noch einen letzten Umweg bei Nikola vorbei und kommt schliesslich daheim an.

Wider Erwarten ist die Mutter nicht unterwegs und nicht wie sonst beschäftigt. Sie sitzt auf der Holzbank neben dem Eingang, die Hände ineinandergefaltet auf dem Schoss. Er hat sie noch nie so unbeschäftigt gesehen. Meistens sitzt sie auch gar nicht, sondern ist ständig auf den Beinen und etwas am Tun. Die Holzbank ist üblicherweise der Platz, wo Tante Anta und Tante Tea nach der Tageshitze ausruhen.

Mutter wirkt klein in ihrem schwarzen Kleid. Seit Vater gestorben ist, trägt sie schwarz. Wie lange wartet sie schon dort? Sie schaut ihn an, unter dem schwarzen Kopftuch ihre grossen, traurigen Augen. In ihrem Blick ist keine Spur von Wut und keine Verurteilung zu erkennen, nur eine Traurigkeit und die Liebe zum Sohn mit einem Schatten der Enttäuschung. Sie weiss also Bescheid. Auf unerklärliche Weise verbreiten sich Nachrichten auf der Insel schneller als das Licht.

«Eh, mein Sohn», sagt sie. Sonst nichts. Ihm schnürt es die Kehle zu. Zum ersten Mal im Leben verspürt er ein Unbehagen, einen Schmerz der Seele, der unerträglicher ist als ein körperlicher Schmerz. Zum ersten Mal ist er sprachlos, bringt kein Wort heraus. Gern würde er verschwinden, aber auch wenn er sich in Luft auflösen könnte, der Schmerz würde bleiben. Und er weiss, dass er diese Strafe verdient hat. Er hat den Menschen, die er am meisten liebt, das Wertvollste genommen, was sie besitzen: ihre Hoffnung. Die Hoffnung, dass die Zukunft besser wird, dass es ihm, den sie am meisten lieben, besser geht als ihnen. Das hat er in dem Moment verstanden und ist auf einmal erwachsen geworden. Und schwört sich selber, nicht im Namen Gottes, dass er in einem Jahr die Hotelfachschule abschliessen wird, egal was es ihn kosten wird. Nicht wegen Gott, sondern wegen dieser traurigen Augen. Er schweigt. Diesmal wird er nichts verkünden. Er wird es einfach machen.

Plötzlich taucht Mara auf und setzt sich neben ihre Mutter. Sie war zusammen mit Tante Anta und Tante Tea in der Sommerküche und hat von dort aus die Szene beobachtet.

«Komm Mammita! Sei nicht traurig. Antonio ist nicht gestorben, und wenn du mich fragst, ist es nun besser so. Eines Tages wird Antonio eine Taverne eröffnen, und du und Tante Anta werdet dort euren Hasenragout mit Gnocchi kochen, und alle bekannten Leute aus der ganzen Welt werden hierherkommen.»

«Bis alle Hasen von der Insel verschwunden sind.» Anta unterbricht sie. Auf ihre pragmatische Art sieht sie sich schon in der Küche des zukünftigen Restaurants stehen. «Nein, wir behalten unsere Hasen für uns und kochen für die Fremden etwas anderes. Sie wissen unsere Hasen sowieso kaum zu schätzen.»

«Das werden wir noch sehen.» Mutter streicht mit dem Handrücken über die rote Wange von Mara, steht auf und verschwindet hinter dem Fliegenvorhang.

Antonio setzt sich auf die Bank neben seine Schwester und sagt nur: «Danke.» Mara und Anta schauen ihn erstaunt an.

Der letzte Sommer vor dem Erwachsensein

Es ist einer dieser Sommerabende am Meer, wo der Körper nur aus Sinnen besteht. Die kurze, abkühlende Abendbrise ist eingeschlafen, die Sonne untergegangen, aber der westliche Horizont und ein paar vereinzelte Wolken leuchten noch rot. Am hellblauen Himmel steht der aufgehende Neumond.

Ihre halbnackten Körper baden in der warmen Luft, erfüllt von Pinienduft. Überall hört man vertraute Stimmen und Gelächter. Es sind die Stimmen junger Frauen und Männer, nicht mehr das nervige Gekreische der Kinder, das über Jahre den Strand eingenommen hat. Für die Maturanden der Hotelfachschule in Fischerhafen war heute ihr letzter Schultag, für viele der letzte Schultag ihres Lebens. Was ihnen die Zukunft des Erwachsenseins bringen wird, wissen sie nicht, aber sie sind jung, sie sind gesund, sie sind glücklich, sie sind zusammen – eine ganze Generation, die auf dieser Insel, ihrer Insel, gross geworden ist. Viele gemeinsam verbrachte Tage und viel gemeinsam Erlebtes haben ein starkes Netz der Verbundenheit gewoben, das sämtliche Stürme, Herausforderungen und Versuchungen überstanden hat – und überstehen wird. Sie sind Freunde, sie sind zusammen, und so soll es bleiben. Das Meer, der Strand, die Insel, die Sterne, der Mond: Alles gehört ihnen. Die Zukunft auch!

Immer wieder wird gesungen. Zwei Gitarren und ein Akkordeon sind dabei. An einer geschützten Stelle am Strand brennt noch das Feuer. Das gegrillte Fleisch haben sie schon gegessen. Sie trinken Bier, das warm geworden ist, aber das stört niemanden.

Antonio stützt sich auf den Ellbogen und betrachtet den Mond. Seitdem er in der Klosterschule über Mondphasen und Himmelskörper unterrichtet wurde, ist seine Faszination für den Sternenhimmel, den er schon als Kind in klaren Nächten in Oberdorf immer lange beobachtet hat, noch gestiegen. Neben dem Mond taucht ein einsamer Stern auf.

«Was meinst du, lebt jemand dort auf dem Stern und schaut auf uns herab?», fragt Zdenka.

«Du hast wieder nicht aufgepasst in der Schule», Roberto dreht sich zu Zdenka, die neben Antonio sitzt. «Erstens ist das kein Stern und zweitens ...»

«Ah, lass deinen Vortrag», unterbricht ihn Antonio, «wir wissen schon, du warst im Gymnasium und in zwei Jahren hast du die ganze Weisheit der Welt aufgesaugt.»

Roberto will kontern, aber Antonio spricht schon leise zu Zdenka:

«Egal ob Stern oder Planet, bewohnt, oder nicht – ich schenke ihn dir!» Er legt seinen Arm um Zdenkas Schulter und fährt mit der Hand durch ihre blonden Haare. Sie rutscht näher.

Zwei Wochen später liegen Antonio und Zdenka am gleichen Ort. Roberto und Julia waren auch da, bevor sie bis zur nächsten Bucht spazieren gegangen sind. Genau gleich Nikola und eine Studentin aus der Grossstadt, die hier in den Ferien ist. Sie sind weitergegangen, bis zur Bucht, wo die Weinberge von Nikolas Vater bis zum Meer reichen. Es hat genügend einsame Buchten auf der Insel. Jedes Paar kann sich eine aussuchen.

Nach dem Baden liegen Antonio und Zdenka auf den warmen Kieselsteinen, die auf diesem exponierten Strand durch Wellen und Reibungen schön gerundet sind, sodass sich beide nur ein bisschen räkeln müssen, um ein bequemes, massgeschneidertes Kieselsteinbett zu formen. Dass die Touristen lieber auf Plastik-Matratzen liegen, ist ihnen unbegreiflich.

Antonio dreht sich zu Zdenka und fragt: «Wirst du auf mich warten, bis ich aus dem Militär zurückkomme?»

«Ja», antwortet sie sofort.

Antonio setzt sich auf und betrachtet Zdenka. Sie hat langes, welliges, blondes Haar. Sonst hat sie die typische Statur der Insulanerinnen mit breiten Hüften und dicken Waden. Ein ausländischer Freund wird später behaupten, dass dieser Körperbau mit dem tiefen Schwerpunkt den Ansprüchen der Insel am besten entspricht. Es garantiert bessere Stabilität beim Laufen über die vielen Steine und bei starken Winden. So bauen Insulaner ihre Schiffe – mit rundem Bug gegen Wind und Wellen.

Antonio findet einen herzförmigen Kieselstein und legt ihn Zdenka auf den Bauch.

«Wenn ich zurück bin aus dem Militär, willst du mich dann heiraten?», verdeutlicht er seine Frage. Gleichzeitig denkt er an die Worte Pater Dinkos. Sind sie noch zu jung, um zu heiraten? Aber er meint es ernst. Mindestens so ernst wie das jemandem mit neunzehn Jahren möglich ist. Gespannt wartet er auf Zdenkas Antwort.

Sie nimmt den Kieselstein und schaut ihn lange an. Dann setzt sie sich auf und schaut Antonio in die Augen. Als ob sie seine Gedanken lesen könnte, fragt sie: «Meinst du es wirklich ernst?» Antonio ist offenbar nicht dafür bekannt, etwas wirklich ernst zu nehmen.

«Ich hab’ dich so gern, aber du solltest nicht mit mir spielen. Heiraten ist für mich etwas Ernstes. Du musst dir das wirklich gut überlegen. Jetzt denkst du so, und auf einmal, wenn du weg von hier bist, sieht alles anders aus. Geh ins Militär und wenn du zurück bist, kannst du mich nochmals fragen. Ich werde auf dich warten.»

Antonio nickt: «Im Hotel haben sie mir einen Job angeboten. Ich kann gleich nach dem Militärdienst anfangen. Ich meine es ernst und ich werde die Frage an dich in einem Jahr wiederholen.»

Schweigend nimmt Zdenka einen grosszahnigen Kamm aus der Strandtasche und kämmt sich die nassen Haare. Antonio übernimmt diese Arbeit. Er liebt ihre Haare.

«Du», sagt er, «deine Haare sind nicht von hier. Da war sicher einer dieser Ausländer am Werk. Hast du schon deine Mutter gefragt?»

«Egal», sagt sie, «aber falls wir ein blondes Kind haben werden, wie wirst du wissen, dass es von dir ist?»

«Egal», witzelt er, «Hauptsache, es hat keine schwarze Hautfarbe.»

«Und was ist mit all diesen Sarazenen, die hier vorbeigehuscht sind? Vielleicht ist immer noch etwas von ihnen da.»

«Lass die Sarazenen aus dem Spiel. Du musst nicht schon jetzt nach einer Ausrede für deine Untreue suchen.»

Sie wälzen sich im Kies, stehen auf und rennen ins Wasser, dann küssen sie sich salzig und nass.

«Wirst du mich im Militär besuchen?», fragt Antonio.

«Ja», antwortet Zdenka, «damit du Ausgang bekommst», fügt sie spöttisch hinzu und lacht.

«Nur deswegen?»

«Nicht nur deswegen.»

Wie versprochen, besucht Zdenka Antonio im Militär und wie versprochen, stellt er ihr nach dem Ende seiner Dienstzeit die Frage erneut: «Willst du mich heiraten?»

«Ja», antwortet sie ohne Zögern. Sie ist im fünften Monat schwanger

Hochzeit auf der Insel

Das Hochzeitsfest findet im Spätherbst im Hotel statt, in dem Antonio arbeitet. Wie hier üblich, sind alle Verwandten, Freunde und Bekannten von der Insel eingeladen, dazu noch Verwandte vom Festland und Antonios neue Freunde vom Militär. Insgesamt sind es über 200 Gäste. Das Hotel ist um die Jahreszeit fast leer. Die einzigen zwei verbliebenen Gäste sind eine ältere Ausländerin, die jedes Jahr um diese Zeit einen Monat hier verbringt, um dem Herbstnebel im Norden zu entkommen, und ein einheimischer Schriftsteller, der die Geschichte des Dorfes niederschreibt. Die zwei Hotelgäste sind selbstverständlich eingeladen worden. Der Schriftsteller soll bitte etwas Nettes darüber schreiben.

Das Geld für die Hochzeit wird von den Verwandten gesammelt. Von Antonios Seite her hat den grössten Anteil sein Onkel gespendet. Da er gelegentlich im Ausland arbeitet, hat er mehr Geld als der Rest der Familie. Das Essen und Trinken kommt aus den eigenen Produktionen. Dem Hotel wird für die Räumlichkeiten eine symbolische Summe bezahlt. Die Kollegen von Antonio und freiwillige Helfer im Service und in der Küche arbeiten gratis, aber sie werden selbstverständlich ein dickes Trinkgeld bekommen.

Am Hochzeitstag ist schon seit früh am Morgen die halbe Insel in Bewegung. Bei Antonio haben seine vier Frauen, aus Aufregung und Sorge, ob alles gut gehen wird, eine schlaflose Nacht hinter sich. Nun geht es endlich los.

Für diesen Anlass hat Mutter ein dunkelblaues Kleid mit einem gestickten weissen Kragen angezogen. Ihr dickes Haar hat sie zum Zopf geflochten, gerollt und zum Knoten befestigt. Antonio sieht sie zum ersten Mal ohne das schwarze Kopftuch und ohne schwarze Kleider. Sie wirkt frisch und sieht jünger aus. Sie ist glücklich, wenn auch etwas besorgt. Die beiden sind noch so jung. Aber Antonio hat bewiesen, dass er, wenn er wirklich will, etwas zustande bringt. Er hat in nur einem Jahr alle ausstehenden Prüfungen abgelegt und die Hotelfachschule gleichzeitig mit den regulären Schülern abgeschlossen.

Mara trägt ein enges, einfaches, grünes Kleid, ein Meisterwerk von Anta, dazu einen altmodischen Filigranschmuck, den Antonio noch nie gesehen hat, auch ein Geschenk von Anta. Im Kleid und mit hohen Absätzen wirkt sie grösser und sieht schlanker aus. Antonio staunt und zum ersten Mal realisiert er, dass seine kleine Thunfischschwester eine junge Frau geworden ist. Roberto wird das auch merken. Er wird den ganzen Abend mit Mara tanzen, und sie wird immer schöner werden. Robertos Freundin Julia hingegen wird die ganze Zeit an der Seite von Nikola sein. Er ist nicht mehr mit der Studentin aus der Grossstadt zusammen.

Tante Anta trägt einen grauen Rock und eine Jacke, die sie seit je her für ähnliche Anlässe und sonntägliche Kirchenbesuche anzieht. Diesmal aber mit einer weissen Bluse mit besonders schön gesticktem Kragen und Manschetten, die dem einfachen grauen Deux-Pièces einen edlen Touch verleihen und sie wie eine strenge Gouvernante reicher Kinder aussehen lassen. Gross gewachsen und mit gerader Haltung und wachen, schwarzen Augen strahlt sie auch im Alter etwas Besonderes aus. Auch sie trägt einen Schmuck, den Antonio noch nicht gesehen hat – eine Perlenkette, die sie von ihrem Mate auf ihre Hochzeit geschenkt bekommen und nie getragen hat. Lange hat sie mit sich kämpfen müssen, bis sie sich entschlossen hat, die Kette heute zu tragen. Wie oft holte sie sie aus der Truhe, hielt sie in den Händen und weinte lautlos. Die Tränen konnte sie nie unterdrücken. Stets musste sie die Kette trocknen, bevor sie sie wieder in der Truhe verstaute. Auch an dieser Hochzeit wischt sie sich immer wieder die Tränen aus den Augen. Diesmal sind es Glückstränen, weil sie Antonio und Zdenka sieht. Sie weint und lächelt gleichzeitig, freut sich und betet, dass das ungeborene Kind gesund ist. Dann wird sie nachdenklich und wischt sich wieder eine Trauerträne aus dem Gesicht. Diesmal gilt diese ihrem Mate. Dann schaut sie Mara an. Das entlockt ihr wieder eine Glücksträne, nur mit einem kleinen Schatten. Roberto ist nicht für Mara, er ist der Falsche. Sie muss ihr das sagen, aber nicht heute. Heute ist sie glücklich. Dann schaut sie Nikola an. Er gleicht sehr seinem Vater. Wenn der liebe Gott erlaubt hätte, dass sie und Mate einen Sohn hätten, wäre er Nikola ähnlich? Erneut wischt sie sich eine Träne aus den Augen.