Expedition Fernweh - Claudia Wiesenack - E-Book

Expedition Fernweh E-Book

Claudia Wiesenack

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Beschreibung

Expedition Fernweh - ein Jahr, ein Rucksack und ganz viel Pura Vida

Das E-Book Expedition Fernweh wird angeboten von BoD - Books on Demand und wurde mit folgenden Begriffen kategorisiert:
Reise, Reisebuch, Weltreise, Abenteuer, Tourismus

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INHALTSVERZEICHNIS

Vorwort

Panama -

Der perfekte Start

Costa Rica -

Liebe auf den zweiten Blick?

Nicaragua -

Leben wie ein Local

Peru -

Es ist kalt

Telepathie mit Schamanen

Costa Rica -

Folge deinem Herzen

Guatemala -

So viele Abenteuer

Mexiko -

Wie ein Fliegengitter meine Reise rettet

USA -

die Glamourzeiten sind vorbei

Cook Inseln -

Ein Traum wird wahr

Gestrandet im Paradies

Thailand -

Ich schmeiße Gold in den Mülleimer

Kambodscha -

Mönchsgesang im Morgengrauen

Vietnam -

Das Chaos lebt!

Malaysia -

Am Rande des Wahnsinns

Singapur -

Mein Reisegepäck ist jetzt endlich vollständig

Brasilien -

Zwischen Arm und Reich

Argentinien -

Auf der Suche nach meinem Dealer des Vertrauens

Brasilien -

Meine größte Herausforderung!

Deutschland -

Nur ein Zwischenstopp?

Nachwort und Danksagung

Die wichtigsten Fakten vorweg:

Auf meiner Weltreise habe ich natürlich weit mehr erlebt, als in dieses Buch hineinpassen würde. Dennoch möchte ich euch an meinem großen Abenteuer teilhaben lassen. Vielleicht animiert es den ein oder anderen oder gibt ein paar nützliche Tipps, was man tun oder lieber lassen sollte.

Meine Weltreise umfasst:

19 Länder

327 Tage

92.468 Kilometer

4 von 7 Kontinenten

11 verschiedene Zeitzonen

Über 180 Stunden in Bussen

Auf über 5000 Höhenmetern gewandert

Knapp 100 verschiedene Unterkünfte

Naturschauspiele von Biolumineszenz bis zu Vulkanausbrüchen

Unzählige Abenteuer

Mehr oder wenig erfolgreich abgewehrte Korruptionsversuche

Halluzinogene Pflanzentrips in Südamerika

Neue Freundschaften auf der ganzen Welt

Stolze Adoptivmama von Frida

Eine sehr starke Persönlichkeitsentwicklung und Reise zu mir selbst

Unzählige Sonnenauf- und Untergänge in sämtlichen Facetten

Erlebnisse, die ich nie wieder vergessen werde (und möchte)

VORWORT

Ein Gefühl von Leere und Langeweile macht sich in mir breit. Irgendwie habe ich mir ein spektakuläreres Gefühl für meinen Lebensumbruch vorgestellt. Ich sitze gerade im Zug und bin auf dem Weg zu meiner Familie nach Jena. Die letzten sechs Jahre habe ich in München gelebt, sehr viel gearbeitet und versucht, das Beste aus meinem Leben zu machen. Aber so wirklich angekommen und glücklich war ich nie. Außer Überstunden zu sammeln, das Geld für meine überteuerte Miete auszugeben und dem Versuch, es allen recht zu machen, war da nicht mehr viel übrig. Ich selber habe mich als Person vergessen - und auch meinen Traum, den ich schon lange habe: einmal um die Welt zu reisen, die Sehnsucht nach dem Fernweh zu stillen, den Tatendrang, Abenteuer zu erleben und mit eigenen Augen fremde Länder und Kulturen zu erkunden. Es war immer nur eine Wunschvorstellung, die ich aber nie wirklich beachtete. In den letzten Jahren merkte ich aber, wie dieser Wunsch immer mehr zu einem Verlangen wurde und ich, wenn ich glücklich sein möchte, diesem nachgehen muss.

Ich hatte die letzten Jahre bei der Arbeit wirklich alles gegeben und so gut es ging mein Geld gespart, um mir diesen Traum irgendwann erfüllen zu können. Dass ich mich jetzt, mit meinen 30 Jahren, tatsächlich getraut habe, meinen Job zu kündigen, meine Wohnung aufzugeben und alle meine Möbel zu verkaufen, um mit einem One Way Ticket in die große Welt hinauszuziehen, wäre vor zwei Jahren dann doch unvorstellbar gewesen. Da mich aber nichts mehr in meiner Arbeit und in München hält, fand ich letztendlich den Mut aufzubrechen und bin jetzt nur noch im Besitz meines Reisegepäcks und ein paar Kisten, welche ich im Haus meiner Eltern untergebracht habe.

Es war nicht ganz einfach, alles aufzugeben, aber letztendlich dachte ich mir, werde ich nur so das Gefühl der kompletten Freiheit verspüren und zu mir selber finden. Auf Reisen gehen, ohne gedanklich an Deutschland gebunden zu sein und den Luxus zu haben, spontan zu entscheiden, wie lange ich unterwegs sein werde. Allein diese Vorstellung ist grandios und auf einmal ganz nah.

Die Reaktionen auf mein Vorhaben fallen sehr unterschiedlich aus. Von „Megacool, du musst das unbedingt machen“ bis hin zu „Wie verantwortungslos bist du eigentlich?“ ist alles dabei. Doch die meisten Reaktionen sind sehr positiv und bringen mir viel Respekt gegenüber meinen Plänen ein. Oft werde ich gefragt, wie lange ich weg sein werde, und was meine Reiseziele sind. Meine Antwort darauf ist immer dieselbe: „So lange, wie ich Lust und Geld habe“. Klar habe ich grobe Ideen im Kopf, wo ich überall hinmöchte. Besonders die Fernziele reizen mich sehr, da ich mich ungern für zwei Wochen Urlaub auf einen 15-stündigen Flug begebe. Aber oft erfährt man erst auf Reisen von neuen Orten, die man nicht eingeplant hat oder es gefällt einem irgendwo doch nicht so sehr und dann sitzt man dort fest. Ich möchte so wenig wie möglich vorab durchplanen und organisieren, damit ich mein Freiheitsgefühl behalten und das Leben so annehmen kann, wie es kommt. Auch, wenn ich das mit meiner deutschen Mentalität noch etwas üben muss.

Ich persönlich befinde mich noch im Gefühlchaos, beziehungsweise wäre es gerne, da ich aktuell nichts verspüre. Die große Vorfreude, dass ich endlich meinen Traum umsetze, hat sich versteckt. Der Panikanfall, auf den ich warte, seitdem ich meinen Job und meine Wohnung gekündigt habe, scheint auch schon auf Wanderschaft gegangen zu sein. Selbst nach meinem letzten Arbeitstag und zur Wohnungsübergabe fühlt es sich alles irgendwie normal und unspektakulär an. Mal schauen, wann und ob der große Knall noch kommt.

Die Expedition soll Anfang April starten und Panama ist der erste Abschnitt meines großen Abenteuers. Dieses Land stand nie auf meiner Reiseliste. Ich konnte auf Grund von verschiedenen Terminen, die ich nur sehr kurzfristig bekommen habe (die Bürokratie lässt grüßen) erst drei Wochen vor Abreise meinen Flug buchen. Eigentlich wollte ich in Costa Rica starten. In der derzeitig weltweiten Pandemiesituation ist der Beginn meiner Reise in Lateinamerika am unkompliziertesten. Hier passt es aktuell auch vom Klima gut, da in Mittelamerika die Regenzeit gerade anfängt und es dort nicht mehr ganz so heiß ist. Außerdem habe ich mit dem Jetlag weniger Probleme, als wenn ich Richtung Osten reise. Jedoch bekomme ich einen Schock, als ich die Flugpreise sehe. Ok, es sind Osterferien, aber 1000 Euro One Way nach Costa Rica bereits als erste Reiseausgabe zu haben, bereitet mir Sorgen. Wenn sich das so durchziehen wird, ist meine Reise vermutlich schneller zu Ende, als mir lieb ist. Ich spiele sämtliche Flugoptionen durch, aber es wird preislich einfach nicht besser. Ich schaue auf der Karte, was in der Nähe von Costa Rica noch liegt, und da präsentiert sich die Lösung. Berlin-Paris-Panama-Stadt für 329 Euro mit derselben Airline wie nach Costa Rica. Gebucht! Dies war eine Entscheidung innerhalb von fünf Minuten. Ich weiß nicht wieso, aber es fühlt sich gut an. Ist es der günstige Preis, das fixe Buchen des ersten Reiseabschnittes oder das Gefühl, dass ich jetzt schon spontan bin und mich einfach darauf einlassen kann, was passiert? Ich weiß es nicht, sicher ist jetzt nur, dass mein großes Abenteuer in Panama starten wird. Ich bin gespannt, was ich alles erleben werde!

Bevor es jedoch los geht, habe ich noch einige Dinge zu erledigen. Mich von Freunden und Familie verbschieden. Noch einmal beim Zahnarzt vorbeischauen, der in der Tat akut eine Wurzelbehandlung durchfuhren muss. Noch nie in meinem Leben hatte ich Probleme mit meinen Zähnen und genau jetzt, eine Woche vor dem Abflug muss es anfangen. Vier Behandlungen später, die letzte davon zwei Stunden vor meiner Abreise, ist die Wurzel draußen und ich bin startklar. Ich hatte schon Wahnvorstellungen im Kopf, wie mir im Dschungel der Zahn gezogen wird.

Ich habe auf den letzten Drücker noch nötige Reiseutensilien wie Wanderschuhe, Regencape etc. gekauft und natürlich ganz viel Bürokratie erledigt - spätestens bei diesem Punkt bin ich froh, hier bald raus zu sein.

Panama –

DER PERFEKTE START

April

Ich habe für Panama-Stadt nur einen kurzen Aufenthalt von zwei Tagen eingeplant. Quasi nur ein Zwischenstopp, um hier erst einmal anzukommen und um mich zu orientieren. Ich bin gerade erst in der Stadt eingetroffen und schon prasseln die Eindrücke einer neuen Kultur auf mich ein. Die Gerüche, die Sprache, die Architektur, die Landschaft - einfach alles ist anders und ungewohnt. Alle Menschen hier sind so offen, extrem hilfsbereit und herzlich! Die Sonne scheint und an das tropische Klima muss ich mich erst noch gewöhnen. Ich fahre schnell in meine Unterkunft, um mein Gepäck abzulegen, eine Dusche zu nehmen und noch etwas Schlaf nachzuholen.

Am Nachmittag gehe ich im Nationalpark spazieren und versuche mich mit den Gärtnern zu unterhalten. Mein Spanisch ist mittlerweile sehr eingerostet und eingeschränkt. Sie fragen mich: „Hast du heute schon ein Faultier gesehen?“

„Nein. Ich habe noch nie in meinem Leben eins gesehen", erwidere ich etwas traurig. Die Männer schauen mich verwundert an. Sie glauben mir nicht. Ich versuche ihnen klar zu machen, dass wir diese Tiere in Europa nicht haben, aber auch das können sie mir nicht glauben. Dafür haben sie jetzt eine neue Aufgabe und alle drei gehen auf die Suche. Nach ca. 15 Minuten kommt einer der Gärtner mit freudiger Botschaft zurück. „Ich habe ein Faultier gefunden, welches ich dir zeigen möchte. Komm mit.“

Gespannt folge ich ihm und nach einem kleinen Spaziergang zeigt er auf eine Baumkrone. Ich schaue hinauf und sage: „Ich sehe nichts.“

„Da, ganz da oben am Ast“, erklärt er mir und zeigt mit seinem Finger, wo ich hinschauen soll.

„Ich sehe immer noch nichts.“

„Doch da, der braune dicke Fleck am Ast.“

Ach, das soll also ein Faultier sein? Jetzt verstehe ich, warum die Männer so lange gesucht haben. Selbst durch meine Kamera und mit Zoom kann ich das Tier nur erahnen! Ich freue mich aber, dass die Herren so hilfsbereit waren und nachdem sie mir stolz das Faultier präsentierten, scheint auch ihre Aufgabe erfüllt zu sein. Sie packen ihre Sachen zusammen und beenden ihren Arbeitstag. Ich verweile noch ein bisschen im Park und genieße die tropische Natur, bevor ich auch zurück in meine Unterkunft gehe.

Ostern steht vor der Tür und ich fahre für ein paar Tage nach Santa Catalina. Hier bin ich bei einer Familie untergekommen, die etwas außerhalb wohnt und drei Gästezimmer vermietet. Eigentlich wollte ich so eine coole Strohhütte direkt am Strand buchen, aber über die Feiertage war ich froh, dass ich überhaupt so kurzfristig noch ein Zimmer finden konnte, da alles ausgebucht ist.

Ich glaube, ich wäre in keiner anderen Unterkunft besser aufgehoben gewesen. Ich bin noch keine fünf Minuten da und Oma Julia bereitet mir schon einen frischen Obstsalat mit den Früchten aus dem eigenen Garten zu. Sie weiß, dass es in Deutschland kein so gutes Obst gibt und ich mich darüber freue. Ein weiterer Teil der Familie lädt mich direkt zu ihrem Osterausflug ein und kurze Zeit später sitze ich auf einem Jeep hinten auf der offenen Ladefläche und spüre wie der Wind meine Haare fliegen lässt. Alles, was in Deutschland verboten ist, macht in anderen Ländern natürlich umso mehr Spaß! Ich muss mich gut festhalten, da die Strecke über den Strand, durch einen Fluss und im Anschluss über einen prophylaktischen Weg durch den Dschungel verläuft. Es ist besser als jede Achterbahnfahrt und das Adrenalin versetzt mir ein Dauergrinsen ins Gesicht.

Da ich direkt in die Familie integriert werde, komme ich schnell mit den Einheimischen vom Dorf in Kontakt und sitze gleich am ersten Abend mit zwei neuen Freunden von der Polizei zusammen und spiele eine Runde Domino nach der anderen. Ich bin einfach glücklich hier und habe keine Sorgen wegen irgendwas. Deutschland und alles dort kommt mir auf einmal so weit weg und unwichtig vor. Auch die Sorge, welche ich vor der Reise hatte, dass ich viel alleine sein würde, rückt langsam in den Hintergrund. Ich glaube, ich komme jetzt so richtig an!

Natürlich gibt es auch einen Grund, warum ich nach Santa Catalina wollte. Es heißt, hier sei das Paradies für Schnorchel- und Tauchausflüge. Als ich am nächsten Tag meine Gastfamilie beim Frühstück darauf anspreche, organisieren sie mir kurzerhand noch einen Platz bei Bekannten, die solche Touren anbieten. Schnell suche ich mein Schnorchelequipment zusammen und gehe zum Treffpunkt. Der „Nationalpark Coiba“ war früher eine Gefängnisinsel, welche nicht öffentlich zugänglich war, weshalb heute die Natur dort noch relativ unberührt ist.

Mit etwas Verspätung startet unsere Tour. Schon auf dem Weg zur Insel Coiba begleiten uns eine Gruppe Delfine, welche neben unserem Schnellboot mitschwimmen und immer wieder ihre Sprungkünste präsentieren. Noch nie in meinem Leben bin ich Delfinen so nah gewesen und werde sofort von ihrer spielerischen, fröhlichen Art in ihren Bann gezogen. Als wir im Schnorchelgebiet vom Nationalpark ankommen, verabschieden sich unsere Weggefährten und wir werden Augenzeugen vom Zauber des Ozeans. Zwischen bunten Fischschwärmen Schnorchel ich durch das Wasser und schaue großen Schildkröten beim Essen zu. Es ist ein atemberaubendes Gefühl, inmitten des Meereslebens zu sein, bis unter mir ein Riffhai vorbeischwimmt. Ich dachte immer, dass, wenn ich einem Hai begegne, ich panische Angst bekommen würde. Aber dieser ist nicht so groß und scheint kein Interesse an mir zu haben. Begeisterung und Neugier machen sich in mir breit und ich versuche, ihm ein Stück hinterherzuschwimmen. Dieses Erlebnis ist ein erster Einblick in unsere paradiesische Welt, ohne zu wissen, wie viele noch folgen werden!

Nach vier Tagen in Santa Catalina heißt es dann Abschied nehmen. Meine Route führt weiter ins Landesinnere nach Boquete. Der Plan ist, mich in kleinen Etappen nach Costa Rica vorzuarbeiten, wo ich ja ursprünglich starten wollte.

In Boquete warten schon Horst und Sarah auf mich. Die beiden habe ich an meinem ersten Tag in Panama-Stadt kennengelernt. Wir sind alle orientierungslos im Park herumgeirrt und gaben uns gegenseitig Tipps, welchen Weg man am besten langgeht. Als ich dann am nächsten Morgen mein Zimmer im Hostel verlassen hatte, hörte ich Stimmen aus der Küche, die mir bekannt vorkamen. Es waren Horst und Sarah, die im gleichen Hostel eingecheckt hatten, ohne dass wir voneinander wussten. Wie klein Panama-Stadt doch ist! Wir frühstückten also zusammen und beschlossen, uns auf unserer Reiseroute in Boquete wiederzusehen. Ich freue mich sehr auf bekannte Gesichter, was eine interessante Aussage ist, da ich sie ja erst seit einer Woche kenne. Ich glaube, es ist eher die beruhigende Tatsache, zu realisieren, dass ich auf meiner Reise nicht ganz alleine bin und ich immer wieder Gleichgesinnte treffen werde.

Panama ist generell ein sehr schönes Land, was viel zu bieten hat. Traumhafte Strände auf der Karibikseite, ein Surf- und Schnorchelparadies an der pazifischen Küste und dazwischen sehr viel unberührte Natur. Ich bin erstaunt, da ich persönlich niemanden in meinem Bekanntenkreis habe, der schon einmal in Panama war und ich dennoch während meiner Durchreise immer wieder auf Deutsche treffe.

Im Landesinneren erkunde ich den Dschungel, Wasserfälle und heiße Quellen. Doch das Meer ruft, also fahre ich nach ein paar Tagen weiter nach Bocas del Toro. Ein wahrer Traum von der Karibik. Zuckerweiße Sandstrände, kristallklares, türkises Wasser, eine kalte Pipa in der Hand (so nennen die Einheimischen die Kokosnüsse in Mittelamerika) und das Rauschen vom Meer im Ohr. Was braucht man mehr? Ein paar Seesterne! Mir kam zu Ohren, dass es diese auf der Hauptinsel gibt, wo man mit etwas Glück sehr große Seesterne sehen kann. Als ich mich dazu genauer informiere, erfahre ich, dass die Seesterne leider nicht mehr da sind, weil in der Vergangenheit zu viele Touristen kamen und nicht achtsam mit den Meeresbewohnern umgegangen sind. Es macht mich traurig und wütend, wenn ich solche Geschichten höre. Wir alle sollten achtsam sein gegenüber allen Mitbewohnern auf diesem Planeten!

Ich beschließe trotzdem, an diesen Strand zu fahren, da er auf den Bildern wunderschön aussieht und er für mich auch ohne Seesterne einen Ausflug wert ist. Ich mache gleich früh um 7 Uhr los, da ich vor der großen Mittagshitze da sein möchte und mir eine schattige Palme suchen kann. Das war die beste Entscheidung, die ich treffen konnte. Ich komme um halb 9 an und am Strand ist außer mir niemand. Ein entspanntes Gefühl macht sich in mir breit und wer hätte es gedacht, da sehe ich etwas Großes, rotes im Wasser schillern. Ich glaube meinen Augen kaum, da ist ein Seestern! Rasch lege ich meinen Rucksack ab und gehe behutsam ins Wasser. Ich laufe immer weiter und entdecke immer mehr von ihnen. Jetzt befinden sich so viele um mich herum und ich kann sie in den verschiedensten Farben bestaunen. Diesen Moment weiß ich durch die Vorgeschichte so sehr zu schätzen! Noch für eine Weile bestaune ich die Seesterne, bedanke mich leise bei der Natur für diesen wunderschönen Morgen und gehe vorsichtig aus dem Wasser heraus.

Seesterne überall!

Je später es wird, desto mehr Menschen kommen zum Strand. Alle fünf Meter wird laute Musik abgespielt, Getränke im Wasser verschüttet und umhergerannt. Das ist eindeutig zu viel für die Meeresbewohner. Sie verabschieden sich langsam und verschwinden in den Tiefen des Ozeans.

Mit Sarah und Horst auf der Floating Bar

Die Einheimischen erklären mir: „Durch die Coronapandemie und die fehlenden Touristen hat sich der Strand erholt und die Seesterne kommen jetzt zum Glück wieder.“ Auch mir ist es hier mittlerweile zu voll geworden und ich tue es den Meeresbewohnern gleich und gehe. Am Nachmittag treffe ich Horst und Sarah wieder. Ja, wir sind schon fast Reisebuddies geworden. Gemeinsam buchen wir uns ein Wassertaxi und fahren zur „Floating-Bar“, eine schwimmende Bar auf dem Meer mit den definitiv besten Tacos, die ich bisher gegessen habe!

Insgesamt bin ich zwei Wochen in Panama. Die Reise hier ist ungeplant, spontan und es ist verdammt gut! Ich habe den besten Start für meinen Trip, den ich mir nur hätte wünschen können. Ende April soll es dann nach Cahuita gehen. Costa Rica! Das Land, auf das ich mich die letzten Monate so sehr fokussiert habe. Aber ich bin auch traurig. Die Reise in ein neues Land, auch wenn es nur 40 Kilometer nördlich liegt, fühlt sich wie ein Abschied an. Abschied von einem Land mit tollen Erfahrungen und meinen Freunden, die ich in Panama kennengelernt habe. Ich habe mal in einer Reportage gelesen, dass man aufpassen muss, wenn man auf Reisen geht, dass man die Leute, die man kennenlernt, nicht zu sehr in sein Herz schließt. Ich fand es damals etwas übertrieben. Wie solle ich jemanden, den ich seit ein paar Tagen kenne, so sehr ins Herz schließen können? Jetzt verstehe ich sehr gut, was damit gemeint ist. Die richtigen Freunde daheim sind weit weg, leben ein anderes Leben und der Kontakt ist eingeschränkt. Man ist alleine unter Menschen, die ähnliche Pläne haben wie man selbst. Zusammen erlebt man außergewöhnliche Momente, die verbinden. Man fängt an über Themen zu reden, die man seinen „normalen Freunden“ erst nach ein paar Jahren erzählen würde. Es ist eine Ausnahmesituation, in der man sich befindet und mit der ich erst noch lernen muss umzugehen.

Als ich über die Grenzbrücke von Panama nach Costa Rica laufe, kann ich meine Tränen nicht mehr zurückhalten. Ein Gefühl der Einsamkeit und Angst macht sich in mir breit. Ich lasse die schöne, erlebnisreiche Zeit in Panama zurück und muss in einem unbekannten Land wieder von vorne anfangen. Alles wird neu sein und ich werde niemanden kennen. Am liebsten würde ich meinen Ausreisestempel aus dem Pass reißen und wieder umdrehen.

Costa Rica –

LIEBE AUF DEN ZWEITEN BLICK?

Cahuita heißt das erste Ziel auf meiner Reise in Costa Rica. Dieser Ort liegt ca. 20 Kilometer nördlich von der Grenze zu Panama und schon im Bus auf dem Weg dahin verstärkt sich mein Gefühl des Unwohlseins, welches ich bereits beim Grenzübergang auf der Brücke verspürte. In Cahuita angekommen, regnet es in Strömen, es ist grau und ungemütlich. Ich befinde mich auf dem Weg zu meiner Unterkunft und stelle fest, dass diese deutlich weiter im Dschungel liegt, als es auf der Karte dargestellt war. Durchgeschwitzt und nass vom Regen komme ich nach einer gefühlten Ewigkeit an meinem Quartier an, wo mich eine Frau mit den Worten: „Hallo, ich bin Maria aus Berlin“ begrüßt.

Maria ist meine neue Bungalownachbarin und meine erste Bezugsperson, welche ich in diesem Land kennenlerne. Da es schon den ganzen Tag regnet, hat sie viel Zeit, mir alle Horrorgeschichten, die sie über Costa Rica hörte, zu erzählen. Es scheint, als hätte sie hier keine gute Zeit gehabt und könne es kaum abwarten, wieder nach Deutschland zurückzufliegen. Am Nachmittag beschließe ich dann, trotz des Regens in das Dorfzentrum zu schauen. Ich will mir eine Sim-Karte kaufen und ich liebe es, Supermärkte in neuen Ländern zu erkunden. Ich bin immer neugierig zu sehen, was es in den verschiedenen Ländern für Produkte gibt und wie die Preise sind. Leider scheint das Wetter auf das Gemüt der Bewohner Einfluss zu haben. Die Verkäufer im Supermarkt und im Handyladen bedienen mich beide extrem unfreundlich und sind nicht sonderlich hilfsbereit. Ich vermisse Panama also schon wieder. Getrübt von der Stimmung, gehe ich nach Hause, wo Maria schon wartet, um mich auf die bevorstehende Nacht einzustimmen.

„Wir sind hier irgendwo im Nirgendwo. Sei vorbereitet, falls Einbrecher kommen oder wilde Tiere. Verriegele die Tür, kauf dir ein Moskitonetz und versiegele die Abflüsse.“

Ich glaube, Maria hegt einen kleinen Drang zur Dramatik. Ich mache mir keine Gedanken wegen irgendwelcher Einbrecher oder Spinnen. Lediglich die nicht abgedichtete Tür bereitet mir aktuell Sorgen. Seitdem ich denken kann, habe ich eine sehr ausgeprägte Schlangenphobie. Es mag verrückt sein, dass ich dann freiwillig Länder bereise, wo es nur so vor Schlangen wimmelt, aber ich möchte mein Leben nicht von meiner Angst bestimmen lassen! So viele schöne Erlebnisse würde ich verpassen, wenn ich mich von diesen negativen Emotionen leiten lassen würde! Ich nehme also ein paar Handtücher und Kissen in die Hand und stopfe diese zwischen die Türschlitze. Das sollte als Schutzvorrichtung reichen. Ich lege mich mit einem doch etwas mulmigen Gefühl ins Bett. Meine erste Nacht im Dschungel, es wirkt tatsächlich beängstigend. Es ist stockdunkel, ich höre draußen sämtliche Tiere und durch den Wind knackst es ständig in den Bäumen. So kann ich einfach keinen Schlaf finden. Diese ungewohnte, furchteinflößende Umgebung....

Ich weiß nicht, wie lange ich jetzt schon mit gespitzten Ohren im Bett liege, als ich plötzlich einen lauten Knall höre und hochschrecke mit dem Gedanken - jetzt wurde jemand erschossen! Maria hat recht und hier sind Verbrecher unterwegs! Ich spüre, wie sich die Angst in meinem Körper breit macht und ziehe meine Bettdecke wie einen Schutzwall über meinen ganzen Körper. Kurz später öffne ich wieder die Augen, aber in dieser Dunkelheit kann ich einfach gar nichts erkennen. Zögerlich bewege ich meine Hand zu meiner Nachttischlampe. Wenn ich jetzt das Licht anmache, würde ich die Verbrecher gleich auf mich aufmerksam machen und zu mir locken. Mit diesem Gedanken im Kopf ziehe ich meine Hand langsam zurück und bleibe für die nächsten Stunden regungslos im Bett liegen. Ist meine Kissenvorrichtung auch stabil oder ist schon eine Schlange im Zimmer? All diese Gedanken kreisen die ganze Nacht in meinen Kopf herum und ich habe mich noch nie so sehr auf das Morgenlicht gefreut wie in dieser Nacht!

Am nächsten Morgen stehe ich auf und inspiziere das Zimmer - keine Tiere drinnen, der Kissenschutzwall ist noch stabil. Gut, dann ab unter die Dusche und in die Küche zum Frühstücken. Maria ist auch schon munter. Ich erzähle ihr von meiner Horrornacht und frage sie: „Hast du den Schuss heute Nacht gehört?“ Sie fängt herzlich an zu lachen und meint: „Das war kein Schuss. Das sind große Äste, die bei starkem Wind auf das Blechdach fallen. Beruhige dich, es wird von Nacht zu Nacht einfacher im Dschungel zu schlafen, man gewöhnt sich dran.“

Erstaunlicherweise hat Maria recht und es wird mit jeder Nacht ein Stückchen einfacher. Dennoch, es regnet seit meiner Ankunft, die Menschen sind unfreundlich, ich höre nur schlimme Geschichten über Costa Rica, es ist alles so teuer.... ich will nicht mehr! Ich vermisse die schöne Zeit in Panama und kann null Sympathie für Costa Rica aufbauen.

Deprimiert will ich nach nur drei Tagen schon wieder ausreisen. Zurück nach Panama? Nein, Wegrennen ist auch keine Lösung! Es kann doch nicht alles so schlecht in diesem Land sein. Ich möchte Costa Rica eine zweite Chance geben! Meine neuen Bungalownachbarn haben ein Auto und fahren morgen ins Landesinnere nach La Fortuna. Da all meine ursprünglichen Reisepläne von Maria schlecht geredet werden, frage ich das Pärchen, ob sie mich dorthin mitnehmen können. Das soll der zweite Versuch sein. Sollte ich dort auch keine besseren Erfahrungen machen, dann werde ich sofort ausreisen. Der Entschluss steht fest. Ich suche mir noch kurzfristig eine Unterkunft in La Fortuna und ohne Erwartungen zu haben fahren wir dahin.

Leider ist auch hier der Regen sehr präsent, aber irgendwie fühle ich mich besser. Ich bekomme ein sehr schönes Zimmer in meinem gebuchten Airbnb und lerne neue Leute kennen.

Drei Stunden später stehe ich mit einem breiten Lächeln im Gesicht in der Gemeinschaftsküche, koche zusammen mit anderen Gästen für das Abendessen und tanze Salsa. Die Sorgen der letzten Tage sind wie weggeblasen. Ich liebe Tanzen, ich liebe Salsa und Reggaeton. Die Einheimischen bringen mir ein paar weitere Schritte bei und wenig später tanzen wir zusammen auf einer Party. Sie holen immer wieder Getränke, bis ich irgendwann sage: „Die nächste Runde geht auf mich.“

Ein Longdrink kostet umgerechnet 3 Euro. Da ich mit der Währung noch nicht ganz vertraut bin, frage ich meine Begleitung, wieviel Geld ich für die Drinks brauche. Sie suchen mir die passenden Scheine für vier Getränke heraus und ich gehe zur Bar und bestelle das Gleiche, was wir zuvor getrunken haben. Als ich bezahle, schaut mich die Barkeeperin verwirrt an und sagt etwas zu mir. Durch die laute Musik kann ich ihr Spanisch nicht verstehen. Ich erahne aber, dass sie mehr Geld will. Einer meiner neuen Freunde realisiert die Situation sofort und steht bereits neben mir, um mit der Frau zu reden. Ich verstehe nichts, sehe aber, dass er ihr ziemlich viel Geld in die Hand drückt und verärgert mit ihr schimpft.

„Was ist los?“, frage ich ihn.

„Die Barkeeperin hat dir 10 Euro pro Getränk berechnet“, antwortet er genervt. Da haben wir es wieder. Ich sehe aus wie ein Tourist, also muss ich auch den Touristenpreis bezahlen. Ich diskutiere mit ihm. „Warum hast du ihr das Geld gegeben? Wir hätten dann einfach die Drinks nicht annehmen sollen.“

„Doch, wir haben sie bestellt, also müssen wir sie auch bezahlen.“

Ich ärgere mich sehr über die Situation und beschließe, für die nächsten Partys immer die Einheimischen mit meinem Geld an die Bar zu schicken, damit das nicht noch einmal passiert.

Mai

Ich wache am nächsten Morgen auf und es regnet schon wieder. Nico, ein deutscher Mitbewohner in meiner Unterkunft, und ich beschließen zu den heißen Quellen zu fahren. Im warmen Vulkanwasser zu baden ist angenehmer, wenn das Wetter eh trüb ist. Das ist wie mit dem Wellness in Deutschland, das mache ich auch lieber im Winter.

Der Gedanke, dass ich Costa Rica sofort verlassen möchte, schwirrt zumindest nicht mehr in meinem Kopf herum und ich organisiere meine Weiterreise für die nächsten Tage. Leider habe ich den „Fluch von La Fortuna“ mitgenommen und bin die nächsten Tage ziemlich krank. Nico und ich kamen auf diesen Namen, da alle, die wir in La Fortuna kennengelernt hatten, krank geworden sind, und nun hat es auch mich erwischt. Nachdem es nach ein paar Tagen immer noch nicht besser wird, beschließe ich, einen Arzt aufzusuchen. 120 Euro für zehn Minuten Beratung und weitere 90 Euro für zwei Medikamente. Das nenne ich mal eine gute Bezahlung in einem Land, wo der Durchschnittslohn bei 400 Euro pro Monat liegt! Zum Glück habe ich eine Reisekrankenversicherung, die sich bei diesen Preisen schnell rentabel macht!

Ein paar Tage später geht es mit mir endlich wieder bergauf, so dass ich nach Santa Teresa fahren kann. Leider sind es immer komplette Tagesreisen, wenn man in Costa Rica mit den öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs ist. In diesem Fall brauche ich sogar zwei Tage für 145 Kilometer. Ich buche mir eine Unterkunft zur Übernachtung in Paquera und bin auf dem Hinweg schon negativ gestimmt, weil ich keine Lust habe, den Abend irgendwo im Nirgendwo alleine zu verbringen. Ich komme mit Mitreisenden aus dem Bus ins Gespräch und diese erzählen mir, dass sie extra einen Zwischenstopp in Paquera einlegen, weil man dort das ganze Jahr über das Meeresleuchten bestaunen kann. Warte, habe ich das gerade richtig gehört? Seit Jahren stelle ich mir vor, wie schön es wäre, genau dieses Naturspektakel einmal im Leben mit eigenen Augen zu sehen. Die Chancen dafür stehen doch eher schlecht, da wetterabhängig keiner sagen kann, wann und wo auf dieser Welt das Phänomen auftritt. Noch während der Busfahrt informiere ich mich über diese Touren und kann noch einen freien Platz für eine Kajaktour am gleichen Abend ergattern. Oh mein Gott, wie sehr ich mich jetzt auf den Zwischenstopp in Paquera freue!

Der Abend ist magisch. Wir paddeln pünktlich zum Sonnenuntergang aufs Meer hinaus, was schon ein Highlight für sich ist. Je dunkler es wird, umso besser können wir das leuchtende, blaue Wasser sehen. Ich schaue über mich in den Himmel. Es ist ganz klar und man sieht die Sterne nur so funkeln. Ich schaue ans Ufer, wo sämtliche Glühwürmchen leuchten, und ich schaue unter mich, wo das Wasser mit jeder Paddelbewegung leuchtet. Rund herum ein Glühen, Funkeln und Leuchten - atemberaubend! Ich fühle mich, als wäre ich in einer Märchenwelt. Es ist ein magischer Moment, wofür ich sehr dankbar bin. Solche besonderen Erlebnisse hat man nicht oft im Leben, oder weiß sie nicht richtig zu schätzen, umso mehr versuche ich sie zu genießen.

Am nächsten Tag fahre ich weiter nach Santa Teresa. Ich habe keine Erwartung. Ich weiß nur, dass es ein typischer Touristenort am Meer ist und ich verspüre das Gefühl, ich sollte dort einmal vorbeischauen. Primär freue ich mich aber auf das Airbnb, welches ich gebucht habe. Ok, es liegt definitiv über meinem Budget, aber ich will mir quasi mal „Urlaub“ gönnen und eine ganze Woche am selben Ort sein, da das Packen vom Rucksack alle zwei Tage so langsam echt nervig wird! Angekommen, werde ich gleich herzlich empfangen und in mein Appartement geführt. Ist das schön! Es ist kein Luxus oder ähnliches, aber ich habe mein eigenes Reich und einen traumhaft schönen Balkon im Grünen - inklusive Hängematte. Hier werde ich es glatt noch länger aushalten und beschließe nach ein paar Tagen, meinen Aufenthalt nochmals um zwei weitere Tage zu verlängern. In dieser Zeit mache ich nicht wirklich viel. Am Strand liegen, schwimmen, essen, in der Hängematte chillen. Es tut gut, nach einem Monat aktiv sein mal etwas zu entspannen und die Seele baumeln zu lassen.

Am Freitag heißt es dann Abschied nehmen. Ein paar neue Freunde, die ich in La Fortuna kennengelernt habe, laden mich für das Wochenende zu sich nach San Jose ein. Eine Stadt, wo ich eigentlich nie hinwollte. Es gibt dort nichts wirklich Besonderes anzuschauen und es soll wohl eine sehr hohe Kriminalitätsrate, vor allem gegenüber Touristen, herrschen. Die Einheimischen versichern mir, dass es nicht so schlimm sei und sie mit mir in den sicheren Gegenden unterwegs sein werden. Ich vertraue ihnen. Leider zu sehr. In einem Punkt haben sie recht, mir ist die ganze Zeit nichts Schlimmes passiert. Am Freitagabend gehen wir feiern. Ich sage ihnen voraus: „Wenn wir feiern gehen, werde ich dabei definitiv ausgeraubt“. Also nehme ich nur etwas Bargeld mit und lasse alles andere in der Wohnung. Ich bin quasi vorbereitet auf den Diebstahl, aber nichts passiert. Wir sind in einer sehr großen Partyhalle. Vom löchrigen Blechdach tropft der Regen herein und ich bin der einzige Ausländer hier. Ich werde von allen Seiten wie ein exotisches Wesen bestaunt. Ich tanze also unbesorgt zu meiner Lieblingsmusik und genieße den Abend.

Pura Vida!

Leider habe ich nicht an die kulturellen Unterschiede gedacht, welche an diesem Wochenende immer wieder für Missverständnisse und Probleme sorgen! Ich fühle mich bereits am Samstag sehr unwohl und spiele mit dem Gedanken, in ein Hostel umzuziehen, das hätte mir definitiv weiteren Ärger erspart. Ich bleibe jedoch, bis es dann am Sonntag komplett eskaliert und ich quasi auf die Straße gesetzt werde. Ich bestelle mir das nächste Uber, packe völlig aufgelöst so schnell es geht meine Sachen ein und gehe. Ich weiß nicht, was eigentlich passiert ist und wie es jetzt weitergehen soll. Aufgelöst steige ich in das Auto, welches mich in das Stadtzentrum fährt. Da stehe ich nun ganz alleine, ohne Unterkunft in einer Stadt, in der ich definitiv nie sein wollte. Es ist Mittag, für eine Reise woandershin ist es bei der Dauer der Reisezeiten definitiv zu spät. Ich beschließe mich erst einmal in ein Café zu setzen, um einen klaren Kopf zu bekommen. Ich muss noch eine Nacht in San Jose verbringen, soviel steht fest. Und morgen? Wo soll ich hin? Ich habe keinen Plan und bin generell noch so aufgewühlt von dem Geschehen, dass ich keinen klaren Gedanken fassen kann. Plötzlich sprechen mich zwei Amerikaner vom Nachbartisch an: „Hey, wir sind Shawn und Steve aus Amerika. Wer bist Du?“

„Hi, sehr erfreut. Ich heiße Claudia, bin aus Deutschland und befinde mich gerade auf einer Weltreise.“

„Wow, das ist cool. Wir sind hier zu 11. Wir feiern die Bachelor-Party (Junggesellenabschied) von Steven hier, weil er nächsten Monat heiraten wird. Wir sind eben erst angekommen und fahren morgen nach Tamarindo. Wie sind deine Reisepläne?“

„Herzlichen Glückwunsch. Ich fahre morgen zufällig auch nach Tamarindo“, schießt es wie aus der Pistole geschossen aus meinem Mund heraus, bevor ich überhaupt nachdenken kann. Damit ist es entschieden, ich werde morgen zurück ans Meer fahren. Tamarindo ist der Partyort schlechthin in Costa Rica, mal sehen, was dort so los ist. Die Jungs geben mir ihre Kontaktdaten, ich soll mich melden, wenn ich vor Ort bin.

Ich buche mir schnell eine Unterkunft für die eine Nacht in San Jose und organisiere meine Reise nach Tamarindo. Zwei Tage später befinde ich mich in einer riesengroßen Luxusvilla und lerne die restlichen Jungs der Gruppe kennen. Wir gehen gemeinsam zum Essen in das Stadtzentrum und natürlich geht es danach weiter zum Feiern. Das soll so etwa das Programm für die nächsten Tage sein. „Leider“ muss ich nach zwei Tagen aus meiner Unterkunft raus und alles, was noch frei ist, übertrifft deutlich mein Reisebudget. Daraufhin laden mich die Jungs in ihre Villa ein. Sie haben noch genug Platz und freie Betten. Nachdem ich sie jetzt schon etwas kennengelernt habe, beschließe ich, auf das Angebot einzugehen. So ziehe ich also mit meinem Backpack in eine Luxusvilla. Ich klingel an der Tür und werde gleich freudig mit einem selbstgedruckten T-Shirt begrüßt. Das haben sie für die Gruppe angefertigt und eins ist noch übriggeblieben. Ich gehöre jetzt quasi als weiblicher Bro zu der Männergruppe. Ich schicke meiner Familie ein Foto von unserer Gruppe am Pool. Sie fragen mich: „Spielst Du jetzt für das TV-Format Die Bachelorette mit?“.

Ich verbringe ein paar wundervolle Tage mit der Truppe und diese Zeit gehört jetzt schon zu einer meiner Lieblingsgeschichten während der Reise. Am Ende bin ich sogar dankbar für die schlechte Situation in San Jose. Wäre das nicht passiert, hätte ich die Jungs nie kennengelernt! Das ist mal wieder Schicksal. Generell stelle ich mir oft vor, wie meine Reise wohl verliefe, wenn ich nur ein ganz kleines Detail ändern würde. Zum Beispiel, wenn ich einen Tag woanders länger bleibe, eine andere Unterkunft wähle, in ein anderes Restaurant gehe. Wo wäre ich jetzt und was hätte ich dazwischen erlebt? Meine Reise und die Erlebnisse darin werden von so vielen kleinen Faktoren beeinflusst.

Juni

Einige Zeit später führt mich mein Weg weiter nach Uvita, ein kleiner Ort, ebenfalls an der Pazifikküste. Ich habe die Tage davor ein paar Mädels in Manuel Antonio kennengelernt, mit denen ich zusammen weiterreise. Da wir eine Gruppe sind, beschließe ich mit ihnen zusammen in ein Hostelzimmer zu ziehen. Das hat mein Reisebudget auch dringend nötig. Costa Rica ist unglaublich teuer. Die Preise im Supermarkt und für Aktivitäten sind mitunter teurer als in Deutschland! So habe ich viele Vorhaben gestrichen, da es einfach zu viel gekostet hätte. Umso mehr freue ich mich, dass wir uns in der neuen Unterkunft Surfbretter für 12 Euro pro Tag ausleihen können und ich nun doch endlich surfen kann. Das ist ein To-Do für meine Reise - nochmal eine Surfschule besuchen und endlich eigenständig die grüne Welle reiten. Leider ist es finanziell in Costa Rica einfach nicht drin. Also versuche ich mein Glück ohne Guide. Nachdem ich über zwei Jahre auf keinem Brett mehr gestanden habe, klappt das Surfen jedoch ziemlich gut und ich komme schnell wieder rein. Ich habe total vergessen, wie viel Spaß es mir macht und habe jetzt noch mehr Lust, ein Surfcamp zu besuchen. Vielleicht wird es ja in einem anderen Land klappen. Am Nachmittag gehe ich in unserem kleinen Hostelgarden spazieren. Er ist ganz nett angelegt, hat verschiedene Pflanzen und einen kleinen Teich. Da es so warm ist, überlege ich, meine Füße darin etwas abzukühlen, aber entschließe mich doch dagegen. Zum Glück! Am Abend kommt der Besitzer und zeigt uns ein Video von einem großen Alligator. „Er lebt hier im Teich und läuft abends gerne mal über das Grundstück“, sagt er. „Wie bitte? Warum wird man darüber beim Check-in nicht informiert und warum stehen keine Schilder am Wasser, die darauf hinweisen?“, konfrontiere ich den Besitzer, aber er lacht nur. „Entspanne dich, Claudia, das ist ein fauler Alligator, der schüchtern ist. Der tut dir nichts.“ Das beruhigt mich trotzdem nicht. Nun bin ich doch froh, das obere Bett im Zimmer bekommen zu haben, da fühle ich mich vor nächtlichen Raubtierangriffen definitiv sicherer.

Sechs Wochen sind vergangen, seit ich nach Costa Rica kam. Der Start war alles andere als gelungen, aber umso schöner wurde die Zeit danach. Ich hätte nicht gedacht, dass ich hier so lange bleiben und mich so wohl fühlen würde. Die „Ticos“ (so nennen sich die Einheimischen) haben ein Sprichwort „Pura Vida“ und genau das leben sie auch. In jedem dritten Satz hört man die Worte, welche übersetzt so viel bedeuten wie „Pures Leben“ und dafür stehen, dass man das Leben genießen soll. Es verkörpert die Gelassenheit und spiegelt die Schönheit des Lebens wider. Die Menschen hier sind tiefenentspannt, meistens gut gelaunt und scheinen, auch wenn sie nicht viel zum Leben haben, glücklich und zufrieden zu sein. Vielleicht fühle ich mich deshalb mittlerweile hier so glücklich. In Costa Rica ist einfach alles Pura Vida. Diese Mentalität ist ansteckend und noch nie habe ich mich in einem fremden Land so zufrieden und heimisch gefühlt. Doch nun werde ich Abschied nehmen, da die Reise weitergeht.

Nicaragua –

LEBEN WIE EIN EINHEIMISCHER

Nicaragua werde ich nun zum zweiten Mal in meinem Leben besuchen. Als ich früher in der Schule war, hatten wir ein Patenschaftsprojekt mit einer Schule in Nicaragua gehabt. Ein Mädchen namens Nielsen war meine damalige Brieffreundin und meine Eltern schickten ihr jährlich ein wenig Geld, damit sie die Schulbildung finanzieren konnte. Ich habe sie damals, vor 15 Jahren, über einen Schüleraustausch besuchen und einen ersten Einblick von dem Land erhalten können. Ich war damals aber selber noch so jung, dass ich vieles, was ich jetzt auf der Reise wahrnehme, damals nicht realisiert habe.

Eigentlich will ich neue Länder erkunden und die Einreise ist covidbedingt noch nicht ganz so einfach. Auf Empfehlung meiner Mutter, dass ich unser ehemaliges Patenkind besuchen könnte,