Expertenstandards in der ambulanten Pflege - Nada Ralic - E-Book

Expertenstandards in der ambulanten Pflege E-Book

Nada Ralic

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Beschreibung

Der Gesetzgeber hat durch den Erlass der Gesetzbücher V und XI pflegerische, medizinische und rehabilitative Einrichtungen dazu verpflichtet, ihre Leistungen "entsprechend dem allgemein anerkannten Stand medizinisch-pflegerischer Erkenntnisse" zu erbringen. Seit 01.07.2008 sind alle SGB-XI-Einrichtungen gemäß § 113a zur Umsetzung der Expertenstandards verpflichtet. Die Qualitätskriterien der Expertenstandards machen die Hälfte der vom Medizinischen Dienst zu prüfenden Kriterien aus, davon fließen 16 Kriterien in die TÜV-Note ein. Diese Qualitätskriterien werden hier im Buch für jeden Expertenstandard ausführlich dar- und vorgestellt; worauf ist z. B. bei der Einschätzung des Dekubitusrisikos zu achten oder wie können "Stolperfallen" in der eigenen Wohnung erkannt und vermieden werden. Das Buch geht auch auf die Besonderheiten zur Umsetzung der Expertenstandards ein und gibt einen Überblick über Zusammenhänge und Wechselwirkungen der Expertenstandards untereinander.

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Der Gesetzgeber hat durch den Erlass der Gesetzbücher V und XI pflegerische, medizinische und rehabilitative Einrichtungen dazu verpflichtet, ihre Leistungen 'entsprechend dem allgemein anerkannten Stand medizinisch-pflegerischer Erkenntnisse' zu erbringen. Seit 01.07.2008 sind alle SGB-XI-Einrichtungen gemäß § 113a zur Umsetzung der Expertenstandards verpflichtet. Die Qualitätskriterien der Expertenstandards machen die Hälfte der vom Medizinischen Dienst zu prüfenden Kriterien aus, davon fließen 16 Kriterien in die TÜV-Note ein. Diese Qualitätskriterien werden hier im Buch für jeden Expertenstandard ausführlich dar- und vorgestellt; worauf ist z. B. bei der Einschätzung des Dekubitusrisikos zu achten oder wie können 'Stolperfallen' in der eigenen Wohnung erkannt und vermieden werden. Das Buch geht auch auf die Besonderheiten zur Umsetzung der Expertenstandards ein und gibt einen Überblick über Zusammenhänge und Wechselwirkungen der Expertenstandards untereinander.

Dr. med. Nada Ralic, Allgemeinärztin, ex. Krankenschwester, Master of Public Health, Assessorin für European Foundation for Quality Management (EFQM), arbeitet als Qualitätsmanagementbeauftragte bei der Diakonie in Düsseldorf, Gemeindedienst der evangelischen Kirchengemeinde e.V.

Nada Ralic

Expertenstandards in der ambulanten Pflege

Ein Handbuch für die Pflegepraxis

Verlag W. Kohlhammer

Wichtiger Hinweis

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikrofilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Die Wiedergabe von Warenbezeichnungen, Handelsnamen oder sonstigen Kennzeichen in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, dass diese von jedermann frei benutzt werden dürfen. Vielmehr kann es sich auch dann um eingetragene Warenzeichen oder sonstige geschützte Kennzeichen handeln, wenn sie nicht eigens als solche gekennzeichnet sind.

1. Aufl age 2013 Alle Rechte vorbehalten © 2013 W. Kohlhammer GmbH Stuttgart Umschlag: Gestaltungskonzept Peter Horlacher Gesamtherstellung: W. Kohlhammer Druckerei GmbH + Co. KG, Stuttgart Printed in Germany

ISBN 978-3-17-021168-1

E-Book-Formate

pdf:

978-3-17-026526-4

epub:

978-3-17-027958-2

mobi:

978-3-17-027959-9

Inhaltsverzeichnis

Geleitwort

Vorwort

1 Einführung

1.1 Die Qualität

1.2 Die Pflegequalität

1.3 Die Rolle der Expertenstandards bei der Qualitätsentwicklung

1.4 Gesetzliche Rahmenbedingungen

2 Ambulante Dienste

2.1 Leistungen der häuslichen Pflege

2.2 Organisationsformen und Strukturen

2.3 Besonderheiten in der ambulanten Pflege

2.4 Das Erstgespräch in der ambulanten Pflege

2.5 Beratung in der ambulanten Pflege

3 Die Expertenstandards allgemein

3.1 Von der Entwicklung bis zur Implementierung

3.2 Standardaufbau

3.3 Implementierung eines Expertenstandards im ambulanten Dienst

3.3.1 Bedarfsanalyse

3.3.2 Implementierung

3.3.3 Rollenverteilung bei der Implementierung der Expertenstandards

4 Expertenstandards

4.1 Dekubitusprophylaxe in der Pflege

4.1.1 Definition „Dekubitus“

4.1.2 Gesundheitspolitische Relevanz

4.1.3 Die Standardebenen

4.1.4 Praxisbezug

4.2 Pflege von Menschen mit chronischen Wunden

4.2.1 Definition „Chronische Wunden“

4.2.2 Gesundheitspolitische Relevanz

4.2.3 Die Standardebenen

4.2.4 Praxisbezug

4.3 Schmerzmanagement in der Pflege

4.3.1 Definition „Schmerz“

4.3.2 Gesundheitspolitische Relevanz

4.3.3 Die Standardebenen

4.3.4 Praxisbezug

4.4 Sturzprophylaxe in der Pflege

4.4.1 Definition „Sturz“

4.4.2 Gesundheitspolitische Relevanz

4.4.3 Die Standardebenen

4.4.4 Praxisbezug

4.5 Förderung der Harnkontinenz in der Pflege

4.5.1 Definition „Harnkontinenz“

4.5.2 Gesundheitspolitische Relevanz

4.5.3 Die Standardebenen

4.5.4 Praxisbezug

4.6 Ernährungsmanagement zur Sicherstellung und Förderung der oralen Ernährung in der Pflege

4.6.1 Definition „Mangelernährung und Flüssigkeitsmangel“

4.6.2 Gesundheitspolitische Relevanz

4.6.3 Die Standardebenen

4.6.4 Praxisbezug

4.7 Entlassungsmanagement in der Pflege

4.7.1 Definition „Entlassungsmanagement in der Pflege“

4.7.2 Gesundheitspolitische Relevanz

4.7.3 Die Standardebenen

4.7.4 Entlassungsmanagement in der häuslichen Pflege

4.7.5 Praxisbezug

5 Pflegeprozess und Pflegeplanung

5.1 Pflegeprozess und Pflegedokumentation bei Frau Meier

4.1 Täglicher Maßnahmen-/Ablaufplan

5.2 Pflegeprozess und Pflegedokumentation bei Herrn Müller

6 Wechselwirkungen von Expertenstandards

7 Fazit

Literaturverzeichnis

Stichwortverzeichnis

Anhang

Anhang 1 – Risikoassessmentbogen

Anhang 2 – Lebensweltkonzept RiP®

Anhang 3 – Audit Dekubitusprophylaxe – Teil 1: Patienten-/bewohnerbezogenes Audit

Anhang 4 – Würzburger Wundscore

Anhang 5 – WAS-VOB

Anhang 6 – Interprofessionelle Verfahrensregelung Wundmanagement

Anhang 7 – Pflege von Menschen mit chronischen Wunden – Kompressionsverband mit zwei Kurzzugbinden

Anhang 8 – Pflege von Menschen mit chronischen Wunden – Pütterverband

Anhang 9 – Interdisziplinäre Verfahrensregelung zum Schmerzmanagement in der Diakonie Düsseldorf

Anhang 10 – Sturzprophylaxe: Checkliste für die eigenen Wohnung

Anhang 11 – Sturzprotokoll

Anhang 12 – Miktionsprotokolle

Anhang 13 – Verfahrensregelung Kontinenzförderung

Anhang 14 – MNA

Anhang 15 – Ernährungsmanagement (MUST)

Anhang 16 – PEMU – Pflegerische Erfassung von Mangelernährung und deren Ursachen

Anhang 17 – Verfahrensregelung Ernährungsmanagement

Geleitwort

Qualität wird als essenzieller und unverzichtbarer Bestandteil der Gesundheitsversorgung und als reguläre Eigenschaft jeder Versorgungsmaßnahme angesehen. Dabei wird jedem Bürger ein Recht auf Zugang zur Gesundheitsversorgung von guter Qualität zugestanden (siehe Europarat 1997). Bereits 1980 forderte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) in ihrem Programm „Gesundheit für alle im Jahr 2000“ in der 31. Zielsetzung alle Mitgliedsstaaten auf, bis 1990 im Rahmen ihres jeweiligen Gesundheitssystems effektive Verfahren zur Qualitätssicherung in der Patientenversorgung zu entwickeln und anzuwenden. Damit waren die Gesundheitsberufe in den Mitgliedsstaaten aufgerufen, die fachlichen und methodischen Anforderungen „guter Qualität“ in der Gesundheitsversorgung zu definieren und ihren spezifischen Beitrag zur Entwicklung geeigneter Verfahren zur Qualitätsförderung und -messung zu leisten.

Die 31. Zielsetzung der WHO hat in den Pflegeberufen eine erstaunliche Dynamik ausgelöst. Ihr ist es zu verdanken, dass sie sich auf europäischer und nationaler Ebene vernetzt haben, um sich gemeinsam um wirksame Methoden und Instrumente zur Förderung der Pflegequalität zu kümmern. Von der europäischen Vernetzung konnten besonders die deutschsprachigen Länder profitieren, denn sie gehörten vor 30 Jahren in den Bereichen Qualitäts- und Qualifikationsentwicklung in der Pflege zu den Schlusslichtern Westeuropas.

Die Hochschule Osnabrück hat 1992 mit dem Aufbau des Deutsches Netzwerks für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP) begonnen und konnte dabei auf die eigenen grundlegenden Erfahrungen und den Wissensvorsprung der europäischen Partnerorganisationen aus dem europäischen Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (EuroQUAN) zurückgreifen. Seit 1999 arbeitet das DNQP in Kooperation mit dem Deutschen Pflegerat (DPR) an der Entwicklung evidenzbasierter Expertenstandards, die für alle Aufgabenfelder der Pflege als richtungweisend anzusehen sind. Die Arbeit des DNQP wurde zwischen 1999 und 2008 finanziell und ideell durch das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) gefördert. Ein wichtiger Anstoß für die Projektförderung von Expertenstandards auf nationaler Ebene war der Beschluss der Gesundheitsministerkonferenz der Länder (GMK) von 1999 über „Ziele einer einheitlichen Qualitätsstrategie im Gesundheitswesen“. Mit der Entscheidung, Qualitätsvereinbarungen in Form von Expertenstandards auf nationaler Ebene zu treffen, verfügen die Pflegeberufe in Deutschland über weitere notwendige Voraussetzungen zur Lenkung der Professionalisierung und Ausbildung. Mit diesem Schritt war es außerdem möglich, Anschluss an die internationale Entwicklung herzustellen.

Inzwischen konnten sieben Expertenstandards zu den Themen „Dekubitusprophylaxe“, „Entlassungsmanagement“, „Schmerzmanagement bei akuten oder malignen Schmerzen“, „Sturzprophylaxe“, „Förderung der Harnkontinenz“, „Pflege von Menschen mit chronischen Wunden“ und „Ernährungsmanagement zur Sicherstellung und Förderung der oralen Ernährung“ entwickelt, konsentiert und mit beachtlichem Erfolg modellhaft implementiert werden. Weitere Themenschwerpunkte, die zur Bearbeitung anstehen, sind u. a. „Schmerzmanagement bei chronischen nicht-malignen Schmerzen“, „Pflege von demenziell erkrankten Menschen“ und „Medikamentenmanagement“. Die Auswahl der Themen ist primär pflegeepidemiologisch begründet. Dekubitalgeschwüre, Inkontinenz, Stürze, Mangelernährung, Schmerzzustände, Medikamentenfehler oder demenzielle Erkrankungen gehören zu den großen Pflegeproblemen unserer Gesellschaft.

Das qualitätsmethodische Vorgehen des DNQP zur Entwicklung, Konsentierung, Implementierung und Aktualisierung von Expertenstandards stützt sich auf aktuelle, international anerkannte Regeln zur Entwicklung von Leitlinien und Standards im Gesundheitswesen und wird kontinuierlich weiterentwickelt (siehe „Methodenpapier“ (2011) www.dnqp.de).

Expertenstandards haben sich als ausgezeichnete Instrumente der Verbreitung evidenten, handlungsrelevanten Wissens erwiesen. Sie stellen der Praxis dieses Wissen zu wichtigen Risiken und Handlungsbereichen der Pflege zur Verfügung und optimieren damit den ansonst mühsamen Transfer von Fortbildungswissen in die Praxis. Nicht zuletzt ergibt sich eine Ausstrahlung vom Niveau und von der Arbeitsweise der Expertenstandards auf andere Themen. Der Einsatz von Assessment-Verfahren, die Einbeziehung von Patienten/Patientinnen und Angehörigen sowie deren Schulung und Beratung und die Evaluation der Pflegeergebnisse mithilfe eines themenspezifischen standardisierten Audit-Instruments werden über das jeweilige Standardthema hinaus zur Richtschnur für pflegerisches Handeln.

Die vorliegenden Expertenstandards haben nicht nur innerhalb der Pflegeberufe große Wirkung entfaltet, sondern auch in der Gesundheitspolitik, bei Kostenträgern, Juristen und Standesorganisationen der Ärzte und anderer Gesundheitsberufe für erhebliche Aufmerksamkeit gesorgt. Ihre Wirksamkeit als Qualitätsinstrumente und ihre Praxistauglichkeit in ambulanten und stationären Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen konnten in den vergangenen Jahren unter anderem in allen sieben bundesweiten Implementierungsprojekten des DNQP überzeugend nachgewiesen werden. An den Implementierungsprojekten waren bislang weit über 100 Praxiseinrichtungen beteiligt, die den aktiven Teil des Netzwerks bilden und allen Netzwerkpartnern als Referenzeinrichtungen zur Verfügungen stehen. Sie sind auf der Webseite des DNQP zu finden.

Die Diakonie Düsseldorf mit ihren dreizehn Altenpflegeeinrichtungen und einem ambulanten Pflegedienst gehört zu denjenigen Referenzeinrichtungen, in denen die für sie relevanten sechs Expertenstandards nicht nur modellhaft, sondern auch betriebsweit eingeführt worden sind. Dort ist Dr. Nada Ralic seit 2001 als Qualitätsmanagementbeauftragte tätig. Aufgrund ihrer hochkarätigen Ausbildung, ihrer erfolgreichen Qualitätsarbeit in der eigenen Einrichtung, ihrer engagierten Mitwirkung im DNQP – insbesondere im Rahmen der modellhaften Implementierung und der Netzwerk-Workshops – sowie als erfahrene Referentin auf Tagungen und Fortbildungsveranstaltungen, gilt sie zum Thema Expertenstandards inzwischen bundesweit als gefragte Fachexpertin. Dass sie ihre wertvollen Praxiserfahrungen über den Prozess und die strukturellen Voraussetzungen der Standardeinführung in der ambulanten Pflege nun in einem Fachbuch zusammengetragen hat und der interessierten Fachöffentlichkeit zur Verfügung stellt, ist sehr zu begrüßen. Schließlich wird die nachhaltige Einführung der vorliegenden Expertenstandards mancherorts immer noch als ein nahezu unerreichbares Ziel erachtet.

Prof. Dr. Doris Schiemann Deutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP) Hochschule Osnabrück

Vorwort

Sehr geehrte Leserinnen und Leser,

Sie haben sich mit dem Erwerb dieses Buches dazu entschlossen, es durchzublättern, einige Kapitel zu lesen oder vielleicht haben Sie vor, das komplette Buch zu lesen. Was immer Sie auch vorhaben, Ihre Motivationsgründe sind an Ihre Erwartungen angelehnt.

Ich habe mich entschlossen, dieses Buch zu schreiben nach mehrjähriger Erfahrung in der Implementierung der Expertenstandards in verschiedenen Einrichtungen, in der stationären und ambulanten Pflege, in der Kurzzeitpflege und in der Tagespflege.

Meine Erfahrungen möchte ich nun weitergeben und damit ein Stück weit meinen Beitrag zur Entwicklung der Pflegequalität in Deutschland leisten.

Das Buch behandelt sieben verschiedene Fachthemen, sieben Standards, die ein kompaktes und aktuelles Fachwissen beinhalten. Ich habe versucht, die ausschlaggebenden Qualitätskriterien und Qualitätsniveaus, die die Standards an die Pflege stellen, hervorzuheben, einen Umriss des aktuellen Fachwissens zu vermitteln und vor allem aufzuzeigen, wie dieses Wissen in den Alltag und bei den pflegebedürftigen Menschen in der Häuslichkeit umgesetzt werden kann. Das Buch widmet sich in erste Linie den Leitenden und verantwortlichen Fachpflegepersonen, die im ambulanten Bereich tätig sind. Darüber hinaus kann das Buch auch den Kolleginnen, die keine fachliche Ausbildung in der Pflege haben, als unterstützende Literatur dienen. Es würde mich sehr freuen, wenn auch die Auszubildenden in der Pflege das Buch als Literaturquelle entdecken. Vielerlei Prozesse sind in allen Bereichen der Pflege umsetzbar und somit auf sie übertragbar. Deshalb lade ich die Kolleginnen aus dem Krankenhausbereich, aus der teilstationären und stationären Pflege dazu ein, dieses Buch als praxisgeleitete Literatur zur Umsetzung der Expertenstandards in Anspruch zu nehmen.

Das Buch ist so konzipiert, dass Sie nach einem allgemeinen Einführungsteil in den ersten beiden Kapiteln dann im dritten Kapitel die allgemeine Ausführung über die Expertenstandards und die Umsetzung der Expertenstandards auf Institutionsebene finden. Die Umsetzung ist an die in den modellhaften Implementierungen vielfach erprobte und bewährte vierphasige Methode, erweitert um die Phase der nachhaltigen Implementierung, angelehnt. Beispielhaft finden Sie dort auch eine Entscheidungshilfe für die zutreffende Entscheidung, welcher Standard soll/kann in einem Pflegedienst wann implementiert werden.

Ab dem vierten Kapitel finden Sie die Beschreibung der einzelnen Expertenstandards. Sie folgt der Aufbaulogik jedes Standards. Dafür gibt es zwei verschiedene Gründe: zum einen, damit sie einen Wiedererkennungswert haben und Ihnen die Standards vertraut werden, zum anderen, weil die Standards in ihren Strukturen den Pflegeprozess abbilden. Die im Buch empfohlenen und beschriebenen Maßnahmen werden aus dem jeweiligen Standards abgeleitet. Am Ende jedes einzelnen Standards finden Sie unter dem Punkt „Praxisbezug“ die konkrete Umsetzung des jeweiligen Standards bei einem oder zwei Patienten. Es sind zwei konstruierte Pflegefälle mit verschiedenen Krankheitsbildern und pflegerischen Beeinträchtigungen, mit unterschiedlichem Pflegebedarf und familiären Situationen dargestellt. Die Fälle sind in dem Expertenstandard „Dekubitusprophylaxe“ ausführlich beschrieben, bei weiteren Standards finden Sie Auszüge aus den Fallbeschreibungen, die einen schnellen Einstieg in die dort beschriebene Problematik ermöglichen. Dennoch müssen und sollen beide Fälle im Gesamtkontext betrachten werden.

Die Rangfolge, in der die Standards beschrieben sind, ist keine chronologische, sondern aus meiner Sicht eine thematische. So wird z. B. der Expertenstandard „Pflege von Menschen mit chronischen Wunden“ nach der Dekubitusprophylaxe beschrieben, weil sich beide Standards zum Teil thematisch überschneiden (Dekubitus) und sich ergänzen.

Im fünften Kapitel ist die Umsetzung aller Standards bei beiden Pflegefällen im Rahmen des pflegerischen Auftrags beschrieben. Die Umsetzung ist in den Pflegeprozess eingebettet. Dabei werden die Komplexität des pflegerischen Handelns und ein hoher Anspruch an Fachlichkeit, Management- und Kommunikationskompetenzen deutlich. Durch die Anwendung der Pflegeprozessmethode soll den Mitarbeiter ein sicherer und bekannter Rahmen gegeben werden, um sie zu ermutigen, die Expertenstandards in der Praxis anzuwenden.

Im sechsten Kapitel finden Sie eine Darstellung über die gegenseitige Beeinflussung aller Standards (Wechselwirkung) und zwar auf mehreren Ebenen, die Synergieeffekte sowie die gegenseitigen Hindernisse.

Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich hervorheben, dass dieses Buch weder die veröffentlichten Expertenstandards des DNQP noch die Lehr- und anderen Fachbücher zu den einzelnen Themen ersetzt. Das Buch und die darin enthaltenen Beschreibungen geben nur einen Teil des Fachwissens wieder, um Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, die Dimension der in den Expertenstandards geforderten Qualität näherzubringen und meine Erfahrungen bei der Umsetzung zu vermitteln.

Einer der häufigsten Fehler, der bei der Planung der Implementierung unterläuft, ist die Unterschätzung der damit verbundenen Arbeit, der zu knapp geplante zeitliche Aufwand und eine fehlende Begleitung bei der Einführung sowie bei der nachhaltigen Implementierung. Wenn auch die Rahmenbedingungen in der Pflege suboptimal bis gefährlich für den festgesetzten Qualitätsanspruch zu verzeichnen sind, möchte ich Sie trotzdem bitten und dazu ermutigen, sich auf den Weg zu machen und einen Standard nach dem anderen in Ihren Diensten zu implementieren, denn dadurch besteht die größte Chance für die Pflege.

Im Buch wird wegen der besseren Lesbarkeit die männliche Geschlechtsform verwendet, die weibliche Form ist damit gemeint.

Dass ich dieses Buch geschrieben habe, habe ich vielen Menschen und Kolleginnen zu verdanken: meinem Träger, der Diakonie Düsseldorf, die mir in allen Berufsjahren viel Vertrauen geschenkt und viele Gestaltungsmöglichkeiten gestattet hat, die dazu geführt haben, bei der Entwicklung in der Pflege dabei zu sein; meinen zahlreichen Kolleginnen aus allen pflegerischen Einrichtungen, die ich immer wieder gewinnen konnte, sich auf „Mehr-Arbeit“ einzulassen, um erfolgreiche Projekte durchführen zu können, die interne Pflegequalität weiterzuentwickeln und wertvolle praktische Erfahrungen zu sammeln, den Kollegen aus allen modellhaften Implementierungsprojekten, die deutschlandweit aus verschiedenen pflegerischen Bereichen ihre Erfahrungen zur Verfügung gestellt haben, dem DNQP-Team unter Leitung von Frau Prof. Dr. Schiemann, mit dem ich alle Jahre sehr gut zusammen gearbeitet habe, das mich bei der Projektarbeit unterstützt, mir viel Vertrauen geschenkt hat und meine Rückmeldungen aus der Projektarbeit mit großem Interesse und Ernsthaftigkeit entgegengenommen hat; meinen Freunden und meiner Familie, die meine Verzweifelung aufgefangen und mir Mut gegeben haben, auszuhalten und weiterzumachen.

Mein bester Dank geht auch an Frau Anne Krüger, die die redaktionelle Bearbeitung dieses Buches übernommen hat, an die Kolleginnen Dorte Kretschmar, Petra Hanschen und Beate Groß, die Teile des Buchentwurfs gelesen und mir ein Feedback gegeben haben.

Nun wünsche ich Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, viel Freude beim Lesen und viel Erfolg bei der Umsetzung der Expertenstandards.

Düsseldorf, im September 2012

Dr. med. Nada Ralic Master of Public Health Assessorin für EFQM Qualitätsmanagementbeauftragte Diakonie Düsseldorf

1 Einführung

Pflegerische sowie medizinische und rehabilitative Einrichtungen sind verpflichtet, ihre Leistungen „entsprechend dem allgemein anerkannten Stand medizinisch-pflegerischer Erkenntnisse“ zu erbringen (SGB XI § 11; SGB V § 70). Die sogennanten SGB-XI Einrichtungen sind ab 01.07.2008 gemäß § 113a SGB XI auch zur Umsetzung der Expertenstandards verpflichtet. Die Zulassung zur Pflege erhalten (SGB XI § 71; § 113a) nur die Einrichtungen, die sich dieser Verpflichtung stellen. Die Qualitätskriterien der Expertenstandards sind bereits vor dieser, jetzt im Gesetz verankerten Verpflichtung sukzessive in den Prüfkatalog des Medizinischen Dienstes aufgenommen worden. Somit sind die Kriterien der Expertenstandards durch das „Hintertürchen“ der Qualitätsmaßstab für die Pflege geworden, ohne dass sie in der Vergangenheit explizit gesetzlich „vorgeschrieben“ wurden. In der Pflegepraxis sowie in der Pflegewissenschaft wird oft über den „allgemein anerkannten Stand der medizinisch-pflegerischen Erkenntnisse“ kontrovers diskutiert. Was sind die allgemein anerkannten Erkenntnisse und wer erkennt diese an? Wo ist der Stand des gegenwärtig, gültigen Wissens beschrieben? Noch 2001 schrieb Entzian, dass in der Pflege „gegenwärtig [....} auf einen Stand der Erkenntnisse nicht zurückgegriffen werden kann“ (Entzian 2001, S.15). Damit die Erkenntnisse allgemein anerkannt werden, müssen sie von allen Akteuren anerkannt werden, das heißt von der Wissenschaft, von den Praktika und nicht zuletzt von den Kunden. Die Pflegewissenschaft erkennt die Erkenntnisse dann an, wenn diese aus den qualitativen Forschungsarbeiten gewonnen werden. Die Pflegepraxis erkennt sie an, wenn diese in der Praxis umsetzbar sind und die Kunden, wenn sich deren gesundheitlich-pflegerischer Zustand durch die Anwendung der wissenschaftlichen Erkenntnisse zumindest aufrechterhält, wünschenswert auch verbessert.

1.1 Die Qualität

Der nach der EN DIN ISO-Norm 9000:2000 ziemlich neutral definierte Qualitätsbegriff – als „Grad, in dem ein Satz inhärenter Merkmale Anforderungen erfüllt“ (Deutsches Institut für Normung e. V. 2000, S. 18) oder „Qualität ist die Beschaffenheit einer Einheit [....] bezüglich ihrer Eignung, festgelegte und vorausgesetzte Erfordernisse zu erfüllen“ (Deutsches Institut für Normung e. V. 1995) – erlebte vielfältige Anpassungen an die verschiedenen Branchen und Gegebenheiten: von ganz komplizierten und für viele unverständlichen bis hin zu jedermann verständlichen Definitionen, wie z. B.: „Qualität ist Einhalten von Zusagen und Versprechungen“ (Leineweber 2002, S. 6). Zwischen diesen beiden Extrempolen der Qualitätsdefinition fand inzwischen eine Umwandlung statt. Ein nach ISO-Normen wertfreier Qualitätsbegriff wird von allen bewusst und unbewusst mit den hochwertigen Leistungen und erstklassigen Produkten in Verbindung gesetzt. In der Umgangssprache wird unter Qualität eigentlich immer eine sehr gute Qualität verstanden, die bei Dienstleistungen sehr oft am subjektiven Empfinden eines Individuums gemessen wird (Hildebrandt 2000). Das subjektive Empfinden ist zwar richtig, aber nicht der einzige Maßstab für die Bewertung der Qualität. Diese zu definieren, zu messen und objektiv zu beurteilen, ist eine der größten Herausforderungen für die Dienstleistungsunternehmen. Die Dienstleistungen sind (Meffeert 1986) selbstständige Leistungen, die marktfähig sind, sie sind auf die Bereitstellung bzw. den Einsatz von Potenzialfaktoren gerichtet (Betzold 1996):

Dienstleistungspotenzial

Dienstleistungsprozess

Dienstleistungsergebnis

Die menschlichen Ressourcen bilden das Dienstleistungspotenzial. Der Dienstleistungsprozess ist ein Interaktionsprozess zwischen Dienstleistungserbringer und -abnehmer (Leinweber 2002), und dessen Qualität hängt von der Interaktionsintensität und Produktionsstandardisierung ab. Die Intensität definiert sich aus Häufigkeit und Dauer der Interaktionen bzw. aus Kontakten zwischen den Mitarbeitern und Kunden. Die Produktionsstandardisierung hilft, in einem Dienstleistungsprozess die häufig nicht gewünschten negativen Einflüsse kontrolliert zu halten (Betzold 1996). Das Dienstleistungsergebnis ist der Zustand, der unmittelbar nach der Produktionsphase vorliegt und einen immateriellen Nutzen für Kunden hat, meistens als Kundenzufriedenheit ausgedrückt.

Die Dienstleistung kann nicht gelagert werden, sie wird zeitnah erbracht und ihre Qualität wird ebenso zeitnah bewertet. Die Dienstleistungserbringer bemühen sich deshalb zunehmend, die Anforderungen (Kundenerwartungen) durch die Kunden bestimmen zu lassen. Der Begriff „Kunde“ wird im Gesundheitswesen sehr kontrovers diskutiert (Stoffer 2002). Das Wort „Kunde“ deutet darauf hin, dass der Kunde kundig ist. Demnach kann sich der Kunde über Dienstleistungen und Anbieter erkundigen, die Qualität fördern, zielgerichtet beeinträchtigen und beurteilen. In den gesundheitlichen Dienstleistungsinstitutionen handelt es sich um verschiedene Kunden: von Versicherten über Patienten bis hin zu Pflegebedürftigen in der Alten- und Behindertenhilfe. In der stationären Altenpflege, wo über 60 % der Bewohner demenziell erkrankt sind (www.gbe-bund.de, Letzter Zugriff am 09.01.2012) ist die Sichtweise kundig sehr fraglich. Der Kunde ist außerdem nicht immer nur derjenige, der die Angebote unmittelbar in Anspruch nimmt (Patient, Bewohner), sondern auch dessen nahestehenden Personen wie Angehörige oder bei den Geschäftsunfähigen, gesetzliche Vertreter. Zudem hat jeder Akteur in einem Prozess seine Sichtweise, anhand der er seinerseits die Qualitätsanforderungen bestimmt. Im Gesundheitswesen sind es zumindest drei (Selbmann 1990).

JCHO (Joint Commission on Accreditation of Healtcare Organizations 1988) definiert Qualität aus der Sicht der Kostenträger, die sich nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 12 SGB V und § 4 SGB XI) richten, als angemessene und effiziente Nutzung der für die Gesundheitsversorgung bereitgestellten Ressourcen.

Die Mitarbeiter medizinischer und pflegerischer Professionen verbinden Qualität mit den Arbeitsbedingungen und dem Grad der Übereinstimmung zwischen der Versorgung und dem aktuellen Stand der Forschung.

Die Kunden erwarten, dass die Mitarbeiter im Gesundheitswesen auf deren subjektiv empfundenen Hilfebedarf unter Beachtung der Menschenwürde einfühlsam eingehen. Sie messen Qualität anhand der Serviceleistungen, der sogenannten weichen Faktoren, wie z. B. Zuwendung, Umgangsform, Erreichbarkeit, Höflichkeit, Kontinuität, emotionale Unterstützung (Roes et al. 2000). Dies kommt in der Altenpflege besonders zum Ausdruck, z. B.: In einer Studie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zu Qualitätsmängeln und Regelungsdefiziten der Qualitätssicherung in der ambulanten Pflege zeigt sich eine gewisse „Diskrepanz zwischen Maßstäben und Kategorien zur Qualitätsbeurteilung von Professionellen und Betroffenen“ (Roth 2001, S. 97). Die Betroffenen weisen den professionellen Kategorien weniger Bedeutung zu als den persönlichen Merkmalen wie Freundlichkeit, Respekt und Zuverlässigkeit. Nicht selten gibt die Nichterfüllung dieser Kundenerwartungen in Bezug auf die weichen Faktoren der Gesamtqualität einen negativen Beigeschmack.

1.2 Die Pflegequalität

Die Definition der Pflegequalität ist abgeleitet aus der allgemeinen Qualitätsdefinition der Dienstleistung im Gesundheitswesen. Kämmer (Kämmer & Schröder 2000) verbindet in ihrer Qualitätsdefinition die Kundenorientierung mit Professionalität. Sie modifizierte Donabedians Qualitätsdefinition: „Qualität ist der Grad der Übereinstimmung zwischen den Zielen des Gesundheitswesens und der wirklich geleisteten Pflege“ in die Definition: „Qualität ist der Grad der Übereinstimmung von Kundenerwartungen und der geleisteten Pflege unter Berücksichtigung des anerkannten fachlichen Standards der Pflege“ (ebd., S. 37). Qualität ist hier als ein Mix aus Kundenerwartung und fachlichem Standard dargestellt. Selbmann bringt die Effizienz als dritte Dimension in die Definition der Qualität in der Gesundheitsversorgung ein und definiert diese als optimal, „wenn die vorhandenen Mittel und das vorhandene Wissen effektiv zum Nutzen der Patienten eingesetzt werden“ (Selbmann 1990, S. 33).

Die Entwicklung des Verständnisses der Pflegequalität geschah in zwei Schritten (Menche 2011). Im ersten Schritt wurden die Kriterien festgelegt, im zweiten Schritt wurde jede dieser Kriterien in vier Stufen bewertet: optimale, angemessene, sichere und gefährliche Pflege. Das Pflegemodell von Monika Krohwinkel (Büsch 2000), Pflegewissenschaftlerin, ist heutzutage in der Altenpflege maßgeblich. Es stuft die Pflegequalität in optimale, angemessene, mangelhafte und gefährliche Pflege ein. Für das Erreichen einer dieser Stufen müssen bestimmte Bedingungen (Strukturqualität, Produktpotenzial) vorliegen, so Krohwinkel. Sie weist dabei ausdrücklich darauf hin, dass die Bedingungen (Dienstleistungspotenzial) nicht mit dem Erfüllen der Qualitätskriterien (Dienstleistungsergebnis) gleichzusetzen sind, sondern von der Interaktion (Dienstleistungsprozess) zwischen der Pflegeperson und dem zu Pflegenden abhängig sind.

1.3 Die Rolle der Expertenstandards bei der Qualitätsentwicklung

Die Entwicklung der nationalen Expertenstandards in der Pflege ist die Konsequenz der ziemlich unbefriedigenden Lage im Gesundheitswesen in den neunziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Im europäischen und internationalen Vergleich produzierte das deutsche Gesundheitswesen hohe Kosten, leistete aber mittelmäßige Qualität (Geraedts 2001). Was für andere Länder in Europa schon selbstverständlich war, nämlich eine nationale Strategie für die Qualitätsentwicklung im Gesundheitswesen, war in Deutschland Neuland. 1998 fand eine Tagung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) am Niederrhein statt, die impulsgebend für die Entwicklung der nationalen Strategie im deutschen Gesundheitswesen war. Bereits im darauf folgenden Jahr wurden bei der Gesundheitsministerkonferenz elf Qualitätsziele festgelegt, die die Gesundheitsversorgung qualitativ verbessern sollten (Grühl 2002, S. 15).

Qualitätsziele für das deutsche Gesundheitswesen (Gesundheitsministerkonferenz 1999):

Konsequente Patientenorientierung im GesundheitswesenÄrztliche Leitlinien und Pflegestandards für die Qualitätsentwicklung nutzenQualitätssicherung und Qualitätsmanagement-Sektoren übergreifend gestaltenQualitätsmanagement in den Einrichtungen des Gesundheitswesens stärkenDatenlage zur Qualitätsbewertung verbessernQualität darlegenQualitätsorientierte Steuerung weiterentwickelnWeitere Anreize zur kontinuierlichen Qualitätsverbesserung gebenUnterstützung und Moderation für die Qualitätsentwicklung weiterentwickelnVerstärkte Koordination bei der Umsetzung der Qualitätsziele auf Bundes- und LänderebeneProfessionalität auf dem Gebiet von Qualitätssicherung und Qualitätsmanagement weiterentwickeln

Zwar wird die Pflege außer im zweiten Ziel nicht explizit benannt, aber da sie ein Teil des Gesundheitswesens ist, beziehen sich alle oben genannten Ziele auch auf die Pflege. Das zweite Ziel sieht vor, dass neben medizinischen Leitlinien pflegerische Standards zu entwickeln sind. So sollten bis zum 01.01.2005 für zehn prioritäre Krankheiten ärztliche Leitlinien und Pflegestandards in der Diagnostik und Behandlung entwickelt und von einer Spitzenorganisation anerkannt werden. Ebenso sollten bis zum 01.01.2005 für prioritäre Krankheiten und Krankheitsfolgen sektorenübergreifende ärztliche Leitlinien und pflegerische Standards zur Verfügung gestellt werden, die die Umsetzung der integrierten Versorgungskonzepte ermöglichen. Beides ist bis heute noch nicht in geplantem Umfang geschehen, jedoch bemühen sich seitdem sowohl die medizinischen als auch die pflegerischen Fachgesellschaften, den Auftrag zu erfüllen und die gesundheitliche Versorgungsqualität zu erhöhen. Das Deutsche Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP) mit Sitz an der Fachhochschule in Osnabrück ist in Deutschland die koordinierende Stelle für die Qualitätsentwicklung in der Pflege. Das DNQP definiert sich als ein bundesweiter Zusammenschluss von Fachkollegen in der Pflege und eine weitreichende Hand des europäischen Netzwerks (EuroQuan, European Quality in Nursing Network, die europäische Dachorganisation nationaler Qualitätsnetzwerke in der Pflege). Bei der Entwicklung orientierte sich die Gruppe am Konzept der Pädiatrischen Fachgesellschaft des Royal College of Nursing (RCN) in Großbritannien. Das DNQP kooperiert mit dem Deutschen Pflegerat sowie mit anderen pflegerischen und medizinischen Berufs-, Fachverbänden und Patientenvertreterorganisationen. Somit ist auch ein Netz auf der fachpolitischen Ebene sichergestellt. Zentrale Aufgabenschwerpunkte des DNQP sind (www.dnqp.de):

Entwicklung, Konsentierung und Implementierung evidenzbasierter Expertenstandards

Beforschung von Methoden und Instrumenten zur Qualitätsentwicklung und -messung

Wie werden pflegerische Problemfelder ausgewählt, für die ein standardisiertes Verfahren entwickelt werden soll? Die Themenauswahl erfolgt in der Regel unter pflegeepidemiologischen und gesundheitsökonomischen Gesichtspunkten. Dabei sind folgende Bedingungen zu erfüllen: Einerseits muss festgestellt werden, dass aufgrund inadäquater oder mangelnder Versorgung (gesundheitsökonomische Gesichtspunkte) viele Menschen unter einem bestimmten Problem leiden oder von Betroffenheit bedroht sind (pflegeepidemiologische Gesichtspunkte). Dadurch entstehen hohe und unnötige Kosten im Gesundheitswesen. Andererseits müssen auf dem Markt wissenschaftlich gesicherte Interventionen und Hilfsmittel bestehen, durch deren Umsetzung das Problem reduziert und sogar dessen Entstehen vermieden werden kann. Mit fachlich gesteuerten standardisierten Verfahren sollten somit die Qualität erhöht und die Kosten reduziert werden.

Die Expertenstandards in der Pflege stellen „ein professionell abgestimmtes Leistungsniveau“ dar, „das den Bedürfnissen der damit angesprochenen Bevölkerung angepasst ist und Kriterien zur Erfolgskontrolle dieser Pflege mit einschließt. Standards geben die Zielsetzung komplexer pflegerischer Aufgaben“ (www.dnqp.de) vor. Sie konkretisieren pflegerische Handlungen, geben aber gleichzeitig Handlungsalternativen und Spielräume an die Managementebene und Mitarbeiter weiter. Ebenso geben sie Auskunft darüber, welche Verantwortung die Pflege gegenüber der Gesellschaft, den Pflegebedürftigen, dem Gesetzgeber aber auch gegenüber den Berufsgruppen selbst und ihren einzelnen Mitgliedern übernimmt. Sie verbinden die Experten- und Praxisebene (ebd.). Somit gelten sie heute als allgemein anerkannter Stand der pflegerischen Erkenntnisse. Darüber herrscht aber nach wie vor kein Konsens.

Haben solche Instrumente den Charakter eines Standards , einer Leit- oder Richtlinie? Welche Unterschiede gibt es zwischen Experten- und Praxisstandards? Welchen Nutzen bringen sie? Tragen sie tatsächlich zur Verbesserung der Pflegequalität bei? Diese und ähnliche Fragen werden immer wieder gestellt und zum Teil heftig diskutiert.

Standards bestimmen nach einer Definition der WHO (World Health Organization) ein professionell abgestimmtes Leistungsniveau der Pflege, das den Bedürfnissen der zu versorgenden Bevölkerung entspricht. Leitlinien ermöglichen, auf übergeordneter Ebene allgemeine Aussagen und Regelungen zu treffen. Richtlinien sind konkrete Handlungsanweisungen (Tätigkeits- und Ablaufbeschreibung), in denen die Vorgehensweise einer spezifischen pflegerischen Handlung beschrieben wird. Unter den Wissenschaftlern selbst, aber auch zwischen Wissenschaft und Praxis wird über die Gütekriterien der Expertenstandards kontrovers diskutiert, das dort zusammengefasste Expertenwissen als „allgemein anerkanntes Wissen“ wird infrage gestellt. Die Mitglieder des Fachbereichs Pflege und Gesundheitsförderung des Deutschen Netzwerkes Evidenzbasierte Medizin (DNEbM) nahmen eine kritische Stellung zum Begriff Expertenstandard, zur Berücksichtigung international anerkannter Kriterien für die Entwicklung der Leitlinien und Transparenz der Methodik sowie zu den in den Standards ausgesprochenen und laut DNEbM zum Teil nicht evidenzbasierte Empfehlungen. Solche und ähnliche Diskussionen sind für die Forschung und Qualitätsentwicklung in der Pflege wünschenswert und wichtig. Dennoch verbreiten sie in der Praxis Unsicherheit, Unmut und führen zum Teil zu Verwirrungen. Fast in jedem Standard findet man ansatzweise ein sogenanntes Expertenurteil, das nicht auf einer wissenschaftlich gesicherten Basis beruht, sondern vielmehr auf Praxiserfahrung. Warum greifen die Experten darauf zurück? Durch die Entwicklung der Expertenstandards wurde gleichzeitig ein enormer Forschungsbedarf in der Pflege festgestellt. Das ist nur logisch, da die Pflegewissenschaft in Deutschland eine relativ junge Wissenschaft ist. Sie hat sich in den 1980er Jahren aus der Sozialwissenschaft und Medizin als selbstständiger Wissenschaftszweig entwickelt und nahm in Deutschland erst in den 1990er Jahren mit der Etablierung der pflegewissenschaftlichen Studiengänge an den Hochschulen ihren Lauf. Die qualitative pflegewissenschaftliche Studienlage in Deutschland ist noch sehr dünn. Deshalb greifen die Experten auf eigene Erfahrungen und Erfahrungen anderer Praktiker zurück und empfehlen die Interventionen oder Hilfsmittel, die eben eine schwache Evidenz haben (Evidenzstufe IV) (s. Tah. 1.1). Solange sich die Studienlage nicht verbessert, wird in der Pflege weiterhin über allgemein anerkanntes Wissen kontrovers diskutiert. Trotz aller Schwierigkeiten, die sich auch in der Praxis bemerkbar machen, sind die Expertenstandards heute der Maßstab für die Beurteilung, ob die pflegerischen Einrichtungen ihre Arbeit auf den State of the Art ausrichten.

Tab. 1.1: Einteilung der Evidenzstärke in Evidenzklassen (Quelle: Europarat 2001)

Klasse

Stärke der Evidenz

1 a

Metaanalyse von RCTs (wenigstens eine systematische Review auf der Basis methodisch hochwertiger, kontrollierter, randomisierter Studien (engl. Randomised controlled trial“, RCT)

1 b

Wenigstens ein ausreichend großer, methodisch hochwertiger RCT

2 a

Wenigstens eine hochwertige kontrollierte Studie ohne Randomisierung (CCT)

2 b

Wenigstens eine hochwertige Studie eines anderen Typs, quasi-experimenteller Studien

3

Mehr als eine methodisch hochwertige, nicht-experimentelle deskriptive Studie (z. B. Vergleichsstudie (Vorher-Nachher-Studie), Korrelationsstudie, Querschnittsstudie, Fall-Kontroll-Studie)

4

Meinungen und Überzeugungen von angesehenen Autoritäten (aus klinischer Erfahrung); Expertenkommissionen; Konsensuskonferenzen, beschreibende Studie

Mit ihrer Trias Struktur, Prozess und Ergebniskriterien geben die Expertenstandards in der Pflege erkennbare Qualitätsdimensionen wieder. Jeder Expertenstandard hat den gleichen Aufbau.

Standardaussage/Ziel des Expertenstandards:

Im Ziel werden die erwarteten Effekte, das pflegerische Problem sowie die Zielgruppe, die mit der Umsetzung des Expertenstandards erreicht werden soll, definiert.

In der Begründung wird das Problem aus gesundheitsepidemiologischer und -ökonomischer Sicht kurz beschrieben.

Die Strukturqualität definiert die erforderlichen (optimalen) personellen und sachlichen Strukturen bzw. den Rahmen, der für die Umsetzung des Pflegeprozesses zur Verfügung gestellt werden muss. Jeder Expertenstandard definiert für die Herstellung des optimalen Rahmens zwei Verantwortliche:

die Pflegefachkraft für die Planung, Gestaltung, Durchführung und Evaluation des Pflegeprozesses und

die Einrichtung bzw. das Management für die Anschaffung der notwendigen Materialien und für die Gewährleistung der interdisziplinären Arbeit.

Die Strukturqualität ist somit dem Dienstleistungspotenzial gleichzusetzen. Die Fähigkeit und der Wille des Managements sowie die fachliche Kompetenz der Mitarbeiter bilden den Rahmen bzw. die Potenziale für die Ingangsetzung eines Prozesses bzw. einer Interaktion.

Die Prozessqualität definiert den Pflegeprozess, beschreibt die konkrete Umsetzung vom Beginn bis hin zur Evaluation. Die prozesshafte Interaktion zwischen dem Mitarbeiter und dem Betroffenen sowie seinem sozialem Umfeld und zwischen verschiedenen Fach- und Berufsgruppen untereinander bestimmt die Prozessqualität bzw. den Dienstleistungsprozess. Alle Expertenstandards schreiben eine abgestimmte Zusammenarbeit aller Professionen untereinander sowie die Einbeziehung des Kunden und seines Umfelds vor.

Die Ergebnisqualität definiert die zu erreichenden Effekte/Ziele und zwar personenbezogen und auf der Ebene der Pflegedokumentation. Das Dienstleistungsergebnis ist das Ergebnis des zuvor durchgeführten Dienstleistungsprozesses unter den gegebenen Bedingungen (Struktur) und kann mittels Dokumentation objektiv gemessen werden. Auch die erzielten Effekte bei den Kunden sind insofern messbar, indem die vorzubeugenden Probleme nicht eingetreten oder reduziert sind. Die Fragen, die sich auf die Information, Aufklärung und Beratungen bei Kunden beziehen, sind weiche Kriterien, denn der erzielte Qualitätsgrad hängt hier von Erwartungen und Fähigkeiten des Betroffenen ab.

Ausgehend von „standardisierten“, oben beschriebenen Definitionen eines Standards, einer Leit- und Richtlinie verbinden die Expertenstandards Elemente aller drei Instrumente, das professionell abgestimmte Qualitätsniveau (Zielsetzung, Struktur- und Ergebniskriterien), teilweise leitlinienähnliche und im Kern die richtlinienähnliche Prozessqualität. Sie ermöglichen im Rahmen der Pflegeprozessmethode, verschiedene einrichtungsbezogene und an der Zielgruppe angepasste Methoden und Wege zu nutzen, um die zuvor definierten Ergebnisse zu erzielen. Das ist eine Besonderheit der Expertenstandards in der Pflege, die damit der Pflege eine Chance bietet, die erwarteten Effekte (Ergebnisse) auf individuelle, die Besonderheiten des pflegerischen Settings und die Besonderheiten der Zielgruppe (Bewohner, Patienten in der ambulanten Pflege und im Krankenhaus, altersabhängig etc.) angepasste Art und Weise zu erreichen. Dabei gilt es, für alle die gleiche Pflegeprozessmethode anzuwenden. Dort, wo noch keine oder nur wissenschaftlich schwach begründete Interventionen vorhanden sind, werden Empfehlungen ausgesprochen. Da die Kriterien der Expertenstandards maßgeblich für die Beurteilung der Pflegequalität, insbesondere bei externen Qualitätsprüfungen, geworden sind, ist die Pflege herausgefordert, die Aussagen in den Expertenstandards zu differenzieren und sich gegen „verselbstständigende“ Verpflichtungen, die daraus abgeleitet werden, fachlich und souverän wehren zu können.

Die Expertenstandards in der Pflege fordern die pflegerischen Einrichtungen auf, optimale Bedingungen für die Umsetzung des Pflegeprozesses zu schaffen, um die Erwartungen der Kunden in Übereinstimmung mit fachlichen Kriterien zu erzielen.

Abb. 1.1: Zusammenspiel und Interaktion von verschiedenen Qualitätsdimensionen (eigene Darstellug)

1.4 Gesetzliche Rahmenbedingungen

Gesetzliche Rahmenbedingungen stellen einen öffentlich-verbindlichen Rahmen für die Erbringung der pflegerischen Leistungen dar. Sie heben den gegenwärtig allgemein anerkannten Stand des Wissens (§ 70 SGB V und § 11 SGB XI) zur allgemein gültigen Qualitätsanforderung an die Leistungserbringer an. Um dieser Anforderung gerecht zu werden, gibt der Gesetzgeber an, welche Qualitätskriterien auf Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualitätsebene erfüllt werden müssen.

Für die ambulante Pflege sind zwei Gesetzbücher maßgebend: das Sozialgesetzbuch XI (gesetzliche Pflegeversicherung) und das Sozialgesetzbuch V (die gesetzliche Krankenversicherung). Die Versicherten nach Sozialgesetzbuch V haben im Krankheitsfall einen Anspruch auf folgende Leistungen:

Häusliche Krankenpflege (§ 36)

Soziotherapie (§ 37a)

Spezialisierte ambulante Palliativversorgung (§ 37b)

Hauhaltshilfe (§ 38)

Der Gemeinsame Bundesausschuss hat zur Sicherung der ärztlichen Versorgung die erforderlichen Richtlinien über die Gewährung für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten beschlossen (SGB V § 92). Im Punkt 6 ist der Gemeinsame Bundesausschuss beauftragt, die Richtlinie über die Verordnung von Arznei-, Verbands-, Heil- und Hilfsmitteln, Krankenhausbehandlung, häuslicher Krankenpflege und Soziotherapie zu beschließen und in Punkt 13 über die Qualitätssicherung. In § 132a–d sind Beziehungen zwischen der Krankenkasse und sonstigen Leistungserbringern festgeschrieben.

Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen gibt die Rahmenempfehlungen für die einheitliche Versorgung in der häuslichen Pflege ab. Diese Rahmenempfehlungen bilden die Vorlage für die vertraglich-rechtliche Beziehung zwischen dem Leistungserbringer (ambulanter Pflegedienst) und -bezieher (Patient) und dem Kostenträger (Krankenkasse).

In den Rahmenverträgen nach §§ 132a–d SGB V werden die organisatorischen und personellen Qualitätskriterien (Strukturkriterien), die Qualitätskriterien zur Ablauforganisation (Prozesskriterien) sowie die Ergebniskriterien festgelegt (§ 135a, P.1 SGB V).

Das SGB XI, gesetzliche Pflegeversicherung, sieht vor, dass die Versorgungsverträge nur mit den Einrichtungen abgeschlossen werden können, die nach § 72, P „3. sich verpflichten, nach Maßgabe der Vereinbarungen gemäß § 113 einrichtungsintern ein Qualitätsmanagement einzuführen und weiterzuentwickeln, 4. sich verpflichten, alle Expertenstandards gemäß § 113a anzuwenden; ein Anspruch auf Abschluss eines Versorgungsvertrages besteht, soweit und solange die Pflegeeinrichtung diese Voraussetzungen erfüllt“.

Abb. 1.2: Rechtlich-vertragliches Verhältnis zwischen den Akteuren in der ambulanten Versorgung (eigene Darstellung)

Die Anforderungen des § 113a beziehen sich auf die in Zukunft zu entwickelnden Standards; die bis Inkrafttreten dieses Paragraphen entwickelten Expertenstandards sind nach ihrer Aktualisierung automatisch hiermit gemeint.

Der Gesetzgeber bzw. die Leistungsträger behalten sich vor, durch Qualitätsprüfungen die Umsetzung der gesetzlich-vertraglichen Verpflichtungen beim Leistungserbringer zu überprüfen (§ 112–115 SGB XI) und verpflichten die pflegerischen Einrichtungen mitzuwirken. Der Medizinische Dienst der Krankenkasse (MDK) ist ein unabhängiges und von den Kassen beauftragtes Organ, das die Qualität in den Einrichtungen nach den Qualitätskriterien der §§ 113, 113a SGB XI prüft. Grundlage der MDK-Qualitätsprüfungen bilden die Qualitätsprüfungsrichtlinien (QPR) und die als Anlage dazugehörigen Erhebungsbögen (MDS 2009). Einige dieser Kriterien sind seit dem 01.07.2009 als Kriterien im Zuge der Transparenzvereinbarungen (PTVA) für die zu veröffentlichten Qualitätsberichte relevant. In der sogenannten MDK-Anleitung zur Prüfung der Qualität in der ambulanten Pflege sind die Qualitätskriterien differenziert dargestellt. Die Qualitätsprüfer, vom Medizinischen Dienst der Krankenkassen ausgebildete Personen, sind verpflichtet, sich bei der Prüfung an die dort beschriebenen Kriterien zu halten und anhand des Erfüllungsgrads die Pflegequalität zu beurteilen.

Im Folgenden sind die Qualitätskriterien aus dem MDK-Erhebungsbogen, die sich direkt auf die Expertenstandards beziehen, dargestellt:

6.3

Werden die für die ambulante Pflege relevanten Aussagen der Expertenstandards des DNQP im Rahmen des Qualitätsmanagements berücksichtigt oder sind konkrete Maßnahmen in dieser Hinsicht geplant?

Dekubitusprophylaxe

Pflegerisches

Schmerzmanagement

Sturzprophylaxe

Kontinenzförderung

Chronische Wunden

Die Frage bezieht sich auf die Strukturqualität in den Einrichtungen. In seiner Anleitung begründet der MDK die Aufnahme des Kriteriums in den Prüfkatalog: „Auch wenn die Expertenstandards des Deutschen Netzwerks für Qualitätsentwicklung in der Pflege keine direkte Verbindlichkeit für die Pflegekräfte und Pflegeeinrichtungen entfalten, können die Expertenstandards als ‚vorweggenommene Sachverständigengutachten’ gewertet werden. Das heißt, dass sie bei juristischen Auseinandersetzungen als Maßstab zur Beurteilung des aktuellen Stands der medizinisch-pflegewissenschaftlichen Erkenntnisse herangezogen werden. Bereits bei mehreren Bundessozialgerichtsurteilen (BSG Urteile vom 24. September 2002, Az. B 3 KR 9/02 R und Az. B 3 KR 15/02 R) wurde auf den Expertenstandard Dekubitusprophylaxe Bezug genommen. Die bisher vom DNQP entwickelten Expertenstandards konkretisieren den Stand der pflegewissenschaftlichen Erkenntnisse und sind bis zu einem Aktualisierungs- bzw. Einführungsbeschluss eines neuen Expertenstandards nach § 113a SGB XI relevant“ (MDK Anleitung ambulant, S. 90).

Die Kriterien, die mittels Umsetzung des Expertenstandards bewertet werden können, sind im Folgenden abgebildet:

6.5

Wird das einrichtungsinterne Qualitätsmanagement entsprechend dem kontinuierlichenVerbesserungsprozess (im Sinne des PDCA-Zyklus) gehandhabt?

a. Istanalyse,

Zielformulierung

und Maßnahmenplanung (Plan) b. Umsetzung (Do) c. Überprüfung der Wirksamkeit (Check) d. Anpassung der Maßnahmen (Act)

10

Behandlungspflege

„Grundsätzlich sind bei den Fragen zu den behandlungspflegerischen Maßnahmen immer folgende Aspekte zu bewerten:

Gezielte Sammlung von Informationen, die für die Durchführung der Maßnahmen erforderlich sind

Maßnahme erfolgt entsprechend dem aktuellen Stand des Wissens

Auswertung der Nachweise und ggf. Information an den Arzt

Durchführung der Maßnahmen in verordnetem Umfang

10.1

Ist bei behandlungspflegerischem Bedarf eine aktive Kommunikation mit dem Arzt nachvollziehbar?

10.5

Wird mit Blasenspülungen sachgerecht umgegangen?

10.10

Wird mit der Flüssigkeitsbilanzierung sachgerecht umgegangen?

10.21

Erhält der Pflegebedürftige bei Leistungen der häuslichen Krankenpflege zur Schmerztherapie ein angemessenes pflegerisches Schmerzmanagement?

10.22

Wird die Katheterisierung der Harnblase entsprechend der ärztlichen Verordnung nachvollziehbar durchgeführt, dokumentiert und bei Komplikationen der Arzt informiert?

10.26

Beschreibung vorliegender Wunden

10.27

Verwendete Materialien zur Behandlung vorliegender Wunden (Verbandsmaterial, Medikamente)

10.28

Sind Ort und Zeitpunkt der Entstehung der chronischen Wunde/des Dekubitus nachvollziehbar?

10.29

Basieren die pflegerischen Maßnahmen zur Behandlung der chronischen Wunden oder des Dekubitus auf dem aktuellen Stand des Wissens?

10.30

Erfolgt eine differenzierte Dokumentation bei chronischen Wunden oder Dekubitus (aktuell, Verlauf nachvollziehbar, Größe Lage, Tiefe)?

10.31

Werden die Nachweise zur Behandlung chronischer Wunden oder des Dekubitus (z. B. Wunddokumentation) ausgewertet und die Maßnahmen ggf. angepasst?

10.32

Wird mit Kompressionsstrümpfen/-verbänden sachgerecht umgegangen?

11.4

Liegt ein Sturzrisiko vor?

11.5

Wurde bei vorliegendem Sturzrisiko eine Beratung durchgeführt?

11.6

Liegt ein Dekubitusrisiko vor?

11.7

Werden Pflegebedürftige/Pflegepersonen über Risiken und geeignete Maßnahmen zur Vermeidung eines Druckgeschwürs beraten (z. B. Bewegungsplan, Einsatz von Hilfsmitteln, Hautinspektion)?

11.8

Wenn bei der Erbringung von vereinbarten Leistungen beim pflegebedürftigen Menschen für den Pflegedienst ein individuelles Dekubitusrisiko erkennbar ist, wird dieses dann erfasst?

11.9

Wird im Rahmen der vereinbarten Leistungen eine gewebeschonende Lagerung zur Vermeidung von Druckgeschwüren vorgenommen?

12.3

Bestehen Risiken/Einschränkungen im Bereich der Ernährung?

12.4

Bestehen Risiken/Einschränkungen im Bereich der Flüssigkeitsversorgung?

12.5

Werden Pflegebedürftige/Pflegepersonen über Risiken und erforderliche Maßnahmen zur Flüssigkeitsversorgung beraten (z. B. Angaben zur Trinkmenge, Einsatz geeigneter Hilfsmittel, Berücksichtigungen individueller Besonderheiten, Vorlieben, Abneigungen)?

12.6

Wird der pflegebedürftige Mensch bzw. sein Angehöriger informiert bei erkennbaren Flüssigkeitsdefiziten?

12.7

Werden die individuellen Ressourcen und Risiken bei der Flüssigkeitsversorgung erfasst, wenn hierzu Leistungen vereinbart sind?

12.8

Wurde die vereinbarte Leistung zur Flüssigkeitsversorgung nachvollziehbar durchgeführt?

12.9

Werden Pflegebedürftige/Pflegepersonen über Risiken und erforderliche Maßnahmen zur Ernährung beraten (z. B. Angaben zur Nahrungsmenge, individuelle Gewichtskontrollen, Einsatz geeigneter Hilfsmittel, Berücksichtigung individueller Besonderheiten, Vorlieben, Abneigungen, Diäten, Unverträglichkeiten)?

12.10

Wird der pflegebedürftige Mensch bzw. sein Angehöriger informiert bei erkennbaren Ernährungsdefiziten?

12.11

Werden die individuellen Ressourcen und Risiken bei der Ernährung erfasst, wenn hierzu Leistungen vereinbart sind?

12.12

Wurde die vereinbarte Leistung zur Nahrungsaufnahme nachvollziehbar durchgeführt?

12.13

Werden die individuellen Wünsche zum Essen und Trinken im Rahmen der vereinbarten Leistungserbringung berücksichtigt?

13.2

Bestehen Einschränkungen im Bereich der Kontinenz bzw. bei der selbstständigen Versorgung einer bestehenden Inkontinenz?

13.3

Werden Pflegebedürftige/Pflegepersonen über erforderliche Maßnahmen beraten (z. B. Kontinenztrainingsplan, Miktionsprotokoll, Einsatz von Hilfsmitteln, personeller Hilfebedarf, z. B. beim Aufsuchen der Toilette, Hautinspektion)?

13.4

Werden individuelle Ressourcen und Risiken im Zusammenhang mit Ausscheidungen erfasst, wenn hierzu Leistungen vereinbart sind?

13.5

Wurde die vereinbarte Leistung zur Unterstützung bei Ausscheidungen/Inkontinenzversorgung nachvollziehbar durchgeführt?

33 (1/3) von insgesamt 107 Fragen (ohne Patientenbefragungen) beziehen sich direkt auf die Inhalte der Expertenstandards. Wenn man die Fragen zur Strukturqualität der Einrichtung (45) von 107 abzieht, machen die Kriterien der Expertenstandards die Hälfte der zu prüfenden Kriterien über die Prozessqualität aus. Die Erfüllung oder Nicht-Erfüllung der 16 Expertenstandard-Kriterien werden gemäß der Vereinbarung nach § 115 Abs. 1a Satz 6 SGB XI über die Kriterien der Veröffentlichung sowie die Bewertungssystematik der Qualitätsprüfungen der Medizinischen Dienste der Krankenversicherung sowie gleichwertiger Prüfergebnisse von ambulanten Pflegediensten vom 29. Januar 2009 veröffentlicht. Das macht ebenso eine Hälfte von insgesamt 37 Kriterien aus (ohne Befragung der Kunden).

Abb. 1.3: Mögliche Konsequenzen bei Nichtbeachtung der Expertenstandards (eigene Darstellung)

Auch wenn sich die Verpflichtungen aus § 113a nicht explizit auf die bisher entwickelten Expertenstandards beziehen, ist es mehr als eindeutig, dass alle pflegerischen Einrichtungen, die einen Versorgungsvertrag gemäß § 72 SGB XI abgeschlossen haben, ein starkes Interesse haben sollten, die Expertenstandards einzuführen und für nachhaltige Implementierung zu sorgen. Auch die SGB V-Einrichtungen (Krankenhäuser und Rehabilitationseinrichtungen) sind gut beraten, die Expertenstandards zu berücksichtigen, weil sie ebenso nach allgemein anerkanntem Stand der pflegerischen Erkenntnisse arbeiten müssen.

Die Nicht-Einhaltung der Expertenstandards kann zu verschiedenen Konsequenzen führen. Die Nicht-Beachtung des fachlichen Standards kann zu persönlichen Schäden bei den Kunden führen und als Behandlungsfehler definiert werden. Dies zieht negative Urteile für die Einrichtung nach sich und Schadenersatzansprüche seitens des Betroffenen und Kostenträgers. Die Prüfinstitutionen bescheinigen der Einrichtung einen Qualitätsmangel, der zum Imageverlust führt. Sollte es sich um schwerwiegende Mängel handeln, kann die Existenz der Einrichtung bedroht sein.

2 Ambulante Dienste

Ambulante Pflegeeinrichtungen (Pflegedienste) im Sinne des SGB XI sind „selbstständig wirtschaftende Einrichtungen, die unter ständiger Verantwortung einer ausgebildeten Pflegefachkraft Pflegebedürftige in ihrer Wohnung pflegen und hauswirtschaftlich versorgen“ (§ 71, Abs. 1 SGB XI). Das SGB V definiert nach § 132 die Pflegedienste als Leistungserbringer, die zur ärztlich verordneten häuslichen Krankenpflege gem. § 37 und Familienpflege/Haushaltshilfe gem. § 38 SGB V mittels eines Rahmen- und Versorgungsvertrages zugelassen sind. Grundlagen für die Erbringung der vertraglichen Leistungen sind der Vertrag gem. §§ 132, 132 a SGB V (NRW) zur ambulanten Versorgung und der Rahmenvertrag über die ambulante pflegerische Versorgung gem. § 75 Abs. 1 SGB XI (NRW), der Versorgungsvertrag, die Vergütungsvereinbarung des Pflegedienstes mit den Kostenträgern sowie die Qualitätsstandards gem. § 113 SGB XI (s. Kap. 1.4).

2.1 Leistungen der häuslichen Pflege

Das Ziel der ambulanten Versorgung besteht darin, den Pflegebedürftigen ein möglichst langes Leben zuhause, unter Beachtung des Selbstbestimmungsrechts (§ 2 SGB XI) zu ermöglichen. Der ambulante Dienst steht in einem zivilrechtlichen Vertragsverhältnis mit den Patienten und in einem gesetzlichen Vertragsverhältnis mit dem Kostenträger (s. Abb. 1.2). Die Leistungen, die die Patienten in der häuslichen Pflege in Anspruch nehmen können, sind in den §§ 36–40 SGB XI definiert. Es handelt sich um die Leistungen der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung. Diese sind wiederum im § 14 SGB XI (Begriff der Pflegebedürftigkeit) genau ausgewiesen.

Im Krankheitsfall haben die Patienten einen Anspruch nach §§ 36–38 SGB V auf die Leistungen der häuslichen Krankenpflege, der Soziotherapie, der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung und der Haushaltshilfe. Die Leistungen nach SGB V werden durch den Arzt verordnet. Für die Inanspruchnahme der Leistungen aus SGB XI muss bei den Patienten die Pflegebedürftigkeit festgestellt werden. Je nach Pflegestufe stehen den Patienten bestimmte Pflegesätze (Geld) zur Verfügung. Der Patient hat drei Optionen, wie er die ihm zustehenden Pflegeleistungen in Anspruch nehmen möchte, und zwar als

Pflegesachleistung (§ 36),

Pflegegeld für selbst beschaffte Pflegehilfe (§ 37) oder

Kombination von Geldleistung und Sachleistung (Kombinationsleistung) (§ 38).

Bei der Pflegesachleistung stehen dem Patienten für die Pflegeeinsätze folgende monatliche Beiträge zu:

Pflegestufe 1

450 Euro ab 1. Januar 2012

Pflegestufe 2

1.100 Euro ab 1. Januar 2012

Pflegestufe 3

1.550 Euro ab 1. Januar 2012

Die Sachleistungen erbringt ein Pflegedienst, der mit der Pflegekasse einen Versorgungsvertrag abgeschlossen hat. Er rechnet seine Leistungen direkt mit der Pflegekasse ab.

Bei Inanspruchnahme von Pflegegeld stehen den Pflegebedürftigen folgende monatliche Beiträge zur Verfügung:

Pflegestufe I

235 Euro ab 1. Januar 2012

Pflegestufe 2

440 Euro ab 1. Januar 2012

Pflegestufe 3

700 Euro ab 1. Januar 2012

Die Pflegebedürftigen, die das Pflegegeld in Anspruch nehmen, beschaffen sich selbst die Hilfe. Damit die Pflege sichergestellt wird, verpflichtet der Gesetzgeber diese Patienten bei Pflegestufe 1 und 2 einmal halbjährlich und bei Pflegestufe 3 einmal pro Quartal nach § 37 Abs. 3 zu einer „Beratung in der eigenen Häuslichkeit durch eine zugelassene Pflegeeinrichtung, durch eine von den Landesverbänden der Pflegekassen nach Absatz 7 anerkannte Beratungsstelle mit nachgewiesener pflegefachlicher Kompetenz oder, sofern dies durch eine zugelassene Pflegeeinrichtung vor Ort oder eine von den Landesverbänden der Pflegekassen anerkannte Beratungsstelle mit nachgewiesener pflegefachlicher Kompetenz nicht gewährleistet werden kann, durch eine von der Pflegekasse beauftragte, jedoch von ihr nicht beschäftigte Pflegefachkraft“.

Die Patienten können beide Leistungen auch kombinieren. Das Pflegegeld wird verhältnismäßig vermindert, indem der Pflegebedürftige Sachleistungen in Anspruch genommen hat. An die Entscheidung, in welchem Verhältnis er Geld- und Sachleistung in Anspruch nehmen will, ist der Pflegebedürftige für die Dauer von sechs Monaten gebunden.

Rechenbeispiele:

Ein Pflegebedürftiger der Pflegestufe 1 nimmt im Januar 2012 Sachleistungen im Wert von 235 € in Anspruch. Der ihm zustehende Höchstbetrag beläuft sich auf 450 €, er hat somit die Sachleistungen zu 52,22 % ausgeschöpft. Vom Pflegegeld in Höhe von 235 € stehen ihm noch 47,77 % also 112,27 € zu (s.

Tab. 2.1

).

Tab. 2.1: Rechenbeispiele

Pflegestufe

Zustehender Höchstbetrag für Sachleistungen

In Anspruch genommene Sachleistungen

Anteil Sachleistungen (%)

Anteil Pflegegeld (%)

Zustehender Höchstbetrag Pflegegeld

Pflegegeld

1

440,00 €

235,00 €

53,4 %

46,60 %

225,00 €

104,85 €

2

1.040,00 €

500,00 €

48,07 %

51,93 %

430,00 €

223,29 €

3

1.510,00 €

1.000,00 €

66,26 %

33,74 %

685,00 €

231,12 €

Die Patienten der häuslichen Pflege haben bei Verhinderung der Pflegeperson Anspruch auf Verhinderungspflege (§ 39 SGB XI). Die Pflegekasse übernimmt in dem Fall die Kosten für die Ersatzpflege für längstens vier Wochen je Kalenderjahr ab 01.01.2012 in Höhe von 1.550 €. Zusätzlich haben die Patienten Anspruch auf Kurzzeitpflege, wenn häusliche Pflege nicht im ausreichenden Maße sichergestellt werden kann oder als Ergänzung oder Stärkung der häuslichen Pflege erforderlich ist. Ebenso können die Patienten die Tagespflege in Anspruch nehmen und mit der häuslichen Pflege kombinieren (s. Tab. 2.2).

Wird die Tagespflege mit Pflegesachleistungen kombiniert, dürfen die Aufwendungen insgesamt 150 % des Sachleistungsanspruchs der jeweiligen Pflegestufe nicht übersteigen. Der Anspruch auf Pflegesachleistungen verringert sich, wenn mehr als 50 % für den Besuch einer Tagespflege verwendet werden.

Bei der Kombination von Tagespflege und Pflegegeld dürfen die Aufwendungen insgesamt 150 % der jeweiligen Pflegestufe nicht übersteigen. Der Pflegegeldanspruch verringert sich, wenn mehr als 50 % für den Besuch einer Tagespflege verwendet werden.

Wenn bei der Kombination von Tagespflege, Pflegegeld und Pflegesachleistung höchstens die Hälfte der Leistungen für die Tagespflege verwendet wird, werden keine Leistungen gekürzt. Der Anteil von Pflegesachleistungen und Pflegegeld berechnet sich entsprechend den Regelungen zur Kombinationsleistung (nach § 38 SGB XI).

Tab. 2.2: Kombination von Tagespflege und häuslicher Pflege

Pflegestufe

Betrag (100 %) Sachleistungen (für Tagespflege oder häusliche Pflege)

50 % für Tagespflege (in Kombination mit häuslicher Pflege)

Pflegestufe I

440 €

220 €

Pflegestufe II

1.040 €

520 €

Pflegestufe III

1.510 €

755 €

Des Weiteren haben Patienten mit eingeschränkten Alltagskompetenzen (§ 45a berechtigter Personenkreis) einen Anspruch auf die zusätzlichen Betreuungsleistungen gemäß § 45b in Höhe von 100–200 € monatlich, maximal 2.400 € jährlich.

Nach § 40 SGB XI haben Pflegebedürftige den Anspruch auf die Pflegehilfsmittel, die zur Erleichterung der Pflege oder Linderung der Beschwerden des Pflegebedürftigen beitragen. Von den Aufwendungen

für Hilfsmittel, die zum Verbrauch bestimmt sind, werden höchstens Aufwendungen von 31,- € monatlich bezahlt.

für technische Hilfsmittel werden Aufwendungen in Höhe von 90 % der Kosten erstattet, unter Berücksichtigung von höchstens 25,- € Eigenbeteiligung je Hilfsmittel.

für Maßnahmen zur Verbesserung des Wohnumfeldes sind Kosten bis zu 2.557,- € je Maßnahme erstattungsfähig, unter Berücksichtigung einer angemessenen Eigenbeteiligung.

Über die Leistungen der Pflegekasse hinaus können die Patienten mit dem Pflegedienst weitere Zusatzleistungen vereinbaren, die sie dann selbst finanzieren. Ebenso können die nicht pflegebedürftigen Menschen die gewünschten Leistungen in Anspruch nehmen, für die sie dann finanziell selbst aufkommen. Die Pflegekassen verpflichten die Pflegedienste nach § 120 SGB XI, mit dem Patienten einen schriftlichen Pflegevertrag abzuschließen, in dem die vereinbarten Leistungen und die Finanzierung transparent dargestellt sind.

Die Pflegedienste können ihre Preise nur eingeschränkt selbst gestalten. In einer Vergütungsvereinbarung verhandelt i. d. R. der Spitzenverband des Pflegedienstes mit dem Landesverband der Pflegekassen über einen Punktwert. Dieser ausgehandelte Punktwert wird mit dem Zeitfaktor multipliziert, der einem Leistungskomplex zugrunde gelegt ist. So ergibt sich der Preiswert für einen Leistungskomplex, z. B. Leistungskomplex 1 (NRW) Ganzwaschung ist mit 410 Punkten (41 Minuten) bewertet und beinhaltet folgende Einzelleistungen:

Waschen, Duschen, Baden

Mund-, Zahn- und Lippenpflege

Rasieren

Hautpflege

Haarpflege (Kämmen, ggf. Waschen)

Nagelpflege

An- und Auskleiden inkl. An- und Ablegen von Körperersatzstücken

Vorbereiten des Pflegeumfelds und der Einzelleistungen

Wenn ein Punktwert 0,041 € beträgt, ergibt sich ein Preiswert für den Leistungskomplex 1 von 16,81 €.

2.2 Organisationsformen und Strukturen

Der ambulante Dienst versorgt meist die Patienten einer Stadt, einer Region oder eines Stadtteils. Die Pflegedienste können zentral oder dezentral organisiert werden. Zentrale Organisation heißt, dass die Leitung und Verwaltung, der Fuhrpark und das Qualitätsmanagement für den gesamten Dienst von einer „Zentrale“ gemanagt werden. In der Regel sind Verwaltungsprozesse zentralisiert, wie Leistungsabrechnungen, Personalwirtschaft, Fuhrparkmanagement und Qualitätsmanagement. Bei solchen Diensten sind alle Mitarbeiter einer Pflegedienstleitung bzw. Einsatzleitung unterstellt. Die „Tourenpläne“ (Einsatzpläne) werden ebenso von einer zentralen Stelle erstellt. Bei dezentralen Diensten sind einzelne Mitarbeitergruppen meistens einer Einsatzleitung oder Gruppenleitung unterstellt, die für ihre Mitarbeiter Dienst- und Tourenpläne erstellt. Auch die anderen Bereiche (Verwaltung und Fuhrpark) sind der jeweiligen Einsatz-/Gruppenleitung unterstellt. Die jeweilige Mitarbeitergruppe versorgt mehrere Patienten, die entweder regional nah beieinander wohnen oder die eine spezielle Fachpflege benötigen. In dem Fall ist eine Gruppe spezialisiert, z. B. psychiatrische ambulante Pflege oder Wundmanagement.

Der ambulante Dienst kann gleichzeitig zentral und dezentral organisiert werden, die übergreifenden Verwaltungsprozesse sind zentral organisiert, wobei die Mitarbeiter in regional- oder fachspezifischen Gruppen organisiert sind. Die Dienst- und Einsatzplanung obliegt der jeweiligen Gruppenleitung.

Welche Organisationsform der einzelne Pflegedienst für sich wählt, hängt von vielen Faktoren ab: zur Verfügung stehende Mitarbeiterstruktur inkl. Leitungskräfte, Patientenstruktur, Träger, zu versorgende Region etc.

Die räumliche Zentralisierung in der heutigen, digitalisierten Zeit spielt für die Entscheidung, ob der Dienst zentral oder dezentral organisiert werden soll, keine große Rolle mehr. Die Organisationsformen sind beispielhaft in den Abbildungen 2.1, 2.2 und 2.3 mittels Organigrammen abgebildet.

Abb. 2.1: Dezentral organisierter ambulanter Pflegedienst

Abb. 2.2: Zentral organisierter ambulanter Dienst

Abb. 2.3: Kombination von zentral und dezentral organisiertem ambulanten Dienst

Nach § 72 SGB XI haben zugelassene ambulante Pflegedienste eine personelle Besetzung in der Pflege im rechnerischen Umfang von drei Vollzeitkräften nachzuweisen. Abgesehen davon sind Pflegedienste im Gegensatz zu den stationären Einrichtungen bezüglich des Stellenplans an keine Personalrichtlinien angebunden. Sie gestalten den Personaleinsatz nach den vereinbarten Leistungen. Leistungen der häuslichen Krankenpflege gemäß 132, 132a SGB XI dürfen nur von ausgebildeten Pflegefachkräften durchgeführt werden mit Ausnahme von Leistungen der Leistungsgruppe 1 (NRW), die durch sonstige Pflegekräfte durchgeführt werden dürfen, die eine Fortbildung im Umfang von 140 Stunden abgeleistet haben. Beim Einsatz von Pflegehilfskräften ist zudem sicherzustellen, dass Pflegefachkräfte die fachliche Überprüfung des Pflegebedarfs, die Anleitung der Hilfskräfte und die Kontrolle der geleisteten Arbeit gewährleisten. Die Qualitätsanforderungen an einen Pflegedienst bezüglich personeller und sachlicher Ausstattung, die Qualität der zu erbringenden Leistungen, das Abrechnungsverfahren und die Dokumentationspflicht sind Gegenstand der einzelnen Versorgungsverträge. Die spezialisierten Pflegedienste (palliativpflegerische Dienste, psychiatrische Pflegedienste etc.) unterliegen zusätzlichen Qualitätsanforderungen.

Der Mitarbeitereinsatz wird mittels Einsatzplänen, auch „Tourenpläne“ genannt, organisiert. In einer Tour werden mehrere Patienten von einem Mitarbeiter versorgt. Die Zusammensetzung der Patienten wird entweder regional oder krankheits- und pflegespezifisch vorgenommen. Von deren Pflegebedarfen und benötigten Hilfestellungen hängt auch die Zuordnung eines bestimmten Mitarbeiters der jeweiligen Tour ab. Mehrere Faktoren beeinflussen gleichzeitig die Erstellung eines Tourenplans:

Zu erbringende Leistungen – welcher Mitarbeiter mit welcher Qualifikation soll/muss/darf bei welchen Patienten eingesetzt werden

Patienten – Wünsche und Gewohnheiten, z. B. nach Versorgungszeiten

Patienten – Wohnort und damit verbundene Fahrtzeiten

Versorgungsdauer

Eine „wirtschaftliche“ Tour muss sich finanziell selbst tragen; häufig ist das nicht möglich. Aufgrund dessen bestehen verschiedene Kalkulationen, vom „wirtschaftlichen“ Einsatz bis hin zur Tages- oder Monats-Mischkalkulation, damit der Pflegedienst wirtschaftlich arbeiten kann. Welches dieser Modelle für den einen oder anderen Pflegedienst von Vorteil ist, ist ganz individuell und liegt in der Geschicklichkeit und Fähigkeit der Leitung.

2.3 Besonderheiten in der ambulanten Pflege

Die Pflegekräfte sind Gäste in den Patientenwohnungen. Neben der Personal- und Einsatzplanung sowie Leistungsabrechnung unterscheidet sich die Versorgung in der ambulanten Pflege von der in der stationären Pflege durch dieses Merkmal. Diese Tatsache bestimmt im Wesentlichen die Haltung der Mitarbeiter und die daran gekoppelte Versorgungsplanung. Der Patient, insbesondere der geistig rege Patient, behält seine Autonomie und bestimmt selbst, wie er versorgt werden möchte, angefangen von Aufsteh- und Zubettgehzeiten über den Umfang und die Art der zu erbringenden Leistungen bis hin zu dem Grad, wie stark er sich noch an durchgeführte Maßnahmen beteiligen möchte. Sein soziales Umfeld, insbesondere nahestehende Angehörige, sind in jedem Fall mehr als im stationären Bereich in die Versorgung involviert. Die Mitarbeiter in der ambulanten Pflege müssen sich bei jedem Patienten auf sein individuelles Wohnumfeld einrichten. Die Wohnungen sind zwar Räume, in denen gepflegt wird, sollen aber nicht zu Pflegeorten gemacht werden. Die Mitarbeiter müssen darauf achten, dass die Wohnungseinrichtung, die den Patienten Individualität, Geborgenheit, Sicherheit und Identität bietet, durch die Pflege nicht beeinträchtigt wird. Aus fachlicher und menschlicher Sicht sind diese Aspekte zu vertreten und zu begrüßen, setzen aber bei der Organisation des Einsatzes einen hohen qualitativen Maßstab voraus. Nicht selten werden diese Rahmenbedingungen als Hindernisse erlebt: für die Leitung, in eine wirtschaftliche Tourenplanung die Wünsche mehrerer Patienten in Einklang mit dem Möglichen zu bringen, für die einzelnen Mitarbeiter, sich nach dem Verlassen des einen auf den nächsten Haushalt einzustellen und die dritte Dimension, alles in einem vorgegebenen, wirtschaftlich vertretbaren Zeitfenster zu erbringen. Die Gewohnheiten und Wünsche des Patienten in seinem Wohnumfeld unterstützen nicht immer die fachlichen Erfordernisse. Wie kann aus Gegensätzen eine Synergie erzielt werden, die die fachliche Versorgung des Patienten ermöglicht, ohne ihn in seiner Autonomie zu beschränken? Am Anfang steht das Erstgespräch.

2.4 Das Erstgespräch in der ambulanten Pflege

Das Erstgespräch in der ambulanten Pflege findet in der Regel in der häuslichen Umgebung des Patienten statt. Häufig wird das Erstgespräch auch Erstbesuch genannt und dient

dem gegenseitigen Kennenlernen,

der Erhebung der Patientenwünsche und des pflegerisch-medizinischen Status,

der Ermittlung des Versorgungsbedarfs und

der Analyse des Wohnungsumfelds, der sozialen Umgebung, der finanziellen Situation des Patienten sowie des Hilfsmittelbedarfs.

Häufig befinden sich, und das ist auch gewünscht, nicht nur Patienten in der Wohnung, sondern auch die Angehörigen oder andere, bei der Versorgung bereits engagierte Personen, z. B. ehrenamtliche Helfer, Nachbarn oder eine Hauswirtschaftshelferin. Die häusliche Pflege wird in der Regel beansprucht, wenn das vorhandene Hilfsnetz überfordert ist. Es ist davon auszugehen, dass jede Partei eine eigene Erwartung an die Versorgung hat, die auch konfliktreich oder krisenhaft sein kann. Für ein solch komplexes Vorgehen, für die Aufnahme aller relevanten Dimensionen, für die gezielte Beobachtung und Wahrnehmung der unterschiedlichen Erwartungen soll der Erstbesuch durch eine erfahrene Pflegefachkraft, die in der Lage ist ein strukturiertes Gespräch zu führen, durchgeführt werden. Sie muss des Weiteren in der Lage sein, dem Patienten im Rahmen seiner finanziellen Möglichkeit eine für seine Bedürfnisse fachlich notwendige Versorgung vorzuschlagen. Für das Erstgespräch muss genügend Zeit eingeplant werden (40–60 Minuten). Sollte das Erstgespräch im Krankenhaus oder in der Rehaklinik durchgeführt werden, entfällt die Analyse des Wohnumfelds. Das Erstgespräch soll in dem Fall in den Entlassungsprozess eingebettet werden (s. Kap. 5.7). Bereits beim Erstgespräch soll der Pflegedienst dem Patienten signalisieren, dass ihm seine Wünsche und Bedürfnisse wichtig sind, aber auch die Möglichkeiten und Grenzen des ambulanten Dienstes in der Versorgung offenlegen sowie die fachliche Notwendigkeit erläutern. Oft, und das hängt von der Dringlichkeit und dem ersten Eindruck ab, den der Pflegedienst hinterlässt, wird am Ende des Erstgesprächs ein Pflegevertrag besprochen und möglicherweise abgeschlossen. Damit dieses komplexe Verfahren strukturiert ablaufen kann, benutzen Pflegedienste dafür entwickelte Fragebögen (Checklisten), in denen die Erstinformationen dokumentiert, die Wünsche festgehalten und konkrete Vereinbarungen festgehalten werden. Somit ist der Pflegeprozess in Gang gesetzt (Informationssammlung). Die konkreten Vereinbarungen, die in den Pflegevertrag einfließen, sind das Ergebnis der im Erstgespräch eingebetteten Beratung. Im Pflegevertrag werden konkrete Leistungen und deren Häufigkeit sowie Kosten niedergeschrieben (Brunnen & Herold 1995). Neben der Informationsvermittlung und Aufklärung des Patienten wird bereits beim Erstbesuch eine fachkompetente Beratung durchgeführt.

2.5 Beratung in der ambulanten Pflege

Der Beratung in der Pflege kam immer eine große Bedeutung zu. In der ambulanten Pflege ist es eine der wichtigsten Maßnahmen überhaupt. Der Patient, der der Pflegeperson gegenübersteht, besitzt in der Regel keine fachlichen Kompetenzen. Er weiß zwar, was er möchte und was er benötigt, kann aber nicht abwägen, ob das für die Verbesserung seines Zustands und die Kompensation seiner Defizite das Richtige ist. Mit der Übernahme des pflegerischen Auftrags übernimmt der professionelle Pflegedienst die Verantwortung für eine ganzheitliche Versorgung, auch wenn bestimmte Verrichtungen durch den Pflegedienst nicht durchgeführt werden. Das bedeutet für die Mitarbeiter, dass sie alles im Blick haben sollen und mit fachgerechter adäquater Beratung den möglichen negativen Konsequenzen entgegenwirken. Damit die ganzheitliche Versorgung gewährleistet werden kann, berät der Pflegedienst über alle von ihm festgestellten Situationen bzw. geht auf die Fragen und Sorgen des Patienten ein. Der Patient von heute erwartet, dass er an seiner Versorgung aktiv beteiligt wird. Das heutige Gesundheitswesen fordert alle Beteiligten auf, die Verantwortung für Teile des Behandlungs- und Pflegeprozesses zu übernehmen. Das ist auch eine wichtige Voraussetzung, um eine Beziehung auf Augenhöhe zwischen Patienten und Therapeuten zu ermöglichen (Köpke & Meyer 2010). Eine gleichberechtigte Beziehung soll mit Achtsamkeit und gegenseitigem Respekt gestaltet werden. Heute sind Patienten und ihre Angehörigen viel aufgeklärter als früher, weil der Zugang zu relevanten Informationen fast für jedermann erreichbar ist (TV, Rundfunk, Internet, Printmedien, Beratungsstellen etc.). Nicht selten sind die Patienten mit verschiedenen Informationen „überfrachtet“ und auch das kann ein Problem darstellen.

Beratung wird unterschiedlich definiert. Koschorke definiert professionelle Beratung als einen „Prozess der Interaktion und Kommunikation zwischen zwei oder mehr Personen … – der aus einem bestimmten Anlass bzw. Grund zustande kommt, sich in einem bestimmten äußeren Rahmen abspielt, bestimmte Ziele verfolgt mithilfe bestimmter Methoden“ (Koschorke 1995, S. 88). Dieser Beratung liegt die methodische Kompetenz zugrunde. Sie wird daher von den Menschen durchgeführt, die diese Kompetenz durch ihre Qualifikation erworben haben und sie als Hauptwerkzeug in ihrer Arbeit benutzen (Psychotherapeuten, Sozialarbeiter etc.). Die Mitarbeiter in der Pflege besitzen diese Kompetenz in dem Maße nicht, dagegen besitzen sie die fachliche Kompetenz. Die Beratung die durch fachkompetente Personen ohne professionelle methodische Kompetenzen durchgeführt wird, wird als halbprofessionelle fachkompetente Beratung bezeichnet (ebd., S. 88). Ziele der fachkompetenten Beratung sind (Brunnen & Herold 1995, S. 89),

Probleme so zu lösen, dass die Ratsuchenden damit leben können,

das Wohlbefinden der Pflegebedürftigen zu erhöhen,

die Pflege im häuslichen Umfeld zu verbessern und

Laienpflegepersonen zu fördern.

Spezifische Inhalte fachkompetenter Beratung sind

Beratung über pflegerische Methoden und Techniken,

Beratung über Hilfsmittelbeschaffung und -einsatz,

Beratung in sozialen Fragen,

Gesundheitsberatung und

Beratung zur Selbstpflege durch die Laienpflegeperson.

Hinzu kommt die Beratung in Alltagsfragen, in Krisensituationen sowie die finanzielle Beratung im Rahmen des Pflegeversicherungsgesetzes.

Für die Durchführung der Beratung reichen die fachlichen Kompetenzen selbst nicht aus. Neben den fachlichen Kompetenzen müssen die beratenden Personen soziale Kompetenzen besitzen oder diese erwerben. Die wichtigen sozialen Kompetenzen sind nach Bamberger (Bamberger 2009, S. 655):

Zeit: Zeit bedeutet, sich Zeit für einen Menschen zu nehmen

Achtsamkeit: die Achtsamkeit ist die „uneingeschränkte Offenheit für das, was im Moment ist […], für die ganze Situation, einschließlich [der} eigenen Person in der Interaktion mit dieser Situation“

Wertschätzung: „Wertschätzung dessen, was hier und jetzt passiert“

Ressourcenorientierung und Lösungsfokussierung

Das heißt nach Bamberger, dass die „an sich vorhandenen Energien“ bei den Patienten, die unter bestimmten Umständen „verschwunden sind“ (ebd.), durch Assistenz des Beraters freigesetzt werden sollen. Der Berater sucht demnach nach vorhandenen Ressourcen (Ressourcenorientierung) bei Klienten und bringt neue „Verhaltens- und Gestaltungsmöglichkeiten ins Spiel als […] Möglichkeiten“ (ebd.); das definiert Bamberger als Lösungsfokussierung.

Das methodische Vorgehen bei einer Beratung beinhaltet fünf Phasen, die zu planen und zu beachten sind:

In der ersten Phase soll die Situation geklärt werden. Das setzt voraus, dass das Problem erkannt und definiert wird. Daraus soll das Beratungsziel abgeleitet werden. Das Problem soll aus Sicht des Ratsuchenden geschildert und mithilfe der beratenden Person definiert werden. Ebenso soll der Ratsuchende für sich das Ziel benennen. Zum Beispiel: Das Problem: Der Patient kann sich nicht mehr selbstständig anziehen. Das Ziel: Er möchte jeden Tag seinen Bekleidungswünschen entsprechend angezogen werden.

In der zweiten Phase sollen die Gefühle angesprochen werden, und zwar von beiden Parteien, zum Beispiel wie sie das beschriebene Problem erleben. Das öffnet die Tür und schafft Vertraulichkeit, was für den Beziehungsaufbau wichtige Voraussetzungen sind. Zum Beispiel: Gefühl des Ratsuchenden: Der Patient findet die Situation belastend. Gefühl des Beraters: Der Berater teilt die Meinung und gibt an, dass die Situation zu lösen ist.

In der Phase des Informierens knüpft der Berater an die zweite Phase an und unterbreitet die Hilfsmöglichkeiten. Zum Beispiel: