Fälle u. Lösungen zum Polizei- und Ordnungsrecht in Hessen - Dirk Fredrich - E-Book

Fälle u. Lösungen zum Polizei- und Ordnungsrecht in Hessen E-Book

Dirk Fredrich

0,0

Beschreibung

10 Fälle mit Musterlösungen Die Neuauflage präsentiert 10 aktuelle Fälle mit Musterlösungen in Form von Gutachten, Widerspruchsbescheiden, gerichtlichen Beschlüssen und Urteilen. Alle Fälle befassen sich mit praxisrelevanten Themen aus dem Bereich des Gefahrenabwehrrechts in Hessen. Den Fallbeispielen sind allgemeine Bearbeitungshinweise vorangestellt. Die Hinweise beziehen sich auf verwaltungsprozessrechtliche Klausuren, die Maßnahmen der Gefahrenabwehrbehörden und der Polizeibehörden betreffen. Mit allen Änderungen Die seit der letzten Auflage erfolgten zahlreichen Gesetzesänderungen, einschließlich der Umsetzung der Europäischen Datenschutzreform, sind eingearbeitet. Das HSOG ist auf dem Stand 30.9.2021 berücksichtigt. Kompetenter Autor – optimierte Lern- und Arbeitshilfen für Hessen Die Fallsammlung ist eine optimale Ergänzung zu unserem vom selben Verfasser stammenden Kommentar »Hessisches Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (HSOG)« sowie zu dessen Lehrbuch »Polizei- und Ordnungsrecht in Hessen«, das sich mit den Grundzügen für die Ausbildung, für das Studium und für die Praxis befasst. Lehrbuch für Studium und ... ... Ausbildung bei den hessischen Polizei- und Ordnungsbehörden.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 262

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Fälle und Lösungen zum Polizei- und Ordnungsrecht in Hessen

Dr.phil. Dr.jur. Dr.rer.pol. Wolfgang Pausch 

Rechtsanwalt, Regierungsdirektor a.D.

Mitbegründer des Werkes und (Mit-)Autor bis einschließlich der 3. Auflage

ab der 4. Auflage fortgeführt von

Dirk Fredrich

Ministerialrat a.D.

Vormals Referatsleiter im Hessischen Ministerium des Innern und für Sport

4., aktualisierte Auflage, 2022

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek |Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.

4., aktualisierte Auflage, 2022

ISBN 978-3-415-07305-0

© 1993 Richard Boorberg Verlag

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Titelfoto: © Mummert-und-Ibold – stock.adobe.com |

E-Book-Umsetzung: abavo GmbH, Nebelhornstraße 8, 86807 Buchloe

Richard Boorberg Verlag GmbH & Co KG | Scharrstraße 2 | 70563 Stuttgart

Stuttgart | München | Hannover | Berlin | Weimar | Dresden

www.boorberg.de

Vorwort zur 4. Auflage

Die neue Auflage hält an dem bewährten Format fest und präsentiert zehn Fälle mit Musterlösungen in der Gestalt von Gutachten, Widerspruchsbescheiden, gerichtlichen Beschlüssen und Urteilen, die sich mit praxisrelevanten Themen aus dem Bereich des Gefahrenabwehrrechts in Hessen befassen. Wie bisher sind den Fallbeispielen allgemeine Hinweise für verwaltungsprozessrechtliche Klausuren, die Maßnahmen der Gefahrenabwehrbehörden und der Polizeibehörden betreffen, vorangestellt.

Die Fälle spielen im Jahr 2022 und berücksichtigen den entsprechenden Rechtsstand. Die zur Bekämpfung der Corona-Pandemie erlassenen und mehrfach geänderten Rechtsvorschriften bleiben dabei unberücksichtigt.

Die seit der letzten Auflage im Jahr 2012 erfolgten zahlreichen Gesetzesänderungen, einschließlich der Umsetzung der Europäischen Datenschutzreform in das HSOG, sind berücksichtigt worden. Das Hessische Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (HSOG) in der Fassung vom 14. Januar 2005 (GVBl. I S. 14) ist zuletzt durch Art. 3 des Gesetzes vom 30.09.2021 (GVBl. S. 622) geändert worden.

Auch für die Praxis wichtige neue Themen aus den Bereichen der Zuständigkeit und der Organisation sind in die Fälle eingearbeitet worden und werden in den Lösungshinweisen ausführlich dargestellt. Hierzu zählen die Themen: Wachpolizei, Freiwilliger Polizeidienst, örtlicher Verwaltungsbehördenbezirk und Wegfall des Regierungspräsidiums als Widerspruchsbehörde.

Diese Fallsammlung ist eine zweckmäßige Ergänzung des im gleichen Verlag erschienen und von demselben Verfasser stammenden Kommentars zum HSOG (derzeit in der 13. Auflage 2021) sowie des Lehrbuches Polizei- und Ordnungsrecht in Hessen von 2019, das sich mit den Grundzügen für die Ausbildung, für das Studium und für die Praxis befasst.

Mein Dank gilt den Begründern dieser Fallsammlung, dem leider verstorbenen Dr. mult. Wolfgang Pausch sowie Prof. Prillwitz. Ihre Fälle bilden noch immer die Basis dieses Buches. Ich danke aber ebenso Frau Pausch und dem Mitautor der letzten Auflage, Herrn Polizeipräsidenten a.D. Dölger, die mit der Verwendung von übernommenen Textstellen einverstanden sind.

Wiesbaden, im September 2022

Dirk Fredrich

Vorwort zur 1. Auflage

Diese Fallsammlung entstand auf Anregung von Studenten und Polizeibeamten und ist in erster Linie für Studierende – an Universitäten, Fachhochschulen und Polizeischulen – sowie für Rechtsreferendare geschrieben.

Die zehn ausgewählten Fälle aus der Praxis sowie die Musterlösungen bilden eine zweckmäßige Ergänzung unseres im gleichen Verlag erschienenen Lehrbuches „Polizei- und Ordnungsrecht in Hessen“ und haben zum Ziel, die im Lehrbuch doch mehr theoretisch aufgezeigten Problembereiche in eine klausurmäßige praxisbezogene Fallbearbeitung umzusetzen.

Den Fällen liegen ausschließlich Entscheidungen der Verwaltungsgerichte, des Hessischen VGH sowie des Landgerichts Darmstadt zu Grunde. Wert legten die Verfasser insbesondere darauf, den Bearbeiter auch mit examensrelevanten Formalien wie z. B. Zeugenvernehmungen, Form von Widerspruchsbescheiden, Urteilen u. a. vertraut zu machen. Bewusst wurden die Originalentscheidungen der Gerichte grundsätzlich nicht überarbeitet. Wie bei jeder juristischen Klausur erheben die vorgeschlagenen Musterlösungen keinen Anspruch auf Absolutheit. Andere Lösungswege sind durchaus denkbar und vertretbar.

Einige Hinweise für den Bearbeiter:

–Arbeiten Sie selbstständig!–Gehen Sie davon aus, dass die in dem gerade zu bearbeitenden Fall genannten Rechtsbehelfsbelehrungen ordnungsgemäß sind!–Halten Sie eine Aufklärung oder Beweiserhebung für erforderlich, so ist zu unterstellen, dass auch die Wahrnehmung der richterlichen Aufklärungspflicht bzw. die Durchführung der Beweisaufnahme keine neuen Ergebnisse gebracht hat.–Die Formalien sind in Ordnung (Vollmachten, Zustellungen, Ladungen)!–Nehmen Sie zu allen in Betracht kommenden Rechtsfragen, erforderlichenfalls in einem Hilfsgutachten, Stellung!

Wie sehr wir allen, die vor uns das Hessische Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung anhand von Fallbeispielen dargestellt haben, für die dort erhaltenen Anregungen verpflichtet sind, werden Kenner der Materie auch dort feststellen können, wo nicht ausdrücklich darauf hingewiesen wurde. Danken möchten wir auch all den Polizeibeamten, Studierenden, Referendaren und Assessoren für die hervorragende Unterstützung bei der Arbeit an dieser Fallsammlung. Sie haben unsere Entwürfe gelesen, uns kritisiert und zu vielen Verbesserungen angeregt.

Für Kritik, Anregungen und Verbesserungsvorschläge sind wir immer dankbar. Bitte teilen Sie uns Ihre Erfahrungen mit der vorliegenden Fallsammlung mit und schreiben Sie uns, was Sie zu beanstanden haben bzw. was Sie besser darstellen würden.

Darmstadt und Gießen, November 1996

Dr. Wolfgang Pausch

Prof. Günther Prillwitz

Inhaltsverzeichnis

Cover

Titel

Impressum

Vorwort zur 4. Auflage

Vorwort zur 1. Auflage

Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Allgemeine Hinweise für verwaltungsprozessrechtliche Klausuren, die Maßnahmen der Gefahrenabwehr- und Polizeibehörden betreffen

A. Allgemeine Zulässigkeitsvoraussetzungen

B. Besondere Zulässigkeitsvoraussetzungen und Besonderheiten der einzelnen Rechtsmittel in der Begründetheit

Fallbeispiele

Fallbeispiel 1 Ein außergewöhnlicher Streifendienst

Fallbeispiel 2 Die gestörte Musikveranstaltung

Fallbeispiel 3 Die Verhinderung von Wohnungseinbrüchen

Fallbeispiel 4 Der bissige Pitbull

Fallbeispiel 5 Der Falschparker

Fallbeispiel 6 Rauch und Flammen auf dem Dach

Fallbeispiel 7 Die sichergestellten Fahrzeugschlüssel

Fallbeispiel 8 Der gewalttätige Ehemann

Fallbeispiel 9 Das obdachlose Ehepaar

Fallbeispiel 10 Der Gaststättenfall

Stichwortverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

i.A.

im Auftrag

allg

allgemein

Alt.

Alternative

Art.

Artikel

BeamtStG

Beamtenstatusgesetz

BimSchG

Bundes-Immissionsschutzgesetz

BpersVG

Bundespersonalvertretungsgesetz

BverfGG

Bundesverfassungsgerichtsgesetz

BkatV

Bußgeldkatalog-Verordnung

BKat

Bußgeldkatalog

BpolG

Bundespolizeigesetz

BauGB

Baugesetzbuch

BGB

Bürgerliches Gesetzbuch

bzw.

beziehungsweise

d. h.

das heißt

DSGVO

Datenschutz-Grundverordnung (EU) 2016/679

EBO

Eisenbahn-Bau- und Betriebsverordnung

EGGVG

Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz

Ermittlungs­personenVO

Verordnung über Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft

FamFG

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit

FBA

Folgenbeseitigungsanspruch

FeV

Fahrerlaubnis-Verordnung

FK

Feststellungsklage

FFK

Fortsetzungsfeststellungsklage

FN

Fußnote

GebOSt

Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr

Gewerberechts-Zuständigkeitsverordnung

Verordnung über Zuständigkeiten nach dem Hessischen Gaststättengesetz und dem Hessischen Spielhallengesetz

GG

Grundgesetz

GnotKG

Gerichts- und Notarkostengesetz

GRCh

Charta der Grundrechte der Europäischen Union

GVG

Gerichtsverfassungsgesetz

HBO

Hessische Bauordnung

HDSIG

Hessisches Datenschutz- und Informations­freiheitsgesetz

HessAGVwGO

Hessisches Gesetz zur Ausführung der Verwaltungs­gerichtsordnung

HessVwVKostO

Hessische Verwaltungsvollstreckungskostenordnung

HFPG

Hessisches Freiwilligen-Polizeidienst-Gesetz

HGastG

Hessisches Gaststättengesetz

HGO

Hessische Gemeindeordnung

HKO

Hessische Landkreisordnung

h.M.

herrschende Meinung

HPolLVO

Hessische Polizeilaufbahnverordnung

HSOG

Hessisches Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung

HSOG-DVO

Verordnung zur Durchführung des Hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung und des Hessischen Freiwilligen-Polizeidienst-Gesetzes

HundeVO

Gefahrenabwehrverordnung über das Halten und ­Führen von Hunden

HV

Hessische Verfassung

HVwVfG

Hessisches Verwaltungsverfahrensgesetz

i. V. m.

in Verbindung mit

JI- Richtlinie

Richtlinie (EU) Nr. 2016/680

LK

Leistungsklage

Nr.

Nummer

öfftl.

öffentlich

OLG

Oberlandesgericht

OWiG

Gesetz über Ordnungswidrigkeiten

Pkw

Personenkraftwagen

RegBezG

Gesetz über die Regierungspräsidien und ­Regierungsbezirke des Landes Hessen

Rspr.

Rechtsprechung

s.

siehe

s. o.

siehe oben

sog.

so genannte

StAnz.

Staatsanzeiger für das Land Hessen

StGB

Strafgesetzbuch

StPO

Strafprozessordnung

StVG

Straßenverkehrsgesetz

StVO

Straßenverkehrs-Ordnung

TierschG

Tierschutzgesetz

Tollwut-VO

Verordnung zum Schutz gegen die Tollwut

u. a.

unter anderem

VA

Verwaltungsakt

Verkehrsrechts-ZuständigkeitsVO

Verordnung zur Bestimmung verkehrsrechtlicher ­Zuständigkeiten

VGH

Verwaltungsgerichtshof

vgl.

vergleiche

VLEVollzG

Gesetz zum Vollzug von Aufgaben auf den Gebieten des Veterinärwesens, der Lebensmittelüberwachung und der Ernährungssicherstellung und -vorsorge

VVHSOG

Verwaltungsvorschrift zur Ausführung des Hessischen Gesetzes über die öffentliche ­Sicherheit und Ordnung

VVFPolD

Verwaltungsvorschrift zur Ausführung der ­Rechtsvorschriften über den Freiwilligen ­Polizeidienst in Hessen

VVWaPOL

Verwaltungsvorschrift zur Ausführung des § 13 HSOG-DVO

VwGO

Verwaltungsgerichtsordnung

WaffG-DVO

Verordnung zur Durchführung des Waffengesetzes

Allgemeine Hinweise für verwaltungsprozessrechtliche Klausuren, die Maßnahmen der Gefahrenabwehr- und Polizeibehörden betreffen[1]

Obersatz: Die Klage (der Antrag) hat Aussicht auf Erfolg, wenn sie (er) zulässig und begründet ist.

A.Allgemeine Zulässigkeitsvoraussetzungen

I.Verwaltungsrechtsweg

1.

Für die Klage (den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz) müsste zunächst der Verwaltungsrechtsweg eröffnet sein. Dies bestimmt sich grundsätzlich nach § 40 Abs. 1 VwGO. Soweit keine Sonderzuweisungen bestehen, ist der Verwaltungsrechtsweg in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten gegeben, die nicht verfassungsrechtlicher Natur sind.

Weil es sich bei § 40 Abs. 1 VwGO um eine Generalklausel handelt, kommt die Bestimmung nicht zur Anwendung, wenn bereits ein spezielles Gesetz die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichtsbarkeit begründet (sog. aufdrängende Sonderzuweisung: u. a. § 54 Abs. 1 BeamtStG, § 83 BPersVG).

2.

Eine Streitigkeit ist öffentlich-rechtlich, wenn die streitentscheidenden Normen dem öffentlichen Recht angehören, das heißt einen Träger öffentlicher Gewalt als solchen berechtigen und/oder verpflichten (sog. „Sonderrechtstheorie“ oder „modifizierte Subjektstheorie“).

3.

Ob eine verfassungsrechtliche Streitigkeit vorliegt, kann summarisch anhand des insoweit abschließenden Katalogs des § 13 BVerfGG überprüft werden und ist im Allgemeinen anzunehmen, wenn

ein Streit zwischen am Verfassungsleben unmittelbar beteiligten Rechtsträgern vorliegt und sich auf Rechte und Pflichten bezieht, die unmittelbar in der Verfassung geregelt sind,

und dabei um materielles Verfassungsrecht gestritten wird (sog. doppelte Verfassungsunmittelbarkeit

[2]

).

4.

Weiter darf keine abdrängende Sonderzuweisung an ein anderes Gericht vorliegen:

Z.B. §§ 62, 68 OWiG, aber auch Art. 14 Abs. 3 Satz 4 GG, § 70 HSOG, § 49 Abs. 6 Satz 3 HVwVfG, § 40 Abs. 2 VwGO, Art. 34 Satz 3 GG, § 23 Abs. 1 EGGVG

MERKE: Aufdrängende Sonderzuweisungen sind nur durch Bundesgesetz möglich (§ 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO); abdrängende Sonderzuweisungen sind auch durch Landesgesetz möglich (§ 40 Abs. 1 Satz 2 VwGO).

Eine Sonderzuweisung durch Rechtsverordnung oder Satzung scheidet aus!

Vor allem bei Maßnahmen der Polizei ist aufgrund der Doppelfunktionalität von Polizeibehörden (Strafverfolgung und Gefahrenabwehr) § 23 Abs. 1 EGGVG zu beachten. Nach § 23 Abs. 1 EGGVG ist für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit von Maßnahmen der Justizbehörde der ordentliche Rechtsweg gegeben (Zuständigkeit des OLG, § 25 Abs. 1 EGGVG).

Nach der heute herrschenden Auffassung kommt es nicht mehr auf die organisatorische Betrachtung (danach ist die Polizei keine Justizbehörde, da sie organisatorisch dem Innenministerium untersteht), sondern auf die funktionelle Betrachtungsweise an.

Bei Maßnahmen der Polizei ist zu unterscheiden:

Wird die Polizei zur Strafverfolgung (repressiv) tätig, so handelt sie als Justizbehörde, sodass der ordentliche Rechtsweg nach § 23 Abs. 1 EGGVG eröffnet ist.

Handelt die Polizei dagegen zur Gefahrenabwehr nach den Polizeigesetzen (präventiv), so ist grundsätzlich der Verwaltungsrechtsweg gemäß § 40 Abs. 1 VwGO gegeben.

Werden sowohl präventive als auch repressive Zwecke (sog. doppelfunktionale Maßnahmen) verfolgt, kommt es nach h. M. wegen der Alternativität der beiden Aufgabenbereiche auf Art, Zweck und Schwergewicht der Maßnahme an.

Ist die Frage, ob ein Verwaltungsrechtsweg gegeben ist, nicht eindeutig zu bejahen, so ist stets die Vorschrift des § 17 a GVG zu beachten. Liegt ein Verweisungsbeschluss vor, dann ist dieser für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, bindend, § 17 a Abs. 2 S. 3 GVG. Damit wäre der Verwaltungsrechtsweg gegeben, ohne dass es darauf ankommt, ob eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nicht verfassungsrechtlicher Art i. S. d. § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO vorliegt. Ausnahmen von der Bindungswirkung kommen nur bei schweren und offensichtlichen Rechtsverstößen in Betracht.

II.Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts*

örtliche Zuständigkeit: § 52 VwGO, § 1 Abs. 2 HessAGVwGO

sachliche Zuständigkeit: § 45 VwGO (Ausnahmen §§ 47, 48, 50 VwGO)

Bei unzulässigem Rechtsweg bzw. fehlender sachlicher oder örtlicher Zuständigkeit wird die Klage nicht als unzulässig abgewiesen, sondern von Amts wegen an das zuständig erachtete Gericht verwiesen (§ 17a GVG, § 83 VwGO).

III.Beteiligtenfähigkeit, § 61 VwGO*

Die Beteiligtenfähigkeit ist die Fähigkeit, als Subjekt eines Prozessrechtsverhältnisses (vgl. § 63 VwGO) überhaupt an einem Verfahren vor einem Gericht teilnehmen zu können:

natürliche und juristische Personen, soweit sie nach öffentlichem oder privatem Recht als rechtsfähig behandelt werden.

Vereinigungen, soweit ihnen ein Recht zustehen kann, § 61 Nr. 2 VwGO, ist weit zu verstehen, also alle anderen Gruppierungen. Es muss sich jedoch um eine zusammengeschlossene Personenmehrheit handeln, die ein gewisses Maß an Organisation aufweist.

Behörden, soweit das Landesrecht dies bestimmt (hessisches Landesrecht gibt es insoweit nicht).

IV.Prozessfähigkeit, § 62 VwGO*

Die Prozessfähigkeit ist die Befugnis, selbst oder durch einen Bevollmächtigten wirksam Prozesshandlungen vorzunehmen. Grundsätzlich ist prozessfähig, wer gemäß

§ 62 Abs. 1 Nr. 1 VwGO nach bürgerlichem Recht geschäftsfähig ist, oder gemäß

§ 62 Abs. 1 Nr. 2 VwGO unter den dort genannten Voraussetzungen partiell geschäftsfähig ist.

Der Begriff der Vereinigung in § 62 Abs. 3 VwGO umfasst sämtliche, in § 61 Nr. 1 und 2 VwGO genannten Vereinigungen. Diese sind als solche zwar nicht prozessfähig, handeln aber durch ihre gesetzlichen Vertreter.

V.Allgemeines Rechtsschutzbedürfnis*

Dieses ist nur dann zu verneinen, wenn die klagende Person das Rechtsschutzziel auf andere Weise einfacher und schneller erreichen kann oder sein Begehren sinnlos geworden ist.

VI.Keine entgegenstehende Rechtskraft*

Vergleiche § 121 VwGO. Insbesondere die Voraussetzungen der formellen bzw. materiellen Rechtskraft und deren Bindungswirkung.

B.Besondere Zulässigkeitsvoraussetzungen und Besonderheiten der einzelnen Rechtsmittel in der Begründetheit

Unter den besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen sind die Voraussetzungen zu verstehen, die für die Statthaftigkeit der verschiedenen Klagearten (Antragsarten) bestehen. Zusätzlich wird auf die jeweiligen Besonderheiten in der Begründetheit eingegangen, da auch hier bei den einzelnen Klagearten Unterschiede bestehen.

I.Anfechtungsklage, § 42 Abs. 1 1. Alt. VwGO

1.Zulässigkeit der Anfechtungsklage

a)Verwaltungsrechtsweg

Rechtsweg, § 40 Abs. 1 VwGO.

b)Klageart

Die Anfechtungsklage ist die geeignete Klageart (= statthaft), wenn die klagende Person die Beseitigung eines noch nicht erledigten, belastenden VA (Verwaltungsakt) (vgl. § 35 VwVfG bzw. § 35 HVwVfG[3]) begehrt. Sie kann sich auch gegen belastende, selbstständige Nebenbestimmungen eines VA (vgl. § 36 HVwVfG) richten, was im Einzelnen umstritten ist.[4]

Bei der polizeirechtlichen Klausur wird dabei der VA (Verwaltungsakt) oftmals von einem sogenannten Realakt abzugrenzen sein.[5]

Eine Erweiterung enthält § 35 Satz 2 HVwVfG, die Allgemeinverfügung, unter die insbesondere auch Verkehrszeichen zu subsumieren sind.

Der angegriffene VA darf sich noch nicht erledigt haben[6], d. h., er muss noch Rechtswirkungen auslösen und seine wesentliche Beschwer darf noch nicht entfallen sein (Hauptbeispiel dafür ist der Vollzug der Maßnahme [vgl. auch § 43 Abs. 2 HVwVfG]).

Klagegegenstand ist grundsätzlich der ursprüngliche VA in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat (§ 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).

c)Klagebefugnis, vgl. § 42 Abs. 2 VwGO

Die klagende Person muss grundsätzlich die Verletzung eigener Rechte geltend machen[7]. Dabei bedeutet „geltend machen“, dass die klagende Person Behauptungen bzw. Rechtsansichten vorbringen muss, die eine eigene Rechtsverletzung zumindest möglich erscheinen lassen; eine solche darf danach zumindest nicht eindeutig und offensichtlich ausgeschlossen sein.[8]

D.h., wenn die klagende Person geltend machen kann, in einem subjektiv-öffentlichen Recht verletzt zu sein. Erhebt der Adressat des belastendeten VA Klage, bedarf es grundsätzlich keiner weiteren Prüfung. Er ist stets klagebefugt (Adressatentheorie). Einer eingehenderen Prüfung bedarf es z. B., wenn sich die klagende Person gegen einen VA wendet, der einen anderen begünstigt und ihn oder sie selbst nur mittelbar beeinträchtigt (sog. VA mit Doppelwirkung, vgl. auch § 80a VwGO). Daher muss die Norm, auf die sich die klagende Person beruft, dazu bestimmt sein, nicht nur die Allgemeinheit, sondern gerade auch seine Individualinteressen zu schützen (Schutznormtheorie). Dies ist regelmäßig dann anzunehmen, wenn die klagende Person zu einem eng umgrenzten Personenkreis gehört, der in der Norm, genannt ist („die Nachbarschaft“ etc.) oder grundrechtsrelevante Positionen betroffen sind. Im Übrigen ist zu prüfen, ob die Norm, auf die sie sich beruft, drittschützend ist.

d)Vorverfahren, § 68 VwGO

Grundsätzlich ist vor Erhebung der Anfechtungsklage ein Widerspruchsverfahren durchzuführen. In diesem sind Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des VA zu überprüfen. Sinn und Zweck des Vorverfahrens besteht in Entlastung der VG durch verwaltungsbehördliche Selbstkontrolle und den Rechtsschutz der Bürgerin oder des des Bürgers.

Eine Anfechtungsklage ist in der Regel nur zulässig, wenn ein Widerspruchsverfahren erfolglos durchgeführt worden ist. Von diesem Grundsatz gibt es zahlreiche Ausnahmen, die in § 68 Abs. 1 VwGO selbst, aber auch landesrechtlich in der Anlage zu § 16 Abs. 1 sowie in § 16 a Abs. 2 und 3 HessAGVwGO aufgeführt sind.

Die Wesentlichen sind in § 68 Abs. 1 VwGO selbst ausdrücklich geregelt.

Über die gesetzlich geregelten Fälle hinaus ist das Vorverfahren nach der Rspr. des BVerwG[9] entbehrlich, wenn dem Zweck des Widerspruchsverfahrens schon auf andere Weise bereits Genüge getan ist oder sein Zweck nicht mehr erreicht werden kann.

Danach ist der VA in Gestalt des Widerspruchsbescheides Gegenstand der Anfechtungsklage (vgl. § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Sollte das Vorverfahren bei Klageerhebung noch nicht durchgeführt worden sein, kann es allerdings bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nachgeholt werden. (Das kommt aber nur ausnahmsweise, z. B. im Fall der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Betracht, da die Widerspruchsfrist in der Regel verstrichen sein wird).

Das Vorverfahren hat drei Funktionen, die in ihrer Bedeutung von unterschiedlichem Gewicht sind.[10] Sein eigentlicher Sinn erschließt sich aus der Tatsache, dass die Widerspruchsbehörde nach § 68 Abs. 1 Satz 1 VwGO im Gegensatz zu dem Gericht, dessen Kontrolle bei Ermessensentscheidungen begrenzt ist (vgl. § 114 Satz 1 VwGO), eine umfassende Überprüfungsbefugnis besitzt, der Widerspruch also zur Nachprüfung der Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des betreffenden VA führt. (Ausnahmen bestehen bei Selbstverwaltungsangelegenheiten, wenn die Widerspruchsbehörde nicht mit der Ausgangsbehörde identisch ist). Diese umfassende Überprüfungsbefugnis ermöglicht und bezweckt die Selbstkontrolle der Verwaltung, und hierin liegt auch die wesentliche Funktion des Widerspruchsverfahrens. Verbunden hiermit ist die durch das Widerspruchsverfahren als Vorverfahren angestrebte Entlastung der Gerichte. Zusätzlich hat das Widerspruchsverfahren auch Rechtsschutzfunktion.[11]In Hessen findet zusätzlich vor der Entscheidung über Widersprüche gegen kommunale VA grundsätzlich eine Anhörung vor einem Ausschuss nach Maßgabe des § 7 HessAGVwGO statt.

Abweichend von § 68 VwGO ist gemäß § 75 VwGO eine Klage zulässig, wenn die klagende Person gegen einen belastenden VA Widerspruch eingelegt hat, über den die Behörde ohne zureichenden Grund nicht in angemessener Frist sachlich entschieden hat (Untätigkeitsklage); denn eine Behörde muss über Anträge und Rechtsbehelfe in allen Fällen so zügig entscheiden, wie es ihr ohne Nachteil für die gebotene Gründlichkeit möglich ist.

e)Form und Frist

Fristbeginn ist regelmäßig der Zustellungszeitpunkt des mit ordnungsge­mäßer Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Widerspruchsbescheides (§ 74 Abs. 1 Satz 1 VwGO, sowie § 58 Abs. 2 VwGO bei unterbliebener Rechtsbehelfsbelehrung) an den Widerspruchsführer oder dessen Vertreter bzw. die Bekanntgabe des belastenden VA in der nach den einschlägigen Vorschriften des Verwaltungsverfahrensrechts bzw. Verwaltungszustellungsrechts vorgeschriebenen Form (§ 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO, § 41 HVwVfG).

Die Klage ist erhoben, wenn die Klageschrift bei Gericht eingeht (vgl. § 81 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Beim VG kann sie gemäß § 81 Abs. 1 Satz 2 VwGO auch zur Niederschrift der Urkundsbeamtin oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle erhoben werden; in diesem Fall ist die Klage mit Errichtung des Protokolls erhoben. Eine Klageschrift in Form eines elektronischen Dokumentes ist nach Maßgabe des § 55a VwGO zulässig und bedarf z. B. einer elektronischen Signatur.

Die Klagefrist ist auch dann gewahrt, wenn die Klage bei einem unzuständigen Gericht erhoben wird (vgl. § 83 VwGO, §§ 17a Abs. 2, 17b Abs. 1 Satz 2 GVG), nicht dagegen bei Einreichung der Klage bei einer Verwaltungsbehörde, da die Behörde nicht verpflichtet ist, die Klage rechtzeitig an das zuständige Gericht weiterzuleiten.

f)Klagegegner* (wird z. T. auch erst in der Begründetheit geprüft) § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO ist Ausdruck des sog. Rechtsträgerprinzips. Die Klage ist also gegen die Körperschaft des öffentlichen Rechts (das sind insbesondere Bund, Land, Landkreis, Gemeinde) zu richten, die den angefochtenen VA erlassen hat, wobei die Bezeichnung der Behördenangabe genügt. Die Möglichkeit, dass die Behörde, die den VA erlassen hat, selbst Klagegegner ist (vgl. § 78 Abs. 1 Nr. 2 VwGO), besteht in Hessen nicht. Das heißt, in Hessen gilt:

Hat z. B. ein Polizeipräsidium gehandelt, ist die Klage gegen das Land Hessen zu richten (vgl. § 91 Abs. 1., Abs. 2 Nr. 2 Buchstabe a) HSOG)

Hat der Gemeindevorstand/Magistrat (vgl. § 66 HGO/§ 9 Abs. 2 Satz 2 HGO) oder die örtliche Ordnungsbehörde (vgl. § 4 Abs. 2, § 85 Abs. 1 Nr. 4 HSOG) gehandelt, ist die Klage gegen die Gemeinde zu richten.

Hat der Kreisausschuss (vgl. §§ 8 Satz 2, 41 HKO) oder die Kreisordnungsbehörde (vgl. § 4 Abs. 2 Satz 1 HKO, § 85 Abs. 1 Nr. 3 HSOG) gehandelt, ist Klagegegner der Landkreis.

Hat die Landrätin oder der Landrat als Behörde der Landesverwaltung (vgl. § 55 HKO) gehandelt, ist die Klage gegen das Land zu richten.

Bei der sog. „isolierten“ Anfechtung des Widerspruchsbescheides ist Klagegegner der Rechtsträger der Widerspruchsbehörde (§§ 79 Abs. 2, 78 Abs. 2 VwGO).

2.Die Begründetheit der Anfechtungsklage

Gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist die Anfechtungsklage begründet, wenn der VA (grundsätzlich in der Gestalt des Widerspruchsbescheides, vgl. § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO),

–rechtswidrig ist

und die klagende Person dadurch in ihren Rechten verletzt ist.

a)Rechtswidrigkeit

Die Frage nach der Rechtswidrigkeit des VA wird regelmäßig der Schwerpunkt der Klausur sein. Bei Ermessensentscheidungen wird die Prüfung nach § 114 Satz 1VwGO auch auf Ermessensfehler erstreckt. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass, anders als im Vorverfahren nach § 68 Abs. 1 VwGO, nicht auch die Zweckmäßigkeit des Verwaltungshandelns überprüft wird. Entscheidender Zeitpunkt für die Frage der Rechtswidrigkeit ist bei einer Anfechtungsklage grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung, d. h. in der Regel die Entscheidung über den Widerspruch. Denn es ist die Aufgabe des VG, im Anfechtungsprozess die Rechtmäßigkeit einer getroffenen Behördenentscheidung zu überprüfen und eine rechtswidrige Entscheidung aufzuheben. Daraus folgt, dass eine Änderung der Sach- und Rechtslage nach der letzten Behördenentscheidung auf die Rechtmäßigkeit des VA grundsätzlich keinen Einfluss hat. Ausnahmen bestehen u. a. bei Dauerverwaltungsakten[12] und wenn der VA noch nicht vollzogen ist. Maßgeblich ist dann der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung.

Eine Rückausnahme besteht bei besonderen Wiedergestattungsverfahren[13].

Zunächst Vorbehalt des Gesetzes:

Liegt Ermächtigungsgrundlage vor?

Bei Eingriffsverwaltung ist Gesetzesvorbehalt zwingend!

Ein belastender VA ist dann rechtswidrig, wenn er nicht in formeller und materieller Hinsicht von einer gesetzlichen Grundlage (Ermächtigungsgrundlage) gedeckt ist.

b)Rechtsgrundlage

Rechtsgrundlage für den Erlass einer gefahrenabwehr- bzw. einer polizeibehördlichen Verfügung

Voraussetzung für die Wirksamkeit der Maßnahme ist die Wirksamkeit der Rechtsgrundlage in formeller und materieller Hinsicht. Dies ist insbesondere bei Gefahrenabwehrverordnungen zu prüfen.

Spezialregelungen (Gesetze und Rechtsverordnungen) sind z. B. § 24 BImSchG, § 4 HGastG, § 61 HBO, § 1 Abs. 4 HundeVO.

Standardmaßnahmen der §§ 12–43 HSOG

Befugnisgeneralklausel

§ 11 HSOG

c)Formelle Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen

aa)

Hat die

zuständige Behörde

gehandelt?

(1)

sachliche

Zuständigkeit:

(--)

Spezialregelungen (z. B. § 1 WaffG-DVO, § 7 Verkehrsrechts-ZuständigkeitsVO)

(--)

der HSOG-DVO (z. B. §§ 1 Satz 2, 5 Satz 1 HSOG-DVO)

(--)

§§ 1, 2 HSOG

(2)

instanzielle

Zuständigkeit, z. B. §§ 85, 89 HSOG i. V. m. HSOG-DVO oder § 82 Abs. 2 Satz 1 HSOG

(3)

örtliche

Zuständigkeit, z. B. §§ 100ff. HSOG, § 91 HSOG i. V. m. HSOG-DVO

bb)

Form

Bekanntgabe der Verfügung ist erforderlich, §§ 41, 43 HVwVfG

Begründung, § 39 HVwVfG (beachte Heilungsmöglichkeit nach §§ 45 Abs. 1 Nr. 2, 46 HVwVfG)

cc)

Verfahren

z. B. Anhörungen nach § 28 HVwVfG und § 7 HessAGVwGO (beachte auch hier Heilungsmöglichkeiten nach §§ 45 Abs. 1 Nr. 3, 46 HVwVfG). Eine Anhörung kann auch noch im Widerspruchsverfahren erfolgen, sodass diese dann als „nachgeholt“ gilt. Die Heilung ist möglich bis zur letzten mündlichen Verhandlung eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens (vgl. § 45 Abs. 2 HVwVfG).

d)Materielle Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen

aa)

Ist die konkrete Maßnahme durch die Ermächtigungsgrundlage gedeckt

(meist der

Schwerpunkt der Klausur

); z. B. bei der Prüfung des § 11 HSOG

öffentliche Sicherheit

öffentliche Ordnung

(konkrete) Gefahr

bb)

Adressat

der Verfügung

Feststellung des Adressaten aus dem Spezialgesetz oder einer Standardmaßnahme, z. B. § 30a HSOG

Im Übrigen gelten die §§ 6, 7, 9 HSOG

cc)

Inhaltliche

Bestimmtheit

der Verfügung, § 37 HVwVfG

dd)

Verhältnismäßigkeit

, § 4 HSOG

Geeignetheit

Erforderlichkeit

Angemessenheit

ee)

Ermessensprüfung

, § 5 HSOG

Entschließungsermessen, „ob und wann“ wird eingegriffen

Auswahlermessen, „wie“ oder „gegen wen“

Das Gericht prüft, ob die Verfügung ermessensfehlerhaft ergangen ist (vgl. § 114 Satz 1 VwGO). Das ist insbesondere der Fall, wenn das bestehende Ermessen überhaupt nicht ausgeübt worden ist.

II.Verpflichtungsklage, § 42 Abs. 1 2. Alt. VwGO

1.Zulässigkeit der Verpflichtungsklage

a)Statthaftigkeit

Die Verpflichtungsklage ist statthaft, wenn die klagende Person die Verurteilung der Behörde zum Erlass eines VA i. S. d. § 35 HVwVfG begehrt[14], als

Weigerungsklage (Versagungsgegenklage)

Ist eine Verpflichtungsklage gegen die Ablehnung eines beantragten VA; VG hebt Ablehnungsbescheid auf und verpflichtet die Behörde zum Erlass des abgelehnten VA.

Untätigkeitsklage, vgl. § 75 VwGO

prozessuale Reaktionsmöglichkeit, wenn die Behörde noch nicht einmal den Antrag ablehnend bescheidet.

Klage auf Erlass eines VA bei Untätigkeit der Behörde.

wenn die Behörde über den Antrag der klagenden Person auf Erlass eines VA in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat.

b)Klagebefugnis, vgl. § 42 Abs. 2 VwGO

Für die Klagebefugnis ist erforderlich, aber auch ausreichend, dass nach dem Sachvortrag der klagenden Person eine Verletzung ihrer subjektiven Rechte möglich ist (Möglichkeitstheorie). Die Klagebefugnis fehlt also, wenn offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise die von der klagenden Person behaupteten Rechte bestehen oder ihm zustehen könnten, der Erlass eines VA grundsätzlich nicht möglich ist.

Für die Klausur genügt daher die bloße Feststellung, dass eine Rechtsverletzung der klagenden Person möglich ist. Die Frage, ob die Rechtsverletzung tatsächlich vorliegt, ist dagegen Gegenstand der Begründetheit.

MERKE: Bei der Verpflichtungsklage kann sich die Klagebefugnis nicht aus der Adressatentheorie ergeben. Die klagende Person ist zwar Adressat des sie belastenden Ablehnungsbescheids und des bestätigenden Widerspruchsbescheids. Ihre Klage ist nicht auf Aufhebung der Ablehnung gerichtet, sondern auf Erteilung eines begünstigenden VA.

c)Vorverfahren, § 68 Abs. 2 VwGO

Grundsätzlich bedarf es auch im Vorfeld der Verpflichtungsklage der Durchführung eines Vorverfahrens. Ausnahmen sind:

die Entbehrlichkeit bei der Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO

die Unstatthaftigkeit in den Fällen des § 68 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 VwGO sowie bei Erledigung vor oder während des Hauptverfahrens, dann Verpflichtungsklage nicht mehr möglich.

Der Verpflichtungswiderspruch kann nicht aufschiebend wirken, da der begehrte VA noch gar nicht existent ist. Damit entfällt der vorläufige Rechtsschutz über §§ 80 Abs. 5, 80a Abs. 3 VwGO, der nur bei der Anfechtungsklage gilt. Vorläufiger Rechtsschutz ist im Fall eines Verpflichtungsbegehrens nur nach § 123 VwGO zu erwirken.

d)Klagefrist, § 74 VwGO

Ein Monat nach Zustellung des Widerspruchsbescheides.

2.Die Begründetheit der Verpflichtungsklage

Die Verpflichtungsklage ist begründet, wenn der klagenden Person ein Anspruch auf den begehrten VA zusteht, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.

Entscheidender Zeitpunkt ist der Schluss der mündlichen Verhandlung.

Ausnahmsweise ist der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung maßgeblich, z. B. bei Prüfungsentscheidungen.

Wichtig für die Begründetheitsentscheidung ist die Frage, ob Spruchreife[15] vorliegt oder nicht (§ 113 Abs. 5 VwGO).

Ist die Sache spruchreif, so hat sich der Antrag auf die Verpflichtung des Beklagten zum Erlass eines bestimmten, nämlich den begehrten und von dem Beklagten abgelehnten VA zu richten (Verpflichtungsurteil, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO) bzw. ist dementsprechend gem. § 88 VwGO auszulegen.

Ist keine Spruchreife gegeben, was insbesondere bei Ermessensentscheidungen der Fall ist, ergeht gemäß § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO ein Bescheidungsurteil. Darin wird die Verwaltung verpflichtet, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Die Verwaltung muss ihr Ermessen (erneut) ausüben und die Vorgaben des Gerichts beachten.

Nach h. M. besteht auch die Möglichkeit einer „Bescheidungsklage“ als Unterfall der Verpflichtungsklage; d. h., die klagende Person stellt von vornherein nur einen Bescheidungsantrag. Dies kann in Ermessensfällen von Bedeutung sein, da nur im Falle einer Ermessensreduktion auf Null mit der Verpflichtungsklage ein Verpflichtungsausspruch des Gerichts möglich ist.

III.Allgemeine Leistungsklage

Die allgemeine Leistungsklage ist gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt, wird aber entsprechend den §§ 40 Abs. 1, 43 Abs. 2, 111, 113 Abs. 3, 169 Abs. 2, 170 VwGO gewohnheitsrechtlich anerkannt und ist zur Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG erforderlich.

1.Allgemeines

Der Gegenstand einer allgemeinen Leistungsklage ist die Vornahme oder Unterlassung (Unterfall der Leistungsklage: Unterlassungsklage) eines behördlichen Verhaltens, das nicht die Qualität eines VA erreicht.

Das Klagebegehren muss auf eine hinreichende bestimmbare Leistung, d. h. schlicht-hoheitliches Tun, Dulden oder Unterlassen des Beklagten gerichtet sein, welches nicht im Erlass eines VA besteht.

Die allgemeine Leistungsklage kann sowohl auf die Vornahme als auch Unterlassung einer nicht als VA zu qualifizierenden öffentlich-rechtlichen Amtshandlung der Verwaltung (z. B. Realakt, s. FN 5) zielen. Sie steht somit außerhalb des Anwendungsbereichs der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage.

Eine Abgrenzung zum VA ist gegebenenfalls vorzunehmen

(+)

bei einer Klage auf Auskunftserteilung

(+)

bei Erstattungs- und Ersatzansprüchen,

(+)

bei einem Anspruch auf Folgenbeseitigung in Form einer Realhandlung (Realakt),

(+)

bei dem Widerruf von amtlichen Äußerungen.

Einen Sonderfall der allgemeinen Leistungsklage stellt die vorbeugende Unterlassungsklage dar, die darauf gerichtet ist, die Behörde zu einem Unterlassen einer hoheitlichen Maßnahme auch bei einem drohenden VA zu verurteilen. Die vorbeugende Unterlassungsklage ist aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 GG statthaft.

In diesen Fällen ist immer ein besonderes Rechtsschutzinteresse nachzuweisen, das nur dann anzunehmen ist, wenn es für die klagende Person unzumutbar ist, die Maßnahme abzuwarten. Unzumutbarkeit liegt vor, wenn ansonsten vollendete Tatsachen geschaffen würden, oder wenn bei Abwarten der Maßnahme ein Zustand geschaffen würde, der nicht mehr rückgängig gemacht werden kann.

a)Klagebefugnis

Um Popularklagen zu vermeiden, ist auch für die allgemeine Leistungsklage die Klagebefugnis gemäß § 42 Abs. 2 VwGO analog[16] nachzuweisen, also die Möglichkeit eines Anspruches auf die begehrte Maßnahme bzw. Unterlassung darzulegen.

b)Klagegegner

ist der Rechtsträger der Behörde, von der die Vornahme oder das Unterlassen begehrt wird.

c)Vorverfahren

Ein Vorverfahren in Form des Widerspruchsverfahrens entfällt.

Ausnahme: Nach § 54 Abs. 2 BeamtStG ist in beamtenrechtlichen Streitigkeiten ein Vorverfahren auch bei der allgemeinen Leistungsklage erforderlich.

d)Rechtsschutzbedürfnis

Nach h. M. muss der Bürger vor Erhebung der allgemeinen Leistungsklage grundsätzlich einen Antrag auf Vornahme der begehrten Handlung oder Unterlassung bei der Verwaltung gestellt haben.

e)Klagefristen sind nicht einzuhalten.

Beachte aber: analog § 242 BGB Verwirkung möglich.

2.Begründetheit der allgemeinen Leistungsklage

Die allgemeine Leistungsklage ist begründet, wenn dem Kläger der geltend gemachte Anspruch zusteht. Dabei ist die Prüfung an dem bekannten zivilrechtlichen Schema zu orientieren: Anspruch entstanden, erloschen, einredebehaftet, durchsetzbar.

Wenn der Anspruch auf den allgemeinen Folgenbeseitigungsanspruch (FBA) gestützt wird, werden kurze Ausführungen zu den Rechtsgrundlagen des Instituts erwartet. Eine ausdrückliche Anspruchsgrundlage gibt es nicht. Als solche ist insbesondere § 1004 BGB analog zu nennen. Aus § 113 Abs. 1 Satz 2 VwGO ergibt sich die Existenz des sog. Vollzugs-Folgenbeseitigungsanspruchs.

Einige Anspruchsgrundlagen:

allgemeiner. Folgenbeseitigungsanspruch

öffentlich-rechtlicher Unterlassungsanspruch

öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch

spezialgesetzlich geregelte Leistungsansprüche, auch Art. 3 GG.

IV.Feststellungsklage, vgl. § 43 Abs. 1 VwGO

1.Zulässigkeit der Feststellungsklage

a)Statthaftigkeit

Die Feststellungsklage (FK) ist statthaft, wenn die klagende Person die Feststellung des

Bestehens (positive) FK oder

Nichtbestehens (negative) FK

eines Rechtsverhältnisses begehrt oder die Nichtigkeit eines VA gerichtlich festgestellt werden soll.

Dem Begriff des Rechtsverhältnisses kommt dabei eine zentrale Rolle zu; ein solches ist anzunehmen, wenn auf einen konkreten Sachverhalt Rechtsnormen zur Anwendung kommen, sodass sich eine konkrete Rechtsbeziehung zwischen Personen und/oder Sachen ergibt. Diese Definition zeigt bereits, dass mit der FK nicht die Klärung von allgemeinen Rechtsfragen angestrebt werden kann. Gegenstand der Feststellungsklage können auch einzelne sich aus dem Rechtsverhältnis ergebende Rechte und Pflichten sein.

Nicht feststellungsfähig sind dagegen unselbstständige Teile oder Vorfragen von Rechtsverhältnissen, die nicht unmittelbar Rechte und Pflichten begründen.

Ebenso können rein abstrakte Rechtsfragen nicht durch die Feststellungsklage geklärt werden. Ergibt sich allerdings aus der Anwendung der Norm auf einen bestimmten Sachverhalt ein konkretes Rechtsverhältnis, so ist eine Inzidentkontrolle der zugrunde liegenden Rechtsnorm im Rahmen der Feststellungsklage möglich.

Ein Rechtsverhältnis muss nicht gesondert festgestellt werden, wenn die klagende Person die Nichtigkeit eines VA begehrt (vgl. § 44 HVwVfG), was insbesondere dann in Betracht kommt, wenn die Fristen für die Anfechtungsklage bzw. für ein Widerspruchsverfahren versäumt sind.

aa)Subsidiaritätsklausel

Die FK ist grundsätzlich gegenüber anderen Klageformen subsidiär, vgl. § 43 Abs. 2 VwGO. Diese Regelung wird aber von der Rechtsprechung entsprechend ihrem Sinn restriktiv ausgelegt, sodass die FK immer dann zulässig ist, wenn die besonderen Sachurteilsvoraussetzungen einer anderen Klageform nicht umgangen werden, und die FK genauso effizient ist. Sie ist damit ein wirksamer Rechtsbehelf im Sinne des Art. 47 GRCh. Als effizienter erweist sich die FK insbesondere dann, wenn sich durch sie eine Vielzahl potenzieller Anfechtungsprozesse vermeiden lässt.

Da aus einem Feststellungsurteil nicht vollstreckt werden kann, sind Leistungsklagen in der Regel effizienter: Lediglich bei einer Klage gegen den Staat oder eine seiner Untergliederungen wird dies anders bewertet, da vom Staat erwartet wird, dass er sich auch ohne Vollstreckungsdruck an das Urteil hält[17] (Art. 20 Abs. 3 GG). Vgl. aber §§ 170 bis 172 VwGO.

Ein Beispiel ist im Beamtenrecht angesiedelt. Bei der Klage eines Beamten auf Feststellung des Fortbestehens des Beamtenverhältnisses ist die FK weitaus rechtsschutzintensiver; anderenfalls müsste immer wieder erneut eine allgemeine Leistungsklage auf Zahlung der vollständigen Bezüge erhoben werden (entspricht den Regelungen im privaten Arbeitsrecht).

bb)berechtigtes Feststellungsinteresse

Gemäß § 43 Abs. 1 VwGO muss die klagende Person ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung haben. Dieses Interesse ist weit zu interpretieren;

(+)

bei jedem schützenswerten Interesse, gleich ob es rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art ist.

(+)

bei der Feststellung der Nichtigkeit eines VA’s ist nur Voraussetzung, dass bei der Behörde zuvor ein darauf gerichteter (erfolgloser) Antrag gestellt wurde.