Fälle zum Medizin- und Gesundheitsrecht, eBook - Silvia Deuring - E-Book

Fälle zum Medizin- und Gesundheitsrecht, eBook E-Book

Silvia Deuring

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Beschreibung

Die Sammlung von Fällen zum Medizinrecht richtet sich in erster Linie an Studierende der Rechtswissenschaften zur Vorbereitung auf Prüfungen im Schwerpunktstudium und Staatsexamen. Die ausgewählten Fälle und Lösungen weisen regelmäßig Bezüge zum klassischen Staatsexamens-Pflichtstoff auf, dienen doch auch die Schwerpunktbereiche der Ergänzung des Studiums und der Vertiefung der mit ihnen zusammenhängenden Pflichtfächer. Gerade das Medizinrecht, das alle großen und examensrelevanten Rechtsgebiete erfasst, erscheint als besonders geeignet für eine Art besonderes "Zwischenrepetitorium" vor der Staatsprüfung in den Pflichtfächern im 5. bis 7. Semester des rechtswissenschaftlichen Studiums. Darüber hinaus werden natürlich auch Rechtsgebiete angesprochen, die über den herkömmlichen Pflichtstoff in Juristischen Staatsprüfungen hinausreichen, also im engeren Sinne dem Schwerpunktstudium zuzurechnen sind. Die Fälle und Lösungen speisen sich in der Regel aus Entscheidungen der Rechtsprechung, die im rege nachgefragten Schwerpunktbereichsstudium Medizinrecht an der Juristischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität teils als fünfstündige Schwerpunkt-Examensklausuren gestellt, teils als Fälle besprochen worden sind. Das Medizinrecht als Querschnittsmaterie überschreitet die herkömmlichen Grenzen der "Säulen" von Zivil-, Straf- und Öffentlichem Recht und berührt obendrein nicht selten das (private wie gesetzliche) Krankenversicherungs- und Sozialversicherungsrecht. Diesem Charakter tragen die Fälle Rechnung. Wie in der Rechtswirklichkeit und dementsprechend auch im Schwerpunktexamen berühren sie typischerweise mehr als ein Rechtsgebiet, oft in Form von Verzahnungen.

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Fälle zum Medizin- und Gesundheitsrecht

von

Andreas Spickhoff

und

Silvia Deuring

www.cfmueller.de

Autoren

Prof. Dr. Andreas Spickhoff, Lehrstuhl für Bürgerliches Recht und Medizinrecht, Leiter der Forschungsstelle für Medizinrecht, Juristische Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München

Dr. Silvia Deuring, akad. Rätin a. Z., Lehrstuhl für Bürgerliches Recht und Medizinrecht, Forschungsstelle für Medizinrecht, Juristische Fakultät der Ludwig-Maximilians Universität München

Impressum

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar.

 

ISBN 978-3-8114-8739-0

 

E-Mail: [email protected]

Telefon: +49 6221 1859 599Telefax: +49 6221 1859 598

 

www.cfmueller.de

 

© 2022 C.F. Müller GmbH, Waldhofer Straße 100, 69123 Heidelberg

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Vorwort

Nach der Introduktion des Schwerpunktstudiums in die juristische Ausbildung und das Staatsexamen ist aus dem Kreis der Studierenden vielfach der Wunsch nach einer Sammlung von Fällen und Lösungen im Medizinrecht zur Vorbereitung auf schriftliche oder mündliche Prüfungen geäußert worden. Die Zahl der Fakultäten mit entsprechend ausgerichteten Schwer- oder Unterschwerpunkten steigt beständig (derzeit u.W.: Augsburg, Bayreuth, Bremen, Düsseldorf, Göttingen, Greifswald, Halle a. S., Hannover, Heidelberg, Kiel, Köln, Mannheim, Marburg, München, Regensburg). Hinzu tritt, dass sich nicht selten auch in Klausuren und mündlichen Prüfungen im Zivil-, Straf- und Öffentlichen Recht der Ersten Juristischen Staatsprüfung Bezüge zum Medizinrecht finden.

Die hier vorgelegte Sammlung von Fällen zum Medizinrecht soll diesem Anliegen Rechnung tragen. Sie richtet sich in erster Linie an Studierende der Rechtswissenschaften zur Vorbereitung auf Prüfungen im Schwerpunktstudium und Staatsexamen, gern aber auch an Leser, die an der Exemplifizierung des Medizinrechts im konkreten Sachverhalt interessiert sind. Die ausgewählten Fälle und Lösungen weisen regelmäßig Bezüge zum klassischen Staatsexamens-Pflichtstoff auf, dienen doch auch die Schwerpunktbereiche der Ergänzung des Studiums und der Vertiefung der mit ihnen zusammenhängenden Pflichtfächer (§ 5 Abs. 2 S. 4 DRiG). Gerade das Medizinrecht, das alle großen und examensrelevanten Rechtsgebiete erfasst, erscheint als besonders geeignet für eine Art besonderes „Zwischenrepetitorium“ vor der Staatsprüfung in den Pflichtfächern im 5. bis 7. Semester des rechtswissenschaftlichen Studiums. Darüber hinaus werden natürlich auch Rechtsgebiete angesprochen, die über den herkömmlichen Pflichtstoff in Juristischen Staatsprüfungen hinausreichen, also im engeren Sinne dem Schwerpunktstudium zuzurechnen sind. Die Beherrschung solcher besonderen Materien des Medizinrechts kann je nach Ausrichtung der Schwerpunkte zwar in entsprechenden Prüfungen, nicht aber im engeren Pflichtstoff-Staatsexamen erwartet werden. Im Bereich der staatlichen Pflichtfachprüfung wären ggf. die einschlägigen speziellen Normen in der Aufgabenstellung zu benennen, weil insoweit nicht mehr (aber auch nicht weniger) als eine methodisch generell fundierte Rechtsanwendung erwartet werden darf (z. B. § 11 Abs. 1 S. 2 JAG NRW, § 18 Abs. 1 S. 2 Bay JAPO). Über all dem steht ohnedies der Grundsatz, dass die Juristischen Prüfungen auf eine Erfassung und Anwendung des Rechts „mit Verständnis“ auszurichten sind (z. B. § 2 Abs. 2 JAG NRW, § 16 Abs. 1 S. 3 Bay JAPO).

Die Fälle und Lösungen speisen sich in der Regel aus Entscheidungen der Rechtsprechung, die im rege nachgefragten Schwerpunktbereichsstudium Medizinrecht an der Juristischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität teils als fünfstündige Schwerpunkt-Examensklausuren gestellt, teils als Fälle in Tutorien, Übungen oder Examinatorien zum Medizinrecht besprochen worden sind. Das Medizinrecht als Querschnittsmaterie überschreitet die herkömmlichen Grenzen der „Säulen“ von Zivil-, Straf- und Öffentlichem Recht und berührt obendrein nicht selten das (private wie gesetzliche) Krankenversicherungs- und Sozialversicherungsrecht. Diesem Charakter tragen die Fälle Rechnung. Wie in der Rechtswirklichkeit und dementsprechend auch im (Münchener) Schwerpunktexamen berühren sie typischerweise mehr als ein Rechtsgebiet, oft in Form von Verzahnungen. Den wissenschaftlichen Schwerpunkten der Herausgeber und der Examenspraxis in München ist freilich ein gewisser Akzent im Zivilrecht geschuldet. Auch deshalb ist die Fallsammlung als solche dem „Medizinrecht“ und (bei aller Undeutlichkeit der Abgrenzung) nicht dem – vielleicht eher öffentlichen – Gesundheitsrecht gewidmet, obgleich wir auch Sachverhalte und Fragestellungen mit primärem Bezug zum öffentlichen (Biomedizin-) Recht und dem Recht der gesetzlichen Krankenversicherungsrecht aufgenommen haben.

Unser Dank gilt allen am Münchener Schwerpunkt Medizinrecht beteiligten Kolleginnen und Kollegen, nicht zuletzt auch denen, die (wie Jens Kersten und Matthias Krüger) zugunsten unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf eine förmliche Nennung als Autoren im Bearbeiterverzeichnis (S. VII) verzichtet haben. Anregungen, Ergänzungs- und Verbesserungsvorschläge aus dem Kreis der Leser nehmen wir dankbar und gern entgegen.

München, im September 2021

Andreas Spickhoff

Silvia Deuring

Bearbeiterverzeichnis

Fall 1 –

Ärztliche Werbung

Kristin Ullrich/Dr. Jonas Siglmüller

Fall 2 –

Ärztliche Approbation

Kristin Ullrich/Dr. Jonas Siglmüller

Fall 3 –

Der Scheinkassenpatient

Kristin Ullrich/Dr. Jonas Siglmüller/Dr. Silvia Deuring

Fall 4 –

Wahlleistungsvereinbarung

Kristin Ullrich/Dr. Jonas Siglmüller

Fall 5 –

Einwilligung

Kristin Ullrich/Dr. Jonas Siglmüller/Dr. Silvia Deuring

Fall 6 –

Übernahmeverschulden

Kristin Ullrich/Dr. Jonas Siglmüller/Dr. Silvia Deuring

Fall 7 –

Aufklärung

Kristin Ullrich/Dr. Jonas Siglmüller

Fall 8 –

Folgenschwere Akupunktur

Dr. Jonas Siglmüller

Fall 9 –

Die minderjährige Patientin

Kristin Ullrich/Dr. Jonas Siglmüller/Dr. Silvia Deuring

Fall 10 –

Die Schönheitsoperation

Überarbeitet von Dr. Silvia Deuring

Fall 11 –

Apothekerhaftung

Kristin Ullrich/Dr. Jonas Siglmüller/Dr. Silvia Deuring

Fall 12 –

Arzneimittelhaftung

Kristin Ullrich/Dr. Jonas Siglmüller/Dr. Silvia Deuring

Fall 13 –

Medizinproduktehaftung

Dr. Silvia Deuring/Benedikt Kart

Fall 14 –

Die Lebendnierenspende

Prof. Dr. Andreas Spickhoff/Dr. Jonas Siglmüller

Frage 3: Prof. Dr. Ulrich Becker, LL.M. (EHI)

Fall 15 –

Ärztlicher Ersthelfer

Dr. Jonas Siglmüller/Prof. Dr. Andreas Spickhoff/Dr. Silvia Deuring

Fall 16 –

„Wrongful life“

Dr. Silvia Deuring/Dr. Jonas Siglmüller

Fall 17 –

Ärztliches Handeln am Lebensende

Dr. Silvia Deuring/Dr. Jonas Siglmüller

Fall 18 –

Ärztliche Sterbebegleitung

Prof. Dr. Frank Saliger

Fall 19 –

Homologe In-vitro-Fertilisation

Prof. Dr. Andreas Spickhoff/Dr. Silvia Deuring

Fall 20 –

Klonierung

Prof. Dr. Andreas Spickhoff/Dr. Silvia Deuring

Fall 21 –

Novellierung des Stammzellgesetzes

Überarbeitet von Dr. Silvia Deuring

Fall 22 –

Abrechnungsbetrug

Prof. Dr. Andreas Spickhoff/Amelie Ebner

Inhaltsverzeichnis

 Vorwort

 Bearbeiterverzeichnis

 Fall 1Ärztliche Werbung

  Lösung zu Fall 1 – Ärztliche Werbung

 Fall 2Ärztliche Approbation

  Lösung zu Fall 2 – Ärztliche Approbation

 Fall 3Der Scheinkassenpatient

  Lösung zu Fall 3 – Der Scheinkassenpatient

 Fall 4Wahlleistungsvereinbarung

  Lösung zu Fall 4 – Wahlleistungsvereinbarung

 Fall 5Einwilligung

  Lösung zu Fall 5 – Einwilligung

 Fall 6Übernahmeverschulden

  Lösung zu Fall 6 – Übernahmeverschulden

 Fall 7Aufklärung

  Lösung zu Fall 7 – Aufklärung

 Fall 8Folgenschwere Akupunktur

  Lösung zu Fall 8 – Folgenschwere Akupunktur

 Fall 9Die minderjährige Patientin

  Lösung zu Fall 9 – Die minderjährige Patientin

 Fall 10Die Schönheitsoperation

  Lösung zu Fall 10 – Die Schönheitsoperation

 Fall 11Apothekerhaftung

  Lösung zu Fall 11 – Apothekerhaftung

 Fall 12Arzneimittelhaftung

  Lösung zu Fall 12 – Arzneimittelhaftung

 Fall 13Medizinproduktehaftung

  Lösung zu Fall 13 – Medizinproduktehaftung

 Fall 14Die Lebendnierenspende

  Lösung zu Fall 14 – Die Lebendnierenspende

 Fall 15Ärztlicher Ersthelfer

  Lösung zu Fall 15 – Ärztlicher Ersthelfer

 Fall 16„Wrongful life“

  Lösung zu Fall 16 – „Wrongful life“

 Fall 17Ärztliches Handeln am Lebensende

  Lösung zu Fall 17 – Ärztliches Handeln am Lebensende

 Fall 18Ärztliche Sterbebegleitung

  Lösung zu Fall 18 – Ärztliche Sterbebegleitung

 Fall 19Homologe In-vitro-Fertilisation

  Lösung zu Fall 19 – Homologe In-vitro-Fertilisation

 Fall 20Klonierung

  Lösung zu Fall 20 – Klonierung

 Fall 21Novellierung des Stammzellgesetzes

  Lösung zu Fall 21 – Novellierung des Stammzellgesetzes

 Fall 22Abrechnungsbetrug

  Lösung zu Fall 22 – Abrechnungsbetrug

 Stichwortverzeichnis

Fall 1Ärztliche Werbung

(BVerfG (3. Kammer des Ersten Senats), Beschl. v. 13.7.2005 – 1 BvR 191/05)

Der Facharzt für Orthopädie A betreibt in einer auf Wirbelsäulenorthopädie spezialisierten Privatklinik in München eine Einzelpraxis ohne Kassenzulassung. Er verfügt hierbei über Belegbetten in jener Klinik. Ferner ist er Gesellschafter und Geschäftsführer der Klinik.

Im November 2015 erscheinen in der Tagespresse zwei Werbeanzeigen über die ärztliche Tätigkeit des A sowie ein Interview mit ihm. Im Interview beschreibt er in erster Linie eine von ihm neu eingeführte, minimalinvasive Operationsmethode bei Wirbelsäulenleiden und deren Erfolge. Auch gibt das Interview u.a. folgende Aussage des Orthopäden wieder: „Oft sind die Patienten bereits im Rollstuhl […], haben lange Leidenswege hinter sich. Wenn sie dann am Tag nach der OP gesund und munter auf ihren Beinen stehen, mich glücklich anstrahlen und mit der Assistentin ein Tänzchen wagen, dann sind das bewegende Momente.“ Des Weiteren wird A als „die unangefochtene Nr. 1 für Bandscheibenvorfälle […] mit einer sensationellen Erfolgsquote“ und seine Operationsmethode als „die sanfteste Bandscheibenoperation der Welt“ bezeichnet. Das veröffentlichte Interview wurde dabei zuvor von einer eigens für Werbefragen eingestellten Mitarbeiterin des A gegengelesen und freigegeben. Die Werbeanzeigen wurden durch eine Werbeagentur erstellt.

Das zuständige Berufsgericht für die Heilberufe erblickt in den drei Darstellungen einen zumindest fahrlässigen Verstoß gegen das Werbeverbot nach § 27 Abs. 3 der Berufsordnung für die Ärzte Bayerns (BO)[1], der auf Art. 19 Nr. 7 des Bayerischen Heilberufe-Kammergesetzes (BayHKaG)[2] beruht. Es folgt die Verurteilung des A zur Zahlung einer Geldbuße in Höhe von 10 000 EUR.

Gegen diese Entscheidung des Berufsgerichts für die Heilberufe bei dem Oberlandesgericht München legt A Berufung beim Bayerischen Landesberufsgericht für die Heilberufe ein. Das Landesberufsgericht hält die Berufung jedoch für unbegründet, da Art. 27 Abs. 3 BO dem Arzt jede berufswidrige Werbung verbiete. Alle drei Veröffentlichungen verstießen – in den genannten Passagen – gegen dieses Verbot. Dahinstehen könne, ob es sich hierbei um Werbung für die Klinik oder A selbst handele, da auch eine Klinik die Leistungen der für sie tätigen Ärzte nicht anpreisend bewerben dürfe.

A sieht sich insbesondere durch die letztgenannte Entscheidung in seinen Grundrechten verletzt. Die in Frage stehenden Texte seien nicht als seine eigene berufliche Werbung, sondern als Klinikwerbung zu qualifizieren. Selbst wenn man davon ausginge, er habe selbst als Arzt Werbung betrieben, so sei die erfolgte Sanktion nicht mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar. Die vermeintliche Werbung sei nicht selbstanpreisend oder gar marktschreierisch, vielmehr stehe in den fraglichen Veröffentlichungen die Information bezüglich einer neuen, von A betriebenen Operationsmethode im Vordergrund. Die Gesamtaussage der Veröffentlichungen entspreche somit – ungeachtet der durch Gerichte herausgegriffenen Passagen – dem Grundsatz der Sachlichkeit. Ferner ließen sich emotional gefärbte Aussagen als bloße „Sympathiewerbung“ verstehen.

A erhebt vor diesem Hintergrund frist- und formgerecht Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht.

Hat das Vorgehen des A Aussicht auf Erfolg?

(Zu prüfen ist allein am Maßstab des Art. 12 GG. Von der Verfassungsmäßigkeit von Art. 19 Nr. 7 BayHKaG ist auszugehen.)

§ 27Berufsordnung für die Ärzte Bayerns (BO):

(1) Zweck der nachstehenden Vorschriften der Berufsordnung ist die Gewährleistung des Patientenschutzes durch sachgerechte und angemessene Information und die Vermeidung einer dem Selbstverständnis des Arztes zuwiderlaufenden Kommerzialisierung des Arztberufs.

(2) Auf dieser Grundlage sind dem Arzt sachliche berufsbezogene Informationen gestattet.

(3) Berufswidrige Werbung ist dem Arzt untersagt. Berufswidrig ist insbesondere eine nach Inhalt oder Form anpreisende, irreführende oder vergleichende Werbung. Der Arzt darf eine solche Werbung durch andere weder veranlassen noch dulden. Eine Werbung für eigene oder fremde gewerbliche Tätigkeiten oder Produkte in Zusammenhang mit der ärztlichen Tätigkeit ist unzulässig. Werbeverbote aufgrund anderer gesetzlicher Bestimmungen bleiben unberührt.

[…]

Art. 19 Nr. 7 BayHKaG:

Die Berufsordnung kann weitere Vorschriften über Berufspflichten im Rahmen des Art. 17 enthalten, insbesondere über […]

7.

das Ausmaß des Verbots oder der Beschränkung der Werbung […]

Lösung zu Fall 1 – Ärztliche Werbung

A.

Zulässigkeit

I.

Zuständigkeit, Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, §§ 13 Nr. 8a, 90 BVerfGG

II.

Beteiligtenfähigkeit

III.

Beschwerdegegenstand

IV.

Beschwerdebefugnis

V.

Rechtswegerschöpfung

VI.

Subsidiarität

VII.

Form und Frist

VIII.

Zwischenergebnis

B.

Begründetheit

I.

Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG

1.

Persönlicher Schutzbereich

2.

Sachlicher Schutzbereich

II.

Eingriff

III.

Rechtfertigung

1.

Schranke

2.

Schranken-Schranke

a)

Verfassungsmäßigkeit der einschränkenden Regelung

aa)

Legitimer Zweck

bb)

Geeignetheit

cc)

Erforderlichkeit

dd)

Verhältnismäßigkeit

(1)

Anpreisende Werbung

(2)

Irreführende Werbung

(3)

Vergleichende Werbung

ee)

Zwischenergebnis

b)

Verfassungsmäßigkeit der auf der Regelung beruhenden Einzelmaßnahme

C.

Ergebnis

Die Verfassungsbeschwerde des A hat Erfolg, wenn sie zulässig und begründet ist.

A.Zulässigkeit

I.Zuständigkeit, Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, §§ 13 Nr. 8a, 90 BVerfGG

Das Bundesverfassungsgericht ist gem. Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, §§ 13 Nr. 8a, 90 BVerfGG für Verfassungsbeschwerden zuständig.

II.Beteiligtenfähigkeit

Beteiligtenfähig im Verfassungsbeschwerdeverfahren ist ausweislich Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, § 90 Abs. 1 BVerfGG „jedermann“, also jeder Träger eines Grundrechts oder grundrechtsgleichen Rechts. Als natürliche Person ist A Träger von Grundrechten, mithin beschwerdefähig i.S.d. Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, § 90 Abs. 1 BVerfGG.

III.Beschwerdegegenstand

Beschwerdegegenstand kann nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, § 90 Abs. 1 GG jeder Akt öffentlicher Gewalt sein. Dies umfasst Akte der Exekutive, der Judikative und der Legislative. Tauglicher Beschwerdegegenstand sind die Entscheidung des Berufsgerichts für die Heilberufe und die Berufungsentscheidung. Bei einer Mehrheit möglicher judikativer Beschwerdegegenstände muss der Beschwerdeführer zumindest auch gegen die letztinstanzliche Entscheidung vorgehen. Darüber hinaus räumt das Bundesverfassungsgericht dem Beschwerdeführer die Möglichkeit ein, auch gegen vorinstanzliche Entscheidungen vorzugehen.[3] A sieht sich insbesondere durch die letztgenannte Entscheidung in seinen Grundrechten verletzt, machte insoweit von seinem Wahlrecht Gebrauch, sodass nur die Berufungsentscheidung Beschwerdegegenstand im Verfahren ist.

IV.Beschwerdebefugnis

Beschwerdebefugt ist, wer hinreichend substantiiert behauptet, in eigenen Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten verletzt zu sein.[4] Ein ungerechtfertigter Eingriff in die Berufsfreiheit des A erscheint auf den ersten Blick zumindest möglich.

Ferner muss sich aus dem Vortrag des Beschwerdeführers die Möglichkeit einer eigenen, unmittelbaren und gegenwärtigen Betroffenheit ergeben.[5] Als Adressat der letztinstanzlichen Entscheidung ist A selbst betroffen. Die Entscheidung bedarf zur rechtlichen Wirksamkeit keines weiteren Umsetzungsakts, wirkt also unmittelbar. Auch hat die Beeinträchtigung schon begonnen bzw. steht unmittelbar bevor, ist also auch gegenwärtig.

A ist beschwerdebefugt.

V.Rechtswegerschöpfung

Ist gegen die Verletzung der Rechtsweg zulässig, so kann die Verfassungsbeschwerde erst nach Erschöpfung des Rechtswegs erhoben werden, § 90 Abs. 2 BVerfGG. Der Rechtsweg ist erschöpft, wenn der Beschwerdeführer von allen statthaften, nicht offensichtlich unzulässigen Rechtsbehelfen erfolglos Gebrauch gemacht hat.[6] A legte die gem. Art. 90 Abs. 1 BayHKaG statthafte Berufung gegen die Entscheidung des Berufsgerichts für Heilberufe ein. Eine Revisionsinstanz sieht das BayHKaG nicht vor. Der Rechtsweg ist erschöpft.

VI.Subsidiarität

Über das in Art. 90 Abs. 2 S. 1 BVerfGG normierte Rechtswegerschöpfungsgebot hinaus entwickelte das Bundesverfassungsgericht das Subsidiaritätskriterium, wonach nicht nur ordnungsgemäß, sondern auch erfolglos von allen gesetzlich geregelten Möglichkeiten des fachgerichtlichen Rechtsschutzes Gebrauch gemacht werden muss.[7] Es ist nicht ersichtlich, wie A sein Anliegen neben der Berufung weiterverfolgen hätte können. Das Kriterium der Subsidiarität ist erfüllt.

VII.Form und Frist

Die Verfassungsbeschwerde müsste schriftlich, § 23 Abs. 1 S. 1 BVerfGG und begründet, § 23 Abs. 1 S. 2 BVerfGG binnen eines Monats nach Zustellung der Entscheidung, § 93 Abs. 1 BVerfGG, eingereicht worden sein. Beide Erfordernisse sind hier erfüllt.

VIII.Zwischenergebnis

Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig.

B.Begründetheit

Die Verfassungsbeschwerde ist begründet, wenn der Beschwerdeführer durch das letztinstanzliche Urteil in einem seiner Grundrechte verletzt ist. In Betracht kommt ein nicht zu rechtfertigender Eingriff in den Schutzbereich der Berufsfreiheit, Art. 12 GG.

Bei Urteilsverfassungsbeschwerden besteht jedoch ein eingeschränkter Prüfungsumfang.[8] Denn durch die Bindung von Richtern an Recht und Gesetz, Art. 20 Abs. 3 GG, liegt in jedem rechtswidrigen Urteil mit dem Gesetzes- auch ein Verfassungsverstoß vor. Wäre bereits dadurch eine Verfassungsbeschwerde begründet, würde das Bundesverfassungsgericht zur Superrevisionsinstanz. In ständiger Rechtsprechung nimmt das Bundesverfassungsgericht seinen Prüfungsumfang auf die Verletzung spezifischen Verfassungsrechts zurück.[9] Spezifisches Verfassungsrecht ist aber nicht schon dann verletzt, wenn eine Entscheidung, am einfachen Recht gemessen, objektiv fehlerhaft ist: Die Gestaltung des Verfahrens, die Feststellung und Würdigung des Tatbestandes, die Auslegung der Gesetze und ihre Anwendung auf den einzelnen Fall sind allein Sache der dafür allgemein zuständigen Gerichte.[10] Der Fehler muss gerade in der Nichtbeachtung von Grundrechten liegen.[11] Das BVerfG prüft insbesondere, ob der Richter bei Auslegung und Anwendung der Normen die Grundrechte ausreichend beachtet hat,[12] d.h. ob entweder den Einfluss von Grundrechten gar nicht erkannt wurde[13] oder ob die Auslegung oder Anwendung des Rechts auf einer „grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung eines Grundrechts insbesondere vom Umfang seines Schutzbereichs“ beruht.[14]

Hier könnte möglicherweise Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG nicht oder nicht ausreichend gewürdigt worden sein.

I.Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG

Zunächst müsste somit sowohl der persönliche als auch der sachliche Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG eröffnet sein.

1.Persönlicher Schutzbereich

Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG begrenzt den persönlichen Schutzbereich der Berufsfreiheit auf Deutsche. Deutscher im Sinne des Grundgesetzes ist u.a., wer die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, Art. 116 Abs. 1 GG. A ist als Deutscher vom Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG erfasst.

2.Sachlicher Schutzbereich

Als Beruf i.S.v. Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG ist jede auf Dauer angelegte, der Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage dienende Betätigung anzusehen, die nicht schlechthin gemeinschädlich ist.[15] Der Betrieb einer Privatklinik ist auf gewisse Dauer angelegt und dient der Erhaltung der Lebensgrundlage des A. Gemeinschädlich sind Tätigkeiten, die „schon ihrem Wesen nach als verboten anzusehen sind, weil sie aufgrund ihrer Sozial- und Gemeinschaftsschädlichkeit schlechthin nicht am Schutz durch das Grundrecht der Berufsfreiheit teilhaben können“[16]. Der Betrieb einer Privatklinik fällt nicht darunter.

Der einheitliche Schutzbereich der Berufsfreiheit erfasst die Gewährleistungsdimensionen Berufsausbildung, Berufs- und Arbeitsplatzwahl sowie Berufsausübung;[17] so stellt die Berufswahl den Beginn der beruflichen Tätigkeit und die Berufsausübung die (fortlaufende) Bestätigung der Berufswahl dar. Die Freiheit der Berufsausübung schließt im Weiteren jede Tätigkeit ein, die mit ihr zusammenhängt, soweit sie auf die Förderung des beruflichen Erfolges gerichtet ist.[18] Die vorliegenden Werbeanzeigen und das Interview sollten als Werbemaßnahmen den Betrieb der Privatklinik fördern. Die hierin liegende berufliche Außendarstellung unterfällt somit als berufsbezogene Tätigkeit dem Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG.

II.Eingriff

In den Schutzbereich des A müsste eingegriffen worden sein. Unter einem Eingriff wird nach dem modernen Eingriffsbegriff jedes staatliche Verhalten gefasst, das es dem Einzelnen unmöglich macht oder jedenfalls nicht unerheblich erschwert, ein grundrechtlich geschütztes Verhalten auszuüben. Die Entscheidung des Berufungsgerichts macht es dem A unmöglich, sich in gewünschter Weise nach außen darzustellen. Damit liegt nach dem modernen Eingriffsbegriff ein Eingriff in den Schutzbereich vor.

III.Rechtfertigung

Der Eingriff könnte jedoch gerechtfertigt sein. Dies ist der Fall, wenn sich der Eingriff auf eine verfassungsmäßige Grundlage stützen kann, die auch im Einzelfall in verfassungsmäßiger Weise angewendet wurde.

1.Schranke

Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG sieht eine Einschränkungsmöglichkeit der Berufsfreiheit „durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes“ vor und stellt einen einfachen Gesetzesvorbehalt für das gesamte Grundrecht dar.[19] Eingriffe müssen jedenfalls auf ein (verfassungskonformes) formelles Gesetz rückführbar sein.

Vorliegend könnte das Verbot berufswidriger Werbung in § 27 Abs. 3 BO eine taugliche Schrankenregelung darstellen. Die Landesberufsordnungen der Ärzte werden auf Grundlage des Heilberufe-Kammergesetzes von den Landesärztekammern als Körperschaften des öffentlichen Rechts als Teil der mittelbaren Staatsverwaltung in funktionaler Selbstverwaltung erlassen.[20] Damit § 27 Abs. 3 BO als Eingriffsgrundlage in Betracht kommt, müsste aber dessen Grundlage, Art. 19 Nr. 7 BayHKaG, selbst verfassungskonform sein und insbesondere in zulässiger Weise den Ärztekammern einen entsprechenden Normierungsauftrag erteilen. Das Bundesverfassungsgericht leitet aus dem Rechtsstaatsgebot und dem Demokratieprinzip ab, dass der Gesetzgeber jedenfalls die wesentlichen Entscheidungen zur Berufsausübung durch förmliches Gesetz selbst treffen muss.[21] Im Ergebnis regelt Art. 19 Nr. 7 BayHKaG[22] auf dieser Grundlage das Werbeverbot für Ärzte, indem der Landesgesetzgeber die weitere Ausgestaltung der Ärztekammer überlässt, in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise:[23] Im Einzelnen hängt die Frage, ob Berufsausübungsregelungen in Gestalt von Satzungen autonomer Berufsverbände durch Ermächtigung durch den Gesetzgeber zulässig sind, von der Intensität des damit verbundenen Grundrechtseingriffs ab. Der Gesetzgeber muss dabei „das zulässige Maß des Eingriffs in seiner Ermächtigung umso deutlicher selbst bestimmen, je empfindlicher [unter sinngemäßer Anwendung der zu Art. 12 GG entwickelten Stufentheorie] der Berufsangehörige in seiner freien beruflichen Tätigkeit beeinträchtigt wird und je stärker das Interesse der Allgemeinheit an der Art und Weise der Tätigkeit berührt wird.“[24] Das allgemeine Werbeverbot für Ärzte betrifft dabei lediglich die Art und Weise der Berufsausübung und ist damit bloße Folge der Entscheidung für den Arztberuf. Der Eingriff bewegt sich folglich auf der untersten Eingriffsstufe des Art. 12 Abs. 1 GG und somit handelt es sich um eine herkömmliche Beschränkung, die für eine eigenverantwortliche Ordnung durch Berufsverbände durchaus geeignet erscheint, zumal dem Arzt bestimmte Ankündigungen mit werbendem Charakter erlaubt bleiben.[25] Von dieser Ermächtigung machte die bayerische Ärztekammer in § 27 Abs. 3 BO Gebrauch, der im Ergebnis eine taugliche Schranke darstellt.

2.Schranken-Schranke

a)Verfassungsmäßigkeit der einschränkenden Regelung

Die Norm, auf die die Beschränkung des Schutzbereichs gestützt wird, muss selbst verfassungskonform sein.

aa)Legitimer Zweck

Die Norm muss einen legitimen Zweck verfolgen. Gem. § 27 Abs. 1 BO ist Zweck der Vorschriften über erlaubte sachliche Information und berufswidrige Werbung, insbesondere des § 27 Abs. 3 BO, die Gewährleistung des Patientenschutzes durch sachgerechte und angemessene Information und die Vermeidung einer Kommerzialisierung des Arztberufs. Das Vertrauen der Patienten darin, dass der Arzt aus medizinischer Notwendigkeit und nicht aus Gewinnstreben Untersuchungen vornimmt und Behandlungen vorsieht, soll erhalten bleiben.[26] Die Förderung dieses beruflichen Verantwortungsgefühls und des Vertrauens in den Berufsstand der Ärzte stellt einen legitimen Zweck dar.[27]

bb)Geeignetheit

Das Verbot anpreisender, irreführender oder vergleichender Werbung müsste auch geeignet sein, diesen Zweck zu erreichen. Geeignetheit ist gegeben, wenn die Maßnahme – das Werbeverbot – zur Erreichung des Zwecks zumindest beitragen kann. Bestimmte Formen von Werbung können tendenziell als unsachlich oder Streben nach Gewinn aufgenommen werden. Indem dies gänzlich verboten wird, kann das Vertrauen in die Ärzteschaft als Ganzes gesteigert werden.

cc)Erforderlichkeit

Ferner müsste der verfolgte Zweck nicht durch ein anderes, den Grundrechtsträger weniger stark belastendes Mittel erreicht werden können. Der Eingriff müsste mithin erforderlich sein.

Grundsätzlich ist seit dem Apothekenurteil nach der Drei-Stufen-Lehre insoweit zwischen einer Beeinträchtigung der Berufsausübung einerseits und der Berufswahl andererseits zu differenzieren.[28] Während eine Berufsausübungsbeeinträchtigung lediglich einzelne Aspekte eines Berufs verbietet, also das „Wie“ betrifft, richtet sich eine Maßnahme gegen die Berufswahl gegen den Zugang zu dem Beruf, mithin das „Ob“ der Ausübung. Grundsätzlich ist auch ohne Werbetätigkeit die Ausübung des Arztberufs möglich, denn lange Zeit war Ärzten das Werben gänzlich verboten. Es liegt ein Fall einer Berufsausübungsbeschränkung vor. Diese ist im Gegensatz zu objektiver und subjektiver Berufswahlbeschränkung bereits das mildeste Mittel. Die Maßnahme ist folglich erforderlich.

dd)Verhältnismäßigkeit

Schließlich muss der Eingriff im Verhältnis zum verfolgten Zweck stehen.[29] Die Drei-Stufen-Lehre verlangt für die vorliegende Berufsausübungsbeschränkung „Gesichtspunkte der Zweckmäßigkeit“[30] im Sinne vernünftiger Erwägungen des Allgemeinwohls. § 27 Abs. 3 BO verbietet insbesondere anpreisende, irreführende oder vergleichende Werbung. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung sind diese Formen getrennt zu beleuchten.

(1)Anpreisende Werbung

Anpreisend ist eine besonders nachdrückliche Form der Werbung, insbesondere mit reißerischen bzw. marktschreierischen Mitteln, etwa Übertreibungen und besonders wirkungsvollen Herausstellungen eigener Leistungen.[31] Zwar ist eine gewisse Überzeichnung charakteristisch für Werbung, zumal eine überspitzte Darstellung dem Empfänger eher im Gedächtnis bleibt und so der Werbezweck gefördert wird. Ärzten ist aufgrund ihrer Kredibilität in der Gesellschaft aber ein gesteigertes Sachlichkeitsgebot aufzuerlegen. Diese Einschränkung anpreisender Werbung, durch die der Eindruck erweckt wird, der Arzt verfolge in erster Linie ein wirtschaftliches Gewinninteresse, trifft alle Ärzte gleichermaßen. Das primäre Verfolgen eines wirtschaftlichen Gewinninteresses kann in Konflikt zur obersten ärztlichen Pflicht treten, der Gesundheit seines Patienten und der Bevölkerung zu dienen (§ 1 Abs. 1 BO), bzw. den Eindruck erwecken, dass eben jene Pflicht in den Hintergrund rückt bis gar vernachlässigt wird. Somit ist das Verbot anpreisender Werbung als verhältnismäßig anzusehen.

(2)Irreführende Werbung

In Anlehnung an § 5 Abs. 1 S. 2 UWG wird irreführende Werbung über die Eignung definiert, bei einem erheblichen Teil des angesprochenen Verkehrskreises unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls einen unrichtigen Eindruck zu vermitteln. Ärzten wird aufgrund ihrer geachteten Ausbildung, beruflicher Erfahrung und ihres Gesellschaftsstandes großes Vertrauen seitens ihrer Patienten entgegengebracht sowie im Allgemeinen ein hohes Maß an Glaubwürdigkeit zugeschrieben. Umso höher sind daher die Voraussetzungen, die an die Klarheit und Richtigkeit der ärztlicherseits vermittelten Informationen zu stellen sind. Ein Verbot von irreführender Werbung ist mithin bei Ärzten – § 5 Abs. 1 S. 2 UWG e contrario – erst recht angemessen.

(3)Vergleichende Werbung

Vergleichende Werbung ist in Anlehnung an § 6 Abs. 1 UWG Werbung, die unmittelbar oder mittelbar einen anderen Arzt oder die von ihm angebotenen Dienstleistungen erkennbar macht.[32] Zwar ist Werbung auf Kundenakquise angelegt und daher stets in gewissem Maße vergleichend.[33] Im individuellen Arzt-Patienten-Verhältnis ist ein objektiver Vergleich konkreter ärztlicher Tätigkeit aber schlicht nicht möglich, sodass vergleichende Werbung stets irreführend und ihr Verbot angemessen ist.

ee)Zwischenergebnis

§ 27 Abs. 3 BO ist verfassungsgemäß.

b)Verfassungsmäßigkeit der auf der Regelung beruhenden Einzelmaßnahme

Schließlich müsste auch durch die Einzelmaßnahme – die Entscheidung des Berufungsgerichts – in verfassungsgemäßer Weise von der Beschränkungsmöglichkeit des § 27 Abs. 3 BO Gebrauch gemacht worden sein. Wie oben[34] dargestellt, beschränkt sich die Überprüfung dessen auf die Verletzung spezifischen Verfassungsrechts.

Die Entscheidung des Berufungsgerichts beruht auf zwei Werbeanzeigen über die ärztliche Tätigkeit des A sowie einem Interview des A. Zu fragen ist, inwieweit die Werbeanzeigen und das Interview den Tatbestand des § 27 Abs. 3 BO erfüllen.

Einschlägig könnte der Tatbestand der anpreisenden Werbung sein. Anpreisend ist eine besonders nachdrückliche Form der Werbung, insbesondere mit reißerischen bzw. marktschreierischen Mitteln, etwa Übertreibungen und besonders wirkungsvollen Herausstellungen eigener Leistungen.[35] A wird in einzelnen Textpassagen als „die unangefochtene Nr. 1 für Bandscheibenvorfälle“ beschrieben, die Erfolgsquote als „sensationell“ bezeichnet. Die Kernaussage, dass die Behandlungsmethode sehr gute Erfolge verzeichne, hätte auch ohne Steigerungen wie „unangefochten“ oder „sensationell“ erreicht werden können. Um die Werbung als solche jedoch als „anpreisend“ bezeichnen zu können, müssten diese genannten Aussagen den Gesamtcharakter selbiger Werbung prägen. Denn alleiniges positives Herausstellen ist gerade typisch für Werbung und macht diese nicht per se sachfremd.[36] Im Rahmen der Abgrenzung zur erlaubten Information i.S.d. § 27 Abs. 2 BO ist vielmehr eine grundrechtsfreundliche Auslegung des Wortsinns einzelner Passagen im Kontext des gesamten Inhalts erforderlich.[37] Der Fokus des Interviews und der Anzeige liegt vorliegend gerade auf der Information über die neuartige Behandlungs- und Operationsmethode für potentielle Patienten, sachliche Informationen überwiegen quantitativ und qualitativ im Vergleich zu sachfremden Zuspitzungen. Der Schwerpunkt der Aussagen liegt in der Information über die Vorzüge, den Inhalt, die Bedeutung und die Möglichkeiten dieser Methode gegenüber der herkömmlichen Behandlung. Die emotionale Prägung der Werbung mit entsprechend assoziativen Begriffen wie „anstrahlen“, „Tänzchen“ oder „bewegend“ (sog. Sympathiewerbung) ist mit Blick auf das persönliche Arzt-Patienten-Verhältnis nach der – nicht über jeden Zweifel erhabenen und recht weitgehenden Ansicht des BVerfG[38] – zulässig, solange der Informationscharakter nicht völlig in den Hintergrund tritt.[39] Allein aufgrund der Werbewirksamkeit eines Textes lässt sich dieser noch nicht als reißerisch qualifizieren (was sich durchaus auch anders auffassen lässt),[40] die Bundesärztekammer spricht von „gesteigert[er] Form der Werbung“[41]. Vielmehr besteht an einer sachlich zutreffenden und verständlichen Informationswerbung ein anerkennenswertes Allgemeininteresse.[42]

Es könnte ein Fall irreführender Werbung vorliegen. In Anlehnung an § 5 Abs. 1 S. 2 UWG wird irreführende Werbung über die Eignung definiert, bei einem erheblichen Teil des angesprochenen Verkehrskreises unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls einen unrichtigen Eindruck zu vermitteln.[43] Die Aussage, dass es sich um die „sanfteste Bandscheibenoperation der Welt“ handle, könnte die Risiken und den invasiven Eingriff verharmlosen. Jedoch ist zu beachten, dass Werbung stets positiv einkleidend ausgestaltet ist und vorliegend der Informationsgehalt nichtsdestotrotz klar erkennbar bleibt.

Ferner liegt auch keine vergleichende Werbung, also solche, die unmittelbar oder mittelbar einen anderen Arzt erkennbar macht, vor.[44] Zwar bezeichnet sich A als „unangefochtene Nr. 1“, dabei wird aber kein konkreter Vergleich zu einem anderen Arzt hergestellt.

Schließlich könnte sich die Berufswidrigkeit der Werbung auch aus entgegenstehenden Gemeinwohlinteressen, § 27 Abs. 1 BO, insbesondere der Gewährleistung des Patientenschutzes oder der Vermeidung einer Kommerzialisierung des Arztberufs ergeben. So verstehen sich die bisher geprüften Tatbestände angesichts des Wortlautes „insbesondere“ des § 27 Abs. 3 S. 2 BO gerade nicht als abschließend. Fraglich ist also, ob sich aus den Werbeanzeigen oder aus dem Interview des A eine Gefährdung für Patienten ergeben könnte. Weder werden jedoch Risiken verharmlost, noch wird konkret zu Behandlungen animiert. Eine Kommerzialisierung der ärztlichen Tätigkeit, ein Vertrauensverlust in den Berufsstand oder im Weiteren eine Gefährdung der Patienten werden somit nicht begründet.

Das Berufungsgericht hat im Ergebnis einzelne, seiner Meinung nach „reißerische“ Sätze herausgegriffen und ohne weitere Erörterung rückgeschlossen, dass die Werbung insgesamt als unzulässig zu beurteilen sei. Damit wurde nach Ansicht des BVerfG der Sachverhalt nicht so erfasst, wie es angesichts seiner grundrechtsbeschränkenden Würdigung angezeigt gewesen wäre.[45]

Der Tatbestand des § 27 Abs. 3 BO ist somit nicht erfüllt.

C.Ergebnis

Die Verfassungsbeschwerde des A ist zulässig und begründet. Sie wird erfolgreich sein.

Fall 2Ärztliche Approbation

(VG Regensburg, Urt. v. 12.7.2016 – RO 5 K 15.1168)

Arzt A wurde 1979 in Oberbayern die Approbation als Arzt erteilt. Seit 1991 ist er zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Seit 2001 ist A in eigener internistischer Praxis in München als selbständiger Arzt tätig.

2015 wurde gegen A mit rechtskräftigem Strafbefehl des Amtsgerichts aufgrund Betruges in acht Fällen eine Geldstrafe in Höhe von 315 Tagessätzen à 150 EUR festgesetzt. A hatte im Rahmen seiner vertragsärztlichen Tätigkeit im Zeitraum der Quartale 2008 und 2009 Sammelerklärungen bei der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB) vorgelegt, die angeblich exakt auf die angegebene Art und Weise von A erbrachte ärztliche Leistungen enthielten. Im Kontext dieser Sammelerklärungen habe A in einer Vielzahl von Fällen ärztliche Leistungen in Rechnung gestellt, obwohl ihm bewusst gewesen sei, dass diese in der behaupteten Form entweder überhaupt nicht erbracht worden seien oder im Zusammenhang mit anderen ärztlichen Leistungen auf die behauptete Art und Weise nicht hätten abgerechnet werden dürfen. Somit habe kein durchsetzbarer Anspruch gegen die KVB in entsprechender Höhe bestanden. Der Gesamtschaden der KVB belief sich dabei auf rund 19 000 EUR.

Angesichts der fehlerhaften Abrechnungen äußerte A Bedauern und brachte als Gründe die hohe zeitliche Belastung im Rahmen der Praxistätigkeit sowie stark belastende private Umstände vor. Daher habe er die durch seine Mitarbeiter erstellten Abrechnungen wohl ungeprüft abgezeichnet und hierbei auch Fehler billigend in Kauf genommen. Das Ermittlungsverfahren gegen A war aufgrund einer Unterrichtung der Staatsanwaltschaft durch die KVB eingeleitet worden.

Ferner liegt gegen A ein weiterer Strafbefehl des Amtsgerichts vor, welcher bereits seit 2013 rechtkräftig ist. Die dort verhängte Strafe von 90 Tagessätzen zu je 100 EUR war 2014 bereits vollständig vollstreckt. In diesem Strafbefehl wurde A eine fahrlässige Körperverletzung in Tatmehrheit mit Bedrohung in Tatmehrheit mit Beleidigung vorgeworfen. Die Körperverletzung betraf einen Patienten, der sich nach einer Behandlung unter Narkose auf einer Liege in der Praxis zur Ruhe legte und hier mangels adäquater Sicherung zu Boden stürzte. Die Bedrohung richtete sich gegen eine Mitarbeiterin der Prüfstelle „Ärzte Bayern“, gegenüber welcher er infolge von Differenzen bzgl. seiner Abrechnungsmethoden äußerte: „Macht schon mal euer Testament, solange ihr noch könnt.“ Die Beleidigung tätigte A gegenüber derselben Mitarbeiterin, welche er mit unterdrückter Nummer anrief, wobei er „Mörder! Verbrecher!“ schrie.

Am 16.3.2015 hörte die Regierung von Oberbayern A bezüglich des beabsichtigten Widerrufs seiner Approbation als Arzt an. A nahm hierzu – vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigen – Stellung, wobei die Argumente im Wesentlichen denen entsprachen, welche im Rahmen des Strafbefehls vorgetragen worden waren.

Mit Bescheid vom 7.7.2015, welcher A am 9.7.2015 zugestellt wurde, widerrief die Regierung von Oberbayern die Approbation des A als Arzt gem. § 5 Abs. 2 S. 1[1] i.V.m. § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 2[2] BÄO. A sei sowohl unwürdig als auch unzuverlässig zur Ausübung des ärztlichen Berufs, ihm sei ein schwerwiegendes Fehlverhalten vorzuwerfen, das bei Würdigung aller Umstände seine weitere Berufsausübung als untragbar erscheinen lasse.

Am 3.8.2015 möchte A gegen jenen Bescheid gerichtlich vorgehen. Begründend führt er aus, dass Unwürdigkeit nicht gegeben sei, da nur schwerwiegendes Verhalten eine solche nach sich ziehen könnte. Hinsichtlich der fehlerhaften Abrechnungen bringt A vor, dass die zugrundeliegenden Leistungen tatsächlich stattgefunden hätten, nur fehlerhaft abgerechnet worden wären. Lediglich aufgrund der hohen Arbeitsbelastung habe A die Abrechnungen seines erfahrenen Mitarbeiters nicht überprüft.

Dass sich die fehlerhaften Abrechnungen über acht Quartale erstreckten, sei darauf zurückzuführen, dass die KVB immer mehrere Quartale gleichzeitig rückwirkend überprüfe. Diese somit verzögerte Feststellung des Fehlverhaltens seitens A durch die KVB könne somit nicht zu seinen Lasten gehen.

Auch habe A den Strafbefehl bzgl. der Betrugsvorwürfe nur akzeptiert, um eine Hauptverhandlung aufgrund deren „Publikumswirkung“ zu vermeiden. Nur deshalb habe er gegenüber der Staatsanwaltschaft auch Vorsatz hinsichtlich seines Abrechnungsverhaltens eingeräumt. Sodann sei zu berücksichtigen, dass es immer zu Fehlern im Bereich der Abrechnung kommen könne, zumal die Schadenshöhe auf acht Quartale gesehen relativ gering sei. Ferner habe es seit 2011 keine Beanstandungen seitens der KVB mehr gegeben. Damit könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass A in Zukunft rechtswidrig handle und damit unzuverlässig sei. Auch belegten zahlreiche Dankesschreiben von Patienten die Zuverlässigkeit des A.

Der Unfall des Patienten stelle einen außergewöhnlichen Einzelfall dar, der zumeist von Betroffenen so gar nicht zur Anzeige gebracht würde. Bzgl. der Bedrohung und Beleidigung handle es sich zwar um nicht zu akzeptierende Verfehlungen, jedoch habe A die Strafe hierfür akzeptiert und bereits vollständig bezahlt. Ferner sei es auch zu Verfehlungen dieser Art nicht nochmals gekommen. Die Unverhältnismäßigkeit des Approbationswiderrufs sei auch daran erkennbar, dass man A nicht die kassenärztliche Zulassung entzogen habe, sondern „nur“ ein Disziplinarverfahren seitens der KVB eingeleitet wurde, was das Vertrauen der KVB in das künftige ordnungsgemäße Verhalten des A zeige.

Ferner hat A bereits Zweifel an der materiellen Verfassungsmäßigkeit der Rechtsgrundlage des Approbationswiderrufs.

Hat das gerichtliche Vorgehen des A Aussicht auf Erfolg?

(Gehen Sie davon aus, dass §§ 3, 5 BÄO formell verfassungsmäßig sind.)

Lösung zu Fall 2 – Ärztliche Approbation

A.

Sachurteilsvoraussetzungen

I.

Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs, § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO

II.

Statthafte Klageart

III.

Klagebefugnis

IV.

Vorverfahren

V.

Form und Frist

VI.

Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts

1.

Sachliche Zuständigkeit, § 45 VwGO

2.

Örtliche Zuständigkeit, § 52 Nr. 3 VwGO

VII.

Beteiligtenbezogene Voraussetzungen, §§ 61, 62 VwGO

VIII.

Zwischenergebnis

B.

Begründetheit

I.

Passivlegitimation, § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO

II.

Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts

1.

Rechtsgrundlage

a)

Formelle Verfassungsmäßigkeit

b)

Materielle Verfassungsmäßigkeit

aa)

Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG

(1)

Persönlicher Schutzbereich

(2)

Sachlicher Schutzbereich

bb)

Eingriff

cc)

Rechtfertigung

(1)

Schranke

(2)

Schranken-Schranke

(a) Legitimer Zweck

(b) Geeignetheit

(c) Erforderlichkeit

(d) Angemessenheit

c)

Zwischenergebnis

2.

Formelle Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes

a)

Zuständigkeit

b)

Verfahren

c)

Form

3.

Materielle Rechtmäßigkeit

a)

Kein Verhalten zum Zeitpunkt der Approbationserteilung, aus dem sich die Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs ergibt, § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BÄO

b)

Nachträglicher Wegfall

aa)

Unwürdigkeit

(1)

Abrechnungsbetrug

(2)

Fahrlässige Körperverletzung, Bedrohung, Beleidigung

(3)

Zwischenergebnis

bb)

Unzuverlässigkeit

c)

Rechtsfolge

4.

Bindungswirkung der Entscheidung der KVB

5.

Zwischenergebnis

C.

Ergebnis

Die Klage des A hat Erfolg, wenn die Zulässigkeits- bzw. Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind und die Klage im Weiteren begründet ist.

A.Sachurteilsvoraussetzungen

I.Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs, § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO

Mangels Vorliegens einer aufdrängenden Sonderzuweisung richtet sich die Eröffnung des Rechtswegs zu den Verwaltungsgerichten nach der Generalklausel des § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO. Danach ist der Verwaltungsrechtsweg eröffnet, wenn es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art handelt. Eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit liegt dann vor, wenn die streitentscheidenden Normen solche des öffentlichen Rechts sind. § 5 BÄO berechtigt und verpflichtet einen Hoheitsträger einseitig und ist damit unproblematisch dem öffentlichen Recht zuzuordnen (modifizierte Subjekttheorie). Ferner sind weder ausschließlich unmittelbar am Verfassungsleben Beteiligte streitbefangen, noch fußt der Streit im Kern auf Verfassungsrecht (keine doppelte Verfassungsunmittelbarkeit), sodass die Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art ist. Mangels abdrängender Sonderzuweisung ist der Verwaltungsrechtsweg gemäß § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO eröffnet.

II.Statthafte Klageart

Die statthafte Klageart richtet sich nach dem Begehren des Klägers und dem Klagegegenstand, §§ 88, 86 Abs. 3 VwGO.

Das Ziel des A ist die Wiedererlangung seiner ärztlichen Approbation, A möchte also gegen den Widerrufsbescheid vorgehen. Als „actus contrarius“ gegenüber der Approbationserteilung, die eine Verfügung einer Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts mit Außenwirkung darstellt, ist der Widerrufsbescheid ein Verwaltungsakt i.S.d. Art. 35 S. 1 BayVwVfG.

In Betracht kommt die Erhebung einer Verpflichtungsklage auf Erteilung einer Approbation gem. § 3 Abs. 1 BÄO; in diesem Fall müssten alle tatbestandlichen Voraussetzungen erneut geprüft werden. A verfügte bereits über eine Approbation, die ihm mit dem Widerrufsbescheid entzogen wurde. Günstiger für A ist daher ein Vorgehen gegen den Widerruf als solchen. Denkt man den Widerruf hinweg, erreicht A sein Klageziel der Wiedererlangung der Approbation. Statthaft ist damit die Erhebung einer Anfechtungsklage gegen den Widerruf gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO.

III.Klagebefugnis

Ferner muss A geltend machen, durch den Verwaltungsakt in eigenen Rechten verletzt zu sein, § 42 Abs. 2 VwGO. Ausreichend hierfür ist schon die bloße Möglichkeit einer Rechtsverletzung (Möglichkeitstheorie). So kann vorliegend nicht ausgeschlossen werden, dass A durch den Widerruf der Approbation in seinem Grundrecht auf Berufsfreiheit, Art. 12 Abs. 1 GG, verletzt ist.

Schließlich ist A als Adressat des Widerrufsbescheids, welcher einen belastenden Verwaltungsakt darstellt und damit einhergehend jedenfalls den Schutzbereich der allgemeinen Handlungsfreiheit, Art. 2 Abs. 1 GG, verkürzt, klagebefugt (Adressatentheorie).

IV.Vorverfahren

Das grundsätzlich nach § 68 Abs. 1 S. 1 VwGO erforderliche Vorverfahren entfällt gemäß § 68 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 VwGO i.V.m. Art. 15 Abs. 2, 1 BayAGVwGO.

V.Form und Frist

Die Klage müsste formell ordnungsgemäß erhoben werden, §§ 81, 82 VwGO.

Ferner müsste die Klagefrist des § 74 Abs. 1 S. 2 VwGO eingehalten worden sein, die Klage ist danach innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts zu erheben.

Fristauslösendes Ereignis ist folglich die Bekanntgabe, Art. 41 Abs. 1 S. 1 BayVwVfG. Nach der Drei-Tages-Fiktion des Art. 41 Abs. 2 S. 1 BayVwVfG gilt ein durch die Post übermittelter Verwaltungsakt am dritten Tag nach Aufgabe zur Post als bekanntgegeben. Der Bescheid vom 7.7.2015 wurde also am 10.7.2015 bekanntgegeben. Gemäß §§ 57 Abs. 2 VwGO, 222 Abs. 1 ZPO, 187 Abs. 1 BGB beginnt die Klagefrist danach am 11.7.2015 um 0 Uhr[3] und endet ausweislich §§ 74 Abs. 1 S. 2, 57 Abs. 2 VwGO, 222 Abs. 1 ZPO, 188 Abs. 2 Alt. 1 BGB am 10.8.2015 um 24 Uhr.

Die Klageerhebung am 3.8.2015 ist also fristgerecht.

VI.Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts

1.Sachliche Zuständigkeit, § 45 VwGO

Die Verwaltungsgerichte sind erstinstanzlich sachlich zuständig, § 45 VwGO.

2.Örtliche Zuständigkeit, § 52 Nr. 3 VwGO

Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich vorliegend aus § 52 Nr. 3 VwGO. Für den in Oberbayern erlassenen Widerrufsbescheid ist das Verwaltungsgericht München gemäß Art. 1 Abs. 2 Nr. 1 BayAGVwGO örtlich zuständig.

VII.Beteiligtenbezogene Voraussetzungen, §§ 61, 62 VwGO

A ist als natürliche Person nach § 61 Nr. 1 Alt. 1 VwGO beteiligten- und ausweislich § 62 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. §§ 104 ff. BGB e contrario prozessfähig.

Der beklagte Freistaat Bayern ist als Gebietskörperschaft des öffentlichen Rechts gemäß § 61 Nr. 1 Alt. 2 VwGO beteiligtenfähig und muss sich nach § 62 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 LABV von einem Vertreter der Ausgangsbehörde – der Regierung von Oberbayern – vertreten lassen.

VIII.Zwischenergebnis

Die Klage des A erfüllt damit die Sachurteilsvoraussetzungen.

B.Begründetheit

Die Anfechtungsklage des A ist begründet, wenn sie sich gegen den richtigen Beklagten richtet, § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO, der angefochtene Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO.

I.Passivlegitimation, § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO

Die Klage ist gegen den Bund, das Land oder die Körperschaft, deren Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, zu richten, § 78 Abs. 1 Nr. 1 Hs. 1 Alt. 1 VwGO (Rechtsträgerprinzip). Rechtsträger der handelnden Regierung von Oberbayern ist der Freistaat Bayern. Richtiger Beklagter ist also der Freistaat selbst.

II.Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts

1.Rechtsgrundlage

Rechtsgrundlage des Widerrufs der Approbation ist § 5 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BÄO. Diese Rechtsgrundlage müsste selbst mit höherrangigem Recht, insbesondere dem Grundgesetz, in Einklang stehen. Ein auf einer nichtigen Rechtsgrundlage basierender Verwaltungsakt wäre per se rechtswidrig.

Anmerkung:

Die Bundesärzteordnung unterscheidet zwischen der Rücknahme, dem Widerruf und dem Ruhen der Approbation.

Gem. § 5 Abs. 1 BÄO ist (gebundene Entscheidung) die Approbation zurückzunehmen, wenn bei ihrer Erteilung eine der Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 nicht vorgelegen hat oder bei einer vor Wirksamwerden des Beitritts erteilten Approbation das an einer Ausbildungsstätte in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet oder das in einem Fall des § 14 Abs. 1 S. 2 oder in einem Fall des § 14a Abs. 4 S. 1 erworbene Medizinstudium nicht abgeschlossen war oder die Ausbildung nach § 3 Abs. 1 S. 2 oder 6 oder § 3 Abs. 2 oder 3 oder die nach § 14b nachzuweisende Ausbildung nicht abgeschlossen war. Sie kann (Ermessensentscheidung) zurückgenommen werden, wenn bei ihrer Erteilung eine der Voraussetzungen nach § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 und 3 nicht vorgelegen hat. Eine nach § 3 Abs. 2 oder 3 erteilte Approbation kann (Ermessensentscheidung) zurückgenommen werden, wenn die festgestellte Gleichwertigkeit des Ausbildungsstandes tatsächlich nicht gegeben war oder der alternativ festgestellte gleichwertige Kenntnisstand tatsächlich nicht nachgewiesen worden ist. Eine nach § 3 Abs. 2 oder 3 oder nach § 14b Abs. 2 erteilte Approbation kann (Ermessensentscheidung) zurückgenommen werden, wenn die nachzuweisende Ausbildung tatsächlich doch wesentliche Unterschiede gegenüber der in diesem Gesetz und in der Rechtsverordnung nach § 4 Abs. 1 geregelten Ausbildung aufgewiesen hat oder die zur Ausübung des ärztlichen Berufs im Geltungsbereich dieses Gesetzes erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten in der Eignungsprüfung tatsächlich nicht nachgewiesen worden sind.

Gem. § 5 Abs. 2 BÄO ist (gebundene Entscheidung) die Approbation zu widerrufen, wenn nachträglich die Voraussetzung nach § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 weggefallen ist. Sie kann (Ermessensentscheidung) widerrufen werden, wenn nachträglich die Voraussetzung nach § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 weggefallen ist.

Die Rücknahme ist die Aufhebung des Verwaltungsakts (der Approbation), der gar nicht hätte ergehen dürfen, da die Voraussetzungen für seinen Erlass schon nicht gegeben waren. Die Approbation wird mit Wirkung ex tunc beseitigt, sodass der Betroffene von Anfang an nicht zum ärztlichen Beruf zugelassen war. Beim Widerruf hingegen wird die an sich rechtmäßig erteilte Approbation für die Zukunft ex nunc aufgehoben, da Gründe aufgetreten sind, die den Entzug ab jetzt notwendig machen.[4]

Beim Ruhen der Approbation nach § 6 BÄO handelt es sich um eine vorübergehende ordnungsrechtliche Maßnahme. Diese Maßnahme ist dazu bestimmt, die Ausübung der Heilkunde einem Arzt, dessen Eignung und Fähigkeit zur Ausübung des Arztberufs zweifelhaft geworden sind, für bestimmte oder unbestimmte Zeit zu untersagen, etwa weil eine weitere Tätigkeit des Arztes bis zur Beendigung eines Strafverfahrens wegen einer Straftat, aus der sich seine Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs ergeben kann (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO), eine konkrete Gefahr für die Allgemeinheit oder für den Einzelnen nach sich ziehen würde. Anders als der Widerruf oder die Rücknahme der Approbation erfasst § 6 also die Fälle, in denen eine Ungeeignetheit oder Unzuverlässigkeit bzw. Unwürdigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs (noch) nicht feststeht.[5]

a)Formelle Verfassungsmäßigkeit

Zweifel an der formellen Verfassungsmäßigkeit der Rechtsgrundlage bestehen keine.

b)Materielle Verfassungsmäßigkeit

§ 5 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BÄO könnte einen nicht zu rechtfertigenden Eingriff in die Berufsfreiheit, Art. 12 Abs. 1 GG, darstellen.

aa)Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG

(1)Persönlicher Schutzbereich

Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG begrenzt den persönlichen Schutzbereich der Berufsfreiheit auf Deutsche. Deutscher im Sinne des Grundgesetzes ist u.a., wer die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, Art. 116 Abs. 1 GG. A ist als Deutscher vom Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG erfasst.

(2)Sachlicher Schutzbereich

Als Beruf i.S.v. Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG ist jede auf Dauer angelegte, der Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage dienende Betätigung anzusehen, die nicht schlechthin gemeinschädlich ist.[6] Der Betrieb einer internistischen Praxis ist auf gewisse Dauer angelegt und dient der Erhaltung der Lebensgrundlage des A. Gemeinschädlich sind Tätigkeiten, die „schon ihrem Wesen nach als verboten anzusehen sind, weil sie aufgrund ihrer Sozial- und Gemeinschaftsschädlichkeit schlechthin nicht am Schutz durch das Grundrecht der Berufsfreiheit teilhaben können“[7]. Der Betrieb der Arztpraxis fällt nicht darunter.

Der einheitliche Schutzbereich der Berufsfreiheit erfasst die Gewährleistungsdimensionen der Berufsausbildung, Berufs- und Arbeitsplatzwahl sowie Berufsausübung.[8] Die Entziehung der Approbation als Arzt und dem damit einhergehenden Verbot der Ausübung ärztlicher Tätigkeiten betrifft die Berufswahlentscheidung des A. Der sachliche Schutzbereich der Berufsfreiheit ist mithin eröffnet.

bb)Eingriff

In den Schutzbereich müsste eingriffen worden sein. Ein Eingriff ist jedes staatliche Tun, das die Ausübung einer grundrechtlich geschützten Tätigkeit unmöglich macht oder jedenfalls nicht unwesentlich erschwert. Der Entzug der Approbation, den § 5 Abs. 2 S. 1 BÄO ermöglicht, ist ein staatlicher Rechtsakt und wirkt ohne weitere Zwischenakte als Verbot der Ausübung ärztlicher Tätigkeiten, vgl. § 5 Abs. 2 S. 1 BÄO. Damit liegt ein Eingriff vor.

cc)Rechtfertigung

Der Eingriff könnte gerechtfertigt sein. Dies ist der Fall, wenn es sich bei § 5 Abs. 2 S. 1 BÄO um eine taugliche Schrankenregelung handelt.

(1)Schranke

Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG sieht eine Einschränkungsmöglichkeit der Berufsfreiheit „durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes“ vor und stellt einen einfachen Gesetzesvorbehalt für das gesamte, als einheitlich zu verstehende Grundrecht dar.[9] § 5 Abs. 2 S. 1 BÄO ist als formelles Bundesgesetz eine taugliche Schrankenregelung in diesem Sinne.

(2)Schranken-Schranke

Allerdings müsste das Schrankengesetz selbst verfassungsgemäß, insbesondere verhältnismäßig, sein.

(a)Legitimer Zweck

Zunächst müsste das Gesetz einen legitimen Zweck verfolgen. Der Sinn und Zweck des § 5 Abs. 2 S. 1 BÄO ist die Sicherstellung der Zuverlässigkeit und Würdigkeit für die Ausübung des Arztberufs und der Schutz der körperlichen Integrität der Patienten.[10] Dies stellt zweifelsohne einen legitimen Zweck dar.

(b)Geeignetheit

Darüber hinaus müsste das Gesetz zur Erreichung des Ziels auch geeignet sein. Der Widerruf der Approbation des Arztes bei Wegfall der Voraussetzungen der Erteilung der Approbation gemäß § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BÄO ist – im Falle eines Fehlverhaltens, aus dem sich die Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs ergibt – zur Sicherstellung der Zuverlässigkeit und Würdigkeit der im Arztberuf tätigen Personen zum Schutz der körperlichen Integrität der Patienten geeignet.

(c)Erforderlichkeit

Um die Erforderlichkeit des Eingriffs bejahen zu können, dürfte kein anderes milderes, aber gleichermaßen geeignetes Mittel zur Erreichung des Zwecks in Betracht kommen.

Grundsätzlich ist seit dem Apothekenurteil des Bundesverfassungsgerichts nach der Drei-Stufen-Lehre insoweit zwischen einer Beeinträchtigung der Berufsausübung einerseits und der Berufswahl andererseits zu differenzieren.[11] Während eine Berufsausübungsbeeinträchtigung lediglich einzelne Aspekte eines Berufs verbietet, also das „Wie“ betrifft, richtet sich eine Maßnahme gegen die Berufswahl gegen den Zugang zu dem Beruf, mithin das „Ob“ der Ausübung. Bei den Berufswahlregelungen ist weiter zu differenzieren zwischen den subjektiven und den objektiven Berufswahlregelungen: Erstere knüpfen an von der Person beeinflussbare Bedingungen an,[12] letztere an solche, die dem Einfluss der Person entzogen sind[13]. Der Entzug der Approbation aufgrund einer schwerwiegenden persönlichen Verfehlung stellt eine subjektive Berufswahlbeschränkung dar, da es jeder Betroffene selbst in der Hand hat, sich so zu verhalten, dass ihm die Approbation nicht entzogen wird. Weniger einschneidend als Berufszulassungsregelungen wäre stets eine Berufsausübungsregelung. Im Fall einer Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs kann mit einer bloßen Beschränkung der Berufsausübung das Ziel der Sicherstellung des Schutzes der körperlichen Integrität der Patienten aber nicht erreicht werden.

Zwar käme ein zeitweiser Widerruf der Approbation in Betracht. Kann aber der Arzt mit der sicheren Wiedererlangung der Approbation nach Zeitablauf rechnen, so erzielt der zeitweise Widerruf gewiss nicht denselben Effekt wie der hier fragliche gänzliche Widerruf.

Der Approbationswiderruf, wie ihn § 5 Abs. 2 S. 1 BÄO vorsieht, ist somit auch erforderlich.

(d)Angemessenheit

Schließlich muss der Eingriff im Verhältnis zum verfolgten Zweck stehen.[14] Gegeneinander abzuwägen sind ein schwerwiegender Eingriff in die Berufsfreiheit des A, der mit einer Bedrohung der beruflichen und privaten Existenz einhergeht, auf der einen Seite und das Vertrauen in den Berufsstand und die Gewährleistung der Gesundheit und körperlichen Integrität der Patienten auf der anderen Seite.

Die Drei-Stufen-Theorie verlangt für die vorliegende subjektive Berufswahlregelung die Erforderlichkeit des Eingriffs zum Schutz eines wichtigen Gemeinschaftsgutes.[15] Insbesondere der Schutz der Gesundheit und körperlichen Integrität stellt ein solches gewichtiges Gemeinschaftsgut dar.

Problematisch erscheint aber, dass § 5 Abs. 2 S. 1 BÄO eine gebundene Entscheidung vorsieht, der Behörde also kein Ermessensspielraum eingeräumt wird, im Rahmen dessen sie die Berufsfreiheit, Art. 12 Abs. 1 GG, des Betroffenen ausreichend berücksichtigen könnte. Diese Kritik greift indes zu kurz, denn § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BÄO als „Eintrittstor“ in § 5 Abs. 2 S. 1 BÄO enthält selbst verschiedene unbestimmte Rechtsbegriffe, zu deren Konkretisierung es der Auslegung bedarf. Im Rahmen dieser Auslegung können die Grundrechte des Betroffenen dann ausreichend gewürdigt werden. Überdies ist anerkannt, dass im Einzelfall zur Ermöglichung einer verfassungskonformen Auslegung eine an sich gebundene Entscheidung in eine Ermessensnorm umzudeuten ist.[16] Daraus ergibt sich im Umkehrschluss, dass vorliegend ein Verfassungsverstoß nicht schon aus der als gebundene Entscheidung formulierten Norm folgt. Im Übrigen wird dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im engeren Sinne durch die Möglichkeit einer Wiedererteilung der Approbation und der Erlaubnis zur erneuten Berufsausübung i.S.d. § 8 BÄO[17] ausreichend Rechnung getragen.[18]

§ 5 Abs. 2 S. 1 BÄO ist verhältnismäßig im engeren Sinne.

c)Zwischenergebnis

§ 5 Abs. 2 S. 1 BÄO ist mithin rechtmäßige und daher taugliche Rechtsgrundlage für den Widerruf der Approbation des A.

2.Formelle Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes

a)Zuständigkeit

Gemäß § 12 Abs. 4 S. 1 BÄO ist die Behörde des Landes, in dem der ärztliche Beruf ausgeübt wird oder zuletzt ausgeübt worden ist, für Entscheidungen nach § 5 Abs. 2 S. 1 BÄO zuständig.

Die sachliche Zuständigkeit des Vollzugs der BÄO obliegt für den Regierungsbezirk Oberbayern gemäß § 1 Abs. 1 HeilBZustV der Regierung von Oberbayern.

b)Verfahren

A wurde vor Erlass des belastenden Verwaltungsaktes gemäß Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG ordnungsgemäß angehört. Das weitere Verfahren wurde ordnungsgemäß durchgeführt.

c)Form

Der Verwaltungsakt erging formgültig und ist damit formell rechtmäßig.

3.Materielle Rechtmäßigkeit

Der Verwaltungsakt ist materiell rechtmäßig, wenn der Tatbestand der Rechtsgrundlage, § 5 Abs. 2 S. 1 BÄO, erfüllt ist. Dieser fordert, dass die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BÄO nachträglich weggefallen sind.

a)Kein Verhalten zum Zeitpunkt der Approbationserteilung, aus dem sich die Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs ergibt, § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BÄO

Bei Erteilung der Approbation im Jahr 1979 lagen die Voraussetzungen der Würdigkeit und Zuverlässigkeit i.S.d. § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BÄO vor.

b)Nachträglicher Wegfall

Dies müsste sich nachträglich geändert haben. Es müsste also ein Verhalten des A nach 1979 vorliegen, aus dem sich die Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit des A zur Ausübung des ärztlichen Berufs ergibt.

aa)Unwürdigkeit

Unwürdig zur Ausübung des ärztlichen Berufs ist ein Arzt, wenn er durch sein Verhalten nicht mehr das Ansehen und Vertrauen besitzt, das für die Ausübung seines Berufes unabdingbar ist.[19] Erforderlich ist also ein so schwerwiegendes Verhalten des Arztes, das bei Würdigung aller Umstände seine Berufsausübung zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung als untragbar erscheinen lässt.[20] Dies ist dann der Fall, „wenn ein bestimmtes Verhalten gegeben ist, das nicht mit der Vorstellung übereinstimmt, die die Bevölkerung allgemein vom Arzt hat“[21]. Das Verhalten muss noch nicht einmal notwendigerweise berufsbezogen sein, jedenfalls nicht bei schwerwiegenden Vorsatztaten.[22] Dabei ist keine Prognose anzustellen, ob der Arzt in Zukunft seine beruflichen Pflichten zuverlässig erfüllen wird.[23] Vielmehr reicht eine Gesamtbetrachtung vergangener Umstände zur Beurteilung, ob eine Unwürdigkeit zur Ausübung des Arztberufes vorliegt, aus. Sowohl der Abrechnungsbetrug, die Körperverletzung, die Bedrohung als auch die Beleidigung kommen als Anknüpfungspunkte für die Bewertung des Verhaltens des A in Betracht.

(1)Abrechnungsbetrug

Gegen A wurde 2015 aufgrund Betruges, § 263 Abs. 1 StGB, in acht Fällen ein rechtskräftiger Strafbefehl festgesetzt. Dieser wirkt gemäß § 410 Abs. 3 StPO wie ein rechtskräftiges Strafurteil. Grundsätzlich können Behörden tatsächliche sowie rechtliche Feststellungen in einem rechtskräftigen Strafurteil einer Entscheidung zugrunde legen, ohne insoweit selbst eine gegenständliche oder rechtliche Bewertung vornehmen zu müssen.[24] Etwas anderes kann nur gelten, wenn gewichtige Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der Feststellungen der strafrichterlichen Entscheidung ersichtlich sind.[25] An solchen Anhaltspunkten, die substantiiert und nachprüfbar dargelegt werden müssten, fehlt es vorliegend. Die bloße Behauptung, der Vorsatz wurde nur zur Vermeidung einer Publikumswirkung gegenüber der Staatsanwaltschaft eingeräumt, ist schon nicht qualifiziert dargelegt. Zumindest aber legt das Vorbringen des A, die Abrechnungen seines erfahrenen Mitarbeiters in Gänze nicht überprüft zu haben, das Vorliegen eines dolus eventualis nahe, bei dem der Eintritt des Erfolges vom Täter gerade auch unerwünscht sein kann.[26] Die Annahme eines vorsätzlichen Abrechnungsbetruges kann also im vorliegenden Verfahren für die Beurteilung der Unwürdigkeit zugrunde gelegt werden.

Des Weiteren müsste dieser Abrechnungsbetrug ein Verhalten darstellen, das die Unwürdigkeit zur Ausübung des Arztberufs i.S.d. § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BÄO begründet. Die korrekte Abrechnung der ärztlichen Leistungen gegenüber den gesetzlichen Krankenkassen gehört zu den Berufspflichten eines Arztes.[27] Grundsätzlich können auch Aspekte der ärztlichen Tätigkeit, welche außerhalb der Behandlung, wie sie naturgemäß die primäre Tätigkeit des Arztes darstellt, liegen, eine Unwürdigkeit begründen; eines behandlungsrelevanten Aspekts bedarf es insoweit nicht.[28] Auf dieser Grundlage können die Dankesschreiben der Patienten als Ausdruck der Patientenzufriedenheiten keinen Einfluss auf die Bewertung der Unwürdigkeit haben. Der Abrechnungsbetrug zu Lasten der Solidargemeinschaft der Versicherten[29] stellt bereits für sich genommen eine gravierende berufliche Verfehlung dar, derer ein Arzt unwürdig ist. Dass die Abrechnungsfehler erst später entdeckt wurden, ist insoweit irrelevant. Denn bereits mit Einreichung der fehlerhaften Sammelerklärungen und der damit einhergehenden Abrechnungen zu Gunsten des A ist der Tatbestand des Betruges erfüllt[30] und die Berufspflicht verletzt. Aufgabe der KVB ist es nicht, Leistungsabrechnungen der Ärzte zu deren Schutz zu prüfen, sondern Schäden von der Gemeinschaft der Versicherten abzuwenden.

Schon der Abrechnungsbetrug stellt daher ein Verhalten dar, das zur Annahme der Unwürdigkeit führt. Die Tatsache, dass der Strafrichter durch die Wahl des Strafbefehlsverfahrens, ein Verfahren, das auf die Ahndung minder schwerer Delikte zugeschnitten ist, inzident eine schwere Verfehlung verneint hat, steht einem Widerruf im Übrigen nicht entgegen.[31]

(2)Fahrlässige Körperverletzung, Bedrohung, Beleidigung

Ferner existiert ein rechtskräftiger Strafbefehl wegen fahrlässiger Körperverletzung, § 229 StGB, in Tatmehrheit (§ 53 StGB) mit Beleidigung, § 185 StGB, in Tatmehrheit (§ 53 StGB) mit Bedrohung, § 241 Abs. 1 StGB, gegen A.

Die Eigenart der Körperverletzung als unerheblicher Einzelfall könnte – insbesondere aufgrund des Fehlens eines Vorsatzes – gegen eine Beurteilung als unwürdiges Verhalten sprechen. Zumindest aber eine Gesamtschau mit den anderen Delikten, die vorsätzlich begangen wurden, lässt keinen anderen Schluss als eine Bewertung dieses Verhaltens als unwürdig zu. Denn der Widerruf der Approbation ist keine Sanktion des Arztes, die bei einem bloßen Einzelfall ihren Zweck verfehlen würde. Vielmehr dient der Widerruf dem Schutz des Ansehens der Ärzteschaft als Ganzes in den Augen der Öffentlichkeit.[32] Dass die im Strafbefehl festgesetzte Geldsumme bereits bezahlt wurde, ändert nicht das dem Strafbefehl zugrundeliegende Verhalten des A. Insoweit kommt der Strafzahlung bloße Sanktionswirkung zu, die beim Widerruf der Approbation gerade keine Rolle spielt.

(3)Zwischenergebnis

Damit liegen mehrere Taten des A vor, aus denen sich die Unwürdigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs ergibt.

bb)Unzuverlässigkeit

Überdies könnte sich der Widerruf der Approbation auf eine Unzuverlässigkeit des A stützen lassen. Unzuverlässig ist ein Arzt dann, wenn er aufgrund seines bisherigen Verhaltens nicht mehr die Gewähr dafür bietet, dass er in Zukunft seinen Beruf als Arzt ordnungsgemäß ausüben wird.[33] Dabei ist darauf abzustellen, ob Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Arzt künftig seine berufsspezifischen Pflichten nicht beachten wird.[34] Hierbei ist ein näherer Bezug zur Berufsausübung notwendig als bei der Unwürdigkeit.[35] Abzustellen ist bei der Beurteilung auf den Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids.[36] A zeichnete wiederholt innerhalb von mehreren aufeinanderfolgenden Quartalen hinweg Abrechnungen ungeprüft ab und nahm Fehler daher zum einen billigend in Kauf. Zum anderen geht dieses Verhalten über einen „bloßen Delegationsfehler“ hinaus, denn die sorgsame Überwachung von Angestellten gehört zu den originären ärztlichen Berufspflichten. Die bei der Bestimmung der Zuverlässigkeit angezeigte prognostische Betrachtung deutet aufgrund der Breite und Tiefe der Verfehlungen darauf hin, dass auch in Zukunft eine nur geringe Bereitschaft des A zur ordnungsgemäßen Ausübung des Arztberufs zu erwarten ist. Ein Abrechnungsbetrug ist geradezu besonders geeignet, die Zuverlässigkeit eines Arztes in Zweifel zu ziehen, da den Arzt im Rahmen der kaum zu kontrollierenden Abrechnung mit den Krankenkassen eine besondere Verantwortung für die Funktionsfähigkeit der öffentlichen Gesundheitsfürsorge trifft und der Missbrauch der dadurch eingeräumten Vertrauensstellung durch betrügerische Falschabrechnung die Bereitschaft zur ordnungsgemäßen Berufsausübung eines Arztes massiv in Frage stellt.

Auch die Tatsache, dass seit Entdeckung der fehlerhaften Abrechnungen von 2008 und 2009 keine Beanstandungen mehr gegen A vorliegen, ändert hieran nichts, denn das strafrechtliche Verfahren endete erst 2015. Es ist allgemein anerkannt, dass einem Wohlverhalten unter dem Druck eines schwebenden Strafverfahrens regelmäßig kein besonderer Wert beizumessen ist.[37] Insoweit ist dieser Umstand also von der Gesamtbetrachtung auszunehmen und die Prognoseentscheidung zu korrigieren.

Als Ergebnis einer Gesamtschau der Vorfälle ist A als unzuverlässig i.S.d. § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BÄO anzusehen.

c)Rechtsfolge

§ 5 Abs. 2 S. 1 BÄO ist eine gebundene Entscheidung, sie lässt keinen Ermessensspielraum der Behörde zu. Mit Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzung muss die Behörde den Widerruf der Approbation erlassen.

4.Bindungswirkung der Entscheidung der KVB

Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die KVB nur ein Disziplinarverfahren gegen A einleitete, ihm aber nicht die Kassenzulassung – als Minus zum Widerruf der Approbation – entzog. Das Verfahren der KVB verfolgt insoweit eine andere Zielrichtung. Aufgabe der KVB ist es, die Funktionsfähigkeit des Systems der Gesetzlichen Krankenversicherungen sicherzustellen und spezifische vertragsärztliche Rechtsgüter zu schützen, während der Widerruf der Approbation die Allgemeinheit und den Berufsstand schützt.[38]

Vor diesem Hintergrund vermag auch der „ne bis in idem“-Einwand des A nicht durchzuschlagen. Art. 103 Abs. 3 GG verbietet die wiederholte Bestrafung aufgrund allgemeiner Strafgesetze, § 5 Abs. 2 S. 1 BÄO ist aber gerade kein solches. Die negativen Auswirkungen auf die private sowie berufliche Existenz des A sind bloße reflexartige Nebenfolge, die zum Schutz der körperlichen Integrität der Patienten und des Ansehens der Ärzteschaft als Ganzes hinzunehmen sind.

5.Zwischenergebnis

Der angegriffene Verwaltungsakt ist formell sowie materiell nicht zu beanstanden.

C.Ergebnis

Die Klage des A erfüllt die Sachurteilsvoraussetzungen, ist aber unbegründet und wird damit ohne Erfolg bleiben.

Fall 3Der Scheinkassenpatient

(BGH, Urt. v. 28.4.2005 – III ZR 351/04)

M ist Mutter der sechs Jahre alten T. M kümmert sich seit jeher um ihre Tochter und ist nicht weiter erwerbstätig, sodass sie selbst über keine eigenen Einkünfte verfügt. Aufgrund eines medizinischen Notfalls liefert M ihre Tochter T in ein Krankenhaus, dessen Träger die Stadt S ist, zur stationären Behandlung ein. Dabei gibt sie an, dass der Vater V der T (und Ehemann der M) gesetzlich krankenversichert sei. Damit bestehe seitens der gesetzlichen Krankenversicherung (GK) auch Versicherungsschutz für die gemeinsame Tochter T.

Der „Aufnahmevertrag“, der M vorgelegt wird, ist wie folgt formuliert: „Ich beantrage für meine Person/für den oben bezeichneten Patienten die Gewährung der Regelleistung im Krankenhaus. […] Ich erkenne hiermit die Allgemeinen Vertragsbedingungen und die Hausordnung für die Patienten sowie den Pflegekostentarif in der jeweils gültigen Fassung an.“

M unterschreibt diesen „Aufnahmevertrag“, nach welchem sie für die Tochter bestimmte Regelleistungen im Krankenhaus beantragt und zugleich die Allgemeinen Vertragsbedingungen des Krankenhauses K anerkennt.

In § 8 der Allgemeinen Vertragsbedingungen, welche M unmittelbar ausgehändigt worden waren, heißt es dabei, dass ein Kassenpatient, der Leistungen des Krankenhauses in Anspruch nimmt, die nicht durch die Kostenübernahme einer Krankenkasse gedeckt sind, als Selbstzahler zur Entrichtung des Entgelts für diese Leistungen verpflichtet ist.

Eine Behandlung der T findet statt. Dabei umfasst die Behandlung ausschließlich Regelleistungen und keine Sonderleistungen. Die gesetzliche Krankenkasse GK übernimmt die Kosten der Behandlungen nicht. Es habe keine Versicherung des V bestanden und damit auch keine Familienversicherung für T als dessen Kind.

Hat der Träger des Krankenhauses S vertragliche Ansprüche auf Zahlung der Behandlungskosten gegen T, M und/oder V?

Lösung zu Fall 3 – Der Scheinkassenpatient

A.

Ansprüche der Stadt S gegen T

I.

Anspruch der Stadt S auf Zahlung der Behandlungskosten aus § 630a Abs. 1 BGB

1.

Angebot der Stadt S auf Abschluss eines Behandlungsvertrages

2.

Annahme des Angebots durch T

a)

Eigene Willenserklärung der T

b)

Zurechnung der Willenserklärung der M

aa)

Eigene Willenserklärung

bb)

Vertretungsmacht

cc)

Wahrung der Offenkundigkeit

3.

Zwischenergebnis

II.

Ergebnis

B.

Ansprüche der Stadt S gegen M

I.

Anspruch der Stadt S auf Zahlung der Behandlungskosten aus § 630a Abs. 1 BGB

1.

Zahlungspflicht der M auf der Grundlage von § 630a Abs. 1 BGB

a)

Vertragsschluss

aa)

Angebot der Stadt S auf Abschluss eines Behandlungsvertrages

bb)

Annahme des Angebots durch M

cc)

Ergebnis

b)

Zahlungspflicht aus dem Vertrag

c)

Zwischenergebnis

2.

Subsidiäre Zahlungsverpflichtung aus Allgemeinen Geschäftsbedingungen

a)

§ 8 der Vertragsbedingungen als wirksamer Vertragsbestandteil

aa)

Eröffnung des Anwendungsbereichs der §§ 305 ff. BGB

bb)

Vorliegen von Allgemeinen Geschäftsbedingungen

cc)

Einbeziehungskontrolle

(1)

Einbeziehung im Einzelfall

(2)

Keine überraschende Klausel, § 305c Abs. 1 BGB

dd)

Inhaltskontrolle

b)

Keine Anwendbarkeit durch Auslegung zu Lasten des Verwenders, § 305c Abs. 2 BGB

c)

Zwischenergebnis

3.

Ergänzende Vertragsauslegung

4.

Zwischenergebnis

II.

Anspruch der Stadt S auf Vertragsanpassung, § 313 Abs. 1 BGB

1.

Anwendbarkeit des § 313 BGB

2.

Vertragliches Schuldverhältnis

3.

Bestehen eines gesetzlichen Versicherungsschutzes der T als Geschäftsgrundlage

4.

Schwerwiegende Veränderung der Umstände, § 313 Abs. 1 BGB (Reales Element)

5.

Kein Vertragsschluss bei Kenntnis (Hypothetisches Element)

6.

Unzumutbarkeit des Festhaltens am Vertrag, § 313 Abs. 1 Hs. 2 BGB (Normatives Element)

7.

Rechtsfolge

III.

Ergebnis

C.

Ansprüche der Stadt S gegen V

I.

Anspruch der Stadt S auf Zahlung der Behandlungskosten aus § 630a Abs. 1 BGB

1.

Vertragsschluss zwischen der Stadt S und V

2.

Stellvertretung

3.

§ 1357 Abs. 1 BGB

a)

Wirksame Ehe und kein Getrenntleben, § 1357 Abs. 1, 3 BGB

b)

Geschäft zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs

aa)

Geschäft zur Deckung des Lebensbedarfs

bb)

Angemessenheit

c)

Rechtsfolge

II.

Ergebnis

A.Ansprüche der Stadt S gegen T

I.Anspruch der Stadt S auf Zahlung der Behandlungskosten aus § 630a Abs. 1 BGB

Die Stadt S könnte einen Anspruch auf Zahlung der Behandlungskosten gegen T aus § 630a Abs. 1 BGB haben. Dies setzt voraus, dass ein wirksamer Behandlungsvertrag zwischen der Stadt S und der T geschlossen wurde. Ein Vertragsschluss bedarf zweier sich deckender Willenserklärungen, namentlich Angebot (§ 145 BGB) und Annahme (§ 147 BGB).

1.Angebot der Stadt S auf Abschluss eines Behandlungsvertrages

Mit Ausgabe des „Aufnahmevertrag“-Formulars, spätestens aber mit Behandlung der T, gab die Stadt S ein konkludentes Angebot i.S.d. § 145 BGB auf Abschluss eines Behandlungsvertrages, § 630a BGB, ab. Beim Regelfall des „totalen Krankenhausvertrags“ sind alleinige Parteien des Vertrags der Patient und der Krankenhausträger (hier die Stadt S, nach § 164 BGB vertreten durch die das Formular aushändigende Person bzw. den behandelnden Arzt).[1] Dies gilt im Übrigen auch dann, wenn es sich bei dem Patienten um eine gesetzlich versicherte Person handelt: Auch dann kommt ein privatrechtlicher Vertrag nach §§ 630a ff. BGB zustande. Dies hat der Gesetzgeber durch die Wendung „soweit nicht ein Dritter zur Leistung verpflichtet ist“ (§ 630a Abs. 1 BGB a.E.) klargestellt.[2]

2.