Falling for my Enemy - Claire Kingsley - E-Book
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Falling for my Enemy E-Book

Claire Kingsley

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Beschreibung

Was passiert, wenn Rivalen das Experiment aus dem Labor ins Schlafzimmer verlegen? 

Corban Nash ist ein Daten-Nerd und mit seinem sexy Lächeln und durchtrainierten Körper der Liebling aller Frauen. Zudem hat er eine Theorie entwickelt, von der er behauptet, dass sie zwei Menschen dazu bringt, sich ineinander zu verlieben. Nach zahlreichen Tests an Freunden ist klar: Die Theorie funktioniert. Leider jedoch ausgerechnet bei Corban nicht. Doch er ist wild entschlossen, ebenfalls ein erfolgreicher Beleg für seine Theorie zu werden. Das Problem ist Hazel Kiegen. Denn Hazel lässt sich weder von seinem Charme noch von seinem Sixpack beeindrucken. Und vor allem möchte sie ihm beweisen, dass diese Theorie bei ihr niemals Erfolg haben wird … 

Falling for my Enemy – ein äußerst unterhaltsamer Roman über die verschlungenen Wege der Wissenschaft, die gegen die Liebe keine Chance hat.

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Veröffentlichungsjahr: 2021

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Ihr »more – Immer mit Liebe« –Team

Über das Buch

Corban Nash ist ein Daten-Nerd und mit seinem sexy Lächeln und durchtrainierten Körper der Liebling aller Frauen. Zudem hat er eine Theorie entwickelt, von der er behauptet, dass sie zwei Menschen dazu bringt, sich ineinander zu verlieben. Nach zahlreichen Tests an Freunden ist klar: die Theorie funktioniert. Leider jedoch ausgerechnet bei Corban nicht. Doch er ist wild entschlossen ebenfalls ein erfolgreicher Beleg für seine Theorie zu werden.

Das Problem ist Hazel Kiegen. Denn Hazel lässt sich weder von seinem Charme noch von seinem durchtrainierten Sixpack beeindrucken. Und vor allem möchte sie ihm beweisen, dass diese Theorie bei ihr niemals Erfolg haben wird …

Über Claire Kingsley

Claire Kingsley schreibt Liebesgeschichten mit starken, eigensinnigen Frauen, sexy Helden und großen Gefühlen.

Sie kann sich ein Leben ohne Kaffee, ihren E-Reader und all den Geschichten, die ihrer Fantasie entspringen, nicht mehr vorstellen. Sie lebt  im pazifischen Nordwesten der USA mit ihrem Mann und ihren drei Kindern.

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Claire Kingsley

Falling for my Enemy

Übersetzt von Juna-Rose Hassel aus dem amerikanischen Englisch

Für alle nerdigen Mädchen und unbeholfenen Jungs. Liebt, was ihr liebt, und liebt es mit Leidenschaft, vor allem wenn ihr dafür brennt.

Inhaltsübersicht

Informationen zum Buch

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Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Epilog

Nachwort

Danksagungen

Impressum

1

HAZEL

»Das Treffen zweier Persönlichkeiten ist wie der Kontakt zweier chemischer Substanzen: Wenn es eine Reaktion gibt, werden beide transformiert.«

C.G. Jung

Drei Dinge wusste ich mit absoluter Sicherheit: Wissenschaftliche Methoden sind die größte Erfindung der Menschheit, Martini trinkt man am besten dirty, und Corban Nash war ein Hochstapler, der sich als Wissenschaftler ausgab.

Daher starrte ich am Ende meiner zweiten Woche in meinem neuen Job am Woodward College ungläubig auf das Schwarze Brett vor meinem Arbeitszimmer im Psychologiegebäude. Die Notiz, die dort hing, musste ein Irrtum sein. Eine andere logische Erklärung gab es nicht.

Ich stemmte die Hände in die Hüften, legte den Kopf schräg und kniff die Augen zusammen, als würde sich dadurch der Inhalt der Ankündigung irgendwie ändern. Hinter mir im Flur herrschte hektische Betriebsamkeit, Studierende und Laborassistenten waren auf dem Weg in ihre Hörsäle, Büros oder in die Interviewräume des Labors. Da stand ich nun also in meiner frischen weißen Bluse, dem Fischgrätmuster-Rock und meinen schwarzen Pumps – meinem Bibliothekarinnen-Look – und klopfte unruhig mit den Zehenspitzen auf den Boden.

Aber es half alles nichts, ich musste mich der Situation stellen.

»Guten Morgen.«

Blinzelnd zuckte ich zusammen, aufgeschreckt durch die Unterbrechung meiner Gedanken. Dr. Sheffield, Leiter des Instituts für psychologische Forschung hier am Woodward College – und mein neuer Chef –, stand mit seiner Kaffeetasse neben mir, auf der Das gehört zum Lehrplan stand. Ein Hauch von einem Lächeln ließ Fältchen um seine Augen erscheinen.

»Guten Morgen, Dr. Sheffield.«

»Bitte, Hazel, nennen Sie mich Elliott. Die Mitarbeiter mit dem Vornamen anzusprechen schafft ein freundlicheres Umfeld.«

Dr. Elliott Sheffield war ein angesehener Forscher im Bereich der Sozialpsychologie und sah aus wie ein waschechter Akademiker. Er trug einen grauen Pullunder über seinem Hemd, dazu Slacks und braune Schuhe, die nicht zum Rest seines Aufzugs passten. Eine Brille mit Drahtgestell und sein grau meliertes dunkles Haar verliehen ihm ein gelehrtes, vornehmes Aussehen. Sein goldener Ehering war matt, was darauf hinwies, dass er ihn schon seit vielen Jahren trug.

Vor Kurzem hatte er mich von meiner früheren Stelle an der University of Washington hier in Seattle abgeworben. Auf lange Sicht hatte ich eigentlich an dieser großen Hochschule bleiben wollen. Aber das Woodward College hatte ein starkes Forschungsprogramm im Bereich Psychologie, mit Schwerpunkt auf meinen Interessensgebieten – nonverbale Kommunikation und zwischenmenschliche Beziehungen.

Insofern passte mir das. Beziehungsweise hatte es mir gepasst. Während ich auf die Notiz am Schwarzen Brett starrte, fragte ich mich, ob ich das nicht total falsch eingeschätzt hatte.

Corban Nash hielt einen Vortrag – hier, an meinem College –, und zwar heute. Das war absurd. Um nicht zu sagen unerhört. Ich konnte nicht begreifen, weshalb eine Einrichtung wie diese, mit einem herausragenden Ruf, den es zu wahren galt, diesen Mann auf den Campus ließ, ganz zu schweigen davon, ihm ein Forum bot, um seine schlecht fundierten, haarsträubenden Thesen zu propagieren.

Elliott nahm einen Schluck von seinem Kaffee, dann nickte er zum Schwarzen Brett hin. »Sind Sie vertraut mit Corban Nashs Arbeit?«

Mein Blick flackerte zu dem Zettel. »Leider ja.«

»Kein Fan?«

Ich trommelte mit dem Finger auf meinen Rock. Ich war nicht nur kein Fan, sondern auch seit Monaten in eine Online-Debatte mit diesem Scharlatan verwickelt. Natürlich zweifelte ich nicht an seiner Intelligenz. Er hatte den Algorithmus erfunden, der die beliebteste Dating-App der Welt steuerte. Doch das gab ihm noch lange nicht das Recht, sich als Wissenschaftler zu bezeichnen.

»Sein Hintergrund ist unorthodox, aber vor allem stelle ich die Sorgfalt seiner Arbeit infrage.«

»Wirklich? Warum?«

Wo sollte ich da anfangen? »Er behauptet, den Code geknackt zu haben, nach dem sich Menschen ineinander verlieben. Bisher hat er allerdings noch keine echten wissenschaftlichen Beweise geliefert, dass sein Fragebogen funktioniert.«

»Sie haben recht; seine Forschung ist bislang anekdotenhaft. Aber ich finde seine Zahlen faszinierend. Und er verfolgt einen frischen Ansatz in Bezug auf die Entstehung von Intimität.«

Meine Wangen wurden heiß, als mich eine Welle der Verärgerung überkam. Corban Nashs Forschung war nicht faszinierend. Sie war schlecht fundierte Populärwissenschaft. Er hatte die Kühnheit zu behaupten, dass zwei Menschen, die seinen Fragebogen zusammen durchgingen, sich unweigerlich ineinander verliebten. Das war unwissenschaftlich, um nicht zu sagen lächerlich.

Aber mich mit meinem noch neuen Chef um neun Uhr morgens in eine Debatte über einen Gastredner zu verstricken, war vermutlich unklug. Also zwang ich mich zu einem neutralen Gesichtsausdruck und ließ meine Hände an den Seiten hängen, um nicht mehr so angriffslustig zu wirken.

»Eines der Kennzeichen einer jeden freien Gesellschaft ist wohl der offene Austausch von Ideen.«

»Genau«, sagte Elliott, während er mit seiner halb vollen Kaffeetasse in meine Richtung gestikulierte. »Waren Sie je bei einem Vortrag von ihm?«

»Nein.« Ich hatte jeden einzelnen seiner Aufsätze gelesen, auch wenn sie mein Stresslevel erhöhten. Des Weiteren hatten er und ich uns online in einige ziemlich harte Wortwechsel verstrickt. Doch ich bin ihm nie persönlich begegnet.

»Sie sollten kommen. Er hat eine ganz eigene Art, sein Publikum zu fesseln.«

Ich musste zugeben, dass es mich reizte. Aber ich wollte seinen Vortrag nicht dadurch, dass ich ihn besuchte, auch noch legitimieren.

Außerdem machte mich Corban Nash wütend. Unter normalen Umständen war ich ein ruhiger, vernünftiger Mensch. Doch er brachte mein Blut zum Kochen, obwohl wir bisher nur über das Internet Kontakt gehabt hatten. Was würde ich tun, wenn ich im selben Raum mit ihm wäre?

Wahrscheinlich war es besser, dies nicht herauszufinden.

»Ich fürchte, ich habe zu viel Arbeit. Ich muss mich hier erst noch einleben.«

Er nickte. »Natürlich. Ich sollte Sie nicht aufhalten.«

Ich blickte mich um und merkte, dass sich der Flur geleert hatte. »Dann wünsche ich Ihnen noch einen schönen Tag.«

»Ihnen ebenso«, sagte er mit einem Lächeln.

Nachdem ich einen letzten vernichtenden Blick auf das Schwarze Brett geworfen hatte, ging ich schließlich in mein Büro. Der Platz, den man mir zur Verfügung gestellt hatte, war klein, aber mehr als ausreichend. Ich hatte eine Regalwand für meine umfangreiche Büchersammlung, einen aufgeräumten Schreibtisch und ein Fenster, das auf einen hübschen Hof hinausging.

Die Arbeitsbedingungen am Woodward College waren gut. Ich hatte viel Eigenverantwortung, Zugang zu Quellen und die Gelegenheit, Themen zu erforschen und Fragen nachzugehen, die mich interessierten. Beruflich lief es bei mir so gut wie noch nie.

Und privat? Ich lebte allein mit meinem Kater Erwin. Meinen Eltern stand ich nicht besonders nahe, aber ich hatte eine kleine Gruppe guter Freundinnen, die wie eine Familie für mich waren. Alles in allem konzentrierte ich mich auf meine Karriere und hatte beschlossen, dass romantische Beziehungen mit Männern einen nur unnötig ablenkten.

Außerdem hatte ich offenbar die Fähigkeit eingebüßt, einen Orgasmus zu bekommen, doch das war nebensächlich.

Allerdings wurde es ungemütlich, wenn mein Körper mich an die steigende Spannung erinnerte, die sich in meinen weiblichen Teilen aufstaute. Was der Fall war, als ich mich an meinen Schreibtisch setzte.

Ich schlug die Beine übereinander und versuchte, das Druckgefühl zu ignorieren. Aber ich konnte nichts dagegen tun. Ich hatte fast alles ausprobiert – abgesehen von einigen ziemlich extremen Techniken, über die ich online gelesen hatte. Und von echtem Geschlechtsverkehr mit einem Menschen. Doch in Anbetracht der Tatsache, dass ich niemanden hatte, mit dem ich ins Bett gehen konnte, und ich weder an anonymem Sex mit einem Fremden interessiert war, noch daran, jemanden zu daten, waren meine Möglichkeiten begrenzt.

Und das Verschwinden meiner Orgasmen hatte nichts mit meinem Job zu tun, oder mit Corban Nash. Deshalb verdrängte ich es entschlossen.

Seinen Vortrag besuchen? Mir fiel kein guter Grund ein, dies zu tun. Ich wollte seiner Position in der wissenschaftlichen Community nicht auch noch Glaubwürdigkeit verleihen. Meine Abwesenheit wäre mein stummer Protest.

Dass der Hörsaal so voll war, zerrte an meinen Nerven. Die meisten Plätze waren besetzt. Neugier hatte über meine Entschlossenheit, wegzubleiben, gesiegt. Kurz bevor Corbans Vortrag beginnen sollte, ging ich hinein und setzte mich ganz hinten auf einen freien Platz.

Ich rückte meine Brille zurecht und verschränkte die Arme vor der Brust, während ich den Raum vor mir absuchte. Eine Studentin und jemand von der Campus-IT testeten den Projektor, und ein wenig abseits stand Elliott und unterhielt sich mit einem anderen Dozenten. Aber keine Spur von meinem Erzrivalen.

Dass ich ihn insgeheim als meinen Erzrivalen bezeichnete, war wahrscheinlich kein gutes Zeichen. Der logische Teil meines Gehirns wusste das.

Doch ich war noch nie besonders gut darin gewesen, meinen hart erarbeiteten Vorrat an Wissen und Logik auf meine eigene Situation anzuwenden.

Daher blieb ich mit vor der Brust verschränkten Armen und übereinandergeschlagenen Beinen auf meinem Platz sitzen. Klassische Abwehrhaltung. Ich würde mir anhören, was er zu sagen hatte, um es dann besser widerlegen zu können.

Elliott trat ans Mikrophon, und Stille breitete sich im Saal aus.

»Danke, dass Sie heute hier bei uns sind. Ich habe das Vergnügen, Ihnen Corban Nash vorzustellen, der gekommen ist, um seine beliebte Theorie der beschleunigten Intimität mit uns zu diskutieren. Bitte heißen Sie ihn zusammen mit mir herzlich willkommen.«

Ich formulierte bereits den ersten Abschnitt meiner Gegenargumentation, als in der ersten Reihe ein Mann aufstand und Elliotts Platz hinter dem Mikrophon einnahm.

Er hatte nachlässig frisiertes braunes Haar, das in seltsamen Winkeln vom Kopf abstand, und trug schwarze Converse-Schuhe zu seinen Slacks. Sein kurzärmliges Hemd hing an einigen Stellen aus der Hose, als hätte er sich halb angezogen und dann vergessen, womit er gerade beschäftigt war.

Er räusperte sich und rückte seine Brille zurecht. »Guten Tag.«

Ich starrte ihn mit zusammengepressten Lippen an und zwang mich dazu, seine breiten Schultern zu ignorieren. Seine schmale Taille. Wie die Muskeln seiner Arme seine Hemdsärmel ausfüllten. Und waren das Adern an seinen Unterarmen? Er war nicht wuchtig, aber allemal durchtrainiert und fit. Nicht unbedingt typisch für jemanden, der sich mit Datenanalyse und Sozialpsychologie beschäftigte.

Ich verschränkte die Arme noch fester vor der Brust, während ich mich insgeheim dafür tadelte, dass mir seine körperlichen Vorzüge aufgefallen waren. Und ich ignorierte bewusst, wie meine weiblichen Körperteile darauf reagierten.

Elliott hatte gesagt, dass er auf einmalige Art und Weise sein Publikum fesselte, und als Corban zu sprechen begann, begriff ich, was er damit gemeint hatte. Auch wenn er ab und zu über seine eigenen Worte strauchelte, lag eine gewisse Begeisterung in seiner tiefen Stimme, die sich auf das Publikum übertrug. Er klickte durch die Seiten seiner Präsentation, und ich merkte, wie sich viele Leute – vor allem Frauen – vorbeugten. Er fesselte ihre Aufmerksamkeit, ihre Körpersprache verriet gebanntes Interesse.

Unwillkürlich fragte ich mich, ob sich dieses Interesse auf das, was er sagte, oder auf ihn selbst bezog.

Ich schlug meine Beine umgekehrt übereinander und schnaubte leise. Ja, er hatte eine gewisse Ausstrahlung, und seine Leidenschaft für seine Arbeit war offenkundig. Doch das änderte nichts an der Tatsache, dass seine sogenannte Theorie bestenfalls schlecht recherchiert, schlimmstenfalls gefährlich war.

Obwohl meine Freundinnen mehr als nur einmal erwähnt hatten, dass ich besessen von Corban Nash zu sein schien – echt jetzt, sie nannten mich besessen –, war dies kein Rachefeldzug. Derartiges hatte ich früher schon erlebt. Jemand aus einem anderen Spezialgebiet platzte mit einer leicht verdaulichen, überzeugenden Theorie heraus und behauptete, dass sein Faktenmaterial bahnbrechende neue Erkenntnisse ergeben hätte. Seine Artikel und Videos gingen viral, und ungeprüfte Informationen verbreiteten sich, als handelte es sich um wissenschaftliche Fakten.

Corbans Theorie der beschleunigten Intimität war keine wissenschaftliche Tatsache. Er hatte nicht den Code geknackt, nach dem sich Menschen ineinander verliebten, und es war unverantwortlich von ihm, seine Ideen zu verbreiten, noch bevor sie richtig geprüft waren.

Ich funkelte auf die Leinwand, während er seine Präsentation fortsetzte und von den Zahlen hinter seiner Theorie zu seinen angeblichen Beweisen kam. Er klickte durch Aufnahmen von glücklichen Paaren, überwiegend Hochzeitsfotos, und nannte die Namen der abgebildeten Personen. Verwandte. Freundinnen und Freunde. Kolleginnen und Kollegen. Corban hatte seinen Fragebogen an Menschen ausprobiert, die er kannte. Keine Kontrollgruppen. Keine Möglichkeit, das Ganze auf Abweichungen zu überprüfen.

Die Tatsache, dass er einräumte, seine Theorie müsste durch mehr Fakten untermauert werden, machte meiner Ansicht nach nicht wett, dass es ihm an Respekt für wissenschaftliche Methodik mangelte.

Das Publikum machte bei den romantischen Fotos oh und ah. Corban steckte seine freie Hand in die Hosentasche und tippte mit der anderen auf die Fernbedienung, wobei er die enthusiastische Reaktion seines Publikums ein wenig verlegen zur Kenntnis nahm.

Und sein angedeutetes Lächeln oder die Art und Weise, wie er mit den Schultern zuckte, hatte überhaupt nichts Gewinnendes an sich. Rein gar nichts.

Er schloss mit einigen Anmerkungen darüber, dass weitere Forschungen notwendig wären, aber dass er sich auf mögliche Anwendungsbereiche freute. Wieder verdrehte ich die Augen.

»Gibt es irgendwelche Fragen?«, sagte er ins Mikrophon.

Hände schossen nach oben, einschließlich meiner.

Corban rief ein paar Leute in den ersten Reihen auf und beantwortete ihre Fragen – was meiner Meinung nach leicht war. Würde ihn denn niemand herausfordern? Danach kam eine junge Frau in der Mitte des Saales zu Wort.

»Sind Sie Single?«, fragte sie, woraufhin Gemurmel und unterdrücktes Kichern zu hören war.

Er fuhr sich mit den Fingern durchs Haar und schenkte ihr ein schiefes Lächeln. »Nun, ich …«

»Ich meine, ich habe mich nur gefragt, ob Sie Ihren Fragebogen schon mit jemandem ausgefüllt haben«, sagte sie. »Wenn Sie das nämlich nicht getan haben und Single sind, wäre das natürlich interessant zu wissen.«

Ich wünschte, ich hätte ein zusätzliches Paar Augen, um alle vier gleichzeitig zu verdrehen.

»Ähm, nein«, erwiderte Corban. »Ich habe derzeit keine Beziehung.«

»Nun, sollten Sie eine Testperson brauchen, kann ich Ihnen meine Nummer geben«, sagte sie. »Im Namen der Wissenschaft.«

Noch mehr Gekicher wogte durch das Publikum.

Ich räusperte mich. Laut.

»Ja«, sagte er, als sein Blick mich fand. Auf seinem Gesicht zeichnete sich Erleichterung ab, als er auf mich zeigte. »Dort hinten, bitte.«

»Mr. Nash, wie können Sie behaupten, eine Theorie entwickelt zu haben, wenn Ihre Forschungen keinerlei wissenschaftlicher Überprüfung von außen standhalten kann?«

Die Erleichterung in seiner Miene schmolz dahin, unsere Blicke trafen sich. Wusste er, wer ich war? Auf seinem Gesicht zeichnete sich Wiedererkennen ab. Er kannte mich nur unter meinem Internetnamen – Kiegen314 –, aber mit meiner Kritik war er ziemlich vertraut.

»Mir ist durchaus bewusst, dass meine Faktenlage begrenzt ist.«

»Dennoch sprechen und schreiben Sie, als wären Ihre Behauptungen bereits fundiert. Sie haben Ihrer Theorie sogar schon einen Namen gegeben. Dies verleiht Ihren Thesen unangemessenes Gewicht, vermittelt den Eindruck, sie wären wissenschaftlich stichhaltig, obwohl sie das eigentlich gar nicht sind.«

Das Murmeln, das dieses Mal beim Publikum zu vernehmen war, enthielt kein Gekicher mehr. Ich ignorierte die übrigen Zuhörer und beobachtete Corban genau.

Er kniff die Augen zusammen. »Meine Ergebnisse sind so überzeugend, dass ich darauf vertraue, was die Fakten mir sagen.«

»Aber was ist mit der Einseitigkeit, die in der Auswahl Ihrer …«

»Ich fürchte, die Zeit ist um«, sagte Elliott ins Mikrophon. Er war wie aus dem Nichts aufgetaucht. »Gleich beginnt Professor Coles Unterricht, daher müssen wir diesen Saal räumen. Aber schön, dass Sie alle gekommen sind, und vielen Dank an Sie, Corban, für Ihre lehrreiche Präsentation.«

Das Publikum applaudierte – einige Leute ausgesprochen enthusiastisch. Ich nicht. Ich saß auf der Kante meines Stuhles – wann war ich so weit nach vorne gerutscht? –, den Blick auf den Mann vorne im Saal gerichtet. Er starrte zurück, wobei er das begeisterte Publikum gar nicht zu bemerken schien.

Erneut durchflutete mich Hitze, so dass mir innerlich ganz warm wurde. Corban Nash war in der Tat mein Erzrivale. Und als er mich mit hartem Blick anstarrte, merkte ich, dass dieses Gefühl auf Gegenseitigkeit beruhte.

Ich hatte keine Angst vor Konkurrenzkampf. Es war an der Zeit, dass jemand seine angebliche Theorie in Zweifel zog.

Zeig mir, was du draufhast, Corban. Los geht’s.

2

CORBAN

»Wissenschaft ist wie eine Liebesaffäre mit der Natur; mit einer scheuen, verführerischen Geliebten. Sie enthält alle Turbulenzen, Drehungen und Wendungen romantischer Liebe, aber das gehört zum Spiel.«

Vilayanur S. Ramachandran

Die Frau hinten im Publikum hatte mein Blut zum Kochen gebracht, und ich kam nicht darüber hinweg. Sie war es gewesen. Kiegen314.

Ich saß in einem Café gegenüber dem Campus und brodelte. Der Rest meines Vortrags war großartig gewesen. Selbst die junge Frau, die mir ihre Nummer angeboten hatte, hatte mich nicht aus dem Konzept gebracht – zumindest nicht allzu sehr. Alles in allem war die Reaktion des Publikums genau so gewesen, wie ich sie mir erhofft hatte.

Bis auf ihre.

Ich wusste genau, wer sie war. Die, die es online auf mich abgesehen hatte. Überall tauchte sie mit ihren ausholenden Angriffen auf meine Arbeit auf. Und jetzt war sie hier?

Ich war mir der Begrenztheit meiner Forschung durchaus bewusst. Allerdings behauptete ich niemals etwas Unwahres, wenn es um meine Daten ging. Dies räumte ich in jedem Artikel ein, den ich schrieb, und in jedem Vortrag, den ich hielt, vor allem wenn ich mich damit an Akademiker wandte. Ich war ohnehin ein Außenseiter – ein Zahlentyp, der in die weiche Wissenschaft der Psychologie eindrang. Ich achtete darauf, ihre Sprache zu sprechen und keine Behauptungen aufzustellen, die ich nicht belegen konnte.

Doch meine Resultate waren real, und sie waren zu schlüssig, als dass man sie ignorieren konnte. Zahlen logen nicht. Jedes Paar, das meinen Fragebogen bearbeitet hatte, hatte sich verliebt.

Abgesehen von mir. Doch darüber wollte ich nicht reden.

Die Lösung für dieses Problem war ohnehin simpel: Ich selbst wurde nicht in meinen Daten erhoben. Die Tatsache, dass ich die einzige Abweichung war, spielte keine Rolle, weil meine persönlichen Ergebnisse zu verzerrt waren, um sie in meine Befunde einfließen zu lassen. Denn wenn die Akademiker dieser Welt ein Haar in der Suppe finden wollten, dann würden sie mich auseinandernehmen, wenn sie glaubten, ich hätte mit mir selbst experimentiert.

Aber es waren nicht meine romantischen Fehlschläge, die mich heute beschäftigten.

An einer guten Debatte war nichts verkehrt, und ich war es gewohnt, Fragen zu beantworten. Doch die wütende heiße Bibliothekarin hinten im Saal hatte sich auf mich gestürzt, als hätte sie ein Hühnchen mit mir zu rupfen.

Die Tatsache, dass sie heiß war, hatte nichts mit alldem zu tun. Doch ich war ein Kerl, natürlich war es mir aufgefallen. Dieser Pferdeschwanz und diese Brille hatten etwas. Die Bluse, an der der oberste Knopf geöffnet war.

Und natürlich war es das heiße Mädchen, das mich hasste.

Mich beschäftigte auch, dass Elliott eingegriffen und uns unterbrochen hatte. Es war noch nicht allgemein bekannt, doch meine heutige Rede war die Krönung des Bewerbungsprozesses. Elliott zog mich für eine Stelle in seinem Fachbereich in Betracht, und ich war ganz erpicht auf diesen Job. Es wäre eine großartige Gelegenheit, Zugang zu den Ressourcen zu erhalten, die ich brauchte, um meine Forschungen fortzuführen.

Forschungen, die meine Theorie in der wissenschaftlichen Gemeinde so legitimieren würden, dass nicht einmal die wütende heiße Bibliothekarin sie anfechten konnte.

Ich blickte mich um, als ein gedämpfter Piepton ertönte, gefolgt von einem zweiten. War es die Zeitschaltuhr hinter der Theke? Ich hörte es wieder. Dann noch einmal. Das war seltsam, es klang, als würde es aus meiner …

aus meiner Tasche kommen.

Stimmt, mein Handy.

Ich zog es heraus, um meine Nachrichten zu lesen. Es war meine Zwillingsschwester.

Molly:Wie ist es heute gelaufen?

Molly:Warum hast du mir nicht geschrieben?

Molly:Du weißt, dass ich die Spannung nicht ertragen kann.

Molly:Hast du den Job????

Ich:Noch nicht. Ich bin noch hier.

Molly:Aber du hast deinen Vortrag gehalten? Wie war es?

Ich:Gut, abgesehen von der wütenden heißen Bibliothekarin in der letzten Reihe.

Molly:Wer?

Ich:Vergiss es. Es ist gut gelaufen. Ich treffe mich gleich mit Dr. Sheffield auf einen Kaffee.

Molly:Und er wird dir dann den Job anbieten?

Meine Schwester war ein wenig reizbar, vor allem seit sie schwanger geworden war. Ich wusste nicht so recht, wie Martin, mein Schwager, damit zurechtkam. Sie trieb mich in den Wahnsinn, und dabei lebte ich nicht einmal mit ihr zusammen.

Ich:Ich weiß es noch nicht. Ich glaube schon.

Molly:Was meinst du, wie hoch deine Chancen sind? In Prozent.

Ich:Echt jetzt?

Molly:Sag nicht, du hast dir das noch nicht ausgerechnet.

Da war etwas dran. Im Kopf überschlug ich rasch meine Chancen. Vor der Frage-und-Antwort-Runde am Ende meines Vortrags hätte ich meine Chance auf den Job auf 98,4 Prozent geschätzt. Aber jetzt?

Ich:92,6 Prozent. Ungefähr.

Molly:Warum ungefähr, wenn du die Komma sechs hinzufügst? Das ist eine sehr genaue Angabe.

Molly:Egal. Sieh zu, dass du den Job bekommst.

Ich:Flippst du jetzt aus?

Molly:Ich flippe nicht aus. Ich will nur nicht, dass du nach fucking New Jersey ziehst.

Daher wehte der Wind also. Ich hatte den Fehler gemacht, ihr zu sagen, dass ich eine Stelle an einer privaten Forschungseinrichtung in New Jersey in Aussicht hatte. Auf diesen Job hier war ich zwar sehr viel erpichter, aber es gab keine Garantie, dass Dr. Sheffield mich einstellen würde. Umzuziehen war eine Möglichkeit.

Ich:Ich weiß. Mach dir keine Sorgen.

Molly:Kennst du mich überhaupt?

Molly:Sag jetzt nichts, das war keine echte Frage.

Ich löschte meine Antwort, in der gestanden hätte, dass ich sie sehr wohl kannte; wir waren Zwillinge, daher hatten wir uns praktisch schon in der Gebärmutter kennengelernt.

Ich:Alles wird gut, Molly. Und ich schreibe dir, sobald ich etwas weiß.

Molly:Okay. Viel Glück!

Ich:Danke.

Ich steckte mein Handy wieder ein, und ein knallendes Geräusch holte mich zurück in meine Umgebung. Eine Frau hatte ihre Handtasche auf den Tisch neben mir gestellt – oder vielmehr fallen lassen.

Sie!

Mindestens vier verschiedene Gedanken schossen mir durch den Kopf, die in verschiedene Richtungen stoben. Wodurch mein Mund nicht ganz auf dem Laufenden blieb.

»Na großartig, die wütende heiße Bibliothekarin«, murmelte ich und merkte einen Tick zu spät, dass ich es laut ausgesprochen hatte. Aber wenn die Gedanken erst mal in Fahrt waren, war es schwierig, sie aufzuhalten. »Sie erinnern mich an einen Schwan.«

Sie zog die Augenbrauen zusammen. »Was?«

»Einen Schwan. Die Menschen erachten sie als schön und gehen davon aus, dass ihre äußere Erscheinung bedeutet, sie wären freundlich. Wenn man sich allerdings einem Schwan nähert, vor allem in der Nistsaison, kann er aggressiv werden, wenn er glaubt, sein Territorium verteidigen zu müssen.«

»Ich glaube nicht, dass ich mein Territorium verteidigen muss. Und ich bin wohl kaum aggressiv.«

»Sie sträuben Ihr Gefieder.«

Sie verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich habe kein Gefieder, und wenn ich eins hätte, würde ich es nicht sträuben.«

»Das sagt man doch nur so. Es heißt …«

»Ich weiß, was es heißt.«

»Ich meine ja nur, dass die Leute Sie wahrscheinlich für harmlos halten.« Ich rückte meine Brille zurecht und nahm einen Bissen von meinem Gebäck – ich hatte ganz vergessen, dass ich es bestellt hatte.

Von Nahem war sie sogar noch hübscher. Normalerweise ertappte ich mich dabei, dass ich die Symmetrie des Gesichts einer Frau analysierte und über objektive versus subjektive Maße der Attraktivität sinnierte. Aber bei ihr nicht. Sie war einfach schön, ohne Qualifikationskriterien, die einen ablenkten. Große blaue Augen hinter Brillengläsern. Süße Stupsnase. Sie schürzte die Lippen, und das Erste, was mir in den Sinn kam, war, wie sehr sie zum Küssen einluden.

Mein Blick ruhte auf ihrem Mund, und ich stellte mir vor, wie ich an dieser vollen Unterlippe saugte.

»Wie dem auch sei«, sagte sie und brachte meine Aufmerksamkeit wieder zurück, so dass ich meinen Blick von ihrem Mund losriss. »Mich beunruhigt, was für eine Botschaft Sie mit ihrer schlecht recherchierten Theorie in die Welt hinaus senden.«

»Warum?«

Sie klappte den Mund auf, hielt inne und schloss ihn dann wieder, die Arme weiterhin vor der Brust verschränkt. Dadurch fiel die eine Seite ihres Blusenkragens nach außen und entblößte einige zusätzliche Zentimeter Haut. Eigentlich nicht genug, um von Bedeutung zu sein, aber irgendwie war es das doch. Ein kleiner, verstohlener Blick auf Hals und Schlüsselbein, und fast hätte ich meine Hose zurechtziehen müssen. So langsam wurde es ungemütlich.

Und irritierend. Warum rebellierte mein Schwanz gegen mein Gehirn?

Halt dich zurück, Großer. Wir mögen sie nicht.

»Was ist denn das für eine Frage?«, wollte sie wissen.

»Eine berechtigte, direkte Frage«, sagte ich, den Mund voller Gebäck.

»Ich hatte nur erwartet, dass Sie etwas anderes sagen würden.«

»Was denn?«

Sie faltete ihre verschränkten Arme auseinander und stemmte die Hände in die Hüften. Diese Stellung betonte ärgerlicherweise ihre Kurven. Wie konnte ein und dieselbe Frau so nervig und zugleich so attraktiv sein? Mein Gehirn und mein Schwanz sandten völlig unterschiedliche Botschaften, was mich total durcheinanderbrachte.

»Ich dachte, Sie würden Ihre Methodik verteidigen oder Ihre Argumentation erklären. Aber stattdessen fragen Sie mich, warum ich deswegen beunruhigt bin?«

»Ja.«

»Weil ihre Schlussfolgerungen bestenfalls nicht fundiert und schlimmstenfalls falsch sind. Es gibt keine Formel, nach der sich Menschen ineinander verlieben.«

»Doch, gibt es.«

»Wie können Sie so etwas behaupten?«

»Weil ich immer wieder gesehen habe, wie es passiert ist. Es funktioniert.«

»Es funktioniert bei einer extrem befangenen, nicht repräsentativen Personenauswahl, die vorwiegend aus Ihren Verwandten und Freunden besteht.«

Ich nahm einen Schluck von meinem eiskalten Wasser und wischte die Hände an meiner Serviette ab. »Das stimmt.«

»Aber das ist … Sie können doch nicht …«

Inzwischen waren ihre Wangen feuerrot. Das war schlimm. Sie war absolut hinreißend mit rosigen Wangen. Nicht nur, dass ihre Attraktivität in gefährlich hohe Höhen hinaufschoss, gerötete Wangen wiesen auch auf sexuelle Erregung hin. In ihrem Fall bedeutete Röte natürlich etwas anderes – aber die Assoziation war zu archaisch, um ignoriert zu werden. Diese Frau drückte sämtliche Lust erzeugenden Knöpfe bei mir, wie ein übereifriges Kind, das beim Endgegner in einem Arcade-Spiel seinen letzten Vierteldollar auf den Kopf haute.

Ich räusperte mich, doch sie fing wieder an zu sprechen.

»Dadurch, dass Sie die Ihrer Forschung innewohnenden Probleme zugeben, verschwinden sie nicht. Sie handeln unverantwortlich, indem Sie sie übersehen und mit Behauptungen vorpreschen, die Sie nicht untermauern können. Die Leute vergessen oder ignorieren Dementi. Sie hören zu und merken sich Ihre anfängliche Botschaft, vor allem eine so provokative wie Ich habe den Code geknackt, nach dem sich Menschen verlieben.«

»Aber ich habe auch tatsächlich den Code geknackt, nach dem sich Menschen verlieben.«

»Genau das meine ich«, sagte sie gestikulierend. »Sie haben überhaupt nichts geknackt.«

Wieder stemmte sie die Hände in die Hüften und machte diese Sache mit den Lippen – schürzte sie so, dass ich erneut das Bedürfnis verspürte, sie zu küssen. Nur das die Signale meines Gehirns allmählich über meine Penissignale siegten. Abgesehen von ihrer äußeren Schönheit, ging sie mir gewaltig auf den Sack.

»Doch, habe ich, und das werde ich Ihnen beweisen«, sagte ich und zeigte mit meinem Gebäckstück auf sie. »Bis dahin haben Sie sicher Besseres zu tun als mir zu erzählen, was ich bereits weiß. Ich weiß, dass meine Theorie weiterer Studien bedarf. Deshalb bin ich hier.«

Sie riss die Augen auf, und ihr ganzer Körper erstarrte. »Was meinen Sie mit deshalb sind Sie hier?«

»Hazel.« Dr. Elliott Sheffield stand auf der anderen Seite meines Tisches. Ich hatte nicht gemerkt, dass er hereingekommen war. »Wie ich sehe, haben Sie und Corban sich inzwischen offiziell bekannt gemacht.«

Die wütende heiße Bibliothekarin – die offenbar Hazel hieß, und es war verrückt, wie gut das zu ihr passte – klappte den Mund zu.

»Nicht direkt«, antwortete ich an ihrer Stelle. Ich ließ das, was von meinem Gebäck noch übrig war, auf eine Serviette fallen und wischte die Hände an meiner Hose ab. Dann streckte ich ihr die Hand hin. »Corban Nash.«

Sie beäugte meine Hand, als könnte sie beißen, und ließ dann langsam die ihre hineingleiten. Ihre Haut war weich, ihr Händedruck fest. Und klebrig.

Nein, das war meine Hand. Verdammt.

»Hazel Kiegen.«

Unsere Blicke trafen sich, und ich hielt ihre Hand ein paar Sekunden zu lang. Die Mischung aus Anziehung und Ärger, die in meiner Brust schwelte, flammte heiß auf.

Ich mochte sie nicht.

Aber ein Teil von mir begehrte sie.

Das war verdammt verwirrend, doch einen Moment lang waren mein Gehirn und mein Schwanz im Einklang. Rosige Wangen? Gut. Feuriger Blick? Gut. Berührung? Sehr gut.

Das Bedürfnis, meine Hose zurechtzuzupfen, näherte sich einem kritischen Wert.

Nichts ahnend ersparte mir Elliott die Peinlichkeit, mir den Kopf darüber zu zerbrechen, wie ich aufstehen konnte, ohne dass jeder – vor allem Hazel – meinen wachsenden Ständer sehen konnte. Er stellte seinen Kaffee ab und nahm gegenüber von mir Platz.

Ich ließ Hazels Hand los.

Hazel starrte mich an.

Elliott wirkte belustigt.

Ich rückte meine Brille zurecht und bemerkte den Kaffee vor mir. Den hatte ich bestellt, oder? Er gab mir etwas zu tun, außer Hazel anzustarren und innerlich mit der mächtigen und leicht berauschenden Verbindung aus Verlockung und Aufregung zu ringen. Ich rutschte auf meinem Stuhl herum und nahm die Tasse, um einen Schluck zu nehmen.

»Dr. Sheff…, ich meine, Elliott«, sagte Hazel, während sie ihren Rock glatt strich. »Ich wollte nicht stören, entschuldigen Sie, bitte.«

»Sie stören überhaupt nicht«, entgegnete Elliott. »Das ist eine reine Formalität. Ich habe bereits die Zustimmung von der Auswahlkommission.«

»Auswahlkommission?«, fragte sie.

Er lächelte. »Ich hoffe, dass Corban Nash unserem Team beitritt.«

Der schockierte Ausdruck, der sich in Hazels Gesichtszüge stahl, war überraschend zufriedenstellend. Nimm das, wütende heiße Bibliothekarin.

Ihr Blick huschte ein paarmal zwischen Elliott und mir hin und her, ihre Lippen bewegten sich, als wollte sie sprechen. Ich zog die Augenbrauen nach oben und nahm einen Schluck Kaffee.

War das angedeutete Grinsen, mit dem ich sie bedachte, ein wenig selbstgefällig? Ja, auf jeden Fall. Aber wer konnte mir das verübeln? Schließlich war sie diejenige, die hier hereinmarschiert war und sich mit mir angelegt hatte.

»Moment mal, sagten Sie gerade, dass Sie mich einstellen wollen?« Ich richtete mich auf, als Elliotts Worte endlich in mein Bewusstsein drangen.

Er grinste. »Aber ja. Wir brauchen jemanden mit Ihrer Expertise, ganz zu schweigen von dem frischen Wind, den Sie in unser Team bringen. Ich halte sehr viel von Ihnen und möchte, dass Sie für uns arbeiten.«

Keine Frage. Ja.

»Das ist großartig.« Ich wollte ihm über den Tisch hinweg die Hand schütteln, warf allerdings dabei meine Serviette und den letzten Bissen Gebäck auf den Boden. »Tut mir leid, aber das sind ja gute Nachrichten. Ich habe definitiv Interesse. Ich meine, ich nehme das Angebot an. Ja.«

Hazel bückte sich langsam und hob das Gebäck und die Serviette auf. Es war schwer zu sagen, was sie gerade dachte – vermutlich nichts Gutes –, doch das war mir egal. Die wütende heiße Bibliothekarin würde diesen Moment nicht kaputt machen.

»Hervorragend«, sagte Elliott. »Wenn es in Ihren Zeitplan passt, können Sie Montag anfangen.«

»Ja, das passt.«

»Ausgezeichnet.« Er strahlte, sein Lächeln war breit, sein Blick wanderte wieder zwischen Hazel und mir hin und her. »Ich glaube, Sie beide werden es genießen, zusammenzuarbeiten.«

Ich grinste Hazel an. Wir würden es wohl kaum genießen, zusammenzuarbeiten, das wusste ich jetzt schon. Aber meine Forschungen direkt vor ihren Augen zu betreiben? Das war perfekt. Ich würde meine Theorie wissenschaftlich untermauern, während die hübsche Hazel Kiegen mir dabei zusah.

3

CORBAN

»Lass die Schönheit dessen, was du liebst, das sein, was du tust.«

Rumi

Meine Fußspitze stieß gegen etwas Festes, und ich blieb stehen. Verdammt, ich wäre fast gegen eine Wand gelaufen. Ich senkte das Comic-Buch, das ich gerade las. Eine klassische Ausgabe von The Uncanny X-Men, die ich bestimmt schon hundertmal gelesen hatte, aber die Handlung war nach wie vor aktuell. Zum Glück hatte ich den Stapel Post, den ich mir unter den anderen Arm geklemmt hatte, nicht fallen lassen.

Wahrscheinlich sollte ich aufhören, beim Gehen zu lesen, auch wenn ich nur vom Briefkasten zurück in meine Wohnung ging.

Mein Handy klingelte, der Ton wurde durch meine hintere Hosentasche gedämpft. Wenigstens wusste ich dieses Mal, dass es mein Telefon war. Ich nahm das Buch in meine andere Hand, während ich versuchte, meine Wohnungstür zu öffnen und gleichzeitig mein Handy herauszuziehen. Irgendwie bekam ich die Tür auf und zog es aus der Tasche, ohne den Comic fallen zu lassen. Doch die Post, die ich bei mir hatte, rutschte mir aus dem Arm und verteilte sich um meine Füße.

Na ja.

»Hey, Molly«, sagte ich ins Telefon.

»Hast du nicht etwas vergessen?«

Ich bückte mich, um meine Post aufzuheben. »Nicht dass ich wüsste. Warum?«

»Du solltest mir schreiben, sobald du wegen des Jobs Bescheid weißt. Wie ist es gelaufen? Hast du ihn bekommen?«

»Ich habe dir doch geschrieben, oder?« Ich legte die Post auf den Küchentisch und legte das Comic-Buch daneben, dann schaute ich auf mein Handy und rief meine Textnachrichten auf. Ich hatte eine geschrieben, aber offensichtlich hatte ich nicht auf Senden getippt. »Ach, Mist, tut mir leid. Ich habe sie nicht abgeschickt.”

»Also?«

»Ich habe den Job.«

»Wahnsinn, Twinkie. Ich freue mich so für dich.«

Ich hatte keine Ahnung, weshalb sie darauf bestand, mich Twinkie zu nennen. Das tat sie schon seit unserer Kindheit. Es war irgendwie peinlich. »Danke. Am Montag fange ich an.«

»Das ist großartig. Martin will wissen, ob du dann wieder umziehst.«

Ich warf einen Blick auf die Kartons, die ich immer noch nicht ausgepackt hatte. Erst vor Kurzem war ich von San José zurück nach Seattle gezogen, nachdem ich beschlossen hatte, hauptberuflich psychologische Forschungen zu betreiben. Ich war auf gut Glück hergekommen und hatte gewusst, dass ich vielleicht nicht würde bleiben können. Es hing davon ab, wo ich einen Job fand. Doch wie es aussah, würde ich den Rest meiner Sachen auspacken und mich hier einrichten.

»Irgendwann wahrscheinlich schon, aber die Wohnung hier ist nicht schlecht. Sag ihm, er braucht sich keine Sorgen zu machen. Ihr zwei habt gerade mit dem Baby schon genug um die Ohren.«

»Ich weiß, das Leben ist verrückt, nicht wahr? Ich kann immer noch kaum glauben, dass ich einen vollkommen neuen Menschen hervorbringe.«

»Ja, in dir steckt buchstäblich ein anderer Mensch.«

»Ich will ehrlich sein – irgendwie ist es gruselig. Aber ich liebe diesen kleinen Eindringling bereits, auch wenn er oder sie mich dauernd von innen tritt.«

Ich zog einen Stuhl heran und setzte mich an den Küchentisch. »Ich bin so froh, dass ich ein Kerl bin.«

Sie lachte. »Wie auch immer – ich weiß, dass du gerade erst umgezogen bist, aber vielleicht solltest du eine größere Wohnung in Betracht ziehen. Etwas Dauerhafteres?«

»Ja, ich werde darüber nachdenken.«

Es war toll, dass meine Schwester sich wünschte, ich würde hier in der Gegend bleiben. Wir hatten uns schon immer nahegestanden, doch inzwischen lange Zeit nicht nahe beieinander gewohnt. Nach dem College war ich ein paarmal der Arbeit wegen umgezogen – erst nach Massachusetts, dann in den Norden Kaliforniens. Da sie ihr erstes Baby erwartete, beschloss ich, dass ich – wenn möglich – vor Ort sein wollte. Den coolen Onkel spielen, was in meinen Ohren großartig klang.

Nicht dass ich streng genommen cool gewesen wäre. Ich war ein bebrillter Zahlen-Nerd, der Comic-Bücher mochte und sich in Gesellschaft meist unbeholfen verhielt. Aber mit dreiunddreißig war ich nicht mehr schüchtern oder unsicher, weil ich ein Nerd war. Ich fühlte mich wohl in meiner Haut. Und verdammt, auch ein Nerd konnte ein cooler Onkel sein.

Doch diese Wohnung war vorerst in Ordnung. Ich brauchte nicht mehr als ein Schlafzimmer. Und ich wollte es vor meiner Schwester nicht zugeben, aber wenn ich mehr Platz hätte, würde mich das nur dauernd daran erinnern, dass ich ihn mit niemandem teilen konnte.

»Erzähl mir von deinem Job«, sagte Molly.

»Ich werde der führende Datenanalyst des Fachbereichs für psychologische Forschung am Woodward College sein.«

»Auch bekannt als Mathegenie vor Ort.«

Ich lachte ein wenig. »So in der Art. Sie machen dort jede Menge cooler Sachen. Ich habe es noch nicht gesehen, aber ihr Motion-Capture-Labor ist hochmodern. Und ich werde die Gelegenheit haben, eigene Forschungen durchzuführen.«

»Das ist so aufregend. Pass auf, wenn du deinen Fragebogen noch zig weiteren Testpersonen gibst, wirst du auf noch viel mehr Hochzeiten Trauzeuge.«

Ich war schon auf mindestens einem Dutzend Hochzeiten gewesen – bei Paaren, die meinen Fragebogen ausgefüllt und danach geheiratet hatten. »Berufsrisiko, nehme ich an.«

»Wenigstens gibt es auf Hochzeiten Kuchen.«

»Normalerweise schon. Auf der letzten, auf der ich gewesen bin, aber nicht. Kannst du das glauben? Beide waren auf Low Carb oder so etwas eingeschworen, deshalb gab es Käse- und Obstteller anstatt Kuchen.«

»O mein Gott, was für eine Farce. Ich hoffe, du hast ihnen gründlich die Meinung gesagt.«

»Das hätte ich mal tun sollen.«

Sie lachte. »Ich hätte wahrscheinlich angefangen zu weinen. Aber ich bin hochschwanger und möglicherweise ein wenig unvernünftig, wenn es um Essen geht.«

Ich hörte Martins Stimme im Hintergrund. »Das ist noch untertrieben.«

»Du bist derjenige, der mich geschwängert hat. Jetzt musst du eben mit den Konsequenzen leben. Sorry, Corban, mein Mann spielt gern mit dem Feuer. Aber hast du Mom und Dad schon angerufen?«

Das Lächeln erstarb auf meinen Lippen. »Nein, noch nicht.«

»Na, dann vergiss es nicht. Sie werden sich so für dich freuen.«

Ach wirklich? Meine Eltern hatten es nicht gutgeheißen, als ich meinen letzten Job kündigte, vor allem weil ich da noch keinen neuen hatte. Ich hatte ihnen nicht erzählt, dass ich mehr als genug Geld hatte. Das ging sie nichts an, und außerdem hätte das ihre Meinung ohnehin nicht geändert. Sie fanden die meisten Dinge, die ich tat, nicht so besonders, deshalb war es leichter, man ließ sie glauben, was sie wollten.

»Ja, ich rufe sie an.«

»Bist du nervös?«

»Eigentlich nicht. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich mir keine Sorgen machen muss, ich könnte beim Mittagessen in der Cafeteria gemieden werden.«

Wieder lachte sie. »Besser, sie meiden dich nicht, sonst komme ich vorbei und … nun ja, ich bin zu schwanger, als dass ich mehr tun könnte, als Leute anzuschreien, aber ich könnte jede Menge Unflätigkeiten verwenden.«

»Danke, du verrücktes Huhn.«

»Du schaffst das, Twinkie. Schreib mir am Montag, wie es gelaufen ist. Und vergiss nicht, auf Senden zu tippen.«

»Ich werde daran denken.«

Wir verabschiedeten uns voneinander, und ich legte mein Handy weg. Dann ging ich zum Kühlschrank, holte mir ein Bier und setzte mich damit auf die Couch.

Ich hatte Molly die Wahrheit gesagt – ich war nicht aufgeregt, weil ich am Montag eine neue Stelle antrat. Was ich jedoch nicht erwähnt hatte, war die möglicherweise feindselige Situation, in die ich mich da begab.

Hazel Kiegen. Ms wütende heiße Bibliothekarin.

Sie mochte mich nicht, was auf Gegenseitigkeit beruhte. Ich wusste nicht so recht, wie das funktionieren sollte, aber ein wenig Rivalität schreckte mich nicht ab. Sobald ich die Gelder hatte, um meine Theorie und meinen Fragebogen durch eine vollwertige Studie zu untermauern, würde ich ihr außerdem zeigen, dass ich sehr wohl den Code geknackt hatte, nach dem sich Menschen verliebten.

Zumindest die meisten.

Und am Montag würden meine Gehirn- und meine Schwanzsignale hoffentlich nicht mehr so durcheinander sein. Noch nie zuvor hatte ich so heftig für eine Frau empfunden. Wie konnte ich sie hassen und mich dennoch so zu ihr hingezogen fühlen? Das ergab überhaupt keinen Sinn.

Vielleicht verwechselte mein Gehirn Hass mit Lust.

Es gab Forschungen, die dies stützten. Studien mit Spitzensportlern zeigten, dass sich ihre körperlichen Symptome vor einem Wettkampf mit hohem Leistungsdruck typischerweise als Erregung manifestierten – erhöhte Herzfrequenz, sogenannte Schmetterlinge im Bauch und so weiter. Bei anderen Menschen manifestierten sich dieselben Gefühle als Angst oder Nervosität. Die Symptome waren gleich, aber ihre Gehirne interpretierten die Daten, die der Körper ihnen schickte, anders.

Offenbar interpretierte mein Gehirn die Daten falsch. Ich fühlte mich gar nicht angezogen von Hazel Kiegen. Ich mochte sie nicht. Und die Intensität dieses Gefühls verursachte die Verwirrung.

Ich war mir sicher, mein Schwanz würde die Botschaft verstehen, wenn ich sie zum nächsten Mal sah, und sich dann raushalten.

Hoffentlich.

Ich trank mein Bier aus und aß einige Reste zum Abendessen. Dann wollte ich die To-go-Box in den Mülleimer werfen, doch er war bereits voll.

So war das eben, wenn man allein lebte. Zwar machte niemand anderes Unordnung, aber es war auch keiner da, der mit aufräumte.

Ich schnappte mir die Mülltüte und vergewisserte mich, dass ich den Schlüssel in der Tasche hatte – ich hatte mich bereits mehrmals ausgeschlossen und wollte nicht, dass das schon wieder passierte. Dann trat ich hinaus in den Flur.

»Hey, Corban.« Ich zog die Tür hinter mir zu und warf meiner Nachbarin einen Blick zu. Paisley Hayes stand vor ihrer Wohnungstür, den Schlüssel in der Hand, ein Lächeln auf dem Gesicht. Ihr dichtes blondes Haar fiel wellig auf ihre Schulter herab, und ihr rosa Lippenstift bildete einen Kontrast zu ihrer Haut.

»Hi, Paisley.«

»Müll rausbringen, was?«

Ich sah auf die Mülltüte hinunter und wunderte mich darüber, dass sie eine so offensichtliche Frage stellte. »Ja.«

»Cool.« Ihre Schlüssel baumelten an ihrer Hand, aber sie machte keine Anstalten, ihre Tür aufzuschließen. »Hast du später schon irgendwas vor?«

»Eigentlich nicht. Vielleicht gehe ich ins Fitnessstudio und trainiere ein wenig.«

»Ach ja? Ich habe auch noch nichts vor.«

War heute nicht Freitag? Anscheinend ging sie freitags doch für gewöhnlich aus. Ich sah mich im Flur um, als würde irgendwo ein Kalender hängen. »Ist heute nicht Freitag?«

»Das will ich doch hoffen, jedenfalls gehe ich morgen nicht zur Arbeit.«

»Ja, wäre ja blöd, wenn man da einen Fehler macht und dann gefeuert wird.«

Ihr Lächeln verblasste ein wenig. »Ja.«

»Na dann, schönen Abend noch.«

»Eigentlich hatte ich gehofft, heute etwas mit Molly zu unternehmen, aber sie sagte, sie sei zu müde«, sagte sie rasch. »Ich nehme an, eine Schwangerschaft ist ziemlich zermürbend. Deshalb habe ich auch nichts vor.«

Paisley war schon seit der Highschool die beste Freundin meiner Schwester. Doch mit mir hatte sie damals überhaupt nichts anfangen können. Ich war einfach nur der nerdige Zwillingsbruder ihrer besten Freundin, dem sie keinerlei Beachtung schenkte.

Das änderte sich auch nicht, als ich mich Hals über Kopf in sie verknallt hatte. Mit siebzehn war ich rettungslos in sie verliebt, ein Vollidiot, der seine Triebbeherrschung den Launen von Teenager-Hormonen überlassen hatte.

Aber jetzt? Ich fragte mich, was ich je in ihr gesehen hatte. Sie war hübsch – fast jeder Mann wäre dieser Meinung –, und sie wusste, wie sie ihre körperlichen Vorzüge zur Geltung brachte, um das andere Geschlecht anzuziehen.

Allerdings hatten sie und ich so gut wie nichts gemeinsam. Und von Molly wusste ich, dass sie im Laufe der Jahre eine Reihe von Typen gedatet hatte, lauter Variationen desselben Themas – gut aussehende Arschlöcher. Ich war nicht ihr Typ, und wenn ich etwas bei der Arbeit für Social-Media- und Dating-App-Entwickler gelernt hatte, dann, dass die meisten Menschen auf einen bestimmten Typ standen und dabei blieben.

Mein Typ war sie auch nicht. Sie war nur die Freundin meiner Schwester und als Nachbarin in Ordnung. Sie hatte mir den Hinweis auf dieses Apartment gegeben, als ich nach einer Wohnung gesucht hatte.

»Okay, gut, ich bringe das hier mal raus.« Ich hielt die Mülltüte hoch. »Bis dann.«

»Oh, okay. Ja, du willst bestimmt nicht ewig mit der Mülltüte da stehen. Ich gehe mal rein und überlege mir, was ich mit meinem freien Abend anfange.« Sie deutete auf ihre noch immer geschlossene Tür.

»Ja. Gute Nacht, Paisley.«

»Tschüss.«

Wieder klopfte ich auf meine Tasche – ich wollte wirklich sichergehen, dass ich mich nicht ausgeschlossen hatte – und brachte den Abfall nach unten. Seit Mollys Erwähnung von Hochzeitskuchen wünschte ich, ich hätte auf dem Heimweg bei der Bäckerei vorne an der Straße angehalten und etwas geholt. Sie hatten spitzenmäßige Cupcakes mit gesalzenem Karamell.

Und warum auch nicht? Gerade hatte ich einen neuen Job bekommen, was bedeutete, dass ich in Seattle bleiben konnte. Ich war das Risiko eingegangen, hierherzuziehen, und es hatte sich gelohnt. Wenn das kein Grund zu feiern war.

4

HAZEL

»Alles, was wir brauchen, ist Liebe. Ein bisschen Schokolade hier und da kann aber auch nicht schaden.«

Charles M. Schulz

Erwin blinzelte mich an, seine grünen Augen leuchteten in seinem Gesichtchen mit der flachen Schnauze. Sein langes graues Fell war so dick, dass es manchmal verfilzte, und es war höchste Zeit, dass wir den Katzenfriseur aufsuchten. Obwohl mein Kater recht ausgeglichen war – außer schlafen machte er nicht viel –, war er unglaublich störrisch, wenn es um eine ganz bestimmte Sache ging. Nämlich in seine Transportbox zu steigen.

Ich lag neben der offenen Transportbox auf dem Boden, klebrig vor Schweiß, weil ich ihn bereits durch die ganze Wohnung gejagt hatte. Keiner meiner üblichen Tricks hatte funktioniert, und er war aus jeder Falle entkommen, die ich ihm gestellt hatte.

»Komm schon, Erwin. Ich habe sechs Katzenleckerlis mit Lachsgeschmack dort reingelegt. Bestimmt lohnt es sich, für sechs ganze Katzenleckerlis in die Box zu steigen.«

Wieder blinzelte er.

»Du machst ein viel zu großes Drama um die ganze Sache. Nun beweg dich schon in die Transportbox.«

Seufzend setzte ich mich auf und verschränkte die Beine. Erwin rührte sich nicht.

»Tut mir leid, ich sollte nicht laut werden. Aber ich bin ohnehin schon gestresst von der Arbeit und würde das gern hinter mich bringen. Ich gehe später mit den Mädels laufen und etwas trinken und möchte mich nicht verspäten.«

Erwin ignorierte mich.

Es hatte eine Zeit gegeben, in der meine süße graue Katze mir so vertraute, dass sie einer Spur aus Katzenleckerlis in ihre Transportbox folgte. Aber der Erwin von heute hatte seine Erfahrungen gemacht. In fahrenden Autos. In der Tierarztpraxis mit rektalen Thermometern. Ihm gut zuzureden, dass er in seine Transportbox stieg – als zwingen wollte ich es nicht bezeichnen –, war zu einer Aufgabe für zwei Personen geworden.

»Wir gehen heute nicht zum Tierarzt. Der Katzenfriseur ist wie ein Wellness-Aufenthalt. Sie machen dort dein Fell schön und weich, damit es nicht verfilzt. Wir wissen beide um die Auswirkungen, die ein verfilztes Fell hat, vor allem in deinem Analbereich.«

Ich brauchte Hilfe, aber auch wenn meine Freundin Nora nur zwei Stockwerke unter mir wohnte, konnte ich sie nicht anrufen. Nicht nach dem letzten Mal. Meine andere Freundin, Everly, hätte mir bestimmt geholfen, doch sie war mit den Vorbereitungen für ihre bevorstehende Hochzeit beschäftigt.

Außer meinen Freundinnen hatte ich nicht mehr viele Optionen. Meine einzigen Angehörigen waren meine Eltern, und die lebten mehrere Stunden entfernt – außerdem gehörten sie nicht zu der Sorte Menschen, die man spontan anrufen konnte, damit sie einem halfen, sein Haustier zum Friseur zu bringen. Und auch wenn ich zahlreiche Kolleginnen und Kollegen hatte, mit denen ich liebenswürdigen Umgang pflegte, stand ich ihnen nicht so nahe, als dass ich sie um diese Art von Gefallen bitten konnte, schon gar nicht am Wochenende.

Mein Umfeld war klein, aber ich weigerte mich, mich als einsam zu beschreiben. In Momenten wie diesen fragte ich mich allerdings, ob mein selbst auferlegtes Single-Dasein vielleicht doch mehr Nachteile hatte, als ich zugeben wollte.

Es gab noch eine weitere Person, an die ich bisher nicht gedacht hatte: Sophie Abbott. Sie war Everlys Nachfolgerin in deren altem Job, und Everly hatte angefangen, sie einzuladen, mit uns laufen – und danach etwas trinken – zu gehen. Nora, Everly und ich waren bereits seit der Highschool Freundinnen, aber Sophie fügte sich ganz natürlich bei uns ein. Vielleicht war die Beziehung zwischen uns mittlerweile so gut, dass ich sie in einer kleinen Katzenkrise um Hilfe rufen kann.

Ich schrieb Sophie eine Nachricht, erklärte die Situation in kurzen Worten. Ein paar Minuten später antwortete sie, dass sie gleich da wäre. Ich atmete erleichtert aus.

Es war gut, Freundinnen zu haben. »Schau nicht so selbstgefällig drein, Erwin. Sophie ist auf dem Weg.«

Mein Kater schien nicht zu glauben, dass der neueste Zuwachs zu unserem sogenannten Laufclub etwas bewirken konnte. Ich hoffte, er irrte sich.

Es dauerte nicht lange, bis Sophie kam. Ihre Masse aus dunkelblonden Locken war teilweise hochgesteckt, und sie trug ein schwarzes T-Shirt und Jeans.

»Hey.« Sie lächelte und stellte ihre Handtasche auf den Tisch neben der Tür, wobei sie den Korb mit der Post umwarf. »O nein, tut mir leid. Moment, ich mache das.«

»Nicht nötig.« Ich ging in die Hocke, um die verstreuten Umschläge wieder einzusammeln. Sophie neigte zur Ungeschicktheit, sie stieß beim Betreten meiner Wohnung nicht zum ersten Mal gegen diesen Tisch. »Danke, dass du gekommen bist.«

»Gerne doch. Was ist los mit deinem Kater?«

»Es geht ihm gut, abgesehen davon, dass er pflegeaufwendiges Fell hat und störrisch ist. Er muss zum Katzenfriseur, und ich bekomme ihn nicht in seine Transportbox.«

Sophie stemmte die Hände in die Hüften und musterte Erwin. »Er muss schneller sein, als er aussieht, wenn du es nicht geschafft hast, ihn zu fangen.«

»Wenn du damit andeuten willst, dass er fett ist – das ist er nicht. Er ist nur fluffig.«

Sie zog die Augenbrauen nach oben. »Okay, gut, wie ist der Plan?«

»Ich fange ihn mit einem Handtuch, dann hilfst du mir, ihn in die Transportbox zu stopfen und die Tür zuzumachen, bevor er entwischen kann.«

»Alles klar.«

Sophie nahm die Transportbox, und ich bewaffnete mich mit einem dicken Handtuch.

Erwin beäugte mich misstrauisch, als ich mit vorsichtigen Schritten auf ihn zuging.

»Achte gar nicht darauf, was ich mache, Erwin. Ich werde dich nicht mit diesem Handtuch einfangen. Ich gehe einfach nur auf dich zu. Es gibt keinen Grund wegzurennen …«

Er schoss in die Küche.

»Echt jetzt?«

Ich folgte ihm, Sophie schlich auf Zehenspitzen hinter mir her. Sie hielt die Transportbox bereit. Für ein Tier, das kaum auf die Couch springen konnte – neuerdings erwartete er von mir, dass ich ihn hochhob und auf das Kissen setzte –, konnte er erstaunlich agil sein, wenn es darum ging, einer Gefangennahme zu entgehen.

Erwin saß neben seinem Napf und sah mich aus hellgrünen Augen an.

»Bereit?«, flüsterte ich Sophie zu.

»Bereit.«

Ich machte einen Satz nach vorne, aber Erwin schoss an mir vorbei und rannte zwischen Sophies Beinen hindurch. Sie schrie auf und geriet ins Taumeln. Ich versuchte, meiner albernen Katze nachzujagen, doch Sophie stolperte über ihre eigenen Füße und geriet mir in den Weg. Ich konnte gerade noch verhindern, mit ihr zusammenzuprallen.

»Ups.« Sie hielt sich am Türrahmen fest. »Wo ist er hin?«

»Dort.« Ich zeigte auf den Esstisch, wo er versuchte, sich hinter Stuhlbeinen zu verstecken. »Ich scheuche ihn auf. Halt dich bereit.«

»Alles klar.

Ich pirschte mich an Erwin an, murmelte Beruhigendes und versprach ihm Katzenleckerlis. Sein Gesicht mit der flachen Nase wirkte ungerührt, und eine Sekunde lang dachte ich, ich könnte ihn dieses Mal mit dem Handtuch einfangen.

Ich täuschte mich.

Er ließ sich auf den Rücken fallen, bereit, sich mit den Krallen zu verteidigen. Dann stürzte ich mich auf ihn, das Handtuch mit beiden Händen umklammert, aber er wälzte sich herum und schoss zwischen den Tischbeinen hindurch. Sophie zog einen Stuhl heraus, damit sie Platz hatte, ihn zu fangen, doch sie zog zu heftig, so dass der Stuhl zu Boden krachte. Direkt vor mir.

Ich sprang über das Hindernis und griff nach Erwin. Er war knapp außerhalb meiner Reichweite. Meine Brille rutschte, aber ich setzte die Jagd fort und rannte ihm nach. Er flitzte an der Couch vorbei, und ich folgte ihm, Sophie war mir direkt auf den Fersen.

»Erwin, stopp!«

Natürlich gehorchte er nicht. Er rannte an der Wand entlang und machte einen U-Turn.

»Nimm das.« Sophie riss mir das Handtuch aus der Hand und schob mir die Transportbox hin.

Sie änderte die Richtung, um Erwin den Weg abzuschneiden, bevor er vorbeirennen konnte. Ich stieß gegen die Transportbox und hätte sie beinahe fallen lassen.

Sophie stürzte sich auf Erwin, landete flach auf dem Bauch, das Handtuch in den ausgestreckten Händen. In Sekundenschnelle zog sie das Handtuch an sich und rollte ihren Körper um das Bündel herum ein.

»Transportbox!«

Rasch bückte ich mich und hielt die Tür der Box auf. Sie nahm das Bündel aus Kater und Handtuch und schob Erwin behutsam hinein. Mit einem Klicken schloss ich die Gittertür.

Sophie wälzte sich auf den Rücken und atmete aus. »Puh.«

»Hast du dir wehgetan?«

»Nein, alles in Ordnung.« Sie setzte sich auf und neigte den Kopf, um Erwin anzuschauen. »Du hast nicht übertrieben, als du sagtest, dass er störrisch ist.«

Ich rückte meine Brille zurecht und schüttelte dann den Kopf über meinen dickköpfigen Kater. Er musterte mich durch die Gittertür. »Ach, Erwin.«

Dann sah ich Sophie an, und wir brachen beide in Gelächter aus.

»Nun, das war ja ein Abenteuer«, sagte sie.

Ich stand auf und half ihr auf die Füße. »Das war ein beeindruckender Fang. Bist du sicher, dass alles okay ist?«

»Aber ja, alles in Ordnung. Soll ich mitkommen in den Katzensalon?« Sie strich ihren Rock glatt und hob dann die Transportbox. »Wow, er ist schwer.«

»Seine Größe und sein Gewicht sind durchschnittlich.«

»Na ja, es ist wohl kaum sein Fell, was so viel wiegt«, murmelte sie vor sich hin.

»Fluffig«, sagte ich bestimmt. »Aber danke noch mal für deine Hilfe. Ich versuche schon den ganzen Morgen, ihn zur Kooperation zu bewegen.«

Sie lächelte. »Gern geschehen.«

»Und nett von dir, dass du anbietest, mitzukommen, aber er weiß, dass es wieder nach Hause geht, wenn er zurück in die Transportbox muss. Ich rechne nicht mit Problemen.«

»Kleiner Stinker.« Sie reichte mir die Transportbox. »Sei brav, Erwin.«

»Sehen wir uns später zum Laufen?«

»Na klar.«

Wir verabschiedeten uns, und Sophie ging, Gott sei Dank ohne noch einmal den Korb mit der Post umzuwerfen. Nachdem ich die Möbel wieder zurechtgerückt hatte, brachte ich Erwin in den Katzensalon. Wie erwartet verzog er sich bereitwillig in seine Transportbox, als er fertig war.

Zurück in meiner Wohnung, ließ ich ihn heraus. Er ging sofort in die Küche und wartete darauf, dass ich ihm noch mehr Katzenleckerlis gab. Ich verwöhnte ihn mit einer weiteren kleinen Handvoll.

»War das jetzt wirklich so schlimm?«

Er ignorierte mich und schlenderte zu seinem Katzenkorb hinüber, wo er sich zu einer flauschigen Kugel zusammenrollte.

»Na, nun bist du natürlich müde, du ungezogenes Ding.« Ich bückte mich und streichelte ein paarmal über sein weiches Fell. »Ich gehe mit den Mädels laufen. Danach komme ich wieder nach Hause.«

Er schien zu ermattet von seinem ungewöhnlich ereignisreichen Vormittag, als dass ihn das gekümmert hätte.

»Hazel, warte.«

Ich wurde langsamer und sah mich über die Schulter hinweg zu meinen Freundinnen um. Warum waren sie so weit zurückgefallen? Ich blieb stehen und legte mir den Zeigefinger an den Hals, um meinen Puls zu checken. Er war höher als sonst. Ich hatte wohl versehentlich mein Tempo erhöht.

Ich stemmte die Hände in die Hüften und atmete tief durch, während ich auf die anderen wartete.

»Du hast nicht gesagt, dass wir heute sprinten.« Everly klang etwas außer Atem. Sie trug ein gelbes Tanktop und graue Leggings, ihr blondes Haar war zu einem wippenden Pferdeschwanz zusammengefasst.

»Wir sprinten nicht.«

Noras Augenbrauen schossen nach oben. Sie hatte ihr dunkles Haar zu einem dicken Zopf geflochten und trug ein pinkfarbenes Tanktop, dazu schwarze Shorts, die ihre langen Beine betonten. Nora trug immer die Art von Kleidern, die ich nie würde tragen können – das wusste ich. »Was war das denn sonst? Wir sind doch nicht auf der Flucht.«

»Du bist schnell, wenn du willst«, sagte Sophie. Sie hatte sich umgezogen und trug inzwischen ein Tanktop und eine schwarze Caprihose.

»Ich bin seit der Highschool nicht mehr so schnell gerannt, seit Toby McDaniels Mom Toby und mich dabei erwischt hat, wie wir in ihrem Whirlpool herummachten«, sagte Nora.

Everly zuckte zusammen. »War Mrs McDaniels nicht die furchterregende Aushilfslehrerin?«

Nora zog ihr Handy aus ihrem Sport-BH und wischte das Display ab. »Genau die. Sie war gruselig.«

»Bist du davongekommen?«, fragte Sophie.

»Natürlich. Mrs McDaniels war gruselig, aber schnell war sie nicht.«

»Tut mir leid, dass ich vorausgeprescht bin«, sagte ich. »Ich hatte einen Energieschub und musste ihn ausnutzen.«

Das stimmte nicht ganz. Während des gesamten 5,6-km-Laufs war ich unangemessen nachdenklich gewesen. Auch wenn Erwin mir heute Morgen Probleme bereitet hatte, war ich in Gedanken nicht bei meinem eigensinnigen Kater. Sondern bei einem anderen eigensinnigen männlichen Wesen.

Corban Nash.

Bei seinem selbstgefälligen Lächeln.

Seinen überraschend breiten Schultern.

Seinen tiefbraunen Augen.

Dem Stromstoß, der mich durchzuckt hatte, als er mir die Hand geschüttelt hatte.

Die Art und Weise, wie er …

Nein. Ich musste sämtliche Gedanken verdrängen, die zu dem Schluss führten, dass Corban Nash attraktiv war.

Denn das war er. Was aber nichts zur Sache tat.

Der Mann war mein Erzrivale.

»Hazel?«

Ich schreckte auf und blinzelte, während ich meine Brille auf der Nase nach oben schob. »Was?«

»Bist du sicher, dass alles okay ist?«, fragte Sophie. Sie hatte die Augenbrauen zusammengezogen. Everly ebenso. Und Nora. Alle drei musterten mich mit dem gleichen besorgten Blick.

Das konnte ich ihnen nicht verübeln. Ich benahm mich nicht wie ich selbst. Das war so, seit ich gestern bei der Arbeit diesen Zettel am Schwarzen Brett gesehen hatte.

»Ja, alles gut«, sagte ich und drückte meine Schultern nach hinten. »Gehen wir was trinken.«

Wir gingen den Rest des Weges zurück zum Parkplatz, wo wir unseren Lauf immer begannen. Ich checkte die Zahlen auf meinem Fitness-Armband, und wir nahmen uns alle ein paar Minuten Zeit für Dehnübungen.

»Oh-oh«, sagte Nora, »seht mal, wer da kommt.«

Ich blickte auf und unterbrach die Analyse meiner neuesten Laufleistung. Vier Frauen in zueinanderpassenden rosa Tanktops und Leggings in rosa-grauem Tarnmuster kamen auf den Park gejoggt. Auf ihren Oberteilen stand Bezaubernde Bitches, die Buchstaben durch Glitzersteine hervorgehoben.

»Ignoriert sie einfach«, sagte Everly leise.

Das war leichter gesagt als getan. Die Bezaubernden Bitches bestanden aus zwei Frauen, die Nora, Everly und ich von der Highschool kannten – und die ich gern nie wieder gesehen hätte –, sowie zwei neuen Freundinnen, die sie in den vergangenen zwölf Jahren oder so irgendwo aufgegabelt hatten. Bella Ferndale und Drew Browning hatten sich wirklich angestrengt, mir in unseren Teenagerjahren das Leben zur Hölle zu machen, und die beiden Neulinge in ihrer Clique schienen aus dem gleichen Holz geschnitzt zu sein.

Ende der Leseprobe