Falsches Date mit Mr. Right? - Karen Booth - E-Book

Falsches Date mit Mr. Right? E-Book

Karen Booth

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Beschreibung

Nach ihrer geplatzten Verlobung ist Society-Girl Alexandra ins Visier der Klatschpresse geraten. Um zu beweisen, dass sie ihr Leben wieder im Griff hat, braucht sie dringend ein Date für die Hochzeit des Jahres. Ryder Carson, der beste Freund und Geschäftspartner ihres Bruders, ist der perfekte Kandidat! Dass Alex seit Jahren scharf auf ihn ist, muss sie ihm ja nicht verraten. Auf der Hochzeitsparty knistert es heißer denn je zwischen ihr und Ryder. Doch ihr Bruder hat unmissverständlich klargemacht, dass Ryder für Alex tabu ist …

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Seitenzahl: 203

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IMPRESSUM

BACCARA erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Katja Berger, Jürgen WelteLeitung:Miran Bilic (v. i. S. d. P.)Produktion:Christina SeegerGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2022 by Karen Booth Originaltitel: „How to Fake a Wedding Date“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto in der Reihe: DESIRE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BACCARA, Band 2280 03/2023 Übersetzung: Eva Westphal

Abbildungen: Harlequin Books S. A., alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 03/2023 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783751515511

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

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1. KAPITEL

Es gab eine ganze Menge Gründe für Alexandra Gold, weshalb sie vorerst genug von Hochzeiten hatte. Schließlich war es erst vierzehn Monate her, dass sie ihre eigene Hochzeit abgesagt hatte. Logischerweise erholte sie sich noch von den Ereignissen an diesem Tag.

Wenn sie ehrlich war, musste sie zugeben, dass sie sich nicht an alles erinnern konnte, aber wie bei einem schlechten Film hatte sie immer wieder einzelne Szenen vor Augen – wie sie schluchzend ihre Mutter anrief, die lange Fahrt hinaus in die Hamptons, um ihrem Verlobten den zehnkarätigen Ring zurückzugeben, und natürlich die Schlagzeilen, die sich die Presse für sie ausgedacht hatte: Die Braut, die sich nicht traut. Ein wahrer Treuhand-Tornado. Und ihre Lieblingskreation: Ein Trotzanfall für eine Million Dollar.

Alex hatte viele Gründe, Hochzeiten zu hassen, aber sie tat es nicht. Eine Hochzeit war ein Symbol dafür, dass es immer noch Hoffnung und Liebe gab. Vielleicht nicht in ihrem Leben, doch für andere gab es das. Zum Beispiel für ihre beste Freundin Chloe Burnett.

„Meine Mom hat vorgeschlagen, dass wir beim Empfang schwimmende Laternen im Pool verteilen. Was hältst du davon?“, fragte Chloe, die zukünftige Braut, sie am Telefon.

Alex saß auf der Rückbank ihres schwarzen SUVs und war auf dem Weg zum Lunch mit ihrem Bruder Daniel. Vor dem Fenster huschten verschwommen die Hausfassaden Manhattans vorbei. In der Stadt konnte es im Hochsommer unerträglich heiß werden, und gerade herrschte wieder eine unglaubliche Hitzewelle. „Das ist eine fantastische Idee. Da kommt sicher eine Menge Stimmung auf. Warum ist mir das nicht eingefallen? Ich schaue gleich mal nach, wo man so was herbekommt.“ Alex schaltete den Anruf auf Lautsprecher und machte sich eine Notiz auf ihrem Handy.

„Ich bin mir da nicht so sicher. Ich frage mich, ob Mom es vielleicht übertreibt.“

„Nein. Mütter sind einfach so.“ Damit hatte sie selbst ausreichend Erfahrungen gemacht. Ihre Mutter hatte sich Hals über Kopf in die Planung gestürzt, als es um ihre Hochzeit ging. Später fand Alex heraus, dass sie sogar beim Antrag ihre Finger im Spiel gehabt hatte.

„Oh Gott, tut mir leid“, sagte Chloe. „Das hätte ich nicht sagen sollen. Ich hoffe, ich habe dich nicht verletzt.“

Alex seufzte. Ja, die Beziehung zu ihrer Mutter war schwierig, aber das war nicht der Grund, weshalb sie die Hochzeit abgeblasen hatte. „Chloe, das ist schon in Ordnung. Mir geht’s gut.“

„Bist du sicher? Das letzte Jahr war schwer für dich. Es fällt dir bestimmt nicht leicht, mir bei meiner Hochzeit zu helfen.“

„Mach dir keine Sorgen um mich. Ich hab dich so lieb, und jetzt heiratest du. Das ist alles, was zählt.“

„Ich würde dich nicht um Hilfe bitten, wenn ich nicht wüsste, wie genial du im Planen bist.“

„Das ist lieb von dir, danke.“ Dieses Talent war ihr in die Wiege gelegt worden. Seit über dreißig Jahren war ihre Mutter die gefragteste Hochzeitsplanerin im Nordosten der USA. Bei den zahllosen Hochzeiten, die sie daher gesehen hatte, war ihr Interesse für Floraldesign geweckt worden. Mittlerweile führte Alex ein erfolgreiches Unternehmen und kreierte extravagante Arrangements für Hotels, Veranstaltungen und, ja, auch für Hunderte von Hochzeiten.

„Hast du schon eine Begleitung für die Hochzeit gefunden?“, fragte Chloe.

„Nein.“

„Ich dachte, du hättest dich neulich mit jemandem getroffen?“

„Ja, aber als er herausfand, wer ich bin – oder vielmehr, was ich bin, war das Gespräch ziemlich schnell beendet. Das passiert mir in letzter Zeit bei allen Männern. Die schauen mich nicht mal an. Rennen einfach in die andere Richtung.“

„Das ist so unfair. Die kennen dich doch gar nicht! Nichts von dem, was die Klatschblätter über dich schreiben, ist wahr.“

„Man kann ihnen schlecht einen Vorwurf machen. Schließlich wollen sie nicht als Nächstes in den Klatschspalten landen. Das kann einem ordentlich das Leben ruinieren.“

„Ich finde es beeindruckend, wie entspannt du darüber sprichst. Du bist ganz schön hart im Nehmen.“

War sie das? Die meiste Zeit kam Alex sich vor, als würde sie diese Stärke nur vortäuschen. „Ich gebe mein Bestes.“

„Sieh’s mal so, wenigstens hast du deine Hochzeit abgesagt, bevor Little Black Book auf die Bühne getreten ist.“

Little Black Book war eine anonyme Social-Media-Seite, die vor ein paar Monaten aufgetaucht war, die übelsten Gerüchte verbreitete und einige Familiengeheimnisse ans Licht gebracht hatte. Darunter hatten auch ihre Bekannten zu leiden gehabt, nicht zuletzt Chloe und deren Mutter. „Ich will mir gar nicht vorstellen, was diese Leute alles über mich herausfinden könnten.“

„Parker macht sich große Sorgen, dass die Person, die hinter dieser Seite steckt, sich auf unsere Hochzeit schleicht.“

Parker Sullivan war Chloes Verlobter, ein Agent für Sportler, dessen bester Kunde eins der ersten Opfer von Little Black Book gewesen war. Als PR-Managerin hatte Chloe ihm zur Seite gestanden und das Schlimmste abgewandt, und dabei hatten sie und Parker sich ineinander verliebt. Nichtsdestotrotz hatte Parker sich auf einen persönlichen Kreuzzug gegen die Person begeben, die hinter Little Black Books steckte, und setzte alles daran, sie zu enttarnen.

„Darüber brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Du weißt doch, Taylor hat mittlerweile ein komplettes Security-System installiert.“

Taylor Klein war ebenfalls eine gute Freundin. Auf dem Sommeranwesen ihrer Familie in Connecticut sollte die Hochzeit stattfinden. „Außerdem lädst du nicht viele Leute ein und nur ausgesuchte Vertreter der Presse, richtig?“

„Ja. Ganz kann ich mir die Medien nicht vom Hals halten. Sonst kreisen sie mit Helikoptern über Taylors Garten. Also habe ich ein paar eingeladen, von denen ich weiß, dass ich ihnen vertrauten kann.“

Dagegen wollte Alex nichts sagen, auch wenn einige dieser „vertrauenswürdigen“ Gestalten aus den Medien nach dem Debakel bei ihrer Hochzeit nicht besonders nett zu ihr gewesen waren. Selbst diejenigen, die sich keine Spitznamen für sie ausdachten oder sie offen beschimpften, hatten sie als ein verwöhntes reiches Mädchen dargestellt, dessen Traum geplatzt war.

Alex wollte kein Mitleid. Sie wollte einfach nur in Ruhe gelassen werden. Deswegen lag ihr auch so viel daran, eine Begleitung für Chloes Hochzeit zu finden – einen gut aussehenden Typen, mit dem sie tanzen konnte, sodass der Rest der Welt sah, dass sie ihr Leben wieder im Griff hatte.

Ihr Fahrer hielt mit den Wagen vor dem Restaurant. „Hey, Chloe, ich muss los. Ich treffe mich mit meinem Bruder zum Lunch.“

„Soll ich meine Mom fragen, ob sie sich um diese Laternen kümmert?“

„Nein, schon okay, ich mache das.“ Alex verabschiedete sich von Chloe, nahm ihre Handtasche und stieg aus dem Auto. Ihr Bruder wartete gleich hinter der Eingangstür des Restaurants auf sie. „Hey, Großer“, sagte sie, stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn auf die Wange. Seine dunklen Bartstoppeln fühlten sich kratzig an.

„Mr. Gold, Ihr Tisch ist bereit“, verkündete die Kellnerin.

„Prima.“ Er trat zur Seite, damit Alex vorgehen konnte, und folgte ihr.

Alex schaute streng geradeaus und ignorierte die Anwesenden. Zum Glück war es schon recht später fürs Mittagessen und im Restaurant war nicht mehr viel los. Die Kellnerin blieb vor einem Tisch in der Ecke stehen, und Alex setzte sich mit dem Rücken zu den anderen Gästen.

„Darf ich Ihnen einen Aperitif von unserer Bar anbieten?“, fragte die Kellnerin und reichte ihnen die Speisekarten.

„Ich nehme einen Rosé“, sagte Alex.

„Für mich bitte auch.“

Daniel legte die Hände auf den Tisch und blickte sie aus seinen durchdringenden blauen Augen direkt und hochkonzentriert an. Das ganze letzte Jahr über war das seine Vorgehensweise gewesen – er lud sie zum Lunch ein, fragte sie aus, wie es ihr ging, und berichtete ihren Eltern alles. Ihr Dad machte sich Sorgen um sie. Ihre Mom war enttäuscht.

„Also. Erzähl mal, was gibt’s Neues?“, sagte er schließlich.

„Auf der Arbeit ist es superstressig. Ich weiß, draußen hat es ungefähr eine Million Grad, doch bei uns geht es schon wieder auf die Feiertage zu. Für ein paar Firmenevents muss ich den Blumenschmuck entwerfen. Und natürlich für Hochzeiten.“

Er griff nach ihrer Hand und tätschelte sie sanft. „Gut. Es tut gut, beschäftigt zu sein. Aber ich wünschte, du müsstest weniger Hochzeiten machen.“

„Das ist Berufsrisiko.“

Die Getränke kamen, und Alex nahm einen großen Schluck vom kühlen, frischen Wein. Das war genau das, was sie gebraucht hatte.

„Wie sehr hilfst du Chloe?“, fragte er.

„Ziemlich viel. De facto bin ich ihre Hochzeitsplanerin.“

„Und mit wem gehst du zur Hochzeit?“

Alex schlug die Speisekarte auf und studierte sie, obwohl sie schon wusste, was sie bestellen würde: Salat mit Hühnchen und Avocado. „Momentan mit niemandem. Ich bin noch auf der Suche.“

„Wie genau suchst du?“

„Ich habe zwei Optionen, eine Dating-App oder Bekannte von Bekannten.“

„Du versuchst es wirklich mit Online-Dating? Die Vorstellung gefällt mir nicht. Was, wenn du dich mit jemandem triffst, der sich als totaler Widerling herausstellt? Ich will nicht, dass dir noch mal jemand so wehtut. Das lasse ich nicht zu.“

Daniel war schon immer ihr Beschützer gewesen, Alex fand, das war ein sympathischer Charakterzug. Außerdem fühlte er sich verantwortlich für das, was mit ihrem Verlobten passiert war. Er hatte ihn ihr vorgestellt.

„So ist das nun mal in der modernen Datinglandschaft. Wenn ich das nicht mache, muss ich warten, bis Freunde mich verkuppeln, und bisher hat noch niemand jemanden gefunden, der sich mit mir zeigen will.“

„Ich würde anbieten, mitzukommen, allerdings habe ich vorher ein wichtiges Meeting in London und wollte das ganze Wochenende bleiben. Früher zurückzukommen, wird höllisch anstrengend, doch für dich würde ich es versuchen.“

Gerade wollte Alex widersprechen, da wurde ihr Essen gebracht, also musste sie kurz warten.

„Das ist lieb von dir, aber nein danke. Mit meinem Bruder hingehen? Da bin ich alleine besser dran. Nichts für ungut.“

Er atmete tief aus und lehnte sich zurück. Seine Lippen waren geschürzt und die Stirn gerunzelt, als versuchte er, ein kompliziertes Rätsel zu lösen. Es fühlte sich grässlich an, für andere ein Problem zu sein, das gelöst werden musste.

„Du brauchst jemanden, der dich schon kennt. Jemanden, dem du vertrauen kannst. Dem ich vertrauen kann.“ Plötzlich entspannten sich seine Gesichtszüge. „Warte mal. Was ist mit Ryder? Er wäre perfekt.“

„Was? Nein. Ryder? Wirklich? Nein. Der will bestimmt nicht mit mir auf eine Hochzeit gehen.“ Ein nervöses Kichern entwich ihr. Sie leerte ihr Weinglas. Weshalb schwitzte sie plötzlich? Wieso schlug ihr Herz so schnell?

„Warum nicht?“

Weil Ryder Carson meine einzige Schwäche ist. Weil er der Typ ist, den ich seit über zehn Jahren mehr als alles andere will. Weil er dein bester Freund und dein Businesspartner ist. Weil ich vor fünf Monaten einmal mit ihm geschlafen habe und mir nicht sicher bin, ob sich mein Stolz jemals davon erholen wird.

„Ich weiß nicht. Er wirkt nicht wie der Typ dafür.“

„Da solltest du keine voreiligen Schlüsse ziehen. Wir fragen ihn einfach.“ Ihr Bruder packte ihren Arm. „Oh mein Gott, mir ist gerade etwas eingefallen. Ryder ist wirklich perfekt.“

„Perfekt? Oh nein. Ich weiß nicht, wovon du redest, aber du solltest besser damit aufhören.“ Alex hob drohend ihren Zeigefinger. „Egal, was es ist.“

„Ryder und ich versuchen schon länger, Geoffrey Burnett, Chloes Onkel, als Kunden zu gewinnen. Ich bin mir sicher, dass er auf die Hochzeit kommt. Wenn Ryder ihn dort in entspannter Atmosphäre antrifft, könnte das die perfekte Gelegenheit sein, Geoffrey endlich zu einem Meeting zu überreden. Dann können wir unseren Pitch vortragen und den Deal abschließen.“

Am liebsten hätte Alex einen Spruch darüber gemacht, dass es ihr nichts ausmachen würde, mit Ryder noch einen anderen Deal abzuschließen. Aber nein. Das alles war eine sehr schlechte Idee. Sie konnte nur eine gewisse Menge an Demütigung ertragen, egal ob öffentlich oder heimlich. Gab es etwas Schlimmeres, als wenn der Mann, den man immer gewollt hat, einem die Tür vor der Nase zuschlug?

„Du willst deine Schwester benutzen, um ein Geschäft abzuschließen?“

„Wenn unsere Architekturfirma den Zuschlag für die neueste Gewerbeimmobilie von Geoffrey Burnett ergattert, sind wir für die nächsten Jahre gut aufgestellt. Wir könnten ein größeres Büro kaufen. Mehr Leute anstellen. Und noch wichtiger: Wenn wir den Auftrag kriegen, bekommt ihn die Konkurrenz nicht.“ Der Ausdruck in seinen Augen wurde sanfter. „Aber es geht nicht nur darum. Ich will dich und deine Gefühle beschützen. Ich kann darauf vertrauen, dass Ryder dich nicht verletzt, weil er dir nie im Leben irgendwelche romantischen Avancen machen würde. Das ist für alle Beteiligten das beste Szenario.“

Alex räusperte sich. Ihr Bruder kannte Ryder ganz offensichtlich nicht so gut, wie er glaubte.

„Hast du was gesagt?“, fragte er.

„Nichts. Ich halte das nur für einen absurden Plan.“ Einen schrecklichen Plan. Einen absolut lächerlichen Plan.

„Ich dachte, du magst Ryder. Du magst ihn doch, oder?“

Alex schloss die Augen und hoffte, dass sie nicht in die Hölle kam, weil sie ihren Bruder anlügen musste. „Er ist schon in Ordnung.“

Ryder Carson saß in seinem Büro am Schreibtisch und versuchte, sich auf die Baupläne zu konzentrieren, die ihm so große Probleme machten. Es war der Entwurf für einen Bürokomplex auf Long Island, ein Projekt, das ihm normalerweise keine Schwierigkeiten bereiten sollte. Diesmal jedoch liefen die Dinge nicht nach Plan.

Der Kunde hatte eine lange Liste mit umfänglichen Änderungswünschen vorgelegt, die er keinem seiner angestellten Architekten überlassen konnte. Hier war sein ganzes Know-how für Problemlösung gefragt, und obwohl Ryder Herausforderungen liebte, wurmte es ihn, dass sein erster Entwurf nicht ausgereicht hatte.

Er versuchte stets, schon beim ersten Versuch alles zu geben und Perfektion abzuliefern. Das Leben war leichter, wenn man nicht ständig Probleme lösen musste.

Allmählich bekam er Kopfschmerzen, doch da hörte er eine Stimme, bei der er sofort von den Entwürfen aufblickte.

„Daniel, das ist eine alberne Idee. Vergiss es einfach. Ich muss zurück zur Arbeit.“

Als ihm klar wurde, zu wem diese Stimme gehörte, überkam ihn kalte Panik. Es war Alex Gold, die Schwester seines Businesspartners Daniel. Sein Herz begann heftig zu schlagen. Seine Handflächen wurden feucht.

Seit März hatte er Alex nicht mehr gesehen – seit sie miteinander geschlafen hatten. Davon wusste niemand. Niemand. Und es gab einen guten Grund dafür. Alex’ Bruder war mehr als nur sein Businesspartner, er war sein bester Freund. Und der Erfolg von Gold and Carson, ihrem Architekturbüro, beruhte auf der festen Vertrauensbasis zwischen Daniel und ihm. Genau das war der Grund, wieso er so verdammt nervös wurde, wenn es um Alex ging. Ihre gemeinsame Nacht hatte so geendet, dass er sich aus ihrem Apartment geschlichen hatte, während sie schlief.

„Es dauert nicht lang, versprochen“, sagte Daniel auf dem Flur. „Klopf, klopf!“ Sein Freund steckte den Kopf zur Tür herein. „Hast du eine Minute?“

Ryders Magen machte einen Salto. „Bist du allein?“ Er war sich ziemlich sicher, dass er die Antwort bereits kannte, aber er wollte etwas Zeit schinden, bevor er der Frau gegenübertreten musste, die jedes Recht hatte, unglaublich wütend auf ihn zu sein.

„Nein. Alex ist auch hier.“ Daniel winkte sie herein.

Das Kinn hoch erhoben spazierte Alex ins Büro, und sofort schlug ihm das Herz bis zum Hals. Sie trug ein ärmelloses schwarzes Kleid, das ihren kurvigen Körper umschmeichelte. Er konnte kaum glauben, dass er sie tatsächlich hatte berühren dürfen. Sie war so tabu für ihn, wie eine Frau es nur sein konnte – die Schwester seines besten Freundes und Geschäftspartners. Die geliebte Tochter des Mannes, der ihm und Daniel das Startkapital für ihr Architekturbüro zur Verfügung gestellt hatte. Er durfte Alex nicht anrühren, doch er hatte es getan, und wie! Niemand durfte jemals davon erfahren.

„Alex“, brachte er hervor und stand auf. „Hi.“

Sie ließ sich auf einen der Sessel auf der anderen Seite seines Schreibtischs fallen und schlug die Beine übereinander. Ein verlockender Anblick – ihre gebräunten Unterschenkel, die hübschen Knöchel …

„Ryder“, sagte sie und rang sich ein Lächeln ab.

Ihre dunkelbraunen Augen glühten mit einer schwer zu beschreibenden Intensität. Das Erste, was ihm dazu einfiel, war „feurig“. Als ob sie ihn, ohne zu zögern, in Brand setzen würde, wenn er ihr die Chance gäbe. Das war nicht die Alex, die er kannte. Sie war eigentlich eine liebevolle und freundliche Frau. Noch nie zuvor hatte sie ihn angeschaut, als würde sie ihn am liebsten in Stücke reißen.

„Schön, dich zu sehen, Alex. Was bringt euch zu mir?“

„Ich glaube, ich habe einen Weg gefunden, wie wir unser Problem mit Geoffrey Burnett lösen können und gleichzeitig Alex aus der Klemme helfen.“ Daniel trat näher und stellte sich neben seinen Schreibtisch.

Alex schüttelte voller Missfallen den Kopf. „Es ist eine blöde Idee. Ich bin sicher, das wirst du auch so sehen.“

Ryder war sich nicht so sicher, egal, was es sein sollte, aber Alex’ aggressiver Tonfall war nicht zu überhören. Offensichtlich war sie genauso wütend, wie er befürchtet hatte. Trotzdem wollte er wissen, was die beiden vorschlagen würden.

„Wenn die Chance besteht, dass wir Burnett als Kunden gewinnen können, dann bin ich ganz Ohr.“

„Also, Folgendes“, begann Daniel, „Alex sucht verzweifelt nach einem Date.“

„Daniel“, fauchte sie. „Musst du es unbedingt so ausdrücken?“

„Oh, sorry. Alex braucht ein Date. Dringend.“

„Hey. Bei deiner Idee geht es nicht nur um mich.“ Sie gestikulierte in Richtung ihres Bruders. „Du hast selbst gesagt, dass du die Gelegenheit für deinen großen Deal nutzen willst. Ich bin mir sicher, euch beiden ist das wichtiger als alles andere.“

Ryder war es tatsächlich wichtig, den Deal mit Geoffrey Burnett abzuschließen, aber ihm erschloss sich nicht, wie diese zwei Konzepte miteinander in Verbindung standen. „Ein Date?“

„Ja. Für Chloe Burnetts Hochzeit“, erklärte Daniel. „Alex fürchtet, wenn sie keine Begleitung findet, wird sich die Presse darauf stürzen und wieder grausame Schlagzeilen über sie bringen.“

„Das hört sich an, als wäre ich ein zartes Prinzesschen, Daniel, und das stimmt nicht. Ich will einfach nicht ständig beschossen werden. Mein Leben wäre sehr viel angenehmer, wenn die Medien mich in Ruhe ließen.“

„Und für diesen Job hast du an mich gedacht?“, fragte Ryder verwundert.

„Ja. Das ist doch offensichtlich, oder? Ich bin zu der Zeit in London, also kann ich nicht mitkommen“, sagte Daniel.

„Was er nicht erwähnt hat, ist, dass ich nicht mit meinem Bruder hingehe“, warf Alex ein. „Das würde nicht das gewünschte Ergebnis liefern.“

„Aha. Und ich bin dir zu langweilig. Habe ich das auch vergessen zu erwähnen?“ Daniels Stimme troff nur so vor Sarkasmus. „Aber ich dachte mir, dass wir mit Geoffrey Burnett eine echte Chance haben könnten, wenn du es schaffst, in einer entspannten Umgebung unter vier Augen mit ihm zu sprechen. Außerdem kann ich darauf vertrauen, dass nichts passiert, wenn Alex mit dir geht.“

„Ja. Natürlich. Schließlich ist sie Alex.“ Und du glaubst, dass ich sie niemals anrühren würde. Aber das habe ich längst getan.

„Ganz genau. Keine romantischen Verwicklungen“, fuhr Daniel fort, als wäre das eine weithin bekannte Tatsache. „Denn du weißt ja, dass ich dich dafür umbringen würde. Unsere Freundschaft wäre vorbei. Und unsere geschäftliche Partnerschaft auch.“

„Hauptsächlich, weil du tot wärst“, warf Alex schnippisch ein.

„Ihr seid mir einfach beide zu wichtig“, entgegnete Daniel in ernstem Tonfall.

Ryder atmete tief durch und warf einen Blick zu Alex, dann zu Daniel, dann wieder zu Alex. Ein Fehler – es war beinahe unmöglich, den Blick von ihr zu lösen. Er kannte sie schon ewig. Sie verstanden sich gut. Jahrelang hatten sie eine sehr entspannte Freundschaft geführt. Bis letztes Jahr hatte er kaum auf romantische Art an sie gedacht, bis sie ihn auf Daniels Silvesterparty geküsst hatte. Vorher hatte er seinen Gedanken niemals erlaubt, in diese Richtung zu schweifen – aus genau den Gründen, die Daniel gerade genannt hatte.

Dieser Kuss hatte alles verändert, der Damm war gebrochen. Deshalb hatte er sich sofort danach seinen Mantel geschnappt und so schnell er konnte Daniels Apartment verlassen. Bevor er noch etwas Dummes tat. Etwas, das sein Leben ruinieren könnte.

Aber dann, im März, war er Alex bei einer Benefiz-Veranstaltung wiederbegegnet. Daniel hatte sie nicht begleitet, er war nicht mal in der Stadt, um genau zu sein. Und das Wichtigste: Alex hatte himmlisch ausgesehen. Sie war witzig und charmant und so verdammt sexy, dass er kaum einen klaren Gedanken fassen konnte. An jenem Abend hatten sie der Versuchung nachgegeben.

Das verfolgte ihn noch immer. Für Alex hatte er unzweifelhaft eine Schwäche. Das hatte er kürzlich herausgefunden, als sie es darauf angelegt hatte. Handelte er sich nichts als Ärger ein, wenn er diesem Plan jetzt zustimmte?

„Was genau würde das beinhalten?“

„Du musst einfach nur dein Bestes geben, so viel Zeit wie möglich mit Geoffrey Burnett zu verbringen.“ Daniel wandte sich seiner Schwester zu. „Alex ist beim Probedinner, bei der Trauung und beim Empfang dabei, also wirst du reichlich Gelegenheiten haben, mit ihm zu sprechen.“

Das hatte er mit seiner Frage nicht gemeint, vermutlich musste er einfach zwei Gespräche führen, eins mit Daniel übers Geschäftliche und ein privates mit Alex.

„Das kann ich machen.“ Small Talk war nicht gerade seine Stärke, aber seiner Erfahrung nach liebten Immobilienunternehmer es, über ihre Projekte und die Pläne dafür zu reden. Und über das Thema konnte er sich stundenlang unterhalten. „Wahrscheinlich hast du recht. Das könnte uns den entscheidenden Vorteil gegenüber den anderen Firmen bringen, die sich ebenfalls auf das Projekt bewerben.“

Das wäre also abgehakt. Nun zum nächsten Thema. „Ich finde, wir sollten hören, was Alex sich von diesem Szenario verspricht. Das ist wichtiger als die geschäftliche Seite der Dinge.“ Ryder schaute Alex an, und in ihrem Blick blitzte für einen Moment etwas von der Frau auf, die ihn mit ihrer Zärtlichkeit und Verletzlichkeit verführt hatte. Das machte ihm Angst, doch es rührte auch so stark an seinem Herzen wie nichts jemals zuvor. Es tat ihm so leid, was sie im letzten Jahr alles hatte durchmachen müssen. Wenn er ihr helfen konnte, indem er mit ihr auf diese Hochzeit ging, würde er es tun.

„Danke, dass du mir bei dieser Aktion überhaupt Beachtung schenkst“, sagte Alex und warf einen genervten Blick zu ihrem Bruder. Dann wandte sie sich wieder ihm zu. „Du wirst drei Tage lang so tun müssen, als würdest du mich mögen. Als wären wir in einer Beziehung.“

„Aber nichts zu Übertriebenes“, warf Daniel ein.

„Lässt du mich ausreden?“, bat Alex. „Ich will, dass du treu, aber unauffällig an meiner Seite bleibst. Ein gut aussehender Typ, der mit mir Händchen hält und mir einen Drink besorgt, aber nicht zu viel Aufmerksamkeit erregt.“

Ryder musste ein Lächeln unterdrücken. Es tat gut zu wissen, dass sie ihn gut aussehend fand. „Das schaffe ich.“

„Seht ihr? Die Idee ist perfekt.“ Daniels Handy klingelte, und er zog es aus der Hosentasche. „Ich muss los. Ihr beide könnt die Details klären, oder?“

„Ja, so viel kriegen wir gerade noch alleine hin.“ Alex stand auf und umarmte ihren Bruder zum Abschied. „Danke für das Mittagessen. Und danke, dass du immer zu mir hältst.“

„Ist doch klar.“

Schon oft hatte Ryder bemerkt, wie liebevoll die beiden miteinander umgingen. Das war einer der Gründe dafür, wieso er in Alex nie mehr als eine Freundin gesehen hatte. Er selbst war ein Einzelkind und kannte diese Art von Beziehung nicht. Aber so, wie es aussah, entging ihm da etwas sehr Schönes.

Daniel verabschiedete sich und ließ Alex und ihn allein. Die Tür zu seinem Büro blieb zwar offen, dennoch fühlte Ryder sich wie unter Strom.

„Damit hatte ich nicht gerechnet.“

„Ich auch nicht.“ Alex seufzte und betrachtete ihn, scheinbar voller Zweifel. „Du kannst Nein sagen. Es ist noch nicht zu spät, einen Rückzieher zu machen.“