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Pflegefachpersonen, Familiengesundheitspflegende, Hebammen und Therapieberufe benötigen für die familienzentrierte Arbeit systemisches, evidenzbasiertes und praktisches Wissen und besondere Fertigkeiten, um Familien und Familiensysteme gekonnt einschätzen, beraten und unterstützen zu können. Dieses Wissen und die grundlegenden und erweiterten Fertigkeiten vermitteln die kanadischen Autorinnen in ihrem international herausragenden Praxishandbuch. Sie •stellen das Calgary Familien-Assessment und Familien-Interventions-Modell im Überblick und mit seinen theoretischen Grundlagen dar •beschreiben die Fähigkeiten für ein pflegerisches Familiengespräch •erläutern, in welchen Phasen Familiengespräche verlaufen, wie sie vorbereitet, geführt und abgeschlossen werden •zeigen auf, wie Fragen formuliert und welche Fehler vermieden werden können •bieten zahlreiche Fallbeispiele aus der familienzentrierten Praxis und stellen anschaulich dar, wie man Familiengespräche und Familiensysteme mit Genogrammen dokumentiert, visualisiert und analysiert •erklären, wie man mit familienrelevanten Erkrankungen und Ereignissen, wie Adipositas und Adoption umgeht •beschreiben Haltungen, Interventionen, Instrumente und Richtlinien der familienzentrierten Pflege Die dritte Auflage wurde vollständig aktualisiert, adaptiert, überarbeitet und erweitert um •ein neues Kapitel zur Entwicklung tiefergehender familienzentrierter Pflegefertigkeiten inklusive neuer und komplexerer Genogramme •neue evidenzbasierte Informationen und Infoboxen zum Calgary Familien-Assessment- und Interventions-Modell •Beispiele, wie man in der Arbeit mit einem Individuum auch dessen Familie "im Raum" präsent werden lässt •Tipps und Mikro-Skills zum Interview von Familien alter Menschen •Beschreibungen von sich rasch verändernden demografischen -Mustern in Nordamerika und deutschsprachigen Ländern •Anleitungen zum besseren Umgang mit Familien in komplexen -Problemsituationen •aktuelle deutschsprachige Literatur und Links. Wer Familien in dem Mittelpunkt seiner praktischen Arbeit stellen möchte, liegt mit Wright & Leaheys familienzentrierter Pflege goldrichtig.
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Seitenzahl: 727
Veröffentlichungsjahr: 2020
Lorraine M. Wright
Maureen Leahey
Zahra Shajani
Diana Snell
Familienzentrierte Pflege
Lehrbuch für Familien-Assessment und Interventionen
3., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage
Aus dem kanadischen Englisch von Heide Börger
Deutschsprachige Ausgabe herausgegeben von Barbara Preusse-Bleuler
Familienzentrierte Pflege
Lorraine M. Wright, Maureen Leahey, Zahra Shajani, Diana Snell
Wissenschaftlicher Beirat Programmbereich Pflege:
Jürgen Osterbrink, Salzburg; Doris Schaeffer, Bielefeld;
Christine Sowinski, Köln; Franz Wagner, Berlin; Angelika Zegelin, Dortmund
Lorraine M. Wright RN PhD, Prof. em. für Pflege an der University Calgary, Calgary, Alberta, Kanada.
Maureen Leahey RN, PhD, Ex-Managerin am Mental Health Outpatient Program und Direktorin des Familientherapie-Trainingprogramms, Calgary Health Region; Adjunct Associate em. Professorin an der Fakultät für Pflege und Medizin (Psychiatrie), University of Calgary, Calgary, Alberta, Kanada.
Zahra Shajani RN, MPH, EdD (c), CCHN (c), Canadian Certified Nurse Educator (CCNE), Senior Instructor, Associate Dean of Undergraduate Practice Education, Faculty of Nursing, University of Calgary, Calgary, Alberta, Kanada.
Diana Snell RN, MN, Instructor, Faculty of Nursing, University of Calgary, Calgary, Alberta, Kanada.
Internet: www.familynursingressources.com
Barbara Preusse-Bleuler (Hrsg. d. deutschsprachigen Ausgabe) Pflegefachfrau, MNS, Dozentin an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) für Familienzentrierte Pflege in Praxis, Forschung und Lehre.
E-Mail: [email protected]
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Hogrefe AG
Lektorat Pflege
z. Hd. Jürgen Georg
Länggass-Strasse 76
3012 Bern
Schweiz
Tel. +41 31 300 45 00
www.hogrefe.ch
Lektorat: Jürgen Georg, Lena-Marie Klose, Martina Kasper, Julien Lehmann
Bearbeitung: Barbara Preusse-Bleuler
Herstellung: Daniel Berger
Umschlagabbildung: Jürgen Georg, Schüpfen
Umschlag: Claude Borer, Riehen
Illustration/Fotos (Innenteil): Jürgen Georg, Schüpfen, Barbara Preusse-Bleuler
Satz: Claudia Wild, Konstanz
Das vorliegende Buch ist eine Übersetzung aus dem kanadischen Englisch. Der Originaltitel lautet „Nurses and Families“ von Lorraine M. Wright, Maureen Leahey, Zahra Shajani und Diana Snell
Format: EPUB
© 2019. By F.A. Davis Company, Philadelphia
3., vollst. überarb. u. erw. Auflage 2021
© 2021 Hogrefe Verlag, Bern
© 2009/2014 Verlag Hans Huber, Hogrefe AG, Bern
(E-Book-ISBN_PDF 978-3-456-96075-3)
(E-Book-ISBN_EPUB 978-3-456-76075-9)
ISBN 978-3-456-86075-6
http://doi.org/10.1024/86075-000
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Für meine liebe Freundin und Kollegin Dr. Janice M. Bell, die mich unermüdlich angespornt und unterstützt hat.
Lorraine M. Wright
Für meine Nichten und Neffen, Laura, Mike, Robert, Elena und Kathy und deren Familien – für ihre Liebe zum Leben und zu ihrer Verwandtschaft.
Maureen Leahey
Für die nächste Generation, die mein Leben mit Freude erfüllt und mich wieder mit den einfachen Freuden des Lebens in Kontakt gebracht hat: meine Großneffen, Spencer J. Wright und Gavin M. Wright und meine „Großnichten“ aus Freundschaft, Marika S. Wolfert und Annika M. Wolfert.
Lorraine M. Wright
Für meine Schwiegermutter, Greta M. Dow, die mich stets unterstützt und die Erfolge ihrer Familie begeistert verfolgt hat.
Maureen Leahey
Widmung
Geleitwort des Bundesgeschäftsführers des Deutschen Berufsverbandes für Pflegeberufe DBfK
Geleitwort
Vorwort der Herausgeberin der deutschsprachigen Ausgabe
Dank
Danksagung
Einleitung
1 Familien-Assessment und Familien-Interventionen: Ein Überblick
1.1 Die Entwicklung der familienzentrierten Pflege
1.2 Die Ebenen der familienzentrierten Pflegepraxis: Die Generalistinnen und die Spezialistinnen
1.3 Das Calgary Familien-Assessment-Modell: Ein multidimensionales Konzept
1.4 Indikationen und Kontraindikationen für ein Familien-Assessment
1.5 Das Calgary Familien-Interventions-Modell: Ein strukturierendes Konzept
1.6 Pflegeinterventionen: Eine grundlegende Diskussion
1.6.1 Definition einer Pflegeintervention
1.6.2 Kontext einer Pflegeintervention
1.6.3 Die Ziele von Pflegeinterventionen
1.7 Pflegeinterventionen für Familien: Spezifische Aspekte
1.7.1 Interventionen für Familien
1.7.2 Familien-Interaktionen
1.7.3 Hausbesuche
1.7.4 Therapeutische Gespräche
1.7.5 Psycho-soziale/psycho-edukative Interventionen
1.7.6 Internet-basierte Interventionen
1.7.7 Gesundheitsförderung von Familien
1.7.8 Reaktionen von Familien auf Interventionen
1.8 Indikationen und Kontraindikationen für Familien-Interventionen
2 Das Calgary Familien-Assessment-Modell und das Calgary Familien-Interventions-Modell: Theoretische Grundlagen
2.1 Die Postmoderne
2.1.1 Konzept 1
2.1.2 Konzept 2
2.2 Die Systemtheorie
2.2.1 Konzept 1
2.2.2 Konzept 2
2.2.3 Konzept 3
2.2.4 Konzept 4
2.2.5 Konzept 5
2.3 Die Kybernetik
2.3.1 Konzept 1
2.3.2 Konzept 2
2.4 Die Kommunikationstheorie
2.4.1 Konzept 1
2.4.2 Konzept 2
2.4.3 Konzept 3
2.4.4 Konzept 4
2.5 Die Veränderungstheorie
2.5.1 Veränderungen ersten Grades
2.5.2 Veränderungen zweiten Grades
2.5.3 Konzept 1
2.5.4 Konzept 2
2.5.5 Konzept 3
2.5.6 Konzept 4
2.5.7 Konzept 5
2.5.8 Konzept 6
2.5.9 Konzept 7
2.5.10 Konzept 8
2.5.11 Konzept 9
2.6 Die Biologie der Erkenntnistheorie
2.6.1 Konzept 1
2.6.2 Konzept 2
3 Das Calgary Familien-Assessment-Modell
3.1 Strukturelles Assessment
3.1.1 Interne Struktur
3.1.2 Externe Struktur
3.1.3 Kontext
3.1.4 Die Instrumente für das strukturelle Assessment
3.2 Assessment der Entwicklung
3.2.1 Das Leben einer nordamerikanischen Mittelschichtfamilie
3.2.2 Der Familienlebenszyklus während und nach der Scheidung
3.2.3 Der Lebenszyklus der wiederverheirateten Familie
3.2.4 Der Lebenszyklus von Familien mit geringem Einkommen im Vergleich zu gut ausgebildeten Familien
3.2.5 Der Familienlebenszyklus bei Adoptionen
3.2.6 Der Familienlebenszyklus von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, „Queers“, Intersexuellen, Transsexuellen und „Twin-spirited“
3.3 Funktionales Assessment
3.3.1 Instrumentelle Funktion
3.3.2 Expressive Funktion
4 Das Calgary Familien-Interventions-Modell
4.1 Definition und Beschreibung des CFIM
4.2 Interventionsorientierte Fragen
4.2.1 Lineare versus zirkuläre Fragen
4.2.2 Weitere Beispiele für Interventionen
4.3 Interventionen zur Veränderung des kognitiven Bereichs der Familienfunktion
4.3.1 Die Stärken der Familie und der einzelnen Familienmitglieder anerkennen
4.3.2 Informationen und Meinungen anbieten
4.4 Interventionen zur Veränderung des affektiven Bereichs der Familienfunktion
4.4.1 Emotionale Reaktionen validieren oder normalisieren
4.4.2 Familienmitglieder ermutigen, ihre Erkrankungsgeschichte zu erzählen
4.4.3 Unterstützung durch die Familie mobilisieren
4.5 Interventionen zur Veränderung des verhaltensbezogenen Bereichs der Familienfunktion
4.5.1 Familienmitglieder ermutigen, die Rolle der pflegenden Angehörigen zu übernehmen und Unterstützung anbieten
4.5.2 Familienmitglieder ermutigen, sich Erholungspausen zu gönnen
4.5.3 Rituale entwickeln
4.6 Fallbeispiele aus der klinischen Praxis
4.6.1 Klinisches Fallbeispiel 1
4.6.2 Klinisches Fallbeispiel 2
4.6.3 Klinisches Fallbeispiel 3
4.6.4 Klinisches Fallbeispiel 4
5 Pflegerische Familiengespräche: Die Phasen, Fähigkeiten und Fertigkeit
5.1 Die Phasen des Familienkontakts
5.2 Die Arten der Fähigkeiten und Fertigkeiten
5.3 Ausbildung in familienzentrierter Pflege
5.3.1 Die Pflegeausbildung in Bachelor- und Master-Studiengängen
5.3.2 Examinierte Pflegefachpersonen und Pflegeexpertinnen/Advanced Practice Nurses
6 Vorbereitung auf das Familiengespräch
6.1 Anmerkungen zur Beziehung zwischen Pflegefachpersonen und Familien
6.2 Hypothesenbildung
6.2.1 Entwicklung von Hypothesen
6.3 Verschiedene Gesprächsumfelder
6.3.1 Häusliche Umgebung
6.3.2 Büro, Krankenhaus oder eine andere Umgebung am Arbeitsplatz
6.3.3 Optimale Nutzung der Umgebung am Arbeitsplatz
6.4 Teilnahme am Gespräch
6.5 Der erste Kontakt mit der Familie
6.5.1 Terminvereinbarung
6.6 Widerstand und mangelnde Kooperationsbereitschaft (Noncompliance)
6.6.1 Umgang mit einem zögernden Familienmitglied
7 Familiengespräche führen
7.1 Leitlinien für Familiengespräche
7.1.1 Beziehungsaufbau
7.1.2 Assessment
7.2 Ein Fallbeispiel aus der klinischen Praxis
7.2.1 Vorbereitung des Gesprächs
7.2.2 Die Entwicklung von Hypothesen
7.2.3 Absprachen
7.2.4 Gespräch
7.2.5 Assessment
7.2.6 Intervention
8 Die Anwendung von Fragen in einem Familiengespräch
8.1 Fragen und Kontext
8.1.1 Einbeziehung aller Familienmitglieder und Fokussierung des Gesprächs
8.1.2 Fragen, die helfen, die Auswirkungen des Problems/der Erkrankung auf die Familie einzuschätzen
8.1.3 Fragen, die problemlösungsorientierte Fähigkeiten, Bewältigungsstrategien und Stärken zutage fördern
8.1.4 Fragen, die als Interventionen dienen und Veränderungen ermöglichen
8.1.5 Fragen, die auf Feedback über die Familiensitzung abzielen
9 Ein 15-minütiges (oder kürzeres) Familiengespräch führen
9.1 Schlüsselelemente
9.1.1 Schlüsselelement 1: Familienzentrierte Gespräche
9.1.2 Schlüsselelement 2: Umgangsformen
9.1.3 Schlüsselelement 3: Familiengenogramme und Ökogramme
9.1.4 Schlüsselelement 4: Familienzentrierte Fragen
9.1.5 Schlüsselelement 5: Die Stärken der Familie und einzelner Familienmitglieder anerkennen
9.2 Der Einbezug einer Familie in die Pflegepraxis – ein persönliches Erlebnis
10 Grundlegende und fortgeschrittene Fähigkeiten im Bereich der familienzentrierten Pflege
10.1 Die für die familienzentrierte Pflege relevanten Fähigkeiten in Abhängigkeit vom Kontext
10.2 Von grundlegenden zu fortgeschrittenen Fähigkeiten
10.2.1 Ausbildung
10.2.2 Erfahrung
10.2.3 Die Dauer der Berufserfahrung
10.2.4 Reflektierte Praxis
10.3 Beispiel Nr. 1 aus der klinischen Praxis: Gespräche mit den Familien älterer Menschen, die ins Pflegeheim übertreten
10.3.1 Situation, Zusammensetzung der Familie und Zweck des Gesprächs
10.4 Beispiel Nr. 2 aus der klinischen Praxis: Ein Gespräch mit einem Familienmitglied führen, um die Einstellung der Familien gegenüber einer chronischen Erkrankung zu ermitteln
10.4.1 Setting, Zusammensetzung der Familie und Zweck des Gesprächs
10.4.2 Anmerkungen
10.4.3 Anmerkungen
10.4.4 Anmerkungen
10.4.5 Anmerkungen
10.4.6 Anmerkungen
11 Die Vermeidung der drei häufigsten Fehler in der familienzentrierten Pflege
11.1 Fehler Nr. 1
11.1.1 Wie man sich vor diesem Versäumnis schützen kann
11.1.2 Ein Beispiel aus der klinischen Praxis
11.2 Fehler Nr. 2
11.2.1 Wie man sich vor diesem Fehler schützen kann
11.2.2 Zwei Beispiele aus der klinischen Praxis
11.3 Fehler Nr. 3
11.3.1 Wie man sich vor diesem Fehler schützen kann
11.3.2 Zwei Beispiele aus der klinischen Praxis
12 Der Abschluss des Familienkontakts
12.1 Der von der Familie initiierte Abschluss
12.2 Der kontextbedingte Abschluss
12.3 Stufenweise Reduzierung der Sitzungen und Abschluss der Behandlung
12.3.1 Überprüfung des Vertrags
12.3.2 Anerkennung für Veränderungen
12.3.3 Evaluation des Familiengesprächs
12.3.4 Fortsetzung der Unterstützung anbieten
12.3.5 Abschließende Briefe
12.4 Überweisung an andere Fachleute
12.4.1 Vorbereitung der Familien
12.4.2 Treffen mit dem neuen Experten
12.4.3 Abgrenzung der Zuständigkeitsbereiche
12.4.4 Übergabe an eine andere Pflegefachperson
12.4.5 Behandlungserfolge in der familienzentrierten Pflege
13 Der ganze Prozess
13.1 Fallbeispiel: Die Familie O’Shanell
13.2 Beziehungsaufbau
13.3 Assessment
13.3.1 Identifizierung des Problems
13.3.2 Zusammenhang zwischen Familieninteraktionen und Gesundheitsproblem
13.3.3 Problemlösungsversuche
13.3.4 Darstellung der Ziele
13.4 Interventionen
13.5 Abschluss
13.6 Zusammenfassung
Deutschsprachige Literatur zum Thema „Familie“
Familiengesundheitspflege im Hogrefe Verlag
Autorinnenverzeichnis
Sachwortverzeichnis
Franz Wagner
Familien – ein Auslaufmodell! Lange Zeit schien dies unausweichlich. Angesichts der demografischen Entwicklung mit immer höherer Lebenserwartung und immer weniger Geburten scheint das die logische Konsequenz. Vor dem Hintergrund veränderter Lebensentwürfe mit hoher Scheidungsrate, Patchwork-Familien und vor allem immer mehr Single-Haushalten wirkt das Bild der Familie mit Vater, Mutter und zwei Kindern nicht mehr „klassisch“, sondern romantisch verklärt.
Familie – die zentrale Einheit der Gesellschaft und Garantin für Kinderbetreuung, Erziehung und Versorgung der Alten. Dieses Modell steht dem eben beschriebenen konträr gegenüber. Und doch baut darauf immer noch das Funktionieren der Gesellschaft auf. Die jüngsten Diskussionen in Deutschland zur Kindesbetreuung, um Müttern die Berufstätigkeit zu erleichtern, und die teilweise heftigen Reaktionen darauf aus den Reihen konservativer Parteien und der katholischen Kirche zeigen die Spannbreite der gesellschaftspolitischen Diskussion in einem der reichsten Länder der Erde. Nach den Zahlen des Dritten Pflegeberichts ist die Familie unbestritten der „größte Pflegedienst“ Deutschlands. Die Mehrzahl der pflegebedürftigen Menschen wird von Angehörigen betreut. Dieser Prozentsatz nimmt allerdings langsam ab. Die Familie ist unbestritten der Ort, an dem Gesundheitsverhalten gelernt wird. Die Familie wird aber auch gesamtgesellschaftlich mit ihren Aufgaben und Belastungen allein gelassen. Hier hat das „klassische Familienbild“ in der Politik verhindert, dass rechtliche und strukturelle Veränderungen vorgenommen wurden.
Die WHO hat in Gesundheit 21 die Familie eindeutig als wichtiges Setting für Gesundheitsinterventionen identifiziert und empfiehlt in Ziel 15 die Schaffung von Angebotsstrukturen aus Hausärzten und Familiengesundheitspflegenden. Der Arbeit der Familiengesundheitspflegenden liegt ein systemischer Familienansatz zugrunde und sie arbeiten überwiegend präventiv und gesundheitsfördernd. Im Originalkonzept der WHO handelt es sich um ein zugehendes Angebot, das sich gerade an vulnerable Familien richtet. Die Familie wird hier sehr weit definiert, bis hin zur allein lebenden Person mit ihrem sozialen Umfeld.
Auf der Grundlage des WHO-Curriculums zur Qualifizierung hat der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe e. V. (DBfK) in seiner Eigenschaft als WHO-Collaborating Center 2004 ein Modellprojekt zur Implementierung der Familiengesundheitspflege in Deutschland begonnen. Das Projekt ist eingebettet in die multinationale Studie der WHO-EURO zur Familiengesundheitspflege. Ausgehend von der „Münchner Erklärung“ der WHO aus dem Jahr 2000 und dem Konzept Gesundheit 21 bedurfte es langer Überzeugungsarbeit in Deutschland, um die Weichen für das Projekt zu stellen. Vor allem das „zugehende Angebot“ schien mit dem deutschen Gesundheitssystem unvereinbar. Nach einigen Hürden konnte aber auch das Bundesministerium für Gesundheit von der Idee eines Modellprojekts überzeugt werden. Das Ministerium finanziert die wissenschaftliche Begleitung des Projekts durch die Universität Witten, Prof. Dr. Schnepp. Großzügig gefördert wird das Projekt durch die Robert-Bosch-Stiftung. Eine Besonderheit des |16|deutschen Projekts ist, dass auch Hebammen teilnehmen können.
An den beiden Standorten Essen und München begannen im Herbst 2005 zweijährige berufsbegleitende Weiterbildungen. Die Teilnehmer_innen kommen aus den drei Pflegeberufen und auch drei Hebammen sind dabei. Grundlage für die Weiterbildung ist das vom DBfK an deutsche Bedingungen adaptierte WHO-Curriculum. Strukturell lehnt sich die Weiterbildung an Regelungen der Bundesländer zur Weiterbildung in der Pflege an.
Die Akzeptanz der Weiterbildungsteilnehmer_innen im Feld ist groß. Hier finden wir den Beleg, dass der Lebensweltbezug der Pflege und der Vertrauensvorschuss für Pflegefachpersonen und Hebammen viele Türen gerade bei vulnerablen Familien öffnet. Im praktischen Teil der Ausbildung erleben die Teilnehmer_innen den positiven Effekt, den ihre Interventionen haben können. Dies wird als Bereicherung, aber auch als Herausforderung erlebt, da es noch keine Strukturen gibt, in die ihre Qualifikation wirklich eingefügt werden kann.
Erfreulicherweise nimmt gesamtgesellschaftlich die Einsicht zu, dass die Familien nicht mit ihren Problemen allein gelassen werden dürfen. Das ist eine Chance für die Pflege, neue Handlungsfelder zu erschließen und pflegerische Kompetenz gesellschaftlich nutzbar zu machen. In diesem Kontext leistet das vorliegende Buch eine ausgezeichnete konzeptionelle Grundlage für pflegerisches Handeln mit Familien.
Berlin, im Mai 2007
Franz Wagner, MSc
Bundesgeschäftsführer DBfK,
1. Vize-Präsident ICN
Andreas Büscher
Nach einer Definition des WHO-Expertenkomitees zur Pflegepraxis aus dem Jahr 1996 hilft die Pflege Individuen, Familien und Gruppen, ihr physisches, psychisches und soziales Potenzial zu bestimmen und zu erreichen. Dieser seitdem in verschiedenen Zusammenhängen zitierte Satz wartet nach wie vor auf seine Umsetzung in die Realität des pflegerischen und pflegewissenschaftlichen Alltags. Die Bedeutung von Familien bei der Bewältigung von Erkrankung und Pflegebedürftigkeit sowie bei der Herstellung von Gesundheit wird zwar nicht ernsthaft bestritten, spielt jedoch im Versorgungsalltag nur eine untergeordnete Rolle. Ausbildung, Praxis, Studium und Lehre sind nach wie vor in erster Linie damit befasst, pflegerisches Handeln als interaktives Geschehen zwischen einer professionellen Pflegekraft einerseits und einem Patienten, Kunden, Klienten oder Nutzer andererseits zu begreifen. Pflegerische Interventionen sind immer noch vorrangig auf Problemlösung bei Individuen konzentriert. Familienmitglieder spielen bestenfalls eine Rolle, indem sie in die Pflege- und Behandlungsabläufe einbezogen oder integriert werden. Dabei befindet sich die Pflege innerhalb des Sozial- und Gesundheitswesens allerdings in guter Gesellschaft, denn auch in anderen Professionen findet die Bedeutung der Familie keine Entsprechung im Alltagshandeln und in konzeptionellen Überlegungen zur Versorgungsgestaltung.
Die bisherigen Initiativen zur Implementierung einer familienzentrierten Pflege im deutschsprachigen Raum sind bislang relativ überschaubar, dafür aber kontinuierlich. Der Lehrstuhl für familienzentrierte und gemeindenahe Pflege am Institut für Pflegewissenschaft der Universität Witten/Herdecke ist auch mehr als fünf Jahre nach seiner Etablierung im deutschen Sprachraum nach wie vor einzigartig. Allerdings findet sich die familienzentrierte Pflege zunehmend in den Curricula an Universitäten und Fachhochschulen wieder. Diese Entwicklung lässt sich in Deutschland und der Schweiz und erfreulicherweise auch in den noch relativ neuen Studiengängen in Österreich beobachten.
Erfreulich ist ferner, dass mit einiger Verzögerung auch in Deutschland eine Beteiligung an der multinationalen WHO-Studie zur Familiengesundheitspflege erfolgt, über die erste Ergebnisse bereits vorliegen (s. das Geleitwort von Franz Wagner).
In diesem Zusammenhang kann die Veröffentlichung der hier vorliegenden deutschen Übersetzung des Standardwerks „Nurses and Families“ von Wright und Leahey als ein weiterer wichtiger Schritt angesehen werden, der Familienzentrierung in der Pflege den Platz zukommen lässt, der ihr gebührt. Die Inhalte des Buches verdeutlichen eindrücklich das breite Spektrum familienzentrierter Pflegepraxis. Dabei ist sicherlich zu berücksichtigen, dass die familienzentrierte Pflege in den USA und in Kanada eng verknüpft ist mit der Familientherapie, die im deutschen Sprachraum nicht zum Aufgabenfeld der Pflege gehört.
Wichtig ist aber weniger die berufspolitische Ein- und Zuordnung der Familienzentrierung, sondern vielmehr ihr inhaltlicher Gehalt und ihre Bedeutung bei der Unterstützung von Individuen und Familien bei gesundheitlichen Problemen. Das Buch von Wright und Leahey setzt in diesem Zusammenhang verschiedene Maßstäbe. Zum einen verdeutlicht es, dass fa|18|milienzentrierte Pflege einer entsprechenden Aus- und Weiterbildung bedarf. Die Familie als „Kontext der Pflege“ sollte zum Bestandteil der Pflegeausbildung werden. Auf der Ebene „Familie als Subjekt/Fokus der Pflege“ bedarf es einer entsprechenden Qualifizierung und eines entsprechenden Fachwissens für die Anwendung spezifischer Interventionen. Das vorliegende Buch leistet wertvolle Hilfestellung dabei, sich dieses Wissen und diese Fähigkeiten anzueignen. Zum anderen legen Wright und Leahey in ihrem Buch einen Begriff von pflegerischen Interventionen zugrunde, der über das in der Praxis im Allgemeinen vorherrschende Verständnis von Pflegeinterventionen hinausgeht. Hier werden Pflegeinterventionen eingeteilt nach ihrer Intention zur Unterstützung kognitiver, affektiver oder verhaltensbezogener Funktionsweisen der Familie. Gezielte Fragen an die Familie gehören ebenso zu den vorgeschlagenen Interventionen wie positive Bestärkungen der familialen Stärken, Kompetenzen und Ressourcen, die sich im Pflegeprozess offenbaren. Hier lassen sich Parallelen zu der oftmals geforderten stärkeren Berücksichtigung von edukativen und beratenden Kompetenzen in der Pflege ziehen.
Vor die Intervention setzen Wright und Leahey eine umfassende Einschätzung der familiären Situation auf der Grundlage des Calgary Familien-Assessment-Modells. Die Auseinandersetzung mit diesem Modell vermittelt vertiefte Einblicke in die Bedeutung und Komplexität familiärer Prozesse in Gesundheit und Krankheit. Es vermittelt aber ebenso wertvolle Hilfestellung bei der Reflexion eigener impliziter Vorannahmen, wenn es um familiäre Situationen geht.
Seit Ende der 1990-er Jahre finden sich erste deutschsprachige Veröffentlichungen zum Themenbereich der familienzentrierten Pflege. Der Zugang erfolgte dabei im Wesentlichen über die Bereiche pflegerischer Praxis, in denen es unausweichlich ist, sich mit dem direkten sozialen Umfeld eines Patienten, seiner Familie, zu befassen: über die ambulante Pflege und die Kinderkrankenpflege. Entgegen der in diesen Bereichen oftmals vorhandenen Annahme, dass eigentlich immer schon familienzentriert gearbeitet wurde, muss konstatiert werden, dass es sich eher um eine instrumentelle Art des Einbeziehens von Familienangehörigen in professionell determinierte Handlungsroutinen gehandelt hat. Dabei ist es sicherlich in sehr vielen Situationen zu durchaus für Familien hilfreichen Handlungen und Aktivitäten gekommen. Die Beschäftigung mit dem vorliegenden Buch von Wright und Leahey wird aber demgegenüber verdeutlichen, dass ein familienzentrierter Ansatz eine andere konzeptionelle Grundlage benötigt und über das Einbeziehen von Familienmitgliedern weit hinausgeht.
Inhaltlich gelingt es in diesem Buch, die verschiedenen Zugangswege zur familienzentrierten Pflege in einen Gesamtrahmen zu integrieren. In einigen Ländern ist familienzentrierte Pflege vorwiegend auf gesundheitliche Problemlagen bei Familien mit Kindern ausgerichtet. In Ansätzen sind vergleichbare Überlegungen in der Kinderkrankenpflege in Deutschland zu beobachten. Deutlicher tritt der familienorientierte Fokus bei der Beschäftigung mit familialen Pflegesituationen bei chronischer Krankheit zutage. Die Bedeutung pflegender Angehöriger wird zunehmend zur Kenntnis genommen. Ebenso wächst die Erkenntnis, dass es für eine Stabilisierung häuslicher Pflegesituationen erforderlich ist, den Fokus auf das gesamte familiäre Netzwerk zu richten und Unterstützungsangebote dementsprechend auszurichten.
In diesem Sinne ist diesem Buch eine gute Verbreitung zu wünschen. Es hat das Potenzial, die Diskussionen um und die Implementierung von familienzentrierter Pflege substantiell zu befördern.
Bielefeld, im Februar 2007
Dr. Andreas Büscher
Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Pflegewissenschaft an der Universität Bielefeld; verantwortlich für den Bereich ambulante pflegerische Versorgung
Barbara Preusse-Bleuler
Familienzentrierte Pflege auf der Grundlage des systemischen Ansatzes bewährt sich in der Praxis.
Seit der ersten deutschsprachigen Auflage im Jahr 2009 ist die familienzentrierte Pflege von vielen Kolleginnen und Kollegen mit großem Engagement aufgegriffen worden. In der individuellen Umsetzung berichten Pflegefachpersonen davon, dass ihnen dieses Wissen und die damit verbundenen Fähigkeiten und Fertigkeiten helfen, eine konstruktive Zusammenarbeit mit zuvor als sogenannt „schwierig“ empfundenen Familien zu entwickeln. Ebenfalls haben sich Pflegeteams gemeinsam auf den Weg gemacht, in ihrer Praxis eine systemisch ausgerichtete familienzentrierte Pflege zu etablieren. Diese Pflegeteams arbeiten in verschiedensten Bereichen: in der häuslichen Krankenpflege, im ambulanten oder stationären Bereich, von Akut- und Intensivpflege bis Palliativpflege, Rehabilitations- oder Langzeitpflege, chirurgische oder medizinische Abteilungen, von Pädiatrie bis Geriatrie; also überall dort, wo Patienten und Patientinnen und ihre Familien von akuten oder chronischen Erkrankungen betroffen sind. Im Aus- und Weiterbildungsbereich in der Schweiz hat das Calgary Familien-Assessment- und Interventions- Modell Eingang gefunden in Curricula der Höheren Fachschulen, der Fachhochschulen und Universitäten mit ihren Bachelor- und Master-Studiengängen.
Das von Lorraine Wright und Maureen Leahey in nun bereits 35-jähriger Praxis und Forschung entwickelte Calgary Familien-Assessment- und Interventions-Modell hat sich als sehr geeignete Grundlage für unsere Umsetzungsprojekte erwiesen.
In einem ersten Entwicklungsprojekt im Lindenhofspital und an der Lindenhof-Schule in Bern (Schweiz) erarbeiteten Pflegefachpersonen der Abteilung für stationäre Onkologie und Dozentinnen der Schule gemeinsam ein Konzept zur Implementierung der familienzentrierten Pflege in Praxis und Lehre. Aus dieser Entwicklungsarbeit entstand eine Wegleitung für familienzentrierte Pflege im Praxisalltag und ein dazu passendes Schulungskonzept.
Die Wegleitung umfasst Arbeitsinstrumente wie einen Leitfaden für eine Pflegeanamnese mit integrierter Familienanamnese und Geno-/Öko- und Beziehungsdiagramm, einen Leitfaden zur Dokumentation der Familiengespräche und ein Konzept für regelmäßige Fallbesprechungen mit der Methode des Reflecting Teams.
Das Schulungskonzept ist für verschiedene Ausbildungsstufen ausgestaltet worden: Diplomausbildung, Bachelor- und Masterstudium. Wird ein ganzes Pflegeteam in der Praxis geschult, kann das Konzept an die entsprechenden Bedürfnisse und Settings angepasst werden.
Diese ersten Erfahrungen in den Nullerjahren in Bern (Schweiz) werden von diversen Projekten in der Praxis bestätigt und weiterentwickelt. Hier nur eine Auswahl, die zeigt, dass familienzentrierte Pflege in allen Settings relevant ist. Interessanterweise haben einige Alters- und Pflegeheime in der Schweiz mit Erfolg sich auf den Weg gemacht, familienzentrierte Pflege in ihrem Pflegealltag zu integrieren zum Wohle ihrer Bewohnenden und Angehörigen. In der Pädiatrie übernimmt das Ostschweizer Kinderspital in St. Gallen mit nun gut 15 Jahren Erfahrung eine Vorreiterrolle. Im Akutbe|20|reich bei Erwachsenen und Frühgeborenen hat das Universitätsspital Zürich im Departement Frau – Kind vor ein paar Jahren ein innovatives Praxis- und Forschungsprojekt lanciert.
In diesen diversen Entwicklungsprojekten werden zu Beginn jeweils ganz ähnliche Befürchtungen und Risiken, Wünsche und Hoffnungen von den Pflegefachpersonen genannt. Im ersten Moment löst das Thema familienzentrierte Pflege zum Teil gegensätzliche, ja paradoxe Reaktionen aus: „Das machen wir doch schon längst!“ und gleichzeitig: „Das ist doch nicht unsere Aufgabe und Kompetenz als Pflegefachperson, das gehört in die Hand der Therapeuten.“ Hinzu kommen Bedenken, keine Zeit zu haben im immer schneller getakteten Alltag, die Intimsphäre des Patienten und seiner Familie zu verletzen oder Probleme aufzuwühlen, die von Pflegefachpersonen nicht aufgefangen oder nicht gelöst werden können. Werden die Hintergründe dieser Reaktionen ausgeleuchtet und als relevante Herausforderungen für einen nachhaltigen Umsetzungsprozess ernst genommen, zeigen sich klare Ansatzpunkte, wie die Pflegepraxis erfolgreich mit dem Calgary Familien-Assessment- und Interventions-Modell weiterentwickelt werden kann und die erwähnten Herausforderungen gemeistert werden können.
Die Pflegefachpersonen kommen nach gemachter Erfahrung zu dem Schluss: Die Pflegearbeit wird passender und wirkungsvoller mit der Fokussierung nicht nur auf den Patienten, die Patientin alleine, sondern auch auf seine/ihre Angehörigen oder engsten Vertrauten. Die Unterstützung und Förderung der Handlungsfähigkeit und damit der Selbsthilfefähigkeit der Familie als Ganzes wirkt sich positiv auf den Patienten und die Patientin aus. Die Pflegefachpersonen beachten ihre Fragen und die manchmal unterschiedlichen Befürchtungen und Wünsche innerhalb der Familie. Gleichzeitig werden aber auch die Erfahrungen und die Expertise des Patienten oder der Patientin und seiner/ihrer Angehörigen ernst genommen. So wird die Voraussetzung für eine wirkungsvolle und effiziente Zusammenarbeit geschaffen, was verbesserte Outcomes bei Patient_in und Familie ermöglicht.
Mit dem Calgary Familien-Assessment- und Interventions-Modell bleiben Ressourcen- und Lösungsorientiertheit nicht leere Worthülsen, sondern die Pflegefachpersonen erhalten brauchbare Instrumente, dies in ihrer Pflegepraxis umzusetzen. Als wesentliche Elemente möchte ich hier folgende hervorheben:
Das Genogramm, Ökogramm und Beziehungsdiagramm schätzen die Pflegefachpersonen als sehr brauchbar und zudem schnell erlernbar ein. Mit dieser grafischen Darstellung sind die wichtigsten Informationen zur Zusammensetzung der Familie und ihres Umfelds auf einen Blick ersichtlich. Das zeitaufwändige schriftliche Beschreiben einer Familiensituation in der Pflegedokumentation entfällt. Das Geno-/Öko- und Beziehungsdiagramm erstellt die Pflegefachperson immer zusammen mit dem Patienten oder der Patientin und wenn möglich mit seiner/ihrer Vertrauensperson. Das gemeinsame Aufzeichnen der Familiensituation und das sich daraus ergebende Gespräch ermöglicht einen vertrauensvollen Beziehungsaufbau und Patient_in und Familie fühlen sich in ihrer Situation ernst genommen, Ressourcen und eventuelle Entbehrungen werden sichtbar. So wird bereits beim Eintritt eine Grundlage für einen weitsichtig geplanten Austritt gelegt. Voraussetzung hierfür ist, dass nicht der Fehler begangen wird, das Geno-/Öko- und Beziehungsdiagramm nur als administratives Instrument zur Sammlung von Familiendaten zu verwenden. In den vergangenen Jahren haben wir noch besser gelernt zu vermitteln, dass die Kunst darin besteht, das Geno-/Öko- und Beziehungsdiagramm mit der systemischen Grundhaltung zu verknüpfen und als ein vielschichtiges Assessmentinstrument zu verstehen. In dieser Art und Weise angewendet, wird es zu einem wirkungsvollen Interventionsinstrument und dies bereits im Anamnesegespräch. Das auf der Basis des Calgary Familien-Modells entwickelte BAIA-Konzept |21|zeigt anschaulich mittels einer grafischen Darstellung, wie in einem familienzentrierten Gespräch die Phasen Beziehungsaufbau, Assessment, Interventionen und Abschluss (BAIA) ineinandergreifen.
Aus der Fülle der im Calgary-Modell beschriebenen Interventionen möchte ich aus unserer Erfahrung das Aussprechen von Anerkennung und Wertschätzung hervorheben. Die Empfehlung von Wright und Leahey, bereits in den ersten zehn Minuten eines jeden Gesprächs ein bis zwei Anerkennungen und Wertschätzungen auszusprechen, zeigt besondere Wirkung aufseiten des Patienten oder der Patientin und seiner/ihrer Familie sowie auch bei der Pflegefachperson selbst. Um überhaupt Wertschätzung und Anerkennung aussprechen zu können, ist die Pflegefachperson gefordert, sich von Anfang an auch für die Stärken und positiven Erfahrungen des Patienten oder der Patientin und der Familie zu interessieren. Damit ist schon ein erster Grundstein für ressourcen- und lösungsorientiertes Handeln gelegt. Echte Anerkennung und Wertschätzung für Patient_in und Familie bedeutet jedoch nicht nur, dass diese sich verstanden fühlen, sondern hilft gerade in schwierigen Situationen, den notwendigen Mut zu schöpfen, durchzuhalten und die aktuellen Probleme anzugehen.
Die systemischen Fragestellungen, die, eingebettet in eine zielgerichtete Gesprächsführung, stellen ebenfalls eine wirkungsvolle Intervention dar. Schon im allerersten Kontaktgespräch, dem Pflegeanamnesegespräch, wirken ausgewählte familienzentrierte Schlüsselfragen hilfreich.
Die Ergebnisse dieser Entwicklungsprojekte zeigen, dass die anfangs formulierten Befürchtungen der Pflegefachperson überwunden werden. Folgende Aussagen von Pflegefachperson veranschaulichen die Erfahrungen: „Ich beiße mir an schwierigen Situationen nicht mehr so sehr die Zähne aus, obwohl oder vielleicht gerade weil ich mich vertiefter mit der Familie auseinandersetze und verstärkt mit der Familie zusammenarbeite.“ „Die Zeit, die ich beim Eintrittsgespräch aufwende, gewinne ich bei der Pflege wieder dank gezieltem Finden von passenden und funktionierenden Maßnahmen.“
Die Pflegefachperson stellt ferner fest, dass mit dieser systemischen Familienzentrierung mehr Ruhe und eine größere Sicherheit im Praxisalltag erreicht werden, auch gerade in Momenten, wenn es schwierig und hektisch wird. Wie Wright und Leahey haben die Pflegefachpersonen auch hier in der Schweiz die Erfahrung gemacht, dass mit der Anwendung der familienzentrierten Pflege Zeit maximiert und Leiden gelindert werden kann.
Von Patienten, Patientinnen und Angehörigen wiederum hören wir Folgendes: „Ich bin beruhigt, dass den Pflegefachpersonen meine engsten Angehörigen auch sehr wichtig sind.“ „Ich muss nicht alles zehnmal erzählen.“ „Die Pflegefachpersonen machen ja auch tatsächlich etwas mit den vielen Informationen, die sie von uns erhalten.“
Die Pflegefachperson schätzt die entwickelten Arbeitsinstrumente als Grundlage, die ihre Handlungskompetenz systematisch fördert. Die interprofessionelle Zusammenarbeit profitiert von der Einführung der familienzentrierten Pflege. Es ist nicht zu einer Konkurrenzsituation zwischen Therapeuten, Ärzten und Pflegefachpersonen gekommen, vielmehr ist die Zuständigkeit je nach Fragestellung klarer und die Zusammenarbeit konstruktiver, das heißt Schnittstellen werden zu Nahtstellen.
Genau hier knüpft die zukünftige Entwicklung an: Nun gilt es, die familienzentrierte Pflege, das Family Systems Nursing zu erweitern, hin zu einer interprofessionellen Family Systems Care!
Die erste Herausgabe dieses Buches war dank der großzügigen Unterstützung der Rotkreuzstiftung für Krankenpflege Lindenhof, Bern, und der Humanitären Stiftung des Schweizerischen Roten Kreuzes möglich.
Die dritte Auflage dieses Buches wurde durch das Institut für Pflege an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften |22|(ZHAW) unterstützt. Herausgeberin und Verlag danken für diesen wertvollen Beitrag zur Förderung der familienzentrierten Pflege im deutschsprachigen Raum.
Die nun vorliegende dritte deutschsprachige Auflage basiert auf der siebten englischsprachigen Auflage. Diese siebte Auflage ist zum ersten Mal nicht von Wright und Leahey selbst überarbeitet worden, sondern von zwei Pflegewissenschaftlerinnen: Shajani und Snell, die beide an der University of Calgary als Dozentinnen arbeiten. Es ist ihnen und dem Verlag F. A. Davis besonders zu verdanken, dass dieses grundlegende Buch zum Calgary Familien-Assessment- und Interventions-Modell von Wright und Leahey weiterlebt. Shajani und Snell haben mit unzähligen neuen Ergebnissen aus der Forschung die Evidenzbasierung der einzelnen Kapitel aktualisiert. Die immer breiter werdende Datenlage zeigt, dass das Calgary Familien-Modell von Wright und Leahey Bestand hat und für die zukünftige Entwicklung der Pflegepraxis essentiell ist. Im Auftrag des Verlags F. A. Davis haben Shajani und Snell die Kapitel mit Lernzielen und Reflexionsfragen angereichert und das Buch ergänzt mit einem neuen von ihnen selber verfassten Kapitel 13, in welchem sie ein Fallbeispiel vorstellen. In der Übersetzungsarbeit hat sich einmal mehr gezeigt, dass Begrifflichkeiten in der anglo-amerikanischen Kultur eine andere Bedeutung haben als hier bei uns, so würden die jedem Kapitel vorangestellten Lernziele im deutschen Sprachraum anders formuliert werden.
Neu ist auch das Kapitel 10: Hier demonstriert Lorraine Wright in eindrücklicher Weise, wie auch in einem kurzen Gespräch mit nur dem Patienten alleine, dennoch äusserst familienzentriert gearbeitet werden kann. Das Beratungsgespräch ist in fast der ganzen Länge wortwörtlich transkribiert und gibt so einen präzisen Einblick in eine motivierende lösungsorientierte Gesprächsführung.
Schließlich noch ein Wort zum geschlechtsneutralen Schreibstil: Wo möglich wurde darauf geachtet, bei der Übersetzung vom Englischen ins Deutsche geschlechtsneutrale Formulierungen zu verwenden. Wo dies nicht möglich war, wurde teilweise zugunsten der Lesbarkeit nur entweder die männliche oder die weibliche Form verwendet; die jeweils andere Form ist immer mit gemeint.
So hoffe ich, dass dieses Buch mit seinem reichhaltigen Erfahrungs- und Forschungswissen weiterhin im deutschsprachigen Raum Grundlage für eine Entwicklung der familienzentrierten Pflegepraxis ist.
Patient, Patientin und Familie sind die Experten für ihre individuelle Situation. Tragen wir mit der Anwendung der familienzentrierten Pflege zur partnerschaftlichen Zusammenarbeit bei!
Langnau, im Oktober 2020
Barbara Preusse-Bleuler, RN, MNS
Dozentin und Projektleiterin für Familienzentrierte Pflege
Lorraine M. Wright, Maureen Leahey
Wir danken unseren vielen Kollegen auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene für ihre Unterstützung, ihr Interesse und ihre positiven Kommentare zu unserem Buch. In den vergangenen 25 Jahren haben wir versucht, unsere Ideen weiterzuentwickeln, die darauf abzielen, Familien, die mit Krankheit, Verlust und Invalidität konfrontiert werden, bestmöglich einzubeziehen und zu unterstützen. Wir sind immer wieder überrascht und erfreut, dass seit dem Erscheinen der Erstausgabe im Jahr 1984 so viele praktizierende Pflegefachpersonen, Studierende und Lehrende die familienzentrierte Pflege in unserem Sinn weltweit propagiert haben.
Besonderen Dank schulden wir:
Joanne DaCunha, Verlegerin, Abteilung Pflege, F. A. Davis, für ihre unablässige Unterstützung, Zuverlässigkeit, Hilfsbereitschaft, Kompetenz und Freundlichkeit während unserer Arbeit an der fünften Auflage.
Bob Martone, Verleger, Abteilung Pflege, F. A. Davis, für seine Vision und die Unterstüzung unserer Arbeit seit der Erstausgabe im Jahr 1984.
Padraic Maroney, Senior Project Editor, Pflege, für seine Sorgfalt bei der Vorbereitung des Manuskripts für die Produktion.
Zu guter Letzt schulden wir uns gegenseitig Dank … für 33 Jahre dauerhaft währende Freundschaft/Kollegialität, für „Caffe-Beano“-Gespräche am Samstagmorgen, fantastische Restauranterlebnisse und wunderschöne Reisen nach Provence, Thailand, Island, Lake O’Hara …
Lorraine M. Wright und Maureen Leahey
Dank
Der Verlag dankt dem „Canada Council for the Arts/Conseil des arts du Canada“ für die finanzielle Unterstützung der deutschen Übersetzung.
Jürgen Georg, Programmplaner Pflege
Dank
Der Verlag dankt dem Institut für Pflege an der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften (ZHAW) für die finanzielle Unterstützung der deutschsprachigen Ausgabe.
Jürgen Georg, Programmplaner Pflege
Zahra Shajani, Diana Snell
Wir danken Lorraine Wright und Maureen Leahey, die als Pflegefachpersonen und als Lehrende eine Inspiration für uns waren. Ihr Engagement und ihre Leidenschaft für die familienzentrierte Pflege haben unseren Weg vorgezeichnet. Unsere erste Begegnung mit Nurses and Families als beginnende Pflegestudierende waren prägend für unsere spätere Interaktion mit Familien. Wir hatten das Privileg, die Konzepte des Calgary Family Assessment Model (CFAM) und des Calgary Family Intervention Model (CFIM) in unserer klinischen Praxis bei Familien und als Lehrende bei beginnenden Pflegestudierenden zu implementieren.
Wir danken ganz besonders
Susan Rhyner, Senior Acquisition Editor, F. A. Davis, für ihre Anleitung, Kompetenz, versierte Unterstützung und für ihren Glauben an uns als aufstrebende Autorinnen.
Sean West, Associate Content Projekt Manager, F. A. Davis, dafür, dass sie uns stets auf Kurs gehalten, unseren Elan befeuert und für den Erfolg der siebten Auflage gesorgt hat.
Lynda Hatch, Development Editor, für ihre Detailtreue, ihre Unterstützung unserer ständig neuen Ideen sowie für ihre exzellenten Vorschläge.
Jacalyn Sharp, Acquisitions Editor, F. A. Davis, dafür, dass sie uns bei der Durchsetzung unserer Vorstellungen für die siebte Auflage unterstützt hat.
Zu guter Letzt danken wir unseren Familien, die uns zugehört, unterstützt und uns die Bedeutung von Familie vor Augen geführt haben. Unseren Ehemännern Nizam und Logan für ihre Ermutigung und nie erlahmende Unterstützung. Unseren Kindern Shaheena, Rahmaan, Cameron und Aiden, die uns immer wieder in Erstaunen versetzen und uns auf unserem Weg bestärkt haben, an uns zu glauben. Unseren Eltern für ihre bedingungslose Liebe, ihre Unterstützung und ihre Sicht auf die Dinge.
Danke euch allen!
Zahra Shajani & Diana Snell
Willkommen zur 7. Auflage von Wright und Leaheys Familienzentrierte Pflege: Lehrbuch für Familien-Assessment und Interventionen. Dieses Buch wendet sich an Pflegestudierende, ausgebildete Pflegefachpersonen und Lehrende in den Pflege-Fakultäten. Evidenz- oder praxisbasierte Forschungsbefunde und klinische Berichte von Familien, die mit Krankheiten konfrontiert sind, machen es für Pflegefachpersonen unverzichtbar und zur moralischen Pflicht, Familien einfühlsam und kompetent einzubeziehen, ganz gleich, in welchem Bereich der Pflege sie arbeiten. Angesichts der Entwicklung und Weiterentwicklung der familienzentrierten Pflege geht es nicht mehr um die Frage, ob Familien in die Gesundheitsversorgung einbezogen werden sollen, sondern um das Wie. Daher machen wir auch in der siebten Auflage wieder Vorschläge, wie man Familien in die pflegerische Praxis einbeziehen und ihnen die Kenntnisse und Fähigkeiten vermitteln kann, damit dies auch gelingt. Ja, dies ist ein praxisorientiertes Buch.
Die erste Ausgabe von Nurses and Families erschien 1984, die zweite 1994, die dritte 2000, die vierte 2005, die fünfte wurde 2009 herausgegeben und die sechste 2013. Zahra Shajani und Diana Snell sind die Autorinnen der siebten, 2019 erschienenen Auflage. Sie haben den ursprünglichen Text größtenteils beibehalten, jedoch Fallbeispiele, gezielte zum Nachdenken und kritischer Auseinandersetzung anregende Fragen, zusätzliche Tabellen sowie ein neues Kapitel hinzugefügt. Lernziele und Schlüsselkonzepte machen den Text benutzerfreundlich.
1994 wurde Familienzentrierte Pflege: Lehrbuch für Familien-Assessment und Interventionen, unsere zweite Auflage, mit dem American Journal of Nursing Book of the Year Award ausgezeichnet. Bestimmte Veränderungen und Entwicklungen in der familienzentrierten Pflege sowie der Einfluss größerer gesellschaftlicher Umbrüche in den letzten 35 Jahren sind offenkundig; wir greifen sie auf und erörtern sie im Text, andere sind dagegen subtiler und möglicherweise weniger sichtbar.
Ein klares Anzeichen für die globale Verbreitung der familienzentrierten Pflege ist die Tatsache, dass unser Buch ins Französische, Deutsche, Isländische, Japanische, Koreanische, Portugiesische und Schwedische übersetzt wurde.
Darüber hinaus haben wir auch eine Website (www.familynursingresources.com.) für Unterrichtsmittel entwickelt und acht Videos über die Anwendung der familienzentrierten Pflege produziert.
Zudem werden die Familien-Assessment-Modelle weltweit entwickelt und angewendet. Wir freuen uns, dass unser Calgary Family Assessment Model (CFAM) das Wissen über familienzentrierte Pflege beträchtlich erweitert hat. Das CFAM wurde in der ersten Auflage von 1984 vorgestellt und es wird nach wie vor weltweit in Pflege-Ausbildungsprogrammen, von Pflegefachpersonen in der Praxis und in der |28|Pflegeforschung genutzt. Das CFAM ist Bestandteil der Ausbildungsprogramme in mehr als 26 Ländern, beispielsweise in Australien, Brasilien, Kanada, Chile, China, Dänemark, England, Finnland, Deutschland, Hong Kong, Island, Japan, Korea, Norwegen, Portugal, Katar, Schottland, Singapur, Spanien, Schweden, der Schweiz, Taiwan, Thailand, den USA und Vietnam. Der International Council of Nurses hat ein wichtiges Papier mit dem Titel „Die Familien-Pflegefachperson“ publiziert und das CFAM darin als eines der vier weltweit maßgebenden Familien-Assessment-Modelle bezeichnet (Schober & Affara, 2001).
Angesichts dieser weltweiten Verbreitung hielten wir es für angebracht, uns erneut mit dem CFAM auseinanderzusetzen und es zu überarbeiten, um die wachsende Bedeutung gewisser Faktoren, die einen Einfluss auf die Gesundheit und Krankheit von Familien haben, wie z. B. soziale Schicht, Gender, Ethnie, Rasse, Familienentwicklung und Überzeugungen, anzuerkennen und zu integrieren. Diese die Gesundheit beeinflussenden sozialen Faktoren werden aufgrund ihrer Relevanz eingehend thematisiert.
Eine wichtige Neuerung in unserem Buch war ein Konzept und Modell für die Intervention, das CFIM, das in die zweite Auflage eingeführt wurde. Der Grund war die Erkenntnis, dass die Interventionen genauso wichtig sind wie das Assessment und dass ein Konzept notwendig wird, das die Familien-Interventionen ordnet. Diese Veränderungen waren die Folge davon, dass sich in der familienzentrierten Pflegeforschung, Ausbildung und Praxis nicht mehr alles nur um das Assessment dreht, sondern den Interventionen mittlerweile die gleiche Bedeutung zugestanden wird.
In der Literatur über familienzentrierte Pflege, speziell im Journal of Family Nursing, erscheinen zahlreiche Publikationen, die sich mit der Anwendung, Implementation und dem Nutzen und/oder der Effektivität des CFAM, des CFIM und des 15-minütigen Familieninterviews befassen. 2015 wurde eine Bibliografie entwickelt, um sämtliche existierende englischsprachige Bücher, Artikel und Medienproduktionen zu erfassen, die auf das CFAM/CFIM Bezug nehmen (s. http://www.familynursingresources.com/bibliography.htm). Natürlich mag es noch weitere Quellen in uns nicht bekannten nicht englischsprachigen Zeitschriften geben, die dies tun. Derzeit gibt es sechs Bücher, 54 Artikel, 56 datenbasierte Forschungsberichte, zwei Buchrezensionen, zwei Forschungsinstrumente, acht Medienproduktionen (DVDs) und 21 Artikel über Pädagogik in der familienzentrierten Pflege, die auf das CFAM/CFIM Bezug nehmen und es anwenden (s. http:www.familynursingresources.com/bibliography.htm).
Angesichts der weiten Verbreitung dieser Modelle ergeben sich einige Fragen. Erstens, was ist das Besondere an diesen Modellen? Was unterscheidet das CFAM und das CFIM von anderen praxisorientierten Modellen im Bereich der Pflege, die für Familien-Assessment und Familien-Interventionen zur Verfügung stehen? Unsere Antwort lautet: Die Grundlage der Konzeptualisierung des CFAM und des CFIM ist unsere eigene aktuelle klinische Praxis sowie die Beobachtung und Supervision von Kollegen und Pflegestudierenden. Wir nennen dies aus der klinischen Praxis abgeleitetes Wissen (Bell, 2003). Für uns war die klinische Praxis stets eine wichtige Erfahrung, die uns die Möglichkeit bietet, uns mit Familien zu beschäftigen, ihre Überzeugungen in Bezug auf Krankheit und das damit verbundene Leiden kennenzulernen. So konnten wir herausfinden, was Familien selber als hilfreich erleben, um das Leiden in der Familie zu heilen und eine Förderung von Familiengesundheit zu unterstützen, die ihnen am besten hilft, die Familie zu heilen (praxisbasierte Evidenz). Des Weiteren haben wir praxisbasiert ihr Leben erforscht und Familieninterviews auf Video aufgezeichnet, um zu erfahren, was die Pflegefachpersonen tatsächlich tun, um krankheitsbedingtes Leiden zu lindern. Wir machen den Familien auch Vorschläge und bieten ih|29|nen Interventionen an, die aus unserer eigenen und aus anderen Untersuchungen von Familien stammen und beobachten, ob diese in bestimmten Situationen nützlich sind. Aus unserer Sicht ist dieser zirkuläre Prozess faszinierend und förderlich.
Warum ist es wichtig, dass die aktuelle Praxis mit Familien die Grundlage unserer klinischen Modelle ist? Es ist wichtig, weil diese Modelle Theorie und Praxis auf leicht verständliche Art miteinander verbinden. Das Feedback von Kollegen und Lernenden über viele Jahre hat uns gezeigt, dass die Modelle unkompliziert, gut verständlich und leicht anwendbar sind. Das Position Statement on Generalist Family Nursing Practice der International Family Nursing Association (IFNA) führt viele Fähigkeiten auf, die für Lernende sinnvoll und hilfreich sind (IFNA, 2015). Die IFNA hat außerdem das Position Statement on Advanced Practice Competencies for Family Nursing entwickelt (IFNA, 2017). Doch Listen mit Fähigkeiten und Kompetenzen werden in einer realen klinischen Situation mit Familien von Pflegefachpersonen meistens ignoriert. Pflegefachpersonen, die sich mit den Praxismodellen gut auskennen, können diese Kompetenzen und Fähigkeiten dagegen problemlos anwenden, um Familien zu helfen. Sie können auf Lippenbekenntnisse verzichten und sich auf die aktuelle Praxis konzentrieren. Laut Benner (2001) vermittelt die Praxis Erkenntnis und Wissen und sie ist situationsbezogenes, angewandtes Wissen.
Eine dritte Frage im Zusammenhang mit der Literatur über das CFAM/CFIM betrifft die Popularität. Welches Element des CFAM und des CFIM ist in Praxis-Settings am beliebtesten? Das ist die Übernahme und Implementation des in die dritte Auflage eingeführten 15-minütigen Familieninterviews, in dem die wichtigsten Elemente der beiden klinischen Modelle integriert und gebündelt sind. Warum? Weil das 15-minütige (oder kürzere) Familieninterview am leichtesten auf klinische Settings übertragen werden kann. Es ist in den unterschiedlichsten Kontexten kompatibel mit der Praxis der Pflegefachpersonen.
Auch die dramatischen Umstrukturierungen im Gesundheitswesen, die in den letzten zehn Jahren in Kanada und den USA vorgenommen wurden, sind nicht ohne Einfluss auf uns geblieben. Angesichts massiver Umstrukturierungen in den Kliniken und Polikliniken, knapper Finanzmittel und „managed care“ meinen viele Pflegefachpersonen, sie könnten es sich im Rahmen der Gesundheitsversorgung nicht leisten, auf die Bedürfnisse von Familien einzugehen oder sie zu berücksichtigen. Die Pflegefachpersonen, besonders solche, die in der Akutversorgung der Krankenhäuser arbeiten, sind frustriert darüber, dass sie kaum noch Zeit haben, die Bedürfnisse von Familien zu berücksichtigen, weil sie immer mehr Patienten zu versorgen haben, weil diese immer häufiger an schweren Krankheiten leiden und weil die Verweildauer im Krankenhaus drastisch gekürzt wurde. Aus diesem Grund – um auf diese veränderte Situation in Kanada und den USA zu reagieren, haben wir uns Gedanken darüber gemacht, wie man ein 15-minütiges (oder kürzeres) Familiengespräch in der Praxis durchführen kann.
Wir haben uns sehr gefreut, dass diese Ideen für die klinische Praxis, egal ob sie in unserem Buch oder im Rahmen von Workshops und/oder Konferenzen präsentiert wurden, Begeisterung ausgelöst haben. Noch wichtiger ist, dass die Implementierung unserer Modelle und Ideen für die klinische Praxis, wie uns berichtet wurde, höchst vielversprechend ist. Wie wir von Pflegefachpersonen erfahren haben, hatten die von ihnen betreuten Familienmitglieder weniger Probleme und die Gesundheitsförderung und Heilung in Familien konnte verbessert werden; das hat uns Mut gemacht. Ebenso erfreulich war, dass Pflegefachpersonen aus der Praxis über mehr Zufriedenheit bei ihrer Arbeit mit Familien berichteten, auch wenn es nur 15 Minuten oder weniger waren (Sigurdadottir, Svavarsdottir & Juliusdottir, 2015).
|30|Die meisten Pflegestudierenden und selbst Pflegefachpersonen aus der Praxis berichten, dass sie nie ein Familiengespräch erlebt haben. Daher haben sie häufig Angst, sich auf eine Familie einzulassen und kaschieren ihre Befürchtungen mit der Behauptung, sie hätten nicht die Zeit, Familien in ihre pflegerische Praxis einzubeziehen. Doch sobald die Pflegefachpersonen verstanden haben, dass „Erkrankung die ganze Familie betrifft“, wird ihnen klar, dass sie viel tun können, das Leiden in nur 15 Minuten oder weniger zu mildern. Wenn sie reale Familieninterviews beobachten, hinterfragen sie ihre sie hemmende Behauptung, nicht genug Zeit zu haben und merken, dass es nicht Zeitknappheit war, die sie daran gehindert hat, die Familien in die Pflege einzubeziehen, sondern eher mangelnde Fähigkeiten in puncto klinische Praxis und/oder Beziehung zu den Familien.
Lernende, die Familiengespräche live oder auf DVDs sehen, werden sicherer und verbessern ihre Fähigkeiten, mit Familien in realen Situationen umzugehen. Unsere DVD How to Conduct a 15-Minute Family Interview (Wright & Leahey, 2000) wurde von allen unseren Unterrichtsprogrammen zum Thema CFAM/CFIM am meisten nachgefragt (Wright & Leahey, 2000, 2001, 2002, 2003, 2006, 2010a, 2010b, 2010c). Interessant ist auch, dass von allen Ideen im CFAM die beiden Assessment-Tools, Genogramm und Ökogramm, am häufigsten in die aktuelle klinische Praxis integriert wurden. Die am häufigsten verwendeten pflegerischen Interventionen aus dem CFIM waren Wertschätzung und Anerkennung aussprechen und bestimmte therapeutische Fragen.
Eine vielleicht eher subtile, aber nicht minder wichtige Entwicklung ist unsere sich fortwährend verändernde und entwickelnde Beziehung zu den Familien, mit denen wir arbeiten. Diese Veränderung schlägt sich in der Sprache nieder, in der wir die Beziehung zwischen Pflegefachperson und Familie beschreiben, die wir für höchst erstrebenswert halten. In den vergangenen 35 Jahren hat sich unsere Haltung gegenüber den Familien verändert und so ist es heute unser Ziel, eine partnerschaftliche, beratende, nicht hierarchische Beziehung zu den Familien aufzubauen. Diese veränderte Haltung führt dazu, dass wir die Expertise der Familie im Hinblick auf Erkrankung, Verlust und/oder Behinderung als wesentlich betrachten und ihr mit Respekt und Wertschätzung begegnen. Die Expertise der Pflegefachperson und der Familie verbinden sich im Kontext des pflegerischen Gesprächs zu einer neuen und starken Synergie, die es unter anderen Bedingungen nie gab und auch nicht geben könnte.
Eine weitere subtile Entwicklung, die sich im Zeitraum des Erscheinens der sieben Auflagen vollzogen hat, ist die Hinwendung zu einer postmodernen Weltanschauung. Wir vertreten die Ansicht, dass es verschiedene Realitätsauffassungen in und von „der Welt“ gibt und dass jedes Familienmitglied und jede Pflegefachperson eine Welt sieht, die sie durch sprachliche Interaktionen mit sich selbst und mit anderen zum Ausdruck bringt. Wir ermutigen uns, unsere Studierenden und die Familien, mit denen wir arbeiten, zu Offenheit gegenüber den verschiedenen „Welten“, Unterschieden und Besonderheiten, die wir bei Familienmitgliedern und Anbietern von Gesundheitsdienstleistungen wahrnehmen.
Wir betrachten es als großes Privileg, mit Familien zusammenzuarbeiten und uns mit ihnen zu beraten, ganz gleich, ob es darum geht, die Gesundheit zu fördern und/oder krankheitsbedingte emotionale, körperliche oder mentale Probleme zu lindern. Wir sind auch dankbar für die Möglichkeit, ausgebildeten Pflegefachpersonen sowie Pflegestudierenden zu vermitteln, wie sie Familien betreuen, sie in ihre Arbeit einbeziehen und von ihnen lernen können. Aufgrund unserer mehr als 40-jährigen Arbeit in der klinischen Praxis und in der Ausbildung von Gesundheitsfachleuten und auch aufgrund persönlicher Erfahrungen mit Krankheit innerhalb der eigenen Familie wissen wir, wie außerordentlich wichtig es ist, dass Pflegefachpersonen sich mit Assessment, In|31|tervention und den dazugehörigen Fähigkeiten sehr gut auskennen, wenn sie Familien wirklich helfen wollen. Wir wissen auch, dass Familien einen sehr großen Einfluss auf unser eigenes Leben und auf unsere Beziehungen haben (Leahey & Wright, 2016).
In den 35 Jahren, die seit dem Erscheinen der ersten Auflage von Familienzentrierte Pflege vergangen sind, gab es Neuerungen im Bereich der familienzentrierten Pflege, die durchaus zu begrüßen sind. Es sind Fortschritte zu verzeichnen, aber es gibt auch Bereiche, in denen wir noch große Anstrengungen unternehmen müssen. Wir halten das Erscheinen des Journal of Family Nursing im Jahr 1995 für eine der folgenreichsten Neuerungen in der familienzentrierten Pflege. Die Zeitschrift stand von Anfang an unter der qualifizierten und kompetenten Leitung von Dr. Janice M. Bell. Mit ihrem Erscheinen gab es zum ersten Mal eine Möglichkeit, Family Nurses und die Verbreitung von fachspezifischen Kenntnissen zusammenzubringen. Eine weitere Neuerung war die erste International Family Nursing Conference (IFNC) im Jahr 1988 in Calgary, Kanada. Ohne formelle Organisation oder Gestaltung wurden dreizehn internationale Konferenzen über familienzentrierte Pflege in Kanada und den USA, Südamerika (Chile), Asien (Thailand, Japan) und Europa (Island, Dänemark, Spanien) abgehalten. Diese internationalen Konferenzen haben dazu geführt, dass die globale Verbreitung der familienzentrierten Pflege und die Beiträge anderer Länder über die Grenzen Nordamerikas hinaus weitere Anerkennung fanden. 2019 wird die vierzehnte IFNC wieder in Nordamerika, in Washington, D. C., stattfinden.
Jede IFNC ist ein weiterer Beweis für die sichtbaren und kontinuierlichen Fortschritte in der Entwicklung, Wissensvermittlung und Verbreitung der familienzentrierten Pflege. Sie manifestieren sich in Präsentationen, Workshops und Kommentaren über den beachtlichen Wissenszuwachs in puncto Theorie, Forschung, Assessment und Interventionen in der familienzentrierten Pflege. Die Community der Family Nurses hat sich inzwischen zu einem Phänomen mit globaler Bedeutung entwickelt und zwischen den Mitgliedern sind enge kollegiale und freundschaftliche Beziehungen entstanden.
Eine andere wichtige Entwicklung auf der neunten IFNC 2009 in Island war die Gründung der International Family Nursing Association (IFNA). Diese formelle Organisation bietet den Pflegefachpersonen sogar noch mehr Möglichkeiten, über Netzwerke Wissen und Expertise auch außerhalb von Konferenzen auszutauschen (s. http://www.internatonalfamiliynursing.org). Webseminare, Chatgroups und Twitter bieten ihnen Möglichkeiten der Kommunikation.
Die Familienstruktur hat sich in den letzten 35 Jahren stark verändert. Denn wie demografische Daten zeigen, nimmt die Zahl der älteren Menschen in Nordamerika stetig zu; die geburtenstarken Jahrgänge nähern sich langsam dem Rentenalter, doch die Folgegeneration, die für ihre Rente sorgen soll, ist zahlenmäßig schwächer. Die Heirat wird in eine spätere Lebensphase verlegt oder entfällt ganz zugunsten einer festen Beziehung und es gibt immer mehr unterschiedliche Familienformen. Die nordamerikanische Bevölkerung ist sehr unterschiedlich zusammengesetzt, da es zahlreiche Flüchtlinge, Zuwanderer und nicht registrierte Personen/Familien gibt, was unserem Gesundheitssystem immer mehr Rücksichtnahme auf eine Fülle von kulturellen, religiösen und sexuellen Gegebenheiten abverlangt. Die zunehmende Globalisierung eröffnet die Chance, dass bessere Behandlungsmöglichkeiten weltweit bekannt werden. Aber sie leistet auch einer globalen Verbreitung von Krankheiten Vorschub. Dies erschwert es den Anbietern von |32|Gesundheitsleistungen, den Ursprung von Krankheiten zu lokalisieren, zu kontrollieren und zu isolieren.
Neben all diesen demografischen und technologischen Umbrüchen, den Veränderungen in der Praxis der Gesundheitsversorgung und der Zusammensetzung der Bevölkerung hat sich auch unsere Weltsicht tiefgreifend gewandelt, von Denkansätzen der Moderne zu Denkansätzen der Postmoderne, von säkularen zu spirituellen Sichtweisen. Weder die familienzentrierte Pflege noch wir sind immun gegen diese Veränderungen.
Viele weitere Neuerungen haben die Familien und die Entwicklung der familienzentrierten Pflege beeinflusst. Massive Umstrukturierungen und der Abbau im Gesundheitswesen in Nordamerika haben direkt und indirekt dazu beigetragen, dass den Familien mehr Verantwortung für die Versorgung erkrankter Familienmitglieder aufgebürdet wurde. Es gibt immer mehr Verbraucherorganisationen, die mit Familien zusammenarbeiten, wenn es um deren Bedürfnisse in der Gesundheitsversorgung geht. Die starke Zunahme von Gesundheits-Websites und die verstärkte Nutzung von Technologien, wie z. B. Messenger-Dienste, Skype, Facetime, E-Mail, Textnachrichten und Mobiltelefone haben einen großen Einfluss auf die Verbreitung von gesundheitsrelevanten Informationen. Auch die verstärkte Nutzung von Gesundheits-Apps, die vom Herzschlag bis zu den Schritten alles kontrollieren, veranlassen die Familien, mehr Verantwortung für ihre Gesundheit zu übernehmen. Soziale Netzwerke wie Blogs, Twitter, Facebook und YouTube bieten Familien die Möglichkeit, in puncto Gesundheit proaktiver und besser auf dem Laufenden zu sein und über mögliche Bewältigungsstrategien zu informieren. Der Zugang zu Internet und E-Mail erleichtert es Familien, sich aktuelles Wissen über ihre Gesundheitsprobleme, über Behandlungsmöglichkeiten sowie über traditionelle und alternative Heilmethoden zu beschaffen.
Es ist für uns eine Freude und ein Gewinn zu erfahren und zu sehen, dass wir als Pflegefachpersonen einen so großen Einfluss haben, wenn es darum geht, krankheitsbedingtes Leiden zu lindern und die Lebensqualität von Familien, denen wir begegnen dürfen, zu verbessern. Wir wünschen Ihnen, Zahra und Diana, alles Gute bei Ihrer wichtigen und verantwortungsvollen Arbeit mit Familien, die mit Gesundheitsproblemen konfrontiert sind.
Lorraine M. Wright, RN, PhD und Maureen Leahey, RN, PhD
3. August 2018
Die überarbeitete siebte Auflage von Nurses and Families [die zweite deutsche Ausgabe; Anm. d. Lek.] ist ein praxisorientiertes Lehrbuch für Studierende verschiedener Stufen sowie Pflegefachpersonen aus der Praxis. Nach unserer Kenntnis ist es das einzige Lehrbuch, das anwendungsspezifische Leitlinien für Familien-Assessment und Familien-Intervention enthält. Dieses praktische Handbuch für die klinische Arbeit bietet Pflegestudierenden, Pflegefachpersonen und Lehrenden die Chance, Familien besser zu helfen. Studierende und Pflegefachpersonen, die in den Bereichen Gemeindekrankenpflege, Public Health, Schwangerschafts- und Neugeborenen-Betreuung, Kinderkrankenpflege, Psychiatrie, Geriatrie, Palliativpflege und in der familiensystemischen Pflege arbeiten, werden von dem Buch profitieren. Auch Lehrenden, die einen familienzentrierten Ansatz unterrichten, und/oder solchen, die vorhaben, mit dem Konzept „Familie als Klient“ zu arbeiten, wird es gute Dienste leisten. Lehrende, die Weiterbildungsprogramme für Pflegefachpersonen, speziell mit dem Schwerpunkt family nurse practitioner, anbieten, können mit dem Buch das klinische Wissen und die Kompetenz der Pflegefachpersonen in der familienzentrierten Pflege auf den neuesten Stand bringen und beträchtlich erweitern.
|33|Das Buch enthält spezielle Leitlinien, die Pflegefachpersonen zur Vorbereitung, Durchführung und Dokumentation von Familiengesprächen, vom ersten Gespräch bis zur Beendigung der Behandlung, nutzen können. Es präsentiert zahlreiche Fallbeispiele aus der klinischen Praxis. Die kulturelle ethnische Vielfalt, die unterschiedlichen sexuellen Orientierungen und die entsprechenden Familienzyklen mit ihren Stadien und Übergängen werden thematisiert. Auch die vielen unterschiedlichen Arten und Strukturen von Familien in der heutigen Gesellschaft werden beleuchtet und es werden Probleme im Zusammenhang mit diversen Praxis-Settings – Krankenhaus, Poliklinik, medizinische Grundversorgung, Gemeindekrankenpflege, Langzeitpflege und Pflegeheim – erörtert.
Grundlage unserer Empfehlungen für die klinische Praxis bilden fundierte Theorien, Forschungserkenntnisse und dreißig Jahre Erfahrung mit klinischer Arbeit, auf die wir beide zurückblicken können. Dank unserer umfassenden klinischen Erfahrungen, die wir während unserer praktischen Arbeit und bei der Wissensvermittlung und Supervision von Pflegestudierenden und Studierenden aus anderen Disziplinen gesammelt haben, konnten wir die theoretischen und klinischen Empfehlungen so aufbereiten, dass sie wirklich von Nutzen sind. Die Durchführung eines 15-minütigen (oder kürzeren) Familiengesprächs ist nach wie vor eines der populärsten, gefragtesten und einträglichsten Kapitel des Buches, wie uns zahlreiche Pflegefachpersonen aus der Praxis und Pflegestudierende berichtet haben. Es vermittelt Pflegefachpersonen, die in Bereichen arbeiten, wo großer Zeitdruck herrscht, wie sie Familien effektiv unterstützen können.
Mit unserem Buch wollen wir den Pflegefachpersonen
eine fundierte theoretische Wissensgrundlage mit Blick auf das Familien-Assessment und die Familien-Interventionen vermitteln
verständliche, prägnante, umfassende und evidenzbasierte Modelle für das Familien-Assessment und die Familien-Interventionen für die aktuell beste Praxis vorstellen
Leitlinien anbieten für pflegerische Familiengespräche und die dafür benötigten Fähigkeiten und Fertigkeiten
anhand von Beispielen aus der klinischen Praxis Ideen und Vorschläge für die Vorbereitung, Durchführung und Beendigung von Familiengesprächen präsentieren
einen Eindruck davon vermitteln, wie bedeutsam die Zusammenarbeit von Pflegefachpersonen und Familien ist, wenn es darum geht, krankheitsbedingtes Leiden zu verringern oder zu lindern.
Es gibt ein neues Kapitel mit dem Titel „Die Anwendung von Fragen in Familiengesprächen“. Wir sind zuversichtlich, dass dieses Kapitel den Pflegefachpersonen hilft, Fragen gezielt einzusetzen und so die Zeit, die sie mit den Familien verbringen, besser fokussieren und nutzen zu können.
Das weithin bekannte und in vielen Ländern angewandte Calgary Familien-Assessment-Modell (CFAM) wurde auf der Grundlage aktueller familienspezifischer Forschungserkenntnisse, Theorien und US-amerikanischer Statistiken sorgfältig aktualisiert und erweitert. Dies wird die evidenzbasierte Praxis verbessern. Probleme, die durch Fragen der Vielfältigkeit bedingt sind, wie z. B. Kultur, Ethnie, sexuelle Orientierung, Gender und soziale Schicht, werden stärker berücksichtigt.
Die Genogramme sind komplexer. Anleitungen zur Erstellung von Genogrammen für „Patchwork-Familien“, lesbische und schwule Familien mit Kindern und andere Familienstrukturen sollen den Pflegefachpersonen helfen, ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten der Gesprächsführung zu verbessern.
|34|Das Calgary Familien-Interventions-Modell (CFIM) wurde auf der Grundlage neuester Forschungserkenntnisse aktualisiert. Es enthält klare und speziell auf die familienzentrierte Pflege abgestimmte Interventionen zur Verbesserung und/oder Aufrechterhaltung der Familienfunktion und zur Bewältigung von Erkrankungen.
In Bezug auf immer komplexere Familiensituationen sollen die Kompetenzen der Pflegefachpersonen um Fähigkeiten und Fertigkeiten verbessert werden, um Interventionen auch bei vielschichtigen klinischen Problemen durchführen zu können (wie z. B. genetische Tests, Adipositas, generationsübergreifende Adoptionen und die Auswirkungen des Terrorismus).
Die Auswirkungen von Informationen aus dem Internet und die zunehmende Nutzung des Internets (soziale Netzwerke, Pornografie, Cybertherapie und Cybermobbing etc.) wurden in geeignete Textpassagen integriert.
Der Text enthält an vielen Stellen spezifische Hinweise zur Verbesserung der partnerschaftlichen Zusammenarbeit zwischen Pflegefachperson und Familie sowie Musterbeispiele für Fragen, die die Pflegefachperson sich selbst oder der Familie stellen kann.
Neue, realitätsnahe Kästen, die auch in der klinischen Praxis verwendete Fragen berücksichtigen, sind für vielbeschäftigte Pflegefachpersonen eine schnelle und einfache Informationsmöglichkeit.
Die überarbeitete siebte Auflage von Nurses and Families (die dritte deutsche Ausgabe; Anm. d. Lek.) ist ein praxisorientiertes Lehrbuch für Studierende auf verschiedenen Stufen aus der Praxis. Dieses praxisorientierte Lehrbuch für die klinische Arbeit bietet Pflegestudierenden, Pflegefachpersonen aus der Praxis und Lehrenden die Möglichkeit, Familien in allen Praxisbereichen eine bessere Gesundheitsversorgung anzubieten. Lehrende im Bereich der Pflege, die aktuell einen familienzentrierten Ansatz vermitteln und/oder vorhaben, mit dem Konzept „Familie als Klient“ zu arbeiten, werden es gerne nutzen. Lehrende, die Weiterbildungskurse oder Experten-Programme anbieten, können mithilfe dieses Buches die klinische Wissensgrundlage und die Fähigkeiten der Pflegefachpersonen im Bereich der familienzentrierten Pflege verbessern.
Das Buch enthält spezielle Leitlinien und beschreibt Fähigkeiten, die Pflegefachpersonen bei der Vorbereitung auf und der Durchführung von Familiengesprächen berücksichtigen müssen, angefangen vom ersten Gespräch bis hin zum Abschluss der Behandlung. Die zahlreichen Fallbeispiele aus der klinischen Praxis wurden aktualisiert und an die Verschiedenartigkeit der Familien in der heutigen Gesellschaft angepasst. Das Buch präsentiert Probleme aus verschiedenen Praxis-Settings wie Krankenhaus, medizinische Grundversorgung, Schule, Gemeindekrankenpflege und häusliche Pflege.
Wie uns zahlreiche Pflegefachpersonen aus der Praxis und Pflegestudierende berichten, ist Die Durchführung eines 15-minütigen (oder kürzeren) Familiengesprächs (Kap. 9) immer noch eines der beliebtesten, gefragtesten und nützlichsten Kapitel des Buches. Es befähigt Pflegefachpersonen in arbeitsintensiven Bereichen, Familien wertvolle Hilfe anzubieten.
Auch die siebte Auflage von Nurses and Families (die dritte deutsche Ausgabe; Anm. d. Lek.) verfolgt diese Ziele:
Sie vermittelt Pflegefachpersonen eine fundierte theoretische Wissensgrundlage für das Familien-Assessment und die Familien-Interventionen.
Sie bietet Pflegefachpersonen als aktuell beste Praxis verständliche, prägnante und umfassende evidenzbasierte Modelle für das Familien-Assessment und die Familien-Interventionen - das Calgary Familien-Assessment-Modell und das Calgary Familien-Interventions-Modell.
|35|Sie enthält Leitlinien für die Fähigkeiten, die zur Durchführung von Familiengesprächen relevant sind.
Sie setzt sich anhand von Beispielen aus der klinischen Praxis ausführlich mit der Vorbereitung, Durchführung, dem Umgang mit Fragen und dem Abschluss von Familiengesprächen auseinander.
Sie führt Pflegefachpersonen vor Augen, welch enormen Einfluss die Zusammenarbeit zwischen Pflegefachpersonen und Familien hat, wenn es darum geht, krankheitsbedingtes Leiden zu verringern oder zu lindern.
In dem Buch gibt es ein neues Kapitel (Kap. 13): Der ganze Prozess (Pulling it It All Together). Das Kapitel präsentiert ein Fallbeispiel aus der klinischen Praxis, die Familie O’Shannell. Die Durchführung des Familiengesprächs orientiert sich an CFAM und CFIM. Wir wollen mit diesem Kapitel Studierenden und Pflegefachpersonen anhand von entsprechenden Beispielen den Umgang mit dem CFAM/CFIM vermitteln, um ihr Wissen und ihre Fähigkeiten auf allen Stufen zu erweitern.
Jedes Kapitel beginnt mit Lernzielen. Sie zeigen, was die Studierenden nach der Lektüre des Kapitels können sollten und geben einen Überblick über die in dem Kapitel behandelten Themen.
Im Anschluss daran werden die Schlüsselbegriffe aus dem Bereich der familienzentrierten Pflege vorgestellt. Kästen mit kurzen Definitionen der Schlüsselbegriffe sind über das ganze Kapitel verteilt und werden im Text ausführlich erläutert.
Am Ende einiger Kapitel gibt es ein Fallszenario mit gezielten Fragen, die helfen sollen, die in dem Kapitel vermittelten Informationen umzusetzen und zu festigen.
Jedes Kapitel endet mit Fragen, die zum kritischen Denken anregen. Sie sollen die Studierenden animieren, ihr neu erworbenes Wissen auf ihren Bereich der klinischen Praxis zu übertragen.
Alle Kapitel wurden sorgfältig aktualisiert und erweitert. Sie enthalten neben vielen neuen Hinweisen auch aktuelle Forschungsergebnisse und Theorien. Diese Aktualisierungen verbessern die evidenzbasierte Pflegepraxis und liefern den Kontext für aktuelle Themen und Trends. Wir hoffen, dass CFAM/CFIM auch weiterhin als leicht anwendbare, praktische und relevante Modelle von vielbeschäftigten Pflegefachpersonen geschätzt werden, die neben komplexen Problemen und Familienstrukturen auch mit verschiedenen Entwicklungsstadien konfrontiert werden.
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Lernziele
Skizzieren Sie die Entwicklung der familienzentrierten Pflege.
Benennen Sie den Unterschied zwischen patientenzentrierten Pflegeinterventionen und familienzentrierten Pflegeinterventionen.
Beschreiben Sie die Indikationen und Kontraindikationen für Familien-Assessments und Familien-Interventionen.
Erörtern Sie das Calgary Family Assessment Model (CFAM) und das Calgary Family Intervention Model (CFIM) als Modelle für Family Systems Nursing.
Schlüsselbegriffe
Calgary Familien-Assessment-Modell (CFAM)
Calgary Familien-Interventions-Modell (CFIM)
Patientenzentrierte Pflegeinterventionen
Familienzentrierte Pflegeinterventionen
Family Systems Nursing
|38|Pflegefachpersonen1 haben die ethische und moralische Verpflichtung, Familien in die Praxis ihrer Gesundheitsversorgung einzubeziehen. Die Familie hat einen beträchtlichen Einfluss auf Gesundheit und Wohlbefinden ihrer Mitglieder. Allerdings lässt sich familienzentrierte Pflege nur dann auf verantwortungs- und respektvolle Art und Weise praktizieren, wenn sie auf einem fundierten Familien-Assessment, auf fundierten Familien-Interventionen und einer beziehungsorientierten Zusammenarbeit basiert.