3,99 €
Schwule Fantasy-Erzählungen, erotisch, romantisch, bewegend – und gewürzt mit einer Prise Humor. Junge Männer geraten aus ihrem ganz gewöhnlichen Alltag in fantastische Parallelwelten und müssen sich plötzlich als Helden bewähren. Die Herausforderungen sind enorm, doch der Einsatz lohnt sich, denn es geht um die große Liebe!
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Inhaltsverzeichnis
Vanillestab und Nougatblume
Stärker als der Tod
So weiß wie Milch
Das Herz des Seedrachens
Impressum
Ich lag vollkommen nackt am Strand. In Augenhöhe zogen sich die Sandwellen hin. Millionen, Milliarden durchsichtiger, blassgelber oder bräunlicher Körnchen waren zu Miniaturdünenketten aufgehäuft. Ich blinzelte durch die halb geschlossenen Lider über dieses sonnenglitzernde Zwergengebirge hin und genoss die Hitze. Die Vormittagssonne auf dem Rücken und die Glut des Bodens an Brust, Bauch und Schwanz schlossen meinen Körper ein wie ein Sandwichgrill. Eben noch war ich im klaren, türkisfarbenen Meer geschwommen, und danach hatte ich mich einfach ohne Handtuch in den Sand geworfen und ließ mich trocknen.
Es war herrlich, nackt vom Meerwasser umspielt zu werden oder völlig unbeobachtet am Strand zu liegen und sich alle Freiheiten zu erlauben. Diese kleine, abgelegene Meeresbucht an der Westküste von Korsika wurde offenbar nur sehr selten von Urlaubern entdeckt. Doch ich hatte das idyllische Fleckchen Erde aufgespürt.
Träge dachte ich an zu Hause, an Nürnberg. Da mussten sich meine Kollegen in der Entwicklungsabteilung unserer Spielzeugfabrik abplagen, um dem Chef (meinem Vater) und dem Juniorchef (meinem älteren Bruder) geniale Ideen zu liefern. Die beiden behandelten mich immer noch wie einen Azubi, mich, einen Vierundzwanzigjährigen! Aber das erschien jetzt weit weg. Ich wühlte mich wohlig noch etwas tiefer in den warmen Sand. Welche Männer würde ich im Urlaub kennenlernen? Wer würde mich zärtlich beglücken oder sich von mir verwöhnen lassen? Der junge Tennisspieler, der mich am Morgen im Hotel so freundlich gegrüßt hatte? Oder der nette, dunkelhaarige Typ an der Rezeption? Meine Männlichkeit begann in der Hitze langsam zu wachsen.
Eine leichte Bewegung, die ich nur aus dem Augenwinkel wahrnahm, unterbrach meine lustvollen Gedanken. Vielleicht ein zusammengeknülltes Stück Papier, vom milden Seewind herangeweht.
»Sei gegrüßt!«, sagte eine sehr feine Stimme.
Ich hob den Kopf und blickte mich um, doch die felsumschlossene, malerische Strandbucht war immer noch menschenleer.
»Hier bin ich doch! Direkt vor dir!«, hörte ich wieder das Stimmchen, dieses Mal etwas ungehalten. Irritiert fixierte ich das Etwas vor meiner Nase.
»Na, endlich siehst du mich!«, tönte es.
Verblüfft riss ich die Augen auf. Dieses bunte Nichts, dieses vermeintliche Stück Papier war allen Ernstes ein Lebewesen! Ein winziger Jüngling, gerade so groß wie die Ritterfiguren aus Kunststoff, die ich für unsere Firma entworfen hatte! Und er saß auf einem lebendigen, bunt aufgezäumten Miniaturpferd von höchstens sechs Zentimetern Widerristhöhe.
»Nun starr mich nicht an, als wäre ich vom Mond gefallen!«, fauchte das kleine Wesen missbilligend. »Komm endlich! Es ist so heiß hier, dass ich nicht viel Lust habe, eine Ewigkeit in dieser Wüste herumzustehen.«
Ich versuchte, einen Satz zu artikulieren, doch es gelang mir nicht.
»Du … da … wer …«, konnte ich nur stammeln.
Der Kleine verdrehte die Augen.
»Das erkläre ich dir später. Steh auf und komm!«
»Ich – soll – mit – dir –« Ich war immer noch halbwegs sprachlos.
»Mir hatte auch jemand vorgeschwebt, der nicht so lahm ist wie du. Aber wir haben keine Wahl. So viele Leute von deiner Sorte kommen nicht hierher in diese abgelegene Bucht. Du bist doch schwul?«
»Ja!«, rief ich ohne Zögern. Das war endlich eine Sache, die ich begriff.
»Wenigstens das ist also in Ordnung«, murmelte der zwergenhafte Reiter. »Ich hoffe, du stellst dich später ein bisschen klüger an als jetzt.«
»Wobei soll ich mich denn klug anstellen?« Ich hatte mich ein klein wenig von meiner Verwirrung erholt.
»Wir brauchen deine Hilfe.«
»Und wer ist ‘wir’?«
»Prinz Íngraban und unser Volk. Beeil dich jetzt!«
Hilfsbereit war ich immer, und wenn sogar ein Prinz auf mich zählte, konnte ich unmöglich nein sagen.
»Wie heißt du eigentlich?«, fragte ich noch, indem ich aufstand.
»Ánil. Du könntest mich und Bergsturm ein Stück tragen, bitte, dann erspare ich mir den staubigen Ritt zurück durch den Sand.«
»Sehr gerne!« Bestimmt würde es faszinierend sein, dieses kleine, männliche Wesen in den Händen zu halten. »Ich will mich nur schnell anziehen. Mein Name ist übrigens Valentin.«
Mein Name schien Ánil ziemlich gleichgültig zu sein.
»Wir haben keine Zeit zu verlieren. Du kannst bei uns neue Sachen bekommen, die besser aussehen als dieser Plunder hier.« Er stocherte mit einer kleinen Lanze, die er in der Rechten trug, leicht angewidert in meinen Markenjeans und dem Designerslip herum, die ich über meinen Rucksack geworfen hatte. »Aber fass den Bergsturm vorsichtig an! Er ist kitzlig am Bauch.«
»Wenn du meinst, dass dein Prinz mich so nackt und sandpaniert akzeptiert – bitte!«, warf ich ein. Ich nahm behutsam das Minipferd mit dem winzigen Reiter in die Hände, spürte das weiche Fell des weißen Hengstes und streichelte ihm zaghaft über die Kruppe. Die kleine Bestie wieherte kampflustig und schlug mit den Hinterhufen nach meinen Fingern aus.
»Du hast ihn irgendwo zu sehr gedrückt!«, tadelte Ánil. »Vorsichtiger!«
Ich seufzte. »Du meinst wirklich, dass ich der Aufgabe gewachsen bin, die ich lösen soll? Obwohl ich nicht einmal dein Pferd richtig anfassen kann?«
»Das bezweifle ich auch langsam. Aber Prinz Íngraban entscheidet das, nicht ich. Ich bin nur sein Berater. Jetzt los, immer auf die Felswand zu, dahin, wo das Gestein etwas dunkler schimmert.«
Inzwischen mehr neugierig als verwirrt, gehorchte ich widerstandslos. Ich trug den wütend schnaubenden Miniaturhengst samt dem hoheitsvoll im Sattel sitzenden Reiter über den sonnenheißen, menschenleeren Strand zur Bergwand. Wir waren bereits in den schmalen Schatten des Felsens eingetaucht, da kam mir ein neuer Gedanke.
»Sind dein Prinz und alle anderen aus deinem Volk eigentlich auch so klein wie du?«, fragte ich.
»Ja, was denn sonst«, gab Ánil ungnädig zurück.
»Wie wollt ihr mich dann einkleiden?«, erkundigte ich mich spöttisch.
Ánil lachte nur kurz auf. »Mach dir darum keine Gedanken! Setz mich jetzt bitte hier auf den Boden. Puh! Die Hitze war wirklich scheußlich an eurem Strand. Wie hältst du das aus, in dieser Sonne auch noch zu braten wie ein Steak?«
»Ich bin in Urlaub. Im Urlaub legt man sich in die Sonne, um braun zu werden. Zu Hause sehen dann die Freunde und Kollegen an der Bräune, was für weite, schöne und teure Reisen man sich leisten kann.«
Ánil schüttelte verständnislos den Kopf. Ich hockte neben ihm und bemerkte, dass seine feine Haut hell war wie kostbares Biskuitporzellan. Das leicht lockige, nicht zu kurze Haar war schwarz mit kleinen, dunkelbraun und heller braun aufleuchtenden Strähnen, und er trug es irgendwie faszinierend wild und zugleich sehr gepflegt. Der zierliche Körper des jungen Mannes war mit einem sorgfältig genähten, eng anliegenden, einteiligen Seidenanzug nebst passenden Handschuhen und Schuhen bekleidet, alles in leuchtendem Rot und Gelb gehalten. Ich ertappte mich dabei, dass mein Blick über die winzige Wölbung zwischen den schlanken, seidenverhüllten Schenkeln tastete. Wie süß wäre das – dieses Schwänzchen steif im Mund zu haben! Wie viel da wohl herauskäme? Ob man das überhaupt schmecken würde?
Jetzt saß Ánil von seinem Schimmelhengst ab. Er reichte mir wirklich kaum bis an den Fußknöchel. Aus seinem rotgelben Wams zog er ein helles Beutelchen, öffnete es, entnahm ihm mit den behandschuhten Fingern etwas weißes Pulver und streute es auf meinen nackten Fuß. Schlagartig fühlte ich einen starken Schwindel. Die Landschaft begann sich um mich zu drehen, schneller und schneller. Ich versuchte aufzustehen, schwankte, griff vergeblich nach einem Halt. Während ich noch registrierte, dass ich zusammensackte wie ein nasser Lappen, wurde mir schwarz vor Augen.
Sekunden später kam ich – auf dem felsigen Boden liegend – wieder zu Bewusstsein. Vor mir stand ein schöner, schwarzhaariger junger Mann, vollkommen in rotgelbe Seide gewandet. Bestimmt war er nicht älter als zweiundzwanzig. Seine großen Augen leuchteten wie blaue Sonnen, und die wohlgeformten, männlichen Schmuckstücke zwischen den Schenkeln zeichneten sich unter dem dünnen Stoff jetzt sehr deutlich und enorm reizvoll ab.
»Ánil! Du bist ja plötzlich so groß wie ich!«, rief ich begeistert. Eine so hübsche Urlaubsbekanntschaft übertraf alle meine Erwartungen.
»Dann sieh dich mal ein bisschen um«, erwiderte Ánil spöttisch.
Verdutzt sah ich da einen mächtigen Schimmelhengst, der mich von oben herab feindselig anstarrte. Die Felshänge waren unvermutet in den Himmel gewachsen, das Mittelmeer rauschte in weiter, weiter Ferne, und dazwischen wogte ein riesiger, hitzeflirrender Sandozean. Die Sandkörner waren so groß wie meine Zehen, das Geröll am Fuß der Bergwand bestand aus gewaltigen Steinbrocken. Entsetzt sprang ich auf, drehte ich mich im Kreis und stieß mit dem Kopf an eine Art weichen Baumstamm – einen vertrockneten Grashalm.
»Hilfe!«, ächzte ich. »Hiiiiil-feee!« Ich rannte so nackt und winzig, wie ich nun war, zurück in die Wüste, stolperte über die Sandbrocken, stürzte, fiel aufs Gesicht, spürte die glühend heißen, scharfkantigen Quarzkristalle auf der Haut und schrie zum Steinerweichen.
Der Huftritt des Hengstes kam näher.
»Mach nicht so ein schauriges Theater!«, befahl Ánil streng. »Steh auf und setz dich hinter mich aufs Pferd!«
Zitternd hob ich den Kopf.
»Wie konntest du – wie konntest du das tun?«, jammerte ich. »Und dann noch, ohne mich vorher zu fragen!«
Ánil schnaufte verächtlich.
»So weit käme es noch, dass man jeden erst fragt. Da würde nichts werden auf dieser Welt. Du bekommst ja später deine alte Größe wieder.«
»Wirklich?«
»Bei Manamána, ja doch, und nun steig endlich auf! Du kostest mich so viel Zeit und Nerven wie überhaupt noch niemand bisher.«
Schicksalsergeben stand ich vom Boden auf. Nach einigen vergeblichen Versuchen gelang es mir, mich rittlings hinter den Sattel auf die Pferdekruppe zu setzen. Da spürte ich an meiner Front, an meiner nackten, zerschrammten Haut Ánils seidigen Körper! Eine tröstliche Seligkeit überkam mich. Ich umklammerte den wunderbaren jungen Mann, roch den Duft seines schönen Haars und schmiegte mich dicht an seinen Rücken, so dicht, dass mein nackter Schaft hart wurde und sich fest an Ánils knackigen Hintern drückte.
»Nimm bitte deinen geilen Schwanz von mir weg!«, sagte da mein wundervoller Reiter. »Ich habe keine Lust, meinen Anzug zu wechseln, nur weil du mich mit deinem klebrigen Saft vollkleckerst.«
Beschämt erwiderte ich: »Es gibt gar keinen Vorsaft bei mir. Ich bin immer ganz trocken.«
»So, wirklich?« Ánil lachte amüsiert auf. »Vielleicht neigst du aber zum schnellen Abspritzen?«
»Nein, nie!«, beeilte ich mich zu versichern.
»Also gut, dann bleib meinethalben so, wenn’s dir Freude macht. Aber sitz still! Der Bergsturm hat so schon genug an uns beiden zu schleppen, wenn es jetzt bergauf geht.«
***
Eine volle Stunde lang musste Bergsturm seine doppelte Last ziemlich rasch einen schmalen Saumpfad hinauftragen. Immer wieder lenkte Ánil ihn durch winzige Felsspalten, vorbei an gefährlichen, viele Zentimeter tiefen Abgründen und über wenige Millimeter breite Felsgrate. Ich schloss häufig schaudernd die Augen. Mit einem einfachen Schritt hätte ich früher diese Schlünde überqueren können – früher, als ich noch groß war …
»Du wärmst so fürchterlich«, beklagte sich Ánil zwischendurch. »Kannst du nicht ein bisschen mehr Abstand halten?«
»Entschuldige«, murmelte ich. »Ich bin ein Stadtmensch. Ich bin es nicht gewöhnt, über so gefährliche Wege zu reiten.«
»Was ist mit deinem Ständer? Ich merke ihn gar nicht mehr«, spottete der Schöne.
»Der ist es auch nicht gewöhnt. Er versteckt sich lieber.«
Ánil lachte.
»Wir sind gleich in der Stadt«, sagte er dann. »Aber du musst zuerst in die Kleiderkammer, denn in dem Zustand werde ich dich dem Prinzen nicht präsentieren.«
In diesem Augenblick umschritt der Hengst eine Felsnase. Vor uns tat sich unvermutet ein liebliches Tal auf, eingeschlossen von dichten, dunkel-romantischen Pinienwäldern. Mitten in diesem Tal lag eine hübsch gebaute, von einer Wehrmauer umschlossene Stadt, in deren Zentrum sich ein prunkvolles Schloss mit goldenen Zwiebeldächern, Zinnen und Türmchen erhob.
Entzückt betrachtete ich dieses – im wahrsten Sinne des Wortes – Kleinod der Baukunst, während wir hinab ins Tal ritten. Durch ein reich mit Gold geschmücktes Stadttor und über prächtige Straßen erreichten wir das Schloss.
Ein herrlicher Garten umgab den Palast. Orangen- und Zitronenbäume, Palmen, Lorbeer, Tamarisken und allerlei andere exotische Gehölze wuchsen dort, zusammen mit den schönsten, buntesten Blumen, die man sich vorstellen kann, vor allem Lilien und Rosen – selbstverständlich alles im passenden Miniaturformat. Kleine weiße Rehe sprangen über schmale, künstliche Bäche, und winzige blaue Nachtigallen sangen im Gezweig.
Allerdings wirkten Wege und Straßen extrem unbelebt. Kaum, dass einmal eine einsame Person um die Ecken huschte. Und noch eines wunderte mich, und ich fragte Ánil danach: »Warum hängen an eurem schönen Schloss überall diese tristen, schwarzen Lappen?«
»Schwarze Lappen!«, wiederholte Ánil empört. »Das ist doch wohl zu erkennen, dass es sich um Trauerfahnen handelt.«
»Trauer? Ist jemand gestorben?«
»Schlimmer! Aber das erfährst du nachher. Wir sind da.« Er parierte den Schimmel vor dem prinzlichen Marstall, aus dessen Fensteröffnungen die edelsten Pferde ihre Köpfe herausstreckten. »Sitz ab!«
Ich glitt von dem erhitzten Bergsturm hinab. Meine Hinterbacken waren feucht vom Pferdeschweiß. Auch Ánil sprang aus dem Sattel, und sofort liefen zwei Pferdeknechte auf ihn zu, nahmen ihm das ermüdete Tier ab und führten es in den Stall. Auf mich nackten Fremdling warfen sie neugierige Blicke, doch ich nahm es gelassen hin. Hässlich sehe ich wirklich nicht aus, auch wenn ich kein Olympionike bin. Und meine Männlichkeit ist zwar nicht riesig, aber auf jeden Fall ausreichend groß – relativ gesehen! – und recht hübsch. Sollten sie mich ruhig anstarren! Wenn mein Körper noch normal gewesen wäre, hätten mindestens sieben von diesen Zwergen auf meinem Steifen reiten können. Wenn …
Ánil ging voran zu einem Nebengebäude des prachtvollen Schlosses. Ich folgte ihm durch einen mit Blumen bemalten Korridor und weiter in einen großen Raum, der mit bunten Vogelfresken ausgestaltet war. In diesem Saal standen dicht an dicht Kleiderständer, auf denen die hübschesten und farbigsten Anzüge hingen, die man sich denken kann.
»Deine Größe müsste ungefähr hier hängen«, meinte Ánil. Bei dem Wort »Größe« zuckte ich etwas zusammen.
»Holla, holla! Wen haben wir denn da?«, flötete ein kleines, glatzköpfiges Männchen, noch viel kleiner als ich, das plötzlich hinter einer Reihe von Jagdanzügen hervorgesprungen kam. Es war in ein regenbogenbuntes Gewand gekleidet, das nicht Anzug und nicht Kleid, sondern irgendetwas dazwischen zu sein schein. »Du weißt doch, mein lieber Ánil, dass hier niemand außer mir Hand anlegen darf.«
»Hab dich nicht so, Tínto!«, erwiderte der schöne Schwarzhaarige lässig. »Du musst den nackten Strandläufer einkleiden, den ich aufgegabelt habe, damit er vor Prinz Íngraban einigermaßen Figur macht.«
»Ja ja ja, das haben wir gleich. Was nehmen wir denn? Dunkelblond ist er und zart gebräunt im Gesicht … Blau? Ja, ich denke Blau. Welche Größe?« Der schrumplige, alte Tínto hob mit zwei Fingern mein bestes Stück an, beklopfte meine Hoden und ließ alles mit einem Kichern wieder fallen. »Ganz nett, ganz nett«, plauderte er weiter. »Was soll er machen? Unseren Prinzen aufmuntern? Na, dafür ist er aber nicht schön genug. Beim Heiligen Manamána! Hier ist etwas für ihn.« Er zog einen ultramarinblauen Zweiteiler vom Bügel, der mit schmalen, weißen Biesen abgesetzt war und entfernt an Kadettenanstalten erinnerte.
»Doch nicht deinen Ladenhüter!«, stöhnte Ánil auf. »Etwas Moderneres bitte!«
»Ich finde, der würde ihm sehr gut stehen«, schmollte der Gnom. Er suchte weiter und kam schließlich mit einem einteiligen Anzug aus hell- und dunkelblauer Seide zurück, der ähnlich geschnitten war wie der rotgelbe von Ánil. „Soll er eben den anprobieren.«
»Gibt es auch Unterwäsche?«, fragte ich arglos.
Der Schneiderzwerg riss die Augen entsetzt auf.
»Unterwäsche!«, schrie er spitz. »Das wäre ja – also – ich bin außer mir!«
»Was hat er gegen Unterhosen?«, erkundigte ich mich zu Ánil gewandt.
»Noch im vorigen Jahr wollte Tínto jeden erschlagen, der keinen Slip aus feinster Spinnwebseide trug«, erklärte Ánil kichernd. »Aber jetzt ist Unterwäsche völlig aus der Mode. Sie trägt unter den engen Anzügen unnütz auf und wärmt auch zu sehr.«
»Oh, so!«, hauchte ich und sah schmachtend auf die rotgelbe Seidenwölbung zwischen Ánils Oberschenkeln. Es zeichnete sich wirklich jedes Detail ab! Ich merkte, dass mein Schwanz wieder einmal begann zu wachsen.
»Sieh einer das Kerlchen an!«, girrte Tínto und griff mir erneut zwischen die Beine. Doch ehe ich mich entscheiden konnte, wie ich mich verhalten sollte, stieß Ánil den Zwerg beiseite.
»Verdammter, geiler Gnom!«, schimpfte er. »Lass deine knochigen Wichsgriffel von seinem Schwanz!«
»Schon gut, schon gut! Reg dich nicht auf!«, grollte Tínto und zog sich in die Schluchten zwischen den Kleiderständern zurück.
»Er ist ein Genie, was das Schneidern anbetrifft, aber wenn man ihm nicht ab und zu auf die Finger klopft, melkt dieser Tattergreis jeden Jungen ab«, sagte Ánil lachend zu mir. Ich warf meinem Beschützer einen sehnsüchtigen Blick zu. Ánil reagierte nicht. »Zieh dich jetzt an«, forderte er mich stattdessen auf. »Es ist gleich Audienzstunde beim Prinzen, da will ich dich vorstellen.«
Ich schlüpfte in den Seidenanzug. Er passte wie eine zweite Haut. Nur mein liebessüchtiges Teil musste ich ziemlich einzwängen. Das Schmeicheln der weichen Seide auf dem gesamten, nackten Körper berauschte mich wie Wein. Nie, nie wieder wollte ich Jeans tragen!
***
Beim Eintritt in den Audienzsaal musste ich kurz die Augen schließen, so geblendet war ich von der Prachtentfaltung des prinzlichen Hofes. Überall brannten Kerzen, deren Flammen sich in den zahlreichen Spiegeln unendlich vervielfältigten. Auch von der gewölbten, mit goldenen Sonnen bemalten Decke hing ein mächtiger Goldkandelaber herab mit mindestens hundert Wachslichtern. Die Wände des weitläufigen, hohen Raumes waren prächtig mit feinen Goldmosaiken und Gemälden verziert, den Fußboden schmückten farbige Marmorintarsien. Dargestelltes Thema war stets die männliche Liebe, sodass es zwischen den Spiegeln und Kerzen vor schönen Knaben, leidenschaftlichen Jünglingen und kraftvollen Männern, die einander in den verschiedensten Varianten beglückten, nur so wimmelte. In säulenverzierten Nischen waren zusätzlich Statuen nackter Athleten aufgestellt, teils aus weißem, teils aus dunklem Marmor. Alle standen in schönster Erregung, gerade so, als wollte man diesen wundervollen, doch oft so kurzlebigen Zustand magisch beschwören.
Eine Schar von Höflingen und Dienern bevölkerte den Raum. Die Dienerschaft war sämtlich in weiße, eng geschnittene Anzüge gekleidet, deren naturgetreu nachgeformte Schrittpartie noch mit einer goldenen Schnürung betont war. Die Höflinge und Regierungsmitglieder wiederum gingen in leuchtende Farben gewandet, und es wäre ein hübscher Zeitvertreib gewesen, die vielen fantasievollen Kostüme mit ihren silbernen und goldenen Verzierungen miteinander zu vergleichen.
Die einzige Person, die nicht recht zu all diesem Prunk passen wollte, war der Prinz selbst. Er saß zusammengesunken auf einem smaragdgeschmückten Thron, das Kinn in die Hand gestützt. Seine eng anliegende Kleidung – von edelster Seide gefertigt – war ausnahmslos schwarz. Der Stoff war mit zahlreichen schwarzen Onyxsteinen bestickt. Obwohl dieses Schwarz ihm ganz ausgezeichnet zu Gesicht stand, wirkte es im üppig-farbigen Audienzsaal wie ein Fremdkörper.
Prinz Íngraban war von überwältigender Schönheit. Wenn ich mich nicht längst unsterblich und unwiderruflich in Ánil verliebt hätte, wäre ich vor Begierde aus allen Nähten geplatzt. Der junge Prinz hatte eine sehr große, schlanke Figur. Sein langes, hellblondes, gelocktes Haar fiel offen über den Rücken hinab, und sein Gesicht trug die edelsten Züge, die ich jemals gesehen hatte. Seine Augen, die jetzt so traurig über das bunte Treiben blickten, waren gerade so smaragdgrün wie die Schmucksteine an seinem Thron, und seine Lippen glichen den Rubinen, mit denen der Thronhimmel verziert war.
»Verneig dich!«, zischelte Ánil. Beflissen beugte ich Haupt und Knie vor dem Herrscher, so, wie es Ánil mir gerade noch in einem zweiminütigen Crashkurs über royalistisches Benehmen beigebracht hatte.
»Wen bringst du mir, Ánil?«, richtete der Prinz das Wort an seinen Berater.
»Einen Menschen, Hoheit! Ich habe ihn am Strand vor dem Gebirge gefunden. Vielleicht kann er Euch im Kampf gegen den Riesen nützlich sein«, erklärte Ánil in einem ehrerbietigen Ton, den ich bisher von ihm nicht kennengelernt hatte. Und dann begriff ich plötzlich, was da gesagt worden war: Kampf gegen den Riesen! Ruckartig hob ich den Kopf. Ich – sollte gegen einen Riesen kämpfen – so klein, wie ich war? Das konnte doch nicht wahr sein! Das träumte ich bloß!