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"Unter einem größeren Baum ließ er seine Tasche zu Boden plumpsen und sank in das hohe Gras, das ihn fast verdeckte, wenn er den Kopf einzog und zerrte den Reißverschluss auf. Zwei weiße Linien zog er auf einem verschmierten Spiegel, hielt sich ein Nasenloch zu und schnupfte den weißen Schnee, ergab sich der Droge in dem Paradies, damit es schneller zerbrach und er nicht länger die Schönheit ansehen musste, die ihm nie gehören würde."
"Farbenschnee" - Die kostenlose Vorgeschichte zum Roman "Farbenpunkte".
Diese Kurzgeschichte gehört Vera und Eustace und spielt sieben Jahre vor den Ereignissen in Farbenpunkte. Keine Vorkenntnisse nötig. Die Geschichte kann für sich alleine stehen.
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Veröffentlichungsjahr: 2016
Dies ist eine Vorgeschichte zu dem Buch "Farbenpunkte". Es werden keine Vorkenntnisse benötigt und die Geschichte kann für sich allein stehen.
Die Sonne schien und Liam ließ die schwarzen Haare noch ein bisschen tiefer in seine Stirn fallen, während er aus rot geräderten Augen das Gewühl auf dem Spielplatz beobachtete und seinen Kater zu ignorieren versuchte. Er bräuchte etwas, das sagten seine zitternden Hände und der kalte Schweiß auf seiner Stirn, doch er war pleite und der Mann seines Vertrauens weigerte sich, ihm noch was rauszurücken, wenn er nicht zahlen konnte.
Also ließ er sein Bein, das in schwarzen Jeans steckte, auf und ab hüpfen und sehnte sich nach der Flasche Wodka, die er in seinem Spind in der Schule versteckt hatte. Zigaretten konnten ihm nicht das geben, was er brauchte, das konnten nur Alkohol, Gras und Koks. Er zog die Nase hoch, presste einen schwarzen Ärmel gegen die ständig rinnende Nase, als er irritiert blinzelte.
Ein Farbenball wanderte an der Seite der Leiterin über den Hof und die Leiterin mit ihrem grauen Helm als Haaren schien sich regelrecht vor Begeisterung zu überschlagen. Der Farbenball steckte in einem orangen Kleid, bunte Federn baumelten von ihren Ohren und Perlen und Ketten klimperten an ihren Armen und Hals. Er konnte die rundliche Frau nur von der Seite sehen, doch ihr Lachen schien zu breit für ihr Gesicht zu sein, während ihre Hände wild gestikulierten und auf die Kinder deuteten, die Fußball spielten.
Der Ball flog durch die Luft und knallte gegen einen Baum neben dem Farbenball, der diesen geschickt auffing und ihn lachend zurückwarf und Liam dabei ihr ganzes Gesicht zuwandte. Flammende Narben zogen sich über ihre linke Gesichtshälfte und verzogen ihr Lachen, dessen Schönheit dadurch allerdings keinen Abbruch hatte. Liam starrte fasziniert zu ihr hin, vergaß dabei ganz die Sehnsucht nach der glitzernden Droge, zu sehr nahm ihn ihr Anblick gefangen.
Als würde sie seinen Blick spüren, sah sie weg von den spielenden Kindern und direkt in seine Augen. Für einen kurzen Moment war ihr Gesicht ausdruckslos, dann breitete sich ein Grinsen darauf aus, als sie auf ihn zukam, der orange Rock wogte um ihre ausladenden Schritte und auf ihn deutete. „Du“, sagte sie und Liam zuckte zusammen, „Du glaubst nicht mehr an Regenbögen und rosarote Elefanten, oder?“
Liam starrte sie an, warf der Leiterin des Heims einen kurzen skeptischen Blick zu, die leicht verzweifelt dreinsah und nicht besonders begeistert über das Interesse des Farbenballs an Liam wirkte. Er blickte wieder zu ihr zurück, betrachtete das narbige, fröhliche Gesicht und verspürte den Drang, ihr wehzutun. Er beschränkte sich darauf, ihr den Mittelfinger zu zeigen, zu verdattert und verwirrt über ihre Frage, als sich eine bessere Retourkutsche einfallen zu lassen.
Sie sah ihn aus warmen, braunen Augen an und er fühlte sich beschissen unter ihrem freundlichen Blick, aus dem ihm ein absurdes Verständnis entgegen funkelte, bevor sie zu lachen begann. „Ich will ihn“, sagte sie zu der Leiterin und deutete auf Liam, dem der Mund wortwörtlich hinunter klappte. „Wann kann ich ihn haben?“
War er ein gottverdammter Hund? Was zur Hölle glaubte diese Frau bitte?
„Mrs. Rosenthal“, begann die Leiterin, ihre Lippen zu einem festen Strich zusammengekniffen und Liam meinte ihre Abneigung gegen ihn fast körperlich zu spüren, was ihn dazu brachte, seine Kapuze über den Kopf zu ziehen und finster seine ausgetretenen Schuhe anzustarren. „Warum reden wir nicht in meinem Büro darüber?“
„Papperlapapp.“ Die forsche Stimme des Farbenballs war plötzlich kühl geworden und eine Hand tauchte vor Liams Gesicht auf. „Ich bin Vera Rosenthal. Und wenn du damit einverstanden bist, dann würde ich dir gern einen Platz in meinem Haus anbieten, bis du genug davon hast oder volljährig bist.“