Fate of the Witch Queen. Verschollene Magie - Verena Bachmann - E-Book

Fate of the Witch Queen. Verschollene Magie E-Book

Verena Bachmann

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Beschreibung

NIEDRIGER AKTIONSPREIS NUR FÜR KURZE ZEIT! **Eine Königin, die sich den Schatten der Vergangenheit stellt** Seit Enju zur Hexenkönigin aufgestiegen ist, verfügt sie über die größte Macht in Lapislazuli. Mit Kayneth, dem Anführer der Beasts, läuft es endlich harmonisch und alles könnte perfekt sein. Doch dann kehrt etwas Böses zurück, um die magische Welt zu erobern. Enju ist gezwungen ungewöhnliche Allianzen einzugehen, wobei sie tief in die Vergangenheit eintaucht und auf düstere Geheimnisse der vergangenen Hexenkönigin stößt. Es gilt all ihre Kräfte zu sammeln, um ihre Heimat vor dem Untergang zu bewahren. Dabei droht Enju ausgerechnet Kayneth in diesem Kampf für immer zu verlieren ... Leser*innenstimmen über »The Witch Queen«: »Dieses Buch ist so erfrischend anders.« »Unglaublich fesselnd und mitreißend!« »Schon beim Namen VERENA BACHMANN wusste ich, dass das Buch gut sein wird, aber dass es mich so umhauen wird? Das habe ich nicht erwartet.« //Dies ist der dritte Band der Reihe. Alle Romane der knisternden Fantasy-Liebesgeschichte: -- Band 1: The Witch Queen. Entfesselte Magie -- Band 2: Rise of the Witch Queen. Beraubte Magie -- Band 3: Fate of the Witch Queen. Verschollene Magie//

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Verena Bachmann

Fate of the Witch Queen. Verschollene Magie

Eine Königin, die sich den Schatten der Vergangenheit stellt

Seit Enju zur Hexenkönigin aufgestiegen ist, verfügt sie über die größte Macht in Lapislazuli. Mit Kayneth, dem Anführer der Beasts, läuft es endlich harmonisch und alles könnte perfekt sein. Doch dann kehrt etwas Böses zurück, um die magische Welt zu erobern. Enju ist gezwungen ungewöhnliche Allianzen einzugehen, wobei sie tief in die Vergangenheit eintaucht und auf düstere Geheimnisse der vergangenen Hexenkönigin stößt. Es gilt all ihre Kräfte zu sammeln, um ihre Heimat vor dem Untergang zu bewahren. Dabei droht Enju ausgerechnet Kayneth in diesem Kampf für immer zu verlieren …

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Vita

© privat

Verena Bachmann, geb. 1987 in Aschaffenburg, lebt mit Hund und Katzen in einem kleinen Dorf im schönen Spessart. Nach einem freiwilligen ökologischen Jahr absolvierte sie eine Ausbildung zur Industriekauffrau und arbeitet heute in einem Unternehmen für Modeaccessoires. Die Liebe zu Büchern weckte im Grundschulalter Enid Blyton und inzwischen stapeln sich die vielseitigsten Romane in ihren Regalen. Doch trotz bunter Auswahl reichte lesen allein irgendwann nicht mehr aus und so beschloss sie ihre eigenen Gedanken ebenfalls einmal zu Papier zu bringen.

Für euch.Ohne die es dieses Buch nicht gegeben hätte.Danke, dass ihr Enju bis hierher begleitet habt.

KAPITEL 1

DIE KRAFT ZU ÜBERLEBEN

»Prinzessin«, hauchte eine samtig tiefe Stimme an mein Ohr.

»Zeit aufzustehen.«

Weiche Lippen gaben mir einen kurzen, sanften Kuss auf die Schläfe, während Fingerspitzen federleicht über meinen nackten Arm streichelten.

Ich gab einen wohligen Laut von mir und kuschelte mich tiefer in mein Kissen.

Die Finger glitten weiter meinen Arm hinauf, erreichten meinen Hals und strichen in liebevoller Geste mein Haar zur Seite. Im nächsten Moment bedeckten zärtliche Küsse meine Halsseite, was mir ein breites Lächeln ins Gesicht zauberte.

Zumindest so lange, bis ein scharfer Schmerz, verursacht von einem kleinen Biss, mich hochfahren ließ.

»Aua! Was soll das denn?«, fauchte ich und blickte verärgert in zwei amüsiert funkelnde grüne Augen.

Kayneth stand noch immer über mich gebeugt, die Arme zu beiden Seiten meines Körpers auf dem Bett abgestützt. Viel Platz war nicht zwischen uns, und Kayneth überbrückte die wenige Distanz, um mir einen schnellen Kuss auf die Lippen zu geben.

»Guten Morgen, endlich wach?«, fragte er, was ich mit einem undefinierbaren Laut eher verneinte.

Meine Finger wanderten in seinen Nacken und die vom Duschen noch feuchten Haarspitzen befeuchteten meine Haut, als ich ihn für einen weiteren Kuss zu mir zog.

Kayneth folgte bereitwillig, als ich mich wieder nach hinten sinken ließ, und ich genoss das Gefühl seiner heißen Haut direkt auf meiner und wie sein schwerer Körper mich unter sich festpinnte. Fast automatisch öffnete ich meine Schenkel, damit er dazwischen Platz fand, und revanchierte mich für seinen Biss, indem ich seine Unterlippe zwischen die Zähne nahm und spielerisch daran knabberte.

Kayneth ließ mich nicht lange spielen, sondern verschloss meinen Mund mit seinem, neckte mich mit seiner Zungenspitze, damit ich ihm entgegenkam, und saugte dann so heftig an meiner Zunge, bis ich vor Erregung keuchte und meine Finger sich stärker in seinen Nacken krallten, um ihn an Ort und Stelle zu halten, damit er nicht einmal auf die Idee kam, mit seinem Tun aufzuhören.

Mit der freien Hand streichelte ich über seinen nackten Rücken nach unten, reizte seine angespannten Muskeln immer wieder sacht mit den Fingernägeln und schob meine Hand dann unter den Bund seiner Jogginghose, um den störenden Stoff von seinem Hintern zu schieben.

Kayneth hob den Kopf, seine Lippen schwebten nah über meinen, und ich spürte sein Lächeln an meinem Mund mehr, als dass ich es wirklich sah.

»Ich weiß genau, was du vorhast«, flüsterte er und sein heißer Atem wärmte meine feuchten Lippen.

»Aber die Ablenkung wird nicht funktionieren«, ließ er mich wissen, was mir wiederum ein Lächeln ins Gesicht zauberte.

»Sicher?«, fragte ich verführerisch und ließ meine Hand von seinem Hintern über die Hüfte nach vorne wandern.

Bevor ich meine Finger jedoch um ihn legen konnte, entzog er sich mir völlig, indem er aufstand und ein paar Schritte vom Bett zurücktrat.

»Sicher«, beharrte er und grinste selbstzufrieden.

»Wir werden hingehen und wir werden nicht zu spät kommen.«

Enttäuscht und bedürftig blickte ich zu ihm auf, aber der Drache blieb unnachgiebig.

Mit einem schweren Seufzen ließ ich den Kopf zurückfallen und starrte an die Decke.

»Muss das wirklich sein?«, jammerte ich.

»Es ist ein Frühstück bei meinen Eltern, damit sie dich endlich kennenlernen. Kein Gang zum Scheiterhaufen, Prinzessin.«

»Ihr seid Drachen. Ihr braucht keinen Scheiterhaufen, um mich in Flammen aufgehen zu lassen«, murrte ich.

Mein Unwille entlockte ihm nur ein tiefes Lachen.

»Jetzt steh schon auf«, wiederholte er.

»Zwing mich doch«, neckte ich, hob wieder den Kopf und beobachtete mit leichtem Bedauern, wie er ein T-Shirt aus seiner Schrankseite holte, überzog und mich damit des Anblicks seines definierten Oberkörpers beraubte.

Tatsächlich hatte ich erwartet, dass es mir schwererfallen würde, mein Zuhause, mein persönliches Reich und mein Zufluchtsort, mit einem anderen Menschen teilen zu müssen. Aber das Zusammenleben mit Kayneth fühlte sich so natürlich und angenehm an, als hätten wir schon immer gemeinsam gelebt.

Als wir vor ein paar Monaten beschlossen hatten zusammenzuziehen, gab es auch die Option, dass ich zu ihm zog, aber das hatte ich kategorisch abgelehnt.

Kayneth dachte, weil mir die ständige Präsenz seiner Beasts zu viel sei – was nicht ganz der Unwahrheit entsprach. Ich wollte mit meinem Partner nicht ständig für alles und jeden erreichbar sein. Ich wollte Privatsphäre, einen Ort nur für uns. Aus diesem Grund hatte ich auch meinen Tanten und den anderen Hexen des Zirkels inzwischen verboten, ohne Vorankündigung bei mir aufzutauchen, und alles Geschäftliche auf den Hauptsitz des Covens verlegt – aber der Hauptgrund, weshalb ich nicht bei Kayneth eingezogen war, war viel simpler und sprach nicht unbedingt für mich. Weswegen ich ihn Kayneth lieber nicht verraten wollte.

Es war einfach so, dass sich seine alten Wohnräume im Turm des Hauptsitzes der Beasts befanden, und man musste gefühlt sechshundert Treppenstufen steigen, um dorthin zu gelangen. Wer, außer extremen Sportfanatikern, würde sich das bitte freiwillig antun?

Abgesehen davon hatte ich im Gefühl, das Kayneth es inzwischen ebenfalls genoss, einen Ort für sich zu haben, an dem er nicht ständig als Oberhaupt der Beasts Präsenz zeigen musste.

»Ich muss dich gar nicht zwingen aufzustehen«, ging er ungerührt auf mein Necken ein.

»Ich weiß auch so, dass du in den nächsten zehn Sekunden das Bett verlassen wirst.«

Ich schnaubte spöttisch.

»Warum so zuversichtlich?«

»Wegen dem, was sich rechts über dir befindet und sich langsam abseilt«, spöttelte er und automatisch drehte ich mein Gesicht in die Richtung.

Eine riesige – gut, objektiv betrachtet war sie vielleicht nur zwei Zentimeter groß – schwarze Spinne seilte sich tatsächlich gerade in Richtung meines Bettes ab.

Mit einem erschrockenen Aufschrei sprang ich regelrecht aus dem Bett. Dabei hatte ich so viel Schwung, dass ich beinah zu Boden fiel, doch Kayneth packte mich blitzschnell an den Oberarmen und hielt mich aufrecht.

»Das war nicht witzig!«, fauchte ich, was er mit einem lauten Lachen quittierte.

»Die hätte mich töten können!«

»Rosalinde hat wahrscheinlich mehr Angst vor dir als du vor ihr«, antwortete er gut gelaunt.

»Du hast der Spinne einen Namen gegeben?«, fragte ich fassungslos, woraufhin Kayneth nur mit den Schultern zuckte, ehe er mich für einen kurzen, aber intensiven Kuss noch einmal zu sich zog und mich dann wieder losließ.

»Sie ist nützlich und hält uns die Stechmücken vom Leib«, erklärte er und zog sich weiter an.

»Das kann ich auch mit Magie bewerkstelligen«, murrte ich, stieß dabei aber auf taube Ohren, und mit einem tiefen Seufzen schleppte ich meinen Körper ins Badezimmer, um auf Toilette zu gehen, mir die Zähne zu putzen und danach unter die Dusche zu schlurfen.

Während heißes Wasser über mich hinwegrauschte und meine Muskeln sich entspannten, versuchte ich das nervöse Flattern in meinem Magen zu unterdrücken.

Mir war klar gewesen, dass ich das Zusammentreffen mit Kayneths Familie nicht ewig würde hinauszögern können. Nicht dass ich es nicht versucht hätte.

Aber irgendwann war mir keine Ausrede mehr eingefallen, die Kayneth mir noch abgekauft hätte, und ich wollte seine Geduld auch nicht überstrapazieren.

Denn insgeheim wussten wir beide, dass ich letztlich nur Schiss hatte. Auch wenn Kayneth nicht nachvollziehen konnte, wieso.

Aber ich hatte beim Gedanken an seine Familie immer noch Beryls Worte im Ohr, dass seine Mutter mich hassen würde.

Sie war eine langjährige Freundin von Kayneths Familie und wie eine Schwester für ihn. Deshalb zweifelte ich nicht daran, dass sie seine Familie gut kannte und richtig einzuschätzen wusste.

Auch wenn mir normalerweise scheißegal war, was andere von mir dachten, wollte ich nicht, dass die Frau, die Kayneth zur Welt gebracht hatte, mich ablehnte.

Denn seine Familie bedeutete ihm alles, und wenn sie mich nicht mochten …

Ich war inzwischen so verliebt in Kayneth, dass mir die bloße Vorstellung, er könnte mich verlassen, weil seine Familie nicht mit mir zurechtkam, regelrechtes Herzrasen und Atemnot verursachte.

Mit einem erneuten Seufzen stellte ich das Wasser ab und trat aus der Dusche. Wenn seine Mutter wirklich so viel Wert auf Pünktlichkeit legte, sollte ich es vielleicht nicht direkt damit versauen, dass wir zu spät kamen.

Ich sparte etwas Zeit, indem ich mein dunkelrotes Haar mittels Magie trocknete, und verließ das Bad, um mich anzuziehen. Kayneth saß fertig auf dem Bettrand und amüsierte sich sichtlich über meinen missmutigen Gesichtsausdruck.

»Als wärst du ein Lamm auf dem Weg zur Schlachtbank«, spottete er, erhob sich mit einer geschmeidigen Bewegung vom Bett und trat zu mir.

Er wartete, bis ich in Jeans und Shirt geschlüpft war, und schlang dann von hinten seine Arme um mich, während ich, dem Ganzkörperspiegel in der Schranktür zugewandt, unser Spiegelbild musterte.

»Du brauchst keine Angst zu haben, kleines Lamm. Sie werden dich nicht fressen«, flüsterte er mir beruhigend ins Ohr und küsste sanft meine Schläfe.

»Wenn man bedenkt, dass bei einer Horde Drachen genau dieses Szenario eintreten könnte … ein Happs und weg … ist das nicht wirklich beruhigend«, motzte ich, was ihn, die Lippen noch immer an meiner Schläfe, erneut lächeln ließ.

»Sie werden dich mögen«, versicherte er und seine Arme schlangen sich tröstend ein wenig enger um mich.

»Das hast du von Sola auch gesagt. Und wie ging das aus?«, erwiderte ich und dachte mit Unbehagen an die drittälteste Schwester und einziges Familienmitglied von Kayneth, das ich bisher kennenlernen durfte.

»Du hast sie Norman Bates genannt – das fand sie nicht nett«, erinnerte mich Kayneth, löste seine Umarmung und trat einen Schritt zurück, damit ich mich zu ihm umdrehen konnte.

»Sie isst ihr Müsli mit Wasser! Bei aller Liebe. So einen kranken Scheiß kann ich doch nicht unkommentiert lassen!«

»Du bist unmöglich«, neckte mich Kayneth mit einem leisen Lachen, gab mir einen zärtlichen Kuss auf die Stirn und streichelte mit den Fingerknöcheln über meine Wange, ehe er seine Hand in meine gleiten ließ und unsere Finger miteinander verschränkte.

»Komm schon, auf in die Höhle des Drachen«, witzelte er und zog mich zur Tür.

Mit einem kleinen Seufzen ergab ich mich meinem Schicksal.

Mir war noch immer flau im Magen, während ich, dem Fenster zugewandt, die Umgebung an uns vorbeiziehen sah, ohne wirklich etwas davon zu registrieren.

Kayneth überließ mich meinen Gedanken und konzentrierte sich schweigend auf die Straße, wodurch die leise Musik im Wagen irgendwann meine Nerven überstrapazierte.

»Du weißt, dass ich nur nervös bin, oder?«, ergriff ich das Wort und drehte mich in seine Richtung.

Ein kleines Lächeln umspielte seine Mundwinkel, während er den Blick weiterhin geradeaus gerichtet hielt.

»Mmh?«

»Ich bin nicht mies drauf, weil ich deine Familie nicht kennenlernen will oder ablehne. Ich mache mir nur Sorgen, weil … ich nun mal etwas gewöhnungsbedürftig bin.«

Kayneth löste eine Hand vom Lenkrad, ergriff meine Finger und drückte sie kurz.

»Du bist fantastisch«, bemerkte er wie beiläufig.

»Das wird meine Familie nicht anders sehen.«

Ich antwortete mit einem zweifelnden Laut, der Kayneth erneut lächeln ließ.

»Es ist nur ein Frühstück im Kreise der Familie, Prinzessin. Kein Grund zur Sorge. Wäre es ein Abendessen, von dir gekocht … DANN müsste uns allen angst und bange sein, aber so …«

»Ich habe mich doch entschuldigt. Eine kleine Lebensmittelvergiftung und es wird einem ewig vorgehalten«, unterbrach ich ihn mit einem theatralischen Seufzen.

Kayneths Mundwinkel wanderten noch höher, und während er weiterhin konzentriert auf die Straße schaute, legte er seine Hand auf meinen Oberschenkel und drückte ihn sanft mit den Fingern.

»Ich weiß, dass du nur nervös bist«, antwortete er dann auf meine ursprüngliche Frage.

»Daher tut es mir auch leid, dich heute drängen zu müssen. Du weißt, dass ich es nicht mag, wenn du dich unwohl fühlst, aber wie du selbst sagst, Prinzessin: Wir wollen nicht, dass sie denken, du würdest sie ablehnen, und inzwischen haben wir das Zeitfenster, in dem man die Familie kennenlernt, wirklich weit gedehnt.«

»Ich weiß«, seufzte ich resigniert und legte meine Hand auf seine.

In den vergangenen Monaten hatte Kayneth mich nicht ein Mal gedrängt oder eine Absage von mir hinterfragt, egal wie unglaubwürdig sie auch gewesen war.

Er war unfassbar geduldig und verständnisvoll geblieben. Aus diesem Grund hatte ich mir auch keine neue Ausrede einfallen lassen, als er diesmal deutlich gemacht hatte, dass sich das Familienfrühstück komplett nach MIR richten würde, damit ich auch wirklich Zeit hatte zu kommen.

»Es wird bestimmt nett werden«, murmelte ich mehr mir selbst zu, woraufhin Kayneth erneut aufmunternd gegen meinen Oberschenkel drückte.

Gedankenverloren streichelte ich über seinen Handrücken, ehe ich mit einem kleinen Grinsen nachsetzte:

»Wenn ich allerdings bedenke, dass wir beide jetzt auch heißen Sex haben könnten, wenn du mich nicht aus dem Bett gescheucht hättest … Wirklich schade. Es hätte SO ein guter Morgen für dich werden können. Meine Zunge und ich hatten sich fest vorgenommen, dich sehr, sehr glücklich zu machen.«

Kayneth gab einen Laut von sich, der etwas gequält klang, und sein Griff an meiner Jeans wurde unmerklich fester.

»Ich hoffe, du möchtest mich heute Nachmittag auch noch sehr glücklich machen. Wenn du es darauf anlegen wolltest, dass ich das Frühstück jetzt möglichst schnell hinter mich bringen möchte, hast du es jedenfalls geschafft«, gab Kaynth zurück, bevor das melodische Klingeln meines Telefons den Wagen erfüllte.

Ich zog es aus der Tasche und betrachtete stirnrunzelnd den Namen auf dem Display.

»Das ist Celenike«, informierte ich ihn.

»Du hast mit deiner Tante jetzt aber keinen Rette-mich-Anruf ausgemacht, mit einem ganz dringenden Notfall, damit du doch nicht mit zu meinen Eltern musst, oder?«, schnaubte Kayneth amüsiert.

»Natürlich nicht!«, erwiderte ich, ehe ich kleinlaut hinzufügte: »Das ist mir diesmal gar nicht eingefallen. Und wenn, käme er definitiv zu früh.«

Bevor Kayneth etwas erwidern konnte, nahm ich den Anruf an.

»Celenike?«

Die Stimme meiner Tante klang schrill und bei ihren Worten gefror mir das Blut in den Adern.

Ich bemerkte erst, wie erschrocken mein Gesichtsausdruck und wie stocksteif meine Haltung geworden sein musste, als Kayneth langsamer wurde und das Auto rechts ranfuhr, ehe er mich mit alarmierter Miene musterte.

»Was ist passiert?«, fragte er, bereit, sich auf jede Gefahr zu stürzen, die mir vermeintlich drohte.

»Luvia … liegt im sterben«, hauchte ich.

Mein Handy rutschte mir aus dem klammen Fingern und landete in meinem Schoß.

Kayneth fragte nichts und drängte mich auch nicht weiterzusprechen, wofür ich dankbar war. Ich hätte ihm keine Auskunft geben können, weil nur noch die Worte Luvia und sterben in meinem Kopf Platz fanden. Es gelang mir nicht einmal, mir noch ins Gedächtnis zu rufen, was Celenike sonst noch gesagt hatte.

Kayneth blickte mich weiterhin schweigend an und schien abzuwägen, ob ich möglicherweise gleich neben ihm zusammenbrechen würde.

Als ich es nicht tat, griff er nach meinem Handy, und ein Seitenblick auf das Display zeigte mir, dass die Verbindung zu Celenike noch stand.

Er klemmte es sich ans Ohr und begann zu reden, ehe er sich wieder in den Verkehr einfädelte und bei der erstbesten Gelegenheit den Wagen wendete, um Richtung Coven zu fahren.

Sehr langsam löste sich mein Körper aus seiner Erstarrung, allerdings nur um in eine sorgenvolle Schwere abzugleiten. Mit gesenktem Kopf betrachtete ich meine Finger. Sie fühlten sich taub an und in meinen Ohren rauschte es unangenehm.

Mein Herz donnerte in meiner Brust, aber all das waren nicht die Empfindungen, auf die ich wartete.

Wenn meine Tante Luvia, ehemalige Königin der Hexen, im Sterben lag … warum spürte ich diese Veränderung nicht in meiner Magie?

Im Hauptsitz herrschte helle Aufregung, obwohl ich zeitgleich das Gefühl bekam, einen Friedhof zu betreten. Die Villa war von einer Kälte durchdrungen, die hier eindeutig nicht hergehörte. Ebenso dieser seltsam modrige Geruch, der in der Luft zu hängen schien.

Aber ich hatte weder die Zeit, dem nachzugehen, noch, auf meine Hexenschwestern zu reagieren, die pflichtbewusst innehielten und ihre Häupter neigten, als ich durch die Tür kam, sondern rannte, zwei Stufen auf einmal nehmend, die Treppe nach oben, dorthin, wo sich die Schlafzimmer befanden.

Kayneth folgte mir dichtauf, sein eigenes Telefon noch immer am Ohr. Ich hatte nur mit halbem Ohr zugehört, aber er schien, nachdem er das Telefonat mit Celenike beendet hatte, mit James, seiner rechten Hand innerhalb des Rudels, zu sprechen und Beasts zur Bewachung des Covens anzufordern.

Normalerweise konnten wir Hexen uns selbst verteidigen, und das trugen wir auch nach außen. In Lapislazuli war es mitunter fatal, Schwäche zu zeigen.

Aber Celenike hatte gesagt, Luvia sei von etwas angegriffen und schwer verletzt worden, daher war ich für die Unterstützung einfach nur dankbar, die Kayneth bot.

Außerdem sendete es ein gewisses Signal an die anderen Gruppierungen der Stadt.

Wir erreichten den Absatz der Treppe, bogen um das Geländer, und ich geriet kurzzeitig ins Stocken, als ich den Lord der Nekromanten mit verschränkten Armen gegenüber der Schlafzimmertür meiner Tante an der Wand lehnen sah.

Im Allgemeinen trug Orpheus immer ein hämisches Lächeln zur Schau, wenn er mich sah, aber jetzt war seine Miene auffallend ernst.

Auch sagte er kein Wort, fixierte mich nur mit seinen eisblauen Augen, als ich mich langsam wieder in Bewegung setzte und zu der geöffneten Tür trat. Normalerweise hätte ich gefragt, was er hier zu suchen hatte, aber ich wusste, dass er und meine Tante Celenike irgendeine Art von Beziehung führten, und nahm an, dass er ihretwegen im Hauptsitz des Zirkels war.

Ich blieb im Türrahmen stehen und registrierte kurz die Fülle an Personen im Zimmer, ehe meine Augen Luvia fixierten, die in der Mitte des breiten Bettes lag, welches sie mit ihrer Partnerin Ekidona teilte.

Diese kniete neben dem Bett und hielt die Hand meiner Tante fest umklammert.

Ihre Augen leuchteten gelb, ihr langes Haar schien elektrisch aufgeladen zu sein und stand zu allen Seiten leicht ab. Auf ihrer sonst so blassen Haut zeigten sich rötliche Flecken und kleine Schuppen. Das Schlangen-Beast in ihr war ganz nah an der Oberfläche. Ekidona zitterte vor Wut und schien drauf und dran, jemanden in der Luft zerreißen zu wollen.

Ein Gefühl, das auch mich beim Anblick meiner Tante überkam. Was auch immer sie attackiert hatte, hatte sie leiden lassen wollen. Ihr gesamter Körper war dick bandagiert, und trotzdem sickerte noch Blut hindurch.

Aber schlimmer noch schien mit ihrem Gesicht verfahren worden zu sein. Es war mit Schlamm bedeckt, welcher die Heilung beschleunigen sollte, aber darunter zeichnete sich ganz deutlich ab, dass die Haut nicht so straff über den Knochen lag, wie es eigentlich der Fall sein sollte.

Jemand hatte meiner Tante das Gesicht zerschnitten und die Haut teilweise entrissen.

Der Anblick zwang mich, meine Finger an den Türrahmen zu krallen, um mich aufrecht zu halten. Neben Wut mischte sich nun Trauer, als ich bemerkte, wie schwach sich ihr Brustkorb hob und senkte. Es sah nicht gut aus.

»Enju«, drang die Stimme von Celenike an mein Ohr und ich drehte den Kopf in ihre Richtung.

Sie saß in einem Sessel in der Ecke und sah aus, als wäre sie dem Tod ebenfalls näher als dem Leben.

Ihre Haut war noch bleicher als sonst, die Wangenknochen stachen hervor, als hätte sie Gewicht verloren, und ihr dunkles Haar wirkte ebenso glanzlos wie ihre Augen.

Sie war offenkundig nicht verletzt, aber ihre Magie war schwach. Sie war ausgelaugt.

»Was ist passiert? Was ist mit dir?«, schaffte ich es endlich zu fragen und betrat das Zimmer.

»Mir geht es gut, das wird schon wieder. Die Zwillinge und ich haben nur sehr viel Magie darauf verwendet, Luvia mit Heilzaubern stabil zu halten, bis die La Dame Blanche hier waren, um zu helfen«, krächzte sie schwach.

»Wo sind die Zwillinge?«, fragte ich.

»Sie schlafen. Ihre Magie mag beachtlich sein für ihr Alter und gemeinsam sind sie sogar noch stärker … Aber trotz ihrer Macht war es einfach zu viel für solch junge Hexen. Sie müssen sich erholen.«

»Und du nicht?«, fragte ich mit einem Hauch Spott.

»Mir geht es gut«, wiederholte sie nur stur.

»Du siehst mehr tot als lebendig aus. Begib dich besser auch in einen Heilschlaf, um deine Kräfte wieder aufzuladen«, wies ich meine Tante an, was zu meiner Überraschung prompt unterstützt wurde, als Orpheus mürrisch brummte:

»Das habe ich ihr auch schon gesagt.«

Ich hatte gar nicht bemerkt, dass er hinter mir ebenfalls ins Zimmer gekommen war und meine Tante mit strenger Miene musterte, aber jetzt kitzelte mich der kühle Hauch seiner Totenmagie im Nacken und ließ mich unwillkürlich frösteln. Mir war unbegreiflich, wie meine Tante seine Nähe aushielt, aber Celenike war möglicherweise einfach nicht ganz so magiesensibel wie ich.

Oder die Liebe half, über wirklich alles hinwegzusehen.

»Ich lasse meine Schwester nicht alleine!«, fauchte Celenike in einem Ton, der deutlich machte, dass die beiden diese Diskussion nicht zum ersten Mal führten.

»Wenn du auch noch zusammenklappst, ist niemandem geholfen. Es gibt noch andere Leute, die dich brauchen«, hielt Orpheus dagegen und machte einen Schritt nach vorne. Die schwarzen Tattoos auf seiner braunen Haut wurden deutlich hervorgehoben, als er die Muskeln anspannte. Er schien drauf und dran, meine Tante einfach über die Schulter zu werfen und in ihr Bett zu verfrachten.

Da ich wusste, dass Celenike auch im geschwächten Zustand noch sehr gut in der Lage war, Blitze zu schleudern, stellte ich mich kurzerhand direkt zwischen die beiden und dirigierte Orpheus wieder einen Schritt zurück.

»Du musst das Zimmer nicht verlassen. Aber lass dir trotzdem helfen«, seufzte ich und wandte mich Hilfe suchend an die La Dame Blanche im Raum.

Es waren sieben an der Zahl und erst jetzt bemerkte ich unter ihnen ein bekanntes Gesicht.

Marisya trat zu uns und schenkte mir ein tröstendes Lächeln. Die Schwangerschaft stand ihr. Sie gehörte wohl zu den Frauen, die tatsächlich so ein gewisses Strahlen bekamen, sobald sie ein Kind unter dem Herzen trugen.

Wobei bei Marisya grundsätzlich immer alles zu strahlen schien. Allein ihre goldenen Locken erweckten immer den Eindruck, als würde sie tagein, tagaus mit einem Heiligenschein durch die Welt spazieren.

So gut es ihr fülliger Bauch zuließ, ging sie neben meiner Tante in die Knie.

»Lass uns dir helfen, Celenike«, sagte sie sanft, aber bestimmt.

»Orpheus hat recht. Es wird Luvia nicht helfen, wenn du aufgrund von zu hohem Magieverlust einfach zusammenklappst.«

Meine Tante wirkte, als wollte sie weiter protestieren, ließ sich dann aber von Marisya mit einem resignierten Seufzen aus dem Sessel helfen.

»Ich werde das Zimmer aber nicht verlassen«, beharrte Celenike, woraufhin Marisya verständnisvoll nickte, ehe sie einer anderen La Dame Blanche ein Zeichen gab.

Die junge Frau in Weiß eilte herbei, schob den Sessel zur Seite und machte sich daran, einen magischen Zirkel auf den Boden zu zeichnen.

Es war die gleiche Art Magie, die auch wir Hexen zur Heilung und Wiederherstellung nutzten, aber von uns gewirkt, war sie nicht annähernd so wirkungsvoll.

Das lag an der dunklen Seite der Magie, derer wir uns ebenfalls bedienten, welche von den La Dame Blanche aber komplett abgelehnt wurde, weil es die helle Seite verunreinigte.

Die junge Frau war schnell und effizient. Nachdem sie einen perfekten Kreis gezogen hatte, begannen die Linien silbern zu leuchten, und ich spürte das Pulsieren der Magie über die geringe Entfernung.

Sie schob den Sessel zurück an seinen Platz, direkt in die Mitte des Zirkels, und zusammen mit Marisya bugsierte sie meine Tante zurück auf das Polster.

Celenike stöhnte leise, als wäre sie gerade in eine wohlig warme Badewanne abgetaucht, ließ den Kopf auf die Lehne sinken und schloss die Augen.

Damit wandte Marisya sich wieder mir zu.

»Und Luvia?«, fragte ich, woraufhin ihre Miene deutliches Bedauern zeigte.

»Wir tun unser Bestes, Enju. Aber sie ist wirklich schwer verletzt.«

Der Stich, der schmerzhaft in meine Brust fuhr, brachte mich dazu, die Zähne fest in meine Unterlippe zu graben, bis diese ebenfalls schmerzhaft pochte.

»Außerdem …«, begann Marisya, brach dann aber ab und blickte sich unsicher um.

»Außerdem?«, bohrte ich nach.

»… ist ihr Magiekreislauf auffallend schwach. Ich glaube, ihre körperlichen Wunden sind nur ein Resultat davon, dass, was auch immer sie attackiert hat, es eher auf ihre Magie abgesehen hatte.«

Mein Blick ging zurück zum Bett und zu meiner Tante.

Die Magie der Hexenkönigin bewirkte, dass eine neue Königin erstarkte, während ihre Vorgängerin langsam verging. Durch diese Energieübertragung hatte ich meiner Tante daher schon einige vorzeitige graue Strähnen verpasst.

Wenn Luvia allerdings solche Wunden davongetragen hatte, die sich nicht so schnell wieder verschlossen, musste ihr Angreifer sich wie eine ausgehungerte Bestie auf ihre Magie gestürzt und sie fast vollständig verschlungen haben.

Erst jetzt bemerkte ich den silbern leuchtenden Zirkel auf dem Boden, direkt unterhalb des Bettes, und die drei La Dame Blanche, die ihn unablässig mit ihrer Magie aufluden, um die Heilung meiner Tante voranzutreiben.

Falls sie überhaupt heilte. Im Moment wirkte es eher, als würde die Magie sie gerade noch so am Leben erhalten.

Ich trat zum Fußende des Bettes, und Schmerz, als zerquetschte eine unsichtbare Faust meinen Brustkorb, stieg in mir auf, während ich auf meine Tante hinabsah.

Ruhig atmen schien kaum möglich und ich fühlte mich mit einem Mal schrecklich hilflos.

Luvia war meine Tante, über viele Jahre meine Königin, dann Regentin, aber vor allem war sie für mich eine Mutter.

Der bloße Gedanke, sie zu verlieren, war unerträglich.

Sie durfte nicht gehen. Nicht so.

Ohne sie zu sein, dazu war ich einfach noch nicht bereit.

Nur hatte ich gerade keine Ahnung, wie ich ihr helfen sollte.

Ich war nicht gut in Heilmagie und konnte nichts von dem, was die La Dame Blanche bisher getan hatten, in irgendeiner Form besser machen.

Eher war ich der Nagel zum Sarg für Luvia. Wäre Kayneth nicht an meiner Seite, hätte mein bloßes Erscheinen im Hauptsitz ihr bereits den Rest gegeben.

Wahrscheinlicher sogar hätte ich meiner Tante bereits vor Monaten sämtliche Lebensenergie entzogen, wegen dieses verdammten Zyklus der Übergabe von einer Königin zur nächsten.

Dass ich jetzt überhaupt so nah bei Luvia stehen konnte, ohne sie augenblicklich in eine vertrocknete Mumie zu verwandeln, verdankten wir nur meiner Verbindung zu Kayneth, oder vielmehr zu seinem Drachen, der diese – ohne die bewusste Entscheidung seiner menschlichen Seite – zu mir aufgebaut hatte.

Seine unfassbare Kraft zur Selbstheilung auf körperlicher, aber auch magischer Ebene, füllte stetig Luvias Kraft auf, die ich ihr entzog.

Wie ein Kanal, durch den beständig Magie floss, mit mir als kleinem Filter dazwischen.

Vielleicht …

Ich hob den Kopf und suchte nach Kayneth.

Er stand nahe der Tür und betrachtete schweigend meine Tante.

Als hätte er meinen Blick gespürt, wandte er mir das Gesicht zu und hob fragend eine Augenbraue, weil ich ihn anstarrte, während ich fieberhaft nachdachte.

Kayneth verfügte über eine unfassbare Selbstheilung und ich konnte mich seiner Kraft bedienen. Zumindest hatte er sie mir einmal geschenkt, als ich, völlig ausgelaugt, eine psychotische Hochzeitsplanerin davon abhalten musste, mir die Kehle durchzuschneiden.

»Ich würde gerne etwas ausprobieren«, sagte ich laut und blickte dann wieder zu Luvia.

Kayneth bitten, sie auf die Weise zu heilen, wie er es schon ab und zu bei mir getan hatte, konnte ich nicht.

Das war keine verletzte Hand. Luvia war an ihrem gesamten Körper so zerschunden, dass es Kayneth sehr wahrscheinlich umbringen würde, wenn er versuchte, alle Wunden zu heilen. Selbst wenn er sich nur auf die schlimmsten Stellen konzentrierte.

Außerdem war ihr Magiekreislauf schwach. Diesen müsste ich zeitgleich erst pushen, damit ihr Körper die Kraft zur Heilung überhaupt entsprechend verwerten konnte. Etwas, das Kayneth nicht möglich wäre. Aber mir schon.

Luvia brauchte Kraft. Die Kraft, zu überleben, und die konnte ich ihr möglicherweise mit Kayneths Hilfe geben. Eine kleine Starthilfe sozusagen.

Luvia war eine starke Hexe, und mit der Macht der La Dame Blanche … Vielleicht konnten wir es schaffen, dass meine Tante wirklich anfing zu heilen, statt nur mittels Magie am Leben gehalten zu werden.

»Was möchtest du probieren?«, fragte Ekidona, die erstmals die Augen von ihrer Partnerin löste und ihr Gesicht in meine Richtung hob.

Die brodelnde Wut brannte weiterhin in ihren gelben Augen, deren Pupillen sich zu Schlitzen verzogen hatten, aber ich las auch tiefen Schmerz in ihrem Blick und Angst. Die gleiche Angst wie bei mir, Luvia zu verlieren.

»Ich möchte ihren Magiekreislauf wiederherstellen und ihre Selbstheilungskräfte etwas pushen«, erklärte ich.

»Keine gute Idee«, meldete sich Celenike von hinten und überrascht blickte ich über die Schulter. Ich hatte gedacht, sie wäre inzwischen eingeschlafen.

Aber sie ließ ihren Kopf wieder nach vorne sinken und musterte mich aus müden Augen.

»Luvia wurde angegriffen. In unserem Hauptsitz! Das ist eine echte Gefahr. Du, als Oberhaupt der Hexen, musst bei voller Kraft bleiben, um den Zirkel im Notfall verteidigen zu können. Wir wissen nicht, ob und wann ein erneuter Angriff folgt. Du darfst dich also nicht schwächen, indem du Luvia von deiner Macht wieder etwas zurückgibst.«

Es war Celenike deutlich anzusehen, wie schwer es ihr fiel, mein Leben und das des Zirkels über ihre Schwester zu stellen, aber ihre Miene war unnachgiebig.

Um das Überleben des Zirkels sicherzustellen, würde sie es auch in Kauf nehmen, wenn Luvia es nicht schaffte.

Der zweifelnde Teil in mir fragte sich unwillkürlich, ob es mich zu einer schlechten Königin machte, dass ich nicht bereit dazu war, Leben gegeneinander einzutauschen, um das große Ganze zu sichern.

»Mach dir keine Sorgen, mir wird es gut gehen«, versicherte ich und spürte plötzlich ein anderes Druckgefühl in meiner Brust.

Nicht unangenehm, nur ungewohnt. Ich brauchte einen Moment, aber dann erkannte ich Kayneth. Er hatte die Verbindung voll geöffnet und gab mir, ohne dass ich gefragt hatte, was ich für Luvia brauchte.

Kein Wort der Erklärung. Er hatte mich einfach so verstanden.

Diese Geste erfüllte mich plötzlich mit so vielen Emotionen, dass ich ihn nicht ansehen konnte, um keine sturzbachartigen Tränenergüsse zu riskieren.

Mit einem Räuspern beugte ich mich nach vorne und umfasste mit beiden Händen die Fußgelenke meiner Tante.

Obwohl ich sie ganz vorsichtig berührte, fühlte es sich an, als hätte ich gegen einen nassen Schwamm gedrückt. Blut sickerte aus den Verbänden, benetzte meine Haut und ließ mich schwer schlucken.

Wir mussten uns beeilen. Luvias Energie war wirklich sehr schwach.

Ihr magischer Kreislauf lief wie der biologische nur noch auf Minimum. Sie war dem Tod wirklich sehr viel näher als dem Leben.

Die Augen fest geschlossen und voll konzentriert, suchte ich mit meiner Magie nach ihrer. Trotz unserer Verbindung von abdankender Königin zur neuen entwischte mir ihr Magiekreislauf immer wieder wie ein klitschiger Fisch.

Als ich ihn endlich zu fassen bekam, schickte ich meine Magie, gepaart mit Kayneths Kraft, mit voller Wucht in ihren Körper. Ich füllte ihre Energiereserven auf Maximum und darüber hinaus, damit sie während der Heilung davon zehren konnte.

Denn komplett heilen konnte ich sie auf diese Weise nicht. Das musste die Magie der La Dame Blanche vollenden. Aber jetzt sollte diese eine bessere Basis haben, um zu wirken.

Langsam öffnete ich die Augen und trat einen Schritt zurück. Meine Tante ruhte unverändert, aber ihr Brustkorb hob und senkte sich nun deutlich kraftvoller.

Marisya trat ans Bett und fühlte nach ihrem Puls.

»Ihr Puls ist kräftiger geworden«, informierte sie uns.

»Also wird sie es schaffen?«, fragte Ekidona hoffnungsvoll, und ich sah, wie ihre Finger zitterten, mit denen sie die Hand meiner Tante umklammert hielt.

»Das können wir noch nicht sagen. Dazu ist es zu früh. Aber es hat geholfen.«

Den letzten Satz richtete sie an mich, und ich nickte, ehe mein Blick auf meine Hände fiel, die mit Luvias Blut getränkt waren.

»Bin kurz Hände waschen«, murmelte ich und ging in das angrenzende Badezimmer.

Dort schrubbte ich meine Haut am Waschbecken sauber, als sich eine warme Hand auf meine Schulter legte und mich zu sich drehte.

Kayneth stand hinter mir, und ich bemerkte meine Tränen erst, als er mich wortlos in seine Arme zog und fest an seine Brust gedrückt hielt.

Ich klammerte mich wie eine Ertrinkende an ihn, ließ mich von seiner Kraft tragen, während ich schluchzte und weinte und zu verarbeiten versuchte, dass ich meine Tante beinah verloren hatte … oder sie vielleicht noch verlieren würde.

KAPITEL 2

DER BEGINN ALLEN UNHEILS

Die magischen Linien des in Form eines Unendlichkeitssymbols gezogenen Zirkels flirrten im Wechsel silbern und blau durch den Raum und bildeten einen starken Kontrast zu dem walnussfarbenen Zimmerboden.

Die Zwillinge lagen, sich zugewandt wie Yin und Yang, in jeweils einem der Kreise auf dem Holz, in tiefen Schlaf versunken.

Es war eine gute Idee gewesen, die Zirkel zur Wiederherstellung ihres magischen Kreislaufs zu verbinden. Der stetige Wechsel der Magie zwischen ihnen würde den Vorgang, ihre Energiereserven wieder aufzufüllen, noch mal beschleunigen, weil sie sich auf magischer Ebene gegenseitig unterstützten.

Vielleicht waren die Mädchen aber auch deshalb schon so mächtig, weil sie das unterbewusst immer taten.

Da Hexen-Zwillinge sehr selten waren, fehlten uns leider ein bisschen die Erfahrungswerte. Aber möglich war es durchaus. Zwillinge teilten ja oft eine besondere Verbindung.

Apropos Verbindung … Ich lehnte mit der Schulter am Türrahmen ihres Zimmers und konnte einfach nicht nachvollziehen, warum ich nichts, aber auch gar nichts, von dem Angriff mitbekommen hatte.

Als Oberhaupt der Hexen war ich mit ihnen allen verbunden. Ich hätte die Attacke auf Luvia spüren müssen. Ebenso die enorme Kraftanstrengung von Celenike und den Zwillingen, mit der sie versucht hatten, meine Tante am Leben zu halten.

Trotzdem hatte ich erst davon erfahren, als sie Zeit gehabt hatten, mich anzurufen, weil meinen Hexen irgendwann aufgefallen war, dass ich nicht von allein gekommen war, wie es eigentlich zu erwarten gewesen wäre.

Es war mir ein Rätsel. Bei dem Tod der Flusshexen vor etwas mehr als einem Jahr hatte mich der Schmerz ihres Verlusts wortwörtlich umgehauen.

Während ich in Ohnmacht gefallen war, hatte die Verbindung mich in eine astrale Erscheinung gezwungen und zu ihren Leichnamen gebracht. Sämtlicher Magie entrissen, hatte man sie einfach auf dem Boden liegen lassen.

Die Erinnerung an die blicklosen Augen, die zur Decke starrten, verfolgte mich manchmal noch immer in meinen Albträumen.

Aber jetzt … nichts. In der vergangenen Stunde hatte ich immer wieder meine Magie überprüft. Sie war in Ordnung. Sogar mehr als in Ordnung.

Meine Verbindung zu Kayneth stärkte mich stetig. Dieses Band zwischen uns hatte sich inzwischen perfekt in meinen magischen Kreislauf eingefügt. Es war kein Fremdkörper, der irgendetwas blockierte.

Also musste etwas anderes die Verbindung zu meinen Hexenschwestern stören, und ich wusste nicht, was.

»Kannst du mir sagen, was genau passiert ist?«, drang Kayneths Stimme, trotz einiger Entfernung, klar und deutlich an mein Ohr.

Ohne meinen Blick von den Mädchen zu nehmen, vermutete ich ihn am Fuße der Treppe, ein Stockwerk weiter unten.

Die Architektur der Villa hatte schon immer eine sehr hellhörige Akustik erlaubt, weshalb ich mir nicht die Mühe machte, die paar Schritte über den Gang bis zum Geländer zu gehen, um nach unten zu schauen.

Ich vernahm auch so alles, obwohl die Antwort nicht gerade aussagekräftig ausfiel.

Obwohl er die Frage auffallend sanft gestellt hatte, erntete er nämlich nur ein nervöses Stammeln, das sich leider nicht zu einem vollständigen Satz zusammensetzen ließ.

Kayneth versuchte es noch einmal, aber das Ergebnis blieb das gleiche.

»Verzeihung, Majestät. Ihr seid einen Tick zu hübsch, da kann man es dem jungen Ding nicht verdenken, dass Eure Gegenwart es nervös macht«, mischte sich eine weitere Stimme mit amüsiertem Unterton ein.

Obwohl mir nicht danach zumute war, musste ich unwillkürlich lächeln, als jemand genau das aussprach, was ich vermutet hatte.

»Ich wollte nicht …«, begann Kayneth und klang leicht überfordert.

Seine Bemühungen, weiter behutsam mit meinen Hexen umzugehen, wärmte meine Brust.

Er hatte mich gefragt, ob er damit beginnen durfte, die anderen zu befragen, während ich nach den Zwillingen sah, und ich hatte zuerst nicht verstanden, warum er sich dafür überhaupt meine Erlaubnis holte.

Bis ich mich an etwas erinnerte, was Luvia mir einmal gesagt hatte: Ein König wird einer Königin in dieser Welt immer übergeordnet sein.

Er wollte nicht, dass jemand dachte, er würde im Hauptsitz der Hexen die Autorität ihrer Königin untergraben.

Mir konnte im Moment nichts egaler sein als diese dämliche Hierarchie-Etikette, aber Kayneth war rücksichtsvoll, und dafür … eigentlich für alles … liebte ich ihn.

Ja, ich war inzwischen sicher, dass ich über das Gefühl, verliebt zu sein, hinaus war und aufrichtige Liebe für meinen Drachen empfand.

Sobald sich die passende Gelegenheit bot, würde ich es ihm vielleicht sogar gestehen.

Aber jetzt mussten wir uns erst mal um das nächste Problem kümmern, was ich wegen Luvia, Celenike und den Zwillingen noch vor mir hergeschoben hatte. Die eigentliche Ursache für das aktuelle Chaos.

Ich stieß mich vom Türrahmen ab und ging nun doch zur Treppe.

Der Blick nach unten offenbarte, dass ich die krächzende Stimme der richtigen Hexe zugeordnet hatte. Rabia gehörte zu den ältesten Hexen des schwarzen Covens und war eine langjährige Freundin meiner Tante Luvia.

Ich mochte sie und ihre Art sehr. Denn Rabia hatte inzwischen ein Alter erreicht, in dem sie aussprechen konnte, was auch immer ihr in den Sinn kam.

Es interessierte sie nicht länger, was andere über sie dachten, oder ob sie sich irgendwie danebenbenahm. Das machte ihre Gesellschaft … erfrischend.

Neben der alten Hexe stand ein junges Mädchen von vielleicht vierzehn oder fünfzehn Jahren mit hochrotem Gesicht und warf Kayneth verstohlene Blicke zu.

Rabia hatte tatsächlich recht. Der Drache machte die Junghexe – Fiore, wenn ich es richtig im Kopf hatte – durch sein Aussehen tatsächlich nervös.

Na ja, konnte ich ihr wirklich nicht verübeln. Bei Kayneth hatte Mutter Natur einfach sehr viel richtig gemacht.

»Rabia, weißt du, was passiert ist?«, fragte ich, während ich langsam die Treppe zu ihnen nach unten stieg.

»Nur, was Fiore mir erzählt hat, meine Königin«, antwortete Rabia und gab Fiore einen Stups mit dem Ellenbogen.

Ihre dunklen Augen richteten sich auf mich, und Fiore straffte die Schultern.

»Verzeihung, meine Königin. Ich kann leider nichts Genaues berichten. Ich habe nur beobachtet, wie Luvia allein in den Keller ging. Sie schien aber auffallend … beunruhigt. Kurz darauf fuhr eine merkwürdige Druckwelle durch das Haus, die haben wir alle gespürt, und ich … ich bin offen gestanden nicht sicher, was ich dann gesehen habe. Wenn ich es definieren muss, sah es am ehesten aus wie ein menschlicher Schatten … oder ein Gespenst … aber doch merkwürdig verzehrt. Er schoss vom Keller kommend nach oben, durch den Eingangsbereich und dann durch die Tür nach draußen. Es tut mir leid. Es ging so wahnsinnig schnell und dann waren alle ganz aufgeregt wegen Luvia und …«

»Schon in Ordnung«, unterbrach ich sie.

»Dir muss nichts leidtun. Luvia ist in den Keller gegangen?«, fragte ich misstrauisch.

»Da war sie in den letzten Tagen öfter. Irgendetwas schien ihr Sorgen zu machen. Aber sie hat nicht gesagt, was. Weder Celenike noch Ekidona oder mir«, antwortete Rabia.

»Was ist in eurem Keller?«, wollte Kayneth wissen, während ich mich umwandte und die Treppe zu ebendiesem ansteuerte.

»Der Beginn allen Unheils«, erwiderte ich und stieg die Treppe nach unten.

Ich spürte Kayneth dicht hinter mir, während mit jedem Schritt hinab Grabeskälte meine Beine nach oben kroch. Die Kälte, die ich beim Eintreten in die Villa gespürt, aber aufgrund der Sorge um Luvia direkt wieder verdrängt hatte.

»Was meinst du mit Unheil?«

»Du erinnerst dich an den Spaß, den wir kurz vor Marisyas und Styx’ Hochzeit mit dem Dämon gehabt haben?«, reagierte ich mit einer Gegenfrage.

»Spaß ist relativ. Aber ja.«

»Und was ich zu der Verbindung zwischen Hexen und Dämonen gesagt habe?«

»Dass ihr Hexen früher Dämonen beschworen habt, um deren Kräfte zu nutzen. Dass diese Art Magie aber nicht mehr praktiziert wird, weil man Dämonen nicht trauen kann.«

»Richtig. Um Dämonen zu beschwören, ist richtig finstere Magie nötig. Wirklich finster. Die ganz üble, große Opfer verlangende, seelenverschlingende Sorte. Wir bedienen uns dieser dunklen Magie nicht mehr. Nicht nur, weil wir keine Dämonen mehr beschwören, sondern weil die Magie so finster, böse und gefährlich ist, dass nicht wenige Hexen, die sie praktiziert haben, am Ende dem Wahnsinn verfallen sind. Dieser Wahnsinn fraß sich in unseren Zirkel und blieb über mehrere Generationen, wie eine Art Erbkrankheit.«

Die in Stein gehauenen Treppenstufen, die in den Keller führten, wurden nicht länger vom Licht des Erdgeschosses erleuchtet, weswegen ich mit einem kleinen Fingerzeig die Fackeln, welche in regelmäßigen Abständen die Mauerwände säumten, in Flammen setzte.

Hier erinnerte nichts mehr an die luxuriöse Villa von oben. Vielmehr glich der Weg zum Keller einem Burggemäuer.

»Aber unsere erste Königin war sehr bewandert in der dunklen Magie. Sie nutzte sie bevorzugt gegen ihre Feinde. Der Keller ist so gesehen ein Überbleibsel ihrer Magie. In ihm manifestieren sich deine Ängste, und ist man dem zu lange ausgesetzt, ist aufkommender Wahnsinn noch das Mildeste, was einem widerfahren kann«, fuhr ich fort.

Ich hielt inne, als das flackernde Licht der Flammen eine seltsame Verfärbung auf der Steinstufe vor mir offenbarte. Bei genauerer Betrachtung erkannte ich darin getrocknetes Blut. Luvias Blut!

Es besudelte nicht nur eine, sondern gleich mehrere Stufen.

Aber es war seltsam unregelmäßig. Bildete keine Spur. Als wäre sie nicht über die Stufen gekrochen, sondern eher … geflogen?

War Luvia durch die Luft geschleudert worden und auf dieser Stufe gelandet?

»Enju?«, riss mich Kayneth aus meinen Gedanken, nachdem ich unverwandt die Blutflecken betrachtet hatte.

Er sagte nichts dazu, und ich nahm an, er konnte sich denken, dass sie von Luvia stammten. Oder vielleicht roch er es auch. Beasts hatten ja sehr ausgeprägte Sinne.

»Nach dem Ableben der ersten Königin, wurde der Keller noch einige Generationen lang als Folterkammer für unsere Feinde oder für Verräterinnen genutzt«, fuhr ich fort und setzte mich wieder in Bewegung.

»Luvia nutzte ihn zur Bestrafung, oder vielmehr als Androhung für widerspenstige Junghexen. Aber als ich Königin wurde, habe ich auch das verboten und den Keller versiegelt. Niemand sollte mehr dort hinein.«

Den Blick auf meine Füße gesenkt, um nicht in weitere Blutflecken zu treten, erreichte ich die letzte Stufe und geriet erneut ins Stocken, als ich den Kopf hob und mein Blick auf die Tür fiel, die sich ein paar Schritte entfernt befand.

Oder vielmehr hätte befinden müssen. Denn von der massiven mittelalterlichen Burgtür, die sonst das Ende des kurzen, schmalen Gangs markierte, war nicht mehr viel übrig.

Das dunkle Holz war komplett zerborsten und die vorher auffällig wie zu Ästen verzierten silbernen Metall-Scharniere waren verbogen und teilweise aus den Angeln gehoben.

»Aber scheinbar ist etwas herausgekommen«, sagte Kayneth, als er ebenfalls das zersplitterte Holz betrachtete.

Er hatte recht. So wie das Holz teilweise gebogen war, musste die Tür von der anderen Seite aus eingeschlagen worden sein.

Aber das war unmöglich.

Ich selbst hatte die Tür neben Schutzzaubern und kleineren Flüchen auch noch mithilfe eines Blutzaubers versiegelt. Es war damals der effektivste Zauber gewesen, der mir als aufsteigende Königin zur Verfügung gestanden hatte.

Denn vom Level der Macht her hatten Luvia und ich, mit meinen damals neunzehn Jahren, uns noch die Waagschale gehalten.

Nur das Blut der Königin war auf magischer Ebene in meinen Adern stärker geflossen und hatte das Zünglein an der Waage ausgemacht.

Also hatte ich die magischen Symbole mit meinen blutverschmierten Fingern auf das Holz gezeichnet, um die Tür zu versiegeln – vereinzelt konnte ich die getrockneten Spuren davon sogar noch auf den Splittern erkennen –, damit wirklich niemand außer mir mehr in der Lage sein würde, diese Tür zu öffnen.

Außer vielleicht die zukünftige Königin, sollte diese über mehr Macht verfügen als ich. Allerdings bewies meine aktuelle Existenz, dass es noch keine neue gab.

Nichts also hätte aktuell diese Tür aufbekommen können.

Weder von innen noch von außen.

Dennoch belehrten mich die traurig herumliegenden Holzreste und das mannshohe Loch in der Tür eines Besseren.

Neben den verblassten Spuren konnte ich noch schwach die Überreste meiner Magie auf der Tür fühlen, aber was auch immer sie zerstört hatte, hatte all meine Zauber einfach zerfetzt.

Oder vielleicht doch eher … einverleibt?

»War außer den Überresten dieser dunklen Magie der ersten Hexenkönigin sonst noch etwas in dem Keller eingesperrt?«, fragte Kayneth berechtigterweise.

»Nein. Also, nichts Physisches«, erwiderte ich, überwand die Kälte, die weiter meinen Körper nach oben kroch, und machte einen Schritt nach vorne, um durch die kaputte Tür zu treten.

Im Keller war es kälter als in meiner Erinnerung. Aber das bedrückende Gefühl, sobald man den Katakomben-ähnlichen Raum betrat, war noch dasselbe.

Oder fast. Es wirkte ein wenig … schwächer.

Hier drin gab es keine Fackeln, die sich entzünden ließen, und so war die einzige schwache Lichtquelle ein unheimliches grünes Glimmen, welches durch die alte Magie verursacht wurde, die wie Nebel durch das Steingemäuer waberte.

Die Hochebene, auf der wir standen, führte zu einer weiteren Treppe, aber es war zu dunkel, um einen Abstieg zu riskieren.

Daher versuchte ich den Raum von hier aus zu überblicken, aber es war sinnlos. Die Dunkelheit verschluckte fast das komplette Gemäuer.

»Ich kann nichts sehen«, informierte mich Kayneth und seine Stimme klang angespannt.

Ein Blick zur Seite verriet mir, dass er seinen Drachenblick aufgesetzt hatte, der ihm eigentlich erlaubte, auch im Dunkeln sehen zu können.

»Dieser Raum beraubt jeden seiner Magie. Daher kann ich keine Lichtquelle erschaffen. Anscheinend nimmt er dir auch deine Drachen-Fähigkeiten.«

»Offensichtlich. Dieser Keller ist wirklich übel. Seit ich durch die Tür getreten bin, fühle ich mich wie von meinem Drachen abgeschnitten. Das gefällt mir nicht. Ich hatte noch nie das Gefühl, mich nicht richtig verwandeln zu können.«

Kayneth machte einen Schritt nach vorne und blickte nach unten in die finstere Tiefe.

»Was ist da unten?«

»Nichts. Die Treppe führt nur zu einer großen, quadratischen Fläche, auf der nichts steht. Wie gesagt, wir lagern hier unten keine Sachen«, antwortete ich, ehe eine Bewegung an der Wand meine Aufmerksamkeit auf sich zog.

Sofort machte ich einen Schritt zurück, als das grüne Licht sich sammelte, um eine silberne Spinne von der Größe eines Minivans zu erleuchten.

Sie bewegte sich über das alte Gemäuer langsam auf uns zu, und es dauerte nicht lange, bis sich an den anderen beiden Wänden ebenfalls riesige Spinnen formten. Vom grünen Licht der Magie auffallend in Szene gesetzt, damit mir ihr Anblick natürlich bloß nicht entging.

Kayneth bemerkte meine Anspannung, und als er den Kopf hob, machte er ebenfalls einen Schritt nach hinten.

»Was zum …«

»Eine Manifestation meiner Ängste«, erklärte ich und bemühte mich, die aufsteigende Furcht und den Ekel zu unterdrücken, als die Spinnen sich weiter auf uns zubewegten.

»Warum nur deine?«, fragte Kayneth verwirrt.

»Bist du beleidigt, weil der Keller deine Ängste nicht zuerst in Szene gesetzt hat?«, schimpfte ich und ergriff seinen Arm, um ihn mit mir nach hinten zur Tür zu ziehen.

»Glaub mir. Das wird schneller passieren, als dir lieb ist, wenn wir bleiben. Er beginnt nur mit meinen Ängsten, weil die Magie mich wiedererkennt. Ich war schon einmal hier drin eingesperrt«, erklärte ich und gemeinsam bewegten wir uns immer weiter Richtung Tür, ohne die Spinnen aus den Augen zu lassen.

»Sind sie echt?«, wollte Kayneth wissen, als Stein aus der Wand bröckelte, über die sich eine der Spinnen auf uns zubewegte.

»Noch sind sie eher Illusion. Aber das bleiben sie nicht lange. Sie nehmen immer mehr physische Form an, je länger wir bleiben. Und dann sind sie irgendwann lebendig genug, um anzugreifen.«

Wie zur Verdeutlichung nahm ich nun auch die Laute … Stridulation, wenn ich noch den richtigen Begriff im Kopf hatte … der Spinnen wahr. Es klang wie ein Fauchen, bei dem sich mir fast der Magen umdrehte.

Obwohl ich keine Zeit mehr verlieren wollte, wurde ich langsamer. Die Kälte kroch mehr und mehr in meine Glieder und schien mich an Ort und Stelle einfrieren zu wollen.

Kayneth entwand sich meinem Griff und umfing nun seinerseits meinen Oberarm.

Mich mit sich zerrend, schob er uns durch die zerbrochene Tür und noch einige Stufen nach oben.

Wir hielten erst an, als ich das Gefühl hatte, wieder freier atmen zu können.

»Werden sie uns folgen?«, fragte Kayneth und blickte alarmiert über die Schulter zurück zu den Überresten der Tür.

»Nein. Ich denke, dazu waren wir nicht lange genug im Keller. Aber ich sollte besser dafür sorgen, dass nicht noch mehr Magie nach draußen sickert.«

Damit hob ich meine Hand zum Mund, gab einen kleinen Kuss auf meinen Handballen und vollführte auf diese Weise einen kleinen Zauber, der meine Haut ein Stück aufriss.

Den scharfen Schmerz ignorierend, streckte ich meinen Arm aus und ließ ein paar Blutstropfen zu Boden fallen.

Während ich einen Zauber zur Wieder-Versiegelung des Kellers sprach, begann mein Blut zu leuchten, und mit einem zischenden Laut schoss die Flüssigkeit in gerader Linie zu beiden Seiten über die Stufen, entlang der Wände, die die zerborstene Kellertür umrandeten, nach oben, bis es sich an der Decke wieder traf und so ein blutrotes Rechteck vor mir formierte.

Innerhalb dieser Barriere bildete sich ein Film, ähnlich einer Ölspur, und nahm mir die freie Sicht nach unten.

»Das müsste reichen«, murmelte ich und ließ meinen Arm wieder sinken.

Damit sollte der Keller wieder dicht sein. Nichts rein noch raus.

Wobei das Problem offensichtlich eher darin lag, dass irgendetwas bereits dem Keller entkommen war.