Der Sammelband der gefühlvollen Liebesromane »Step by Step« und »Song for Song« - Verena Bachmann - E-Book

Der Sammelband der gefühlvollen Liebesromane »Step by Step« und »Song for Song« E-Book

Verena Bachmann

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Beschreibung

** Ein Lied mitten ins Herz …** DieseE-Box enthält gleich zwei Young-Adult-Liebesromane voll tiefgehender Gefühle: Step by Step. Herzschlag im Dreivierteltakt Ausgerechnet Hayne, Schulsprecherin und Tanzmuffel, muss für das kommende Frühlingsfest eine Choreografie vorbereiten. Klar, dass sie dafür unbedingt Unterstützung braucht und den Tänzer Arthur um Hilfe bittet. Der Mädchenschwarm hat aber eine Bedingung: Er wird ihr das Tanzen beibringen, wenn sie im Gegenzug seine Freundin spielt. Ein gefährlicher Deal für ihr Herz … Song for Song. Liebe im Duett Als an Sashas Schule ihr Lieblingsmusical aufgeführt werden soll, will die leidenschaftliche Sängerin unbedingt daran teilnehmen. Wäre da nicht ihre Angst davor, in der Öffentlichkeit zu singen, und ihr arroganter Mitschüler Kai, der die männliche Hauptrolle des Stücks spielen wird. Denn schon jetzt bringt ihr möglicher Duettpartner sie völlig aus dem Konzept … //Dieser Sammelband enthält die romantischen Young-Adult-Romance-Reihe »Step by Step« von Verena Bachmann bei Impress: -- Step by Step. Herzschlag im Dreivierteltakt -- Song for Song. Liebe im Duett// Jeder Roman der Serie ist in sich abgeschlossen und kann eigenständig gelesen werden.

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www.impressbooks.deDie Macht der Gefühle

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Impress Ein Imprint der CARLSEN Verlag GmbH © der Originalausgabe by CARLSEN Verlag GmbH, Hamburg 2018, 2019, 2022 Text © Verena Bachmann, 2018, 2019 Lektorat: Gabriele Schönheit Coverbild: shutterstock.com / © Subbotina Anna / © dikobraziy / © TairA  / © Cookie Studio / © Martial Red / © 9comeback Covergestaltung: formlabor ISBN 978-3-646-60974-5www.impressbooks.de

Verena Bachmann

Step by Step. Herzschlag im Dreivierteltakt

**Wenn dein Herz aus dem Takt kommt** Tanzen gehört so gar nicht zu den Talenten von Schulsprecherin Hayne. Und trotzdem steht die Vorzeigeschülerin nun vor der Herausforderung, eine Choreographie für das Frühlingsfest der Schule vorzubereiten und obendrein auch noch einen geeigneten Tanzpartner zu finden. Mädchenschwarm Arthur kommt ihr da mit seinen Tanzkünsten gerade recht. Doch das Ganze hat seinen Preis: Dafür, dass Arthur ihr das Tanzen beibringt, muss Hayne seine Freundin spielen. Was für beide anfangs nur ein Mittel zum Zweck ist, entwickelt sich Schritt für Schritt zu etwas, das die Herzen der beiden ziemlich aus dem Takt bringt …

Wohin soll es gehen?

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Vita

Danksagung

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© privat

Verena Bachmann, geb.1987 in Aschaffenburg, lebt mit Hund und Katzen in einem kleinen Dorf im schönen Spessart. Nach einem freiwilligen ökologischen Jahr absolvierte sie eine Ausbildung zur Industriekauffrau und arbeitet heute in einem Unternehmen für Modeaccessoires. Die Liebe zu Büchern weckte im Grundschulalter Enid Blyton und inzwischen stapeln sich die vielseitigsten Romane in ihren Regalen. Doch trotz bunter Auswahl reichte lesen allein irgendwann nicht mehr aus und so beschloss sie ihre eigenen Gedanken ebenfalls einmal zu Papier zu bringen.

Für meine wundervollen NichtenEmma & LenjaIch hoffe, ihr werdet so richtige Bücherwürmer, sobald ihr des Lesens mächtig seid.

Irgendwann ist nicht jetzt

»So, das war’s für heute!«

Kollektives Aufatmen.

Na, vielen Dank auch!

Ich warf den restlichen Mitgliedern des Schülerrates einen meiner berüchtigten bösen Blicke zu, der aber komplett ignoriert wurde, weil sie in aller Eile ihre Unterlagen zurück in die Schultaschen stopften.

»Also, es weiß jeder, was er bis Freitag zu tun hat?«

»Jahhh«, antworteten sie gelangweilt unisono.

»Jetzt seid nicht beleidigt. Ich beschäftige mich hier auch nicht mit meinem Hobby!«, erwiderte ich, während ich meinen Blick über die Runde schweifen ließ.

Unser Schülerrat bestand aus fünf Personen, inklusive mir.

Da waren die Zwillinge Max und Moritz Lennart – nein, kein Witz –, die äußerlich wie charakterlich erstaunliche Ähnlichkeiten mit den Weasley-Zwillingen aus Harry Potter hatten. Und unser Schriftführer Hiroshi (eigentlich nur Hiro) Hiwatari, ein sehr süßer, aber extrem schüchterner Junge, dem es schwerfiel, den Mund aufzumachen, und wenn doch, dann geriet er meist richtig ins Zittern. Meine beste Freundin Junes, ein weiteres Mitglied des Schülerrats, behauptete ja immer, dass Hiro nur in meiner Gegenwart so zittern würde, als stünde er in Badehose am Nordpol. Das hielt ich für eine maßlose Übertreibung, genauso wie meinen allgemeinen Ruf an der Schule. Was mich zu … nun ja … mir bringt.

Ich, Hayne Lizrich, bin 16 Jahre, Mitglied des Schülerrats und Schulsprecherin der Jupiter Privatschule. Ich bin, auch wenn einige meiner Mitschüler gerne das Gegenteil behaupten,

meiner Meinung nach eine ganz normale Schülerin.

Meine Noten sind gut. Ich bin in einem gesunden Maß ehrgeizig und sehr verantwortungsbewusst.

Viele meiner Mitschüler finden mich aus diesem Grund wohl etwas streberhaft, aber ich sehe persönlich nichts Schlechtes darin, wenn man sich auf mich verlassen kann.

Mein Aussehen finde ich, sagen wir mal, durchschnittlich gut. Ich bin keine, der man nicht mal im Dunkeln begegnen möchte, aber auch keine, für die sich Männer auf der Straße umdrehen und dann sabbernd gegen eine Laterne laufen.

Das einzige, was an mir hervorsticht, ist, dass ich nicht untalentiert in Judo und Aikido bin und das hat mir allerdings wegen vereinzelter Vorfälle in den vergangenen Jahren einen gewissen Ruf verschafft. Das jedoch werde ich zu einem späteren Zeitpunkt erläutern.

»Aber ist es denn wirklich nötig, dass wir bis zum Fest jede Woche zwei Sitzungen ansetzen?«, fragte Moritz.

»Ist es! Es gibt noch zu viel zu planen«, wehrte ich ab.

Diesmal wirkte mein mahnender Blick und sie ließen das Thema ruhen. Während die anderen den Raum verließen, lehnte sich Junes mit dem Hintern gegen die Tischplatte. Eine ihrer langen blonden Strähnen fiel ihr ins Gesicht, als sie ihre Brille über die mit leichten Sommersprossen bedeckte Nase nach oben schob.

»Du siehst müde aus«, bemerkte sie.

»Ich habe letzte Nacht nur etwas schlecht geschlafen. Nichts Schlimmes.«

»Wirklich?«

Junes beugte sich etwas nach vorne und musterte mich mit ihren hellblauen Augen.

Das machte sie gern, und jedes Mal kam ich mir vor, als stünde ich hinter einem Röntgenapparat. Denn Junes entging nichts. Sie war wie ein kleiner weiblicher Sherlock Holmes, aber mit dem Aussehen einer klischeehaften dummblonden Cheerleaderin.

»Du bist schon seit letzter Woche so blass, sogar noch blasser als üblich. Deine Augen wirken etwas glasig und du hast in der Mittagspause fast gar nichts gegessen. Du bist doch schon wieder auf dem besten Weg, dich zu übernehmen und dadurch krank zu werden!«

»Du übertreibst. Mir geht es gut.«

Ihr Blick sagte mir sehr deutlich, dass sie mir nicht glaubte, also ging ich über zu meinem üblichen Plan B: Ablenkung.

»Musst du nicht los? Noah wartet doch auf dich, oder?!«

»O Mist, stimmt!«

Mit einem Satz stand sie wieder aufrecht und war mit drei Schritten an der Tür.

»Okay. Dann bis morgen, Hayne. Geh nach Hause, iss was und dann geh schlafen. Den ganzen noch nicht bearbeiteten Mist kannst du auch noch morgen machen!«, sagte sie streng.

»Okay. Ja wirklich, keine Sorge. Ich gehe gleich nach Hause. Schau nicht so streng. Du bist nicht meine Mutter«, erwiderte ich.

Junes und ich fixierten uns einen Moment, dann sagten wir unisono: »Zum Glück!«

Wir lachten und damit zog auch Junes ab. Ich packte ebenfalls alle meine Unterlagen in die Schultasche und stapelte die Bücher, die ich noch in die Schulbibliothek zurückbringen wollte, als die Tür noch einmal aufschwang.

»Hallo, schönste aller Frauen!«

Mit einem Seufzen ließ ich den Bücherstapel geradewegs zurück auf den Tisch fallen.

»Was willst du?«, fragte ich unumwunden und wandte mich zu dem Jungen um, der ganz entspannt gegen den Türrahmen lehnte. Arthur Kedien gehörte zu jener Art Jungen, die es an jeder Schule gab. Das war wie eine Art Naturgesetz.

Auffallend gut aussehend, sportlich, klug und beliebt.

Das Fußballtraining schien offensichtlich schon vorbei zu sein, denn seine Sporttasche hatte er unter den Arm geklemmt, und sein hellblondes Haar glänzte noch feucht von der Dusche.

»Komm schon, Schneewittchen, das kannst du doch bestimmt netter formulieren«, antwortete er grinsend.

Okay, ich drücke kurz die Pausentaste und gebe hier gleich ein paar Hintergrundinfos.

Meine Schule deckt alle Klassen ab. Angefangen beim Kindergarten bis hin zu einer eigenen Universität. Man kann so also von klein auf eine ziemlich wunschlos glückliche Bildung genießen. Ein Großteil der Schüler besucht die Jupiter daher auch schon, seit sie noch in die Windeln gemacht haben. Mich eingeschlossen.

Da man sich denken kann, dass dies alles nicht gerade billig ist, werden hier neben dem normalen Schulstoff auch noch einige andere Aktivitäten zur Förderung der Schüler angeboten: AGs, Sportmannschaften, Schulfeste oder – was sich inzwischen auch immer größerer Beliebtheit erfreut – Theater und Musicals. So war es auch vor etwa zwei Jahren, als Arthur an unsere Schule wechselte.

Zu dieser Zeit war ich ihm bewusst nur zweimal begegnet.

Das erste Mal war mir der hübsche Junge aufgefallen, als er etwas verloren in den Gängen umhergeirrt war. Der Unterricht hatte bereits begonnen, und er schien Schwierigkeiten zu haben, sein Klassenzimmer zu finden.

Nichts Ungewöhnliches für Neulinge. Die Jupiter ist nun einmal eine wirklich riesige Schule. Ich kam gerade aus dem Sekretariat, wo ich für einen Lehrer ein paar Kopien gemacht hatte. Da ich ein Jahr zuvor zur Schulsprecherin gewählt worden war, hielt ich es für meine Pflicht, ihm zu helfen. Als ich auf Arthur zuhielt, sah er stirnrunzelnd auf den Zettel in seiner Hand. Dann bemerkte er, dass sein Schnürsenkel offen war, und ging in die Knie, um ihn zu binden. Ich blieb vor ihm stehen und fragte freundlich:

»Kann ich dir helfen?«

Er hob den Blick und starrte mich einen langen Moment schweigend an.

»Tolle Augen!«, erwiderte er, was jetzt nicht wirklich eine Antwort auf meine Frage war.

»Pardon?«

Er erhob sich, und ich musste den Kopf in den Nacken legen.

Er war erstaunlich groß.

»Du hast tolle Augen«, wiederholte er und setzte ein charmantes Lächeln auf.

»Danke«, erwiderte ich jedoch wenig angetan, obwohl ich das Kompliment durchaus hätte erwidern können.

Während meine eigentlich blauen Augen eine ganz leichte lila Nuance aufweisen, wodurch sie je nach Lichteinfall ein wenig blass fliederfarben aussehen – ich habe schon oft die Frage beantworten müssen, ob ich farbige Kontaktlinsen trage –, hatte er ganz auffallend blaugrüne oder besser: türkisfarbene Augen.

Aber ich sagte ihm nichts zu seinen hübschen Augen, denn trotz des einnehmenden Lächelns, vielleicht auch gerade deswegen, schien er Sunnyboy geradezu auf der Stirn tätowiert zu haben.

Solche Jungs waren nun mal noch nie mein Fall gewesen.

»Ich bin Hayne. Die Schulsprecherin. Du bist neu hier?«

Er nickte und hielt mir seine Hand hin. Sie war angenehm warm.

»Ja, gerade erst hierher gewechselt. Ich bin Arthur. Und ja, du könntest mir vielleicht helfen, wenn du mir erklärst, wie ich zu Französisch bei Madame Dumas komme.«

Das tat ich und damit war das erste Zusammentreffen auch schon vorbei. Ich bekam ihn danach erst einmal nicht mehr zu Gesicht. Aber ich hörte, dass sich Arthur Kedien sehr rasch zum Mädchenschwarm Nummer eins zu entwickeln schien.

Das war in der Zeit, als meine Klasse ihr Theaterstück aufführen wollte. In diesem Jahr war es Schneewittchen und die sieben Zwerge. Aufgrund meiner langen schwarzen Haare und meines blassen Teints hatte unsere Lehrerin mich für die Hauptrolle vorgesehen.

Das war zwar schmeichelhaft, aber ich hatte abgelehnt und lieber die Aufgabe der Souffleuse übernommen.

Schneewittchen ging an unsere Klassendiva Franziska. Die mehr als glücklich darüber war.

Zu ihrem und offen gestanden auch meinem Ärger bekam sie jedoch zwei Tage vor der Aufführung eine schlimme Grippe. Sie hatte sich bei ihrer besten Freundin angesteckt, die die zweite Besetzung von Schneewittchen war! Daher musste ich zur großen Freude der Lehrerin einspringen und die Schönste im ganzen Land werden. Während der Aufführung fiel mir Arthur das zweite Mal auf, da er sich liebenswürdigerweise dazu bereit erklärt hatte, das Ganze zu filmen. Ich hatte gehofft, mir dabei nur einzubilden, dass sein Fokus etwas zu sehr auf mir lag, aber seit diesem Zeitpunkt nannte er mich beinahe ausschließlich Schneewittchen.

Niemand anderes tat das. Denn keiner traute es sich und das war gut so, weil es mich tierisch nervte! Nur Arthur ignorierte es entweder oder es interessierte ihn einfach nicht.

Woher ich jetzt wusste, dass er etwas von mir wollte?!

Nun … nein, ich war durchaus keine Hellseherin und auch war ich inzwischen nicht seine beste Freundin geworden, um ihn deshalb sooo gut zu kennen. Nein, eigentlich kannte ich ihn nach zwei Jahren immer noch überhaupt nicht, da ich ihm bevorzugt aus dem Weg ging.

Es war mit Arthur einfach so nervig! Denn wo immer Arthur auftauchte, folgte ihm fast jedes Mal beharrlich eine Schar Mädchen wie Lemminge dem Tod.

Ich wusste es deshalb, weil Arthur mich nur dann mit »Schönste aller Frauen« (auch eine Anspielung auf meine Schneewittchen-Rolle und nichts, was ich als ehrliches Kompliment auffasste) nannte, wenn es etwas gab, das ich für ihn tun konnte. Okay, das sollte erst einmal reichen.

Also wieder auf Play.

»Könnte ich. Aber ich will nicht!«

»Aha. Heute also wieder so richtig gute Laune«, antwortete er noch immer lächelnd und trat näher.

»Ich hab es eilig, Arthur. Also, was gibt’s?«

Ich gehörte definitiv nicht zu denen, die aufgrund eines hübschen Gesichts schwache Knie bekamen und sich schamhaft errötend und kichernd abwandten. Aber Arthur hatte diese

Angewohnheit, sein Gegenüber so lange schweigend zu mustern, dass mir doch immer etwas mulmig wurde und ich mich zusammenreißen musste, um den Blickkontakt nicht doch

abreißen zu lassen.

»Du hast der Baseball-AG das Training verboten«, rückte er dann endlich mit der Sprache raus.

»Ja. Genau, heute Morgen«, erwiderte ich ungerührt.

»Gut. Du weißt aber, dass die Mannschaft bald ein wichtiges Spiel hat und deshalb trainieren müsste?!«, sagte Arthur und lehnte sich wie zuvor Junes gegen den Tisch.

Er verschränkte die Arme vor der Brust, wodurch seine trainierten Oberarme gut zur Geltung kamen. Es war einfach nicht möglich, nicht hinzusehen und sich nicht einzugestehen, dass er neben dem hübschen Gesicht auch noch einen wirklich attraktiven Körper hatte.

Ich sah wieder auf und begegnete einem viel zu zufrieden wirkenden Grinsen.

Mist!

»Meine Augen sind hier oben, Schneewittchen.«

»Sehr witzig!«

Ich richtete den Bücherstapel erneut zur recht, doch bevor ich ihn anheben konnte, kam Arthur mir zuvor und nahm mir die Last ab. Das war eines der beiden Dinge, die ich an Arthur wirklich nicht mochte. Er behandelte mich immer wie ein Mädchen. Okay, meine Logik war in diesem Punkt etwas verdreht, darüber bin ich mir bewusst, aber ich wollte einfach nicht wie ein schwaches Mädchen behandelt werden.

Ich war schon immer eher der Typ gewesen, den eben gerade diese schwachen Mädchen um Hilfe baten.

»Wohin?«, fragte er.

»In die Bibliothek«, murrte ich.

Es wäre total kindisch gewesen, ihm jetzt die Bücher wieder wegzunehmen. Ich schulterte meine Tasche und folgte ihm.

»Es war das zweite Mal, dass ich die Jungs von der Baseball-AG verwarnt habe, weil sie ihre Ausrüstung ständig im Weg rumliegen lassen. Heute früh ist Franziska darüber gestolpert und hat sich das Bein gebrochen. Deshalb hat die Baseball-AG jetzt erst einmal Trainingsverbot«, nahm ich das vorherige Gespräch wieder auf.

»Ja. Das mit Franziska tut mir leid, aber den Fehler hat einer von den Neuen in der AG gemacht. Musst du deshalb die ganze Mannschaft bestrafen? Soweit ich es heute früh mitbekommen habe, hast du es dem Unfallverursacher ja bereits ganz schön gezeigt. Reicht das nicht?«

Das klang schon wieder total übertrieben.

Um kurz zu heute Morgen zurückzuspulen: Ich war in dem Moment dazu gekommen, nachdem Franziska ins Krankenhaus gebracht worden war und sich ein paar Mädchen mit drei Jungs aus der Baseball-AG lautstark stritten.

Offensichtlich hatte einer der drei, ein großer, etwas kräftiger Junge mit abrasierten schwarzen Haaren und einer durchgehenden Augenbraue (schrecklich! Pubertierender Junge hin oder her, es würde ihn sicher nicht umbringen, eine Kosmetikerin aufzusuchen und aus eins zwei machen zu lassen, oder?!) die Sachen liegen gelassen, über die Franziska gestolpert war. Noch offensichtlicher war jedoch, dass es ihm jetzt noch nicht einmal leidtat.

Er war sogar gerade dabei, einem der Mädchen allen Ernstes zu erklären, dass, wenn seine Sachen im Weg lagen und sie das störte, sie diese doch einfach selber wegräumen sollte. Das wäre als Frau ohnehin ihre Aufgabe. Als sie logischerweise darauf wütend reagierte, gab er ihr einen leichten Schubs. Bevor er noch einmal die Hand heben konnte, hatte ich jedoch sein Handgelenk ergriffen.

Zu seiner Verteidigung muss gesagt werden, dass er neu an der Schule war. Denn die bei uns gewöhnliche Reaktion war die von seinen beiden Mannschaftskollegen, die mit einer ertappten, schuldbewussten Miene einen Schritt zurück machten und eine Entschuldigung murmelten.

Er jedoch sah mich mit einem »Was willst du denn?« unbeeindruckt an. Ich antwortete sehr deutlich und ungeschminkt, was ich wollte.

Es gefiel ihm nicht, und er dachte, dem müsste er noch körperlich Nachdruck verleihen.

Tja … das gelang ihm nicht.

Mir schon!

Ich brachte ihm mit einem gezielten Schulterwurf zu Boden.

Es sah definitiv schlimmer aus, als es war. Aber da es keine Matte gab, tat es ihm schon etwas weh, auf dem Boden zu landen – und erst recht, die für ihn unendlich große Demütigung, von einem Mädchen besiegt worden zu sein. Dabei war das eigentlich übertrieben. Mit der richtigen Technik konnte man jeden werfen, egal wie viel größer oder schwerer er war als man selbst. Glaubt mir, ich hatte das in den vergangenen Jahren schon mehrmals ausgetestet, was zu meinem, wie schon erwähnt, gewissen Ruf an der Schule geführt hatte, den ich jetzt doch schon früher als geplant erläutert habe … ach, was soll’s.

Der Junge hatte daraufhin etwas rumgeflennt und ich hatte der Baseball-AG das Training gestrichen.

»Wieso kommst du deswegen eigentlich zu mir? Du bist doch gar kein Mitglied des Baseball-Teams.«

»Das ist richtig. Die Jungs haben mich gebeten, mit dir zu reden. Denn ich scheine tatsächlich der einzige Junge an dieser Schule zu sein, der keine Angst vor dir hat.«

»Das sollten wir ändern.«

»Ja, denke ich auch. Vielleicht solltest du einfach versuchen etwas netter zu sein. Lächle doch ab und zu.«

»So habe ich das nicht gemeint.«

Sein Grinsen sagte mir, das ihm das klar war.

»Komm schon, Schneewittchen. Sei nicht so. Die Jungs verlassen sich darauf, dass ich das wieder hinkriege.«

»Weil du ja bekanntlich alles hinkriegst«, schnaubte ich.

Das war übrigens kein Witz.

Denn das zweite, was mich tatsächlich an Arthur nervte, war, dass er ein schrecklicher Alleskönner war. Egal, was er anpackte, es gelang. Selbst Dinge, die er noch niemals vorher versucht hatte, bekam er auf Anhieb hin. Immer Eins mit Sternchen.

»Exakt. Wenn du jetzt nicht einknickst, zerstörst du meine Erfolgsquote«, antwortete er in einem kindlich flehenden Tonfall. Fehlte nur noch der Hundeblick.

Ah, da war er auch schon.

»So leid es mir auch tut. Das kannst du vergessen«, antwortete ich kühl.

»Ach komm. Es ist ja nicht so, als hätte einer aus der Mannschaft Franziska extra geschubst. Es war ein Unfall.«

Wir hatten die Bibliothek erreicht, und ich bedeutete Arthur, die Bücher einfach auf dem Tresen abzulegen. Die Schülerin, die hier aushalf, würde sie morgen einräumen.

Ich hatte dazu keine Lust mehr, und sie hatte so zumindest etwas zu tun. Denn es gab nicht mehr sonderlich viele Schüler, die die Bibliothek tatsächlich noch nutzten.

»Bitte, Schneewittchen …«, hauchte Arthur an meinem Ohr, und ich zuckte vor Schreck zusammen.

Ich hatte nicht bemerkt, dass er mir so nah gekommen war.

Aber jetzt spürte ich seine Wärme in meinem Rücken.

»… du könntest mir irgendwann doch auch einmal einen Gefallen tun.«

Er war wirklich hartnäckig. Das musste ich ihm lassen.

»Irgendwann ist nicht jetzt!«, antwortete ich streng und trat ein paar Schritte von ihm weg.

Als wir aus der Bibliothek traten, kam eiliges Fußgetrappel auf uns zu.

»O Hayne! Ein Glück, dass Sie noch hier sind.«

Ich ließ den Blick von den Zwölf-Zentimeter-Absätzen

(ernsthaft, wie schafft man es, auf so etwas zu laufen, ohne sich die Beine zu brechen?!) über das farblich perfekt abgestimmte Kostüm zum Gesicht meiner Klassenlehrerin Frau Griffuni wandern. Ich fand, dass sie eigentlich eine wirklich hübsche Frau wäre, wenn sie ihr Gesicht nur nicht unter einer Tonne grellem Make-up versteckt hätte.

»Hayne, wie Sie sicher gehört haben, haben wir ein großes Problem. Franziskas Bein ist gebrochen, und jetzt fehlt uns die Tänzerin für den Eröffnungstanz unseres Frühlingsfests. Das ist eine Katastrophe!«

Ich neigte den Kopf leicht zur Seite und runzelte die Stirn.

Eine Katastrophe würde ich es jetzt nicht nennen.

Das Frühlingsfest der Jupiter fand jedes Jahr im Mai statt und dauerte eine Woche. Eröffnet wurde es mit dem jährlichen Tanz in den Frühling-Abend.

Ein Jahrgang (in diesem Jahr meiner) übernahm dabei die Aufgabe, sich Tänze bzw. Choreografien zu überlegen, diese einzustudieren und dann auf großer Bühne vorzuführen. Es war jedes Jahr eine große Show für Eltern und Schüler.

Franziska und ihr Freund, Christoph, hatten sich den ersten Solo-Eröffnungstanz gesichert. Es war natürlich ärgerlich für die beiden, dass dieser jetzt ausfiel, aber es war schließlich nicht die einzige Aufführung für diesen Abend. Man konnte ja auch mit Nummer zwei beginnen.

»Das geht nicht!«, erwiderte Frau Griffuni, als ich ihr genau das sagte.

»Es ist für das Programm des Abends alles bis zur letzten Minute geplant! Das würde den ganzen Ablauf durcheinanderbringen!«

Ihre Stimme klang hektisch, fast schon ein bisschen panisch.

»Okay …«, versuchte ich es langsam und ruhig.

»… es sind noch fünf Wochen bis zum Fest. Sie können sicher einen Ersatz finden.«

»Das habe ich ja bereits!«

Sie sah mich an, und ich gebe zu, es dauerte etwas, bis ich ihren Blick und ihre Worte verstand.

»Mich?!«, fragte ich, und jetzt klang meine Stimme panisch.

»Natürlich! Ich habe nachgesehen: Sie nehmen an keinem der Tänze teil. Sie sind an diesem Abend nur für den Kartenverkauf eingeteilt.«

»Ja. Das ist ja auch wichtig!«, verteidigte ich mich.

Mir gefiel die Richtung unseres Gespräches gar nicht! Frau Griffuni winkte ab, als versuche sie eine lästige Fliege zu verscheuchen.

»Natürlich. Aber Hayne, Sie werden mir doch zustimmen, dass der Kartenverkauf ohne weiteres von Franziska mit ihrem Gipsbein übernommen werden kann.«

»Schon, aber ich kann nicht …«, versuchte ich es erneut, doch meine Lehrerin ließ mich gar nicht mehr zu Wort kommen.

»Christoph wird Ihnen Franziskas Part beibringen. Sie werden sehen, das wird ein Klacks.«

Das bezweifelte ich doch sehr …

***

»Und nun werfen wir jegliche Selbstzweifel über Bord und heißen unseren Körper in all seiner Schönheit willkommen. Hallo Schenkel, hallo lieber Hintern, willkommen Brüste …«

»Und es wundert dich wirklich, warum ich keine Freunde mit nach Hause bringe?!«

»Oh, hallo mein Schatz«, grüßte mich meine Mutter.

Ich warf ihr und ihrer Therapiegruppe ein kurzes grüßendes Lächeln zu, ehe ich mich schnell in die Küche verzog. Die Gefahr, dass meine Mutter mich noch einmal dazu zwang, an einer ihrer Sitzungen teilzunehmen, war einfach zu groß.

Meine Mutter ist Sexualtherapeutin. Überwiegend, aber nicht ausschließlich, für Paare. Zwischenzeitlich gab sie auch Sitzungen für eine Gruppe in die Jahre gekommener Frauen (Nein, Moment: Frauen in der Blüte ihres Lebens), denen es wohl einen Kick hab, sich selbst in ihren Schambereich zu verlieben und sich ihrer eigenen Schönheit endlich bewusst zu werden.

Obwohl die Therapien meiner Mutter eine erstaunlich gute Erfolgsbilanz aufweisen, finde ich ihre Methoden manchmal äußerst merkwürdig und vor allem extrem peinlich.

Ich angelte mir eine Flasche Wasser aus dem Kühlschrank, während ich Verabschiedungen und das Zuschlagen der Haustür wahrnahm. Feierabend.

Und prompt kam Mama auch schon in die Küche gerauscht.

Meine Mutter ist eine hübsche Frau mit dunklen Locken, warmen rehbraunen Augen, vollen Lippen und einer weiblich-schlanken Figur. Sie hat kaum Falten, und sieht mit 43 Jahren immer noch aus wie eine Frau Anfang 30.

Jetzt betrachtete ich jedoch ihr Outfit genauer und quittierte es mit einem Stirnrunzeln.

»Mama, ehrlich … das Hippiekleid geht ja mal gar nicht!«, sagte ich.

Ernsthaft! Egal was für eine schöne Frau meine Mutter sonst auch ist, in diesem viel zu weiten und diesem viel, wirklich viel zu bunten Durcheinander sah sie aus wie ein in einen Farbtopf gefallenes Flughörnchen. Sie breitete die Arme aus (was es nicht besser machte, sondern meinen Vergleich eher noch verstärkte) und betrachtete ihr Outfit.

»Wieso? Die Verkäuferin meinte, es stehe mir fantastisch!«

»Sie hat gelogen! Schlimm genug, dass du dafür Geld ausgegeben hast. Jetzt kannst du es nur noch besser machen, indem du es verbrennst.«

Sie antwortete mit einem milden Lächeln.

»Wie war dein Tag, mein Schatz?«

»Hätte besser sein können«, antwortete ich und genehmigte mir einen großen Schluck Wasser. Ich spürte den bohrenden Blick meiner Mutter und wusste, dass ich um die Wahrheit nicht herumkommen würde. Mama war da ganz ähnlich wie Junes, nur dass sie sich nicht so leicht ablenken lassen würde. Nicht, dass ich es nicht trotzdem versuchte.

»Wo steckt Juno?«

»Deine Schwester ist mit Freunden unterwegs.«

»Abends, unter der Woche?«

»Ach Schatz, sei doch nicht immer so spießig. Übrigens, wenn die Mutter von Maja anruft, sind sie und Juno hier, haben Hausaufgaben gemacht, einen Film angeschaut und schlafen jetzt wie kleine Engel …«

Ich verdrehte die Augen.

»Mama, du bist auch Mutter. Empfindest du nicht so etwas wie eine gewisse Solidarität, die dich davon abhält, andere Mütter über den Verbleib ihrer Kinder zu belügen?!«

»Nein. Denn das macht mich viel cooler als andere Mütter und sorgt dafür, dass meine Kinder mich eben nicht darüber anlügen, wohin sie gehen.«

»Aha. Und was ist der Grund dafür, dass wir Junos Freundin schon wieder ein Alibi verschaffen müssen?«

»Oh, ganz niedliche Sache. Sie treffen sich mit noch einer Freundin und ein paar Jungs um ins Kino zu gehen und auf einen dieser Jungs scheint Maja tierisch zu stehen. Sie hofft, ihn heute endlich dazu zu bringen, dass er mit ihr geht. Aber weil ihre Mutter in dieser Beziehung ja tierisch prüde ist und ihr kein Date mit einem Jungen erlaubt, müssen wir eine kleine Abweichung von der Wahrheit vornehmen.«

»Kleine Abweichung?!«

»Ja. Juno und Maja waren ja hier, haben Hausaufgaben gemacht und Maja schläft später auch hier. Eigentlich schauen sie sich ja auch einen Film an. Also lügen wir genau

genommen überhaupt nicht. Wir lassen nur das Kino und die Jungs aus. Hach, es war schade, dass ich bis eben Sitzungen hatte. Ich hätte mich zu gern zum Kino geschlichen, um zu sehen, ob es für Maja klappt. Und wer weiß, vielleicht hat deine Schwester heute auch Glück.«

Ich sah sie stirnrunzelnd an.

»Ich finde es wirklich seltsam, Mama, wie sehr du dich für das Liebesleben zweier Fünfzehnjähriger interessierst.«

»Ich nehme Anteil. Anstatt meine Kinder einfach nur mit dummen Verboten vollzuladen und mich sonst gar nicht für sie zu interessieren, wie Majas Mutter.«

»Du übertreibst. Außerdem finde ich es gar nicht schlimm, wenn sie noch nicht möchte, dass ihre Tochter mit Jungs rummacht. Sie ist doch erst fünfzehn. Ich verstehe, wenn ihre Mutter keine Lust auf Alkoholvergiftungen, Drogen oder ungewollte Schwangerschaften hat.«

»O Hayne. Du bist schlimmer als jeder spießige Erwachsene. Von wegen ICH übertreibe«, erwiderte meine Mutter, während sie begann, Töpfe aus den Schränken zu holen um Abendessen zu machen.

»Außerdem treffen sie nur ein paar Jungs im Kino. Nur weil deine Schwester im Gegensatz zu dir keine Jungs-Hasserin ist, …«

»Ich hasse die Jungs nicht. Ich kenne nur so viele abschreckende Beispiele!«, protestierte ich.

Doch meine Mutter ignorierte den Einwurf.

»… heißt das noch lange nicht, dass sie sofort Komasaufen und eine Orgie starten werden.«

»Und selbst wenn nicht, so hast du bestimmt Juno für alle Fälle eine Großpackung Kondome mitgegeben,« schnaubte ich.

»Keine Großpackung, aber schließlich habe ich immer gesagt, wenn ihr euch dazu bereit fühlt, will ich, dass ihr vorbereitet seid,« erwiderte sie ungerührt.

Bei einer Sexualtherapeutin als Mutter und einem Vater, der Gynäkologe ist, bleibt wenig Spielraum für Fantasie. Bei uns war niemals der Storch gekommen und meine Schwester und ich sind beide schon relativ früh aufgeklärt worden.

»Also Hayne, genug ausgewichen?! Was war heute in der Schule los?«

Mist!

»Hat dich wieder ein Schüler geärgert?«

Ich gab erneut ein Schnauben von mir.

»Nein.«

Mama hielt beim Karotten Schneiden inne und wandte sich mit besorgtem Gesichtsausdruck zu mir um.

»Hast du wieder jemanden geärgert? Müssen Papa und ich wieder irgendwelche Entschädigungen oder Krankenhausrechnungen bezahlen?!«

»O Mama! Das war einmal und es ist ewig her! Nein, alles gut. Oder fast. Eine aus meiner Klasse hat sich heute ihr Bein gebrochen und jetzt muss ich ihren Platz beim Tanzen für das Frühlingsfest einnehmen.«

Ich ließ mich kraftlos auf einen der Küchenstühle sinken.

Und los ging es wieder!

»Aber Liebling. Das ist doch fantastisch!«

Ich wusste es.

»Beim Tanzen kannst du so Vieles ausdrücken. Freude, Leid, Wut … Es ist ein wundervoller Weg um seinen ganzen inneren Ballast abzuwerfen.«

»Ach Mama. Wir sind keine Waldorfschule. Ich werde mich da nicht hinstellen und meinen Namen tanzen. Ich soll den Part von dem Mädchen übernehmen, das diesen ersten Tanz mit ihrem Freund tanzen sollte. Und auch wenn ich Franziska nicht wirklich leiden kann, muss ich doch gestehen, dass sie das in den Proben richtig gut draufhatte. Sie sah aus wie eine Elfe. Ich bin aber keine Elfe! Ich werde höchstens aussehen wie das dicke tanzende Nilpferd aus Fantasia.«

»Ach Schatz. Deine Einstellung ist schon wieder viel zu negativ. Du wirst das sicher ganz fantastisch machen. Du musst einfach nur fest daran glauben!«

»Ja genau … Glaube und eine Prise Feenstaub. Das wird mir bestimmt helfen«, erwiderte ich, ehe meine Stirn frustriert Bekanntschaft mit der Tischplatte machte.

***

»Ich finde, du siehst das zu negativ,« sagte am nächsten Morgen während der Pause meine zweite beste Freundin Kanade. Wie üblich saßen wir an unserem Lieblingstisch auf dem großen Pausenhof. Er stand etwas abseits, auf dem grasbewachsenen Teil unter einer großen Eiche. Einzelne Sonnenstrahlen schienen durch das dichte Blätterdach und warfen hübsche Muster auf die Tischplatte.

»Das hat meine Mutter auch gesagt«, erwiderte ich, während ich lustlos in meinem Joghurt rumstocherte.

Kanade sah sich das Elend nicht viel länger mit an, schnappte sich den Becher und steckte sich trotz meines Protestes den Löffel genüsslich in den Mund.

»Stimmt ja auch. Der Tanz selbst steht ja schon. Christoph braucht dir nur noch zu zeigen, was du machen musst. Das ist doch nicht weiter dramatisch.«

»Warum tanzt du dann nicht? Du bist doch auch in keiner anderen Tanzgruppe dabei!«, erwiderte ich.

Abwehrend wedelte Kanade mit dem Löffel vor meiner Nase rum.

»Das stimmt zwar, aber dafür mache ich die ganze Musik zu jeder Tanzeinlage. Ich bin den ganzen Abend also vollkommen eingespannt und kann nicht auch noch das Tanzbein schwingen. Du verstehst?!«

Kanade war so etwas wie ein kleiner Rockstar an unserer Schule. Sie war eine bildschöne Japanerin, die vor allem aufgrund ihrer flippigen Klamotten und ihrer auffälligen Haare – zurzeit gingen sie ihr bis zum Kinn und waren mit violetten Strähnen durchzogen – sofort ins Auge stach. Neben dem hübschen Gesicht besaß sie auch noch eine Wahnsinnsstimme und hatte vor ein paar Jahren ihre eigene Band gegründet, die Alchemy, mit der sie immer wieder Konzerte an unserer Schule gab und auch außerhalb. Sie war schon sehr erfolgreich. Es schien fast schon selbstverständlich, dass sie mit der musikalischen Leitung beim Frühlingsfest betraut worden war. Sehr zum Ärger unseres Musiklehrers.

»Schon klar. Aber wenn dieser erste Tanz schon nicht ausfallen kann, verstehe ich aber einfach nicht, warum nicht eines von den Mädchen, die ohnehin schon tanzen, den Part von Franziska übernehmen kann. Die sind schließlich nicht alle zur selben Zeit auf der Bühne.«

»Stimmt zwar …«, warf Junes ein und hörte auf, ihren Freund Noah mit Trauben zu füttern.

Hach, Frischverliebte konnten nervig-zuckersüß sein.

»… aber weil die Tänze ja alle sehr aufwendig sind, wegen der Kostüme, der Frisuren und der Schminke, hatte Frau Griffuni gleich am Anfang beschlossen, dass jeder nur bei einem Tanz mitwirkt. Und das ist eine gute Idee, denn keine Choreografie ist einfach, wenn ihr mich fragt.«

»Danke Junes. Das baut mich jetzt nicht unbedingt auf. Aber ist auch egal. Ich komm da wohl nicht wieder raus. Von daher werde ich nachher Christoph suchen und …«

»Nicht nötig«, unterbrach mich Noah.

Er deutete hinter mich, und als ich seinem Blick folgte, sah ich auch schon Christoph auf uns zukommen.

Es war nicht so, dass mir Christoph total unsympathisch war. Aber ich konnte auch nicht behaupten, ihn sonderlich zu mögen. Ich fand, er war (in Ermangelung eines besseren

Ausdrucks) ein richtiges Weichei.

Er war schon immer ein großer, etwas stämmiger und äußerst schüchterner Junge gewesen, mit dunkelbraunen Naturlocken und fast komplett schwarzen Augen, die immer irgendwie scheu blickten. An und für sich war an all diesen Attributen aber ja gar nichts auszusetzen. Der Grund dafür, weshalb es mir an Sympathie fehlte, war eher, dass er seiner Freundin Franziska so extrem und unnatürlich hörig war. Ihre Beziehung war wirklich so, dass, wenn Franziska befahl, »Spring!« er fragte »Wie hoch?«.

Ich wusste, er selbst wollte gar nicht an den Tänzen auf der Bühne teilnehmen. Aber Franziska hatte es für sie beide beschlossen und wie üblich fügte er sich und hatte brav mit ihr die von ihr entwickelte Choreographie geübt. Nun ja, eigentlich war das nur gut für mich. So blieb es mir erspart, mir selber etwas ausdenken zu müssen.

»Morgen Christoph«, grüßte ich so freundlich wie möglich. Ich zwang mich sogar zu einem aufmunternden Lächeln, weil Christoph sich mit eingezogenem Nacken und hängenden Schultern schon wieder umblickte wie ein Feldhase, der jeden Moment einen Angriff erwartete.

»Guten Morgen, Hayne. Ich … also Frau Griffuni hat mich heute früh zu sich gerufen … wegen Franzi und … also wegen dem ersten Tanz. Also, es ist so … also Franzi sagt … also ich … nun, es ist so …«

Er gab sich alle Mühe, jeden Augenkontakt zu vermeiden bei seinem Herumgedruckse, so dass es mich Mühe kostete, an mich zu halten und ihn nicht anzufahren, dass er endlich auf den Punkt kommen – oder zumindest einen vollständigen Satz am Stück rausbringen – sollte.

»Ja. Ich soll als Ersatz für Franziska einspringen«, versuchte ich ihm freundlich auf die Sprünge zu helfen.

»Ich weiß, die Zeit ist etwas knapp, um mir alles beizubringen, aber wir haben ja immer noch fünf Wochen. Das kriegen wir schon hin.«

»Ja nun … also es ist so, Franzi möchte nicht … also … mir tut das wahnsinnig leid, aber … ich … ich … also ich … kann nicht mit dir tanzen. «

Es dauerte ein paar Sekunden, bis ich reagierte. Ich dachte, ich wäre für einen Moment einfach nur zu sehr vom Zuhören abgelenkt gewesen, dadurch, dass er so dastand und sich wand wie ein kleiner Junge, der sich gerade in die Hose gepinkelt hatte. Oder hatte ich mich einfach nur verhört?

»Wie bitte?!«

Er begann unruhig seine Hände zu kneten.

»Ich kann … darf nicht mit dir tanzen«, wiederholte er.

Zu seiner Verteidigung konnte man zwar anführen, dass er dabei wirklich schuldbewusst und elend aussah, aber das war mir gerade so was von egal.

»Und warum nicht?!«, erwiderte ich nun deutlich lauter.

»Franzi … nun sie sagt … also, es würde sie so … verletzen, wenn ich … mit einem anderen Mädchen tanze.«

»Und was denkt sie, oder was denkt ihr euch, was ich jetzt machen soll?!«

»Es tut mir wirklich leid … aber … aber Franzi möchte es nicht und …«

»Und das soll ein Grund sein?!«, fauchte ich.

Christoph sah aus, als würde er jeden Moment anfangen zu weinen oder sich tatsächlich in die Hose machen. Aber das war mir ebenfalls egal. Es kostete mich gerade sämtliche Willensstärke, ihm keinen Grund zu liefern, tatsächlich in Tränen auszubrechen.

»Franzi ist nur … weißt du, du hast schon Schneewittchen an ihrer Stelle gespielt und … also … du findest bestimmt jemanden … oder … du tanzt alleine …«

Mit einem wütenden Schnauben stand ich auf, doch während Christoph ein paar eilige Schritte rückwärts, weg von mir machte, fassten zwei Hände an meinen Rücken und hielten mich fest.

Christoph nutze seine Chance und machte sich, ein, zwei Entschuldigungen murmelnd, vom Acker.

»Was mache ich jetzt?«, wandte ich mich an meine Freunde, die mich mitleidig ansahen.

»Ich kann mich doch nicht wirklich da vorne hinstellen und meinen Namen tanzen!«

»Warum nicht?«

Ich war noch immer sauer und brauchte einen Moment um zu bemerken, dass keiner der drei den Mund aufgemacht hatte. Ich sah zur Seite und begegnete Arthurs Blick.

Wann hatte der sich denn angeschlichen?!

»Verfolgst du mich?!«

»Nein. Ich habe nur ein fantastisches Timing«, entgegnete er.

»Dem würde ich widersprechen. Was willst du?«

Meine Stimme hatte diesen schneidenden Klang, der eigentlich immer dafür sorgte, dass die Leute Abstand zu mir hielten, aber er lächelte nur.

»Du bist gestern einfach abgehauen, bevor wir fertig waren«, antwortete er.

»Fertig? Was habt ihr denn gemacht?!«, fragte Junes, aber ich überging ihre Frage und ihren Tonfall. Der machte nämlich sehr deutliche, wie übel sie es mir nahm, dass ich ihr etwas nicht erzählt hatte.

»Wir waren fertig. Und wenn du jetzt schon wieder versuchen willst, dass ich meine Entscheidung rückgängig mache, kann ich nur sagen, dass du sogar ein ganz beschissenes Timing hast!« Das Läuten der Glocke ersparte mir seine Erwiderung. Ich schulterte meine Tasche und ging mit den anderen zurück in die Schule.

»Ich wusste gar nicht, dass du was mit Arthur zu tun hast«, sagte Kanade und warf einen Blick zurück.

»Er ist wirklich ein Schnuckelchen …«

»Kanade! Andere Sorgen! Schon vergessen?!«

»Oh … Ja klar. Sorry. Aber Arthur ist extra zu dir gekommen … wegen was?!«, fragte Kanade und auch Junes sah mich neugierig an.

»Das ist keine große Sache. Er möchte, dass ich das Verbot für die Baseball-AG wieder aufhebe.«

»Er ist doch gar nicht in der Baseball-AG«, warf Noah ein, worauf ich zustimmend nickte.

»Eben. Aber ich schätze, die Jungs waren zuerst beim Direktor, und weil der nicht klein beigegeben hat …«

(Unser Direktor mochte mich. Und nach drei Jahren als vorbildliche Schulsprecherin hatte ich es endlich geschafft, dass er hinter meinen Entscheidungen stand und mir viele Freiheiten ließ. Was ich ziemlich cool fand.)

»… sind sie zu Arthur, um ihn zu bitten, die Drecksarbeit zu machen. Die Feiglinge!«

»Naja … eigentlich kein blöder Plan, wenn ihr mich fragt«, murmelte Noah.

Wir gingen ins Klassenzimmer und ich ließ mich einfach auf den Stuhl fallen.

»Was mache ich jetzt wegen dem Tanz? «, fragte ich und wechselte zum vorherigen Thema zurück.

Kanade, die neben mir saß, zuckte mit den Schultern.

»Die Sache mit Christoph ist blöd, aber doch kein wirkliches Drama. Wir haben so viele Jungs auf der Schule. Da findet sich bestimmt ein Ersatz. Und in Anbetracht der Umstände wird Frau Griffuni bestimmt nicht meckern, wenn der Junge nicht aus unserem Jahrgang ist. Hauptsache, sie hat ein Paar für den Eröffnungstanz.«

Kanade hatte eine sehr beruhigende Art, wenn sie die Dinge ganz nüchtern betrachtete, so dass ich Christophs Absage schon als weniger schlimm empfand als noch vor ein paar

Minuten. Schon ruhiger sagte ich:

»Und wer käme in Frage?«

Jetzt zuckte Junes mit den Schultern.

»Ich würde dir ja Noah leihen, aber leider übernimmt er schon die Bühnenbeleuchtung. Aber es findet sich bestimmt jemand, der gerne mit dir auftreten wird.«

»Naja …«, begann Noah verhalten.

»… nimm es mir nicht übel, Hayne. Ich finde dich wirklich super, aber offen gestanden erst seit ich dich durch Junes besser kennengelernt habe. Vorher hatte ich, ehrlich gesagt, ein bisschen Angst vor dir. Und ich weiß, dass es vielen … wirklich vielen Jungs auf der Schule genauso geht. Ich befürchte daher fast, dass keiner sich wirklich darum reißen wird, mit dir das Tanzbein zu schwingen.«

Er warf mir mit seinen grauen Augen einen entschuldigenden Blick zu und fuhr sich unruhig durch die braunen Haare. Ich war ihm nicht böse, sondern schätzte seine Ehrlichkeit. Aber Junes gab ihm einen kleinen Klaps auf den Oberarm und sah ihn böse an.

»Aua. Hey, ich mein ja nur.«

»Schon gut. Ich verstehe schon«, sagte ich.

Unser Geschichtslehrer trat ein und Junes und Noah drehten sich wieder nach vorn, während ich mich im Stuhl zurücklehnte. Auch wenn es übertrieben war, hatte Noah wohl recht. Das Trainingsverbot hatte mich bei einem Großteil der Jungen auch nicht zwingend beliebter gemacht. Vor allem, wenn ich jetzt darüber nachdachte, hatte ich das Verbot für und wegen Franziska ausgesprochen. Und was war der Dank?! Sie zwang ihren Freund, mich hängen zu lassen. Vielleicht sollte ich das mit dem Verbot wirklich noch einmal überdenken. Aber vorher … würde ich nach dieser Stunde mal ›Ausdruckstanz‹ googeln.

***

Leider konnte ich nicht behaupten, dass sich meine Lage bis Schulschluss verbessert hatte. Mit Junes und Kanade hatte ich zuerst überlegt, welche Jungs als Ersatz für Christoph in Frage kämen. Leider ließ sich aber unter diesen keiner finden. Noah schien recht zu behalten, denn schon während der letzten Pause stellte ich fest, dass mir auffallend viele Jungs aus dem Weg zu gehen schienen.

Dass ich einen Tanzpartner brauchte, schien sich wie ein Lauffeuer herumzusprechen. Aber auch wenn dieser Tag bisher eher glücklos für mich verlaufen war, so bin ich ja nicht der Typ, der wegen ein paar kleiner Rückschläge einfach aufgibt. Ich würde es eben anders anfangen.

Nach Ende der letzten Stunde verabschiedete ich mich von meinen Freunden, um einen kurzen Abstecher in die Bibliothek zu machen. Hier würde es bestimmt irgendein Buch übers Tanzen geben, und mit ein paar Videos aus dem Internet würde ich eben damit beginnen, dass ich mir selbst etwas Vorführbares beibrachte. Einen Partner konnte man ja auch noch im Nachhinein mit einbeziehen.

Ich wurde sogar recht schnell fündig. Wie gut, dass es immer Leute gab, die sich veranlasst sahen, für alles eine Anleitung zu verfassen.

»Ist das dein Ernst?! Du willst dir das Tanzen mit einem Buch beibringen?«

Ich hatte bereits drei Bücher auf dem Tisch gestapelt und hätte vor Schreck beinah das vierte fallen gelassen.

Meine Güte, war der Typ eine Katze?!

Wie schaffte es jemand, sich so lautlos anzuschleichen?!

Da ich ihm den Rücken zugewandt hatte, hoffte ich, dass ihm mein Zusammenzucken nicht aufgefallen war, und drehte mich mit möglichst gelassener Miene zu ihm um.

»Das ist definitiv kein perfektes Timing. Das nennt sich Stalking!«

Arthur saß verkehrt herum auf einem Stuhl, die Arme auf der Lehne und das Kinn darauf abgestützt. Amüsiert las er die vor mir liegenden Buchrücken und sah mich dann an.

»Tanzen mit Grundschulkindern. Oh, sogar mit Audio-CD. Klingt ja vielversprechend.«

»Ich fange eben klein an. Ist das dein neues Hobby: mich zu verfolgen, um nervige Kommentare und Offensichtlichkeiten von dir zu geben?!«

Arthurs Lächeln blieb, wo es war, während er den Kopf wieder hob und sich etwas nach hinten lehnte.

»Nicht ganz. Ich verfolge dich, weil ich, um deine Worte abgeändert zu zitieren, sagen würde: Irgendwann ist jetzt!«

»Pardon?«

Sein Grinsen wurde breiter.

»Das mag ich an dir. Du entgegnest nie mit ›Häh?‹ oder ›Was?‹, sondern bleibst immer ausgesprochen höflich. Das ist irgendwie witzig und widerspricht total der Art, wie du sonst redest und dich gibst.«

Wie ein Kompliment klang das nicht.

Daher zog ich als Erwiderung nur die Augenbrauen hoch.

»Ich werde dir das Tanzen beibringen«, fuhr Arthur fort.

»Du kannst tanzen?! Ach was, warum frag ich überhaupt. Natürlich kannst du es.«

Es gab ja tatsächlich nichts, was dieser Alleskönner nicht konnte.

»Ja. Und sogar richtig gut,« erwiderte er, ohne jede Spur von Bescheidenheit.

»Wie kommt’s?«, fragte ich, aufrichtig neugierig.

»Meine Mutter leitet eine Tanzschule. Ich habe es schon als kleines Kind beigebracht bekommen, und inzwischen springe ich ab und zu in den Stunden meiner Mutter als Tanzpartner ein, wenn ein Mann fehlt.«

Interessant. Ich hatte schon so einiges über Arthur gehört, aber das war neu. Vielleicht war es aber auch besser, wenn das nicht von ihm bekannt wurde. Die Mädels unserer Schule würden sonst seiner Mutter sicher die Türen einrennen.

»Verstehe. Und du opferst deine Zeit im Tausch …«

Er hob auffordernd den Blick …

»Na klar. Du bringst mir Tanzen bei, und ich erlaube der Baseball-AG wieder ihr Training. Wie heroisch von dir!«

»Fast. Ich bringe es dir nicht nur bei. Ich werde auch mit dir auftreten.«

»Mann, du fährst wohl voll auf Baseball ab. Hast du auf das Spiel gewettet, oder was?«

Er lachte und schüttelte sachte den Kopf.

»Nein. Und sorry, Schneewittchen, so billig sind meine Dienste dann doch nicht. Dafür, dass die AG wieder voll trainieren darf, gebe ich dir einen Grundkurs im Tanzen. Aber dafür, dass ich etwas mit dir einstudiere und auftreten werde, möchte ich etwas anderes von dir.«

»Das wäre?«, fragte ich misstrauisch.

Irgendwie gefiel mir der Blick nicht, den er mir jetzt zuwarf. Auch dass er sein Grinsen zurückgenommen hatte, war ja wohl kein gutes Zeichen.

»Bis zum Frühlingsfest sind es noch etwas mehr als fünf Wochen. Über diesen Zeitraum hin will ich, dass du meine Freundin bist!«

Diesmal musste ich mir ein »Häh?« wirklich verkneifen.

»Soll das ein Scherz sein?«, fragte ich stattdessen. Er schüttelte den Kopf.

»Wette verloren?!«

»Nein.«

»Wette zu gewinnen?«

»Nein.«

»Wieso dann?«

Schwungvoll erhob er sich vom Stuhl.

»Der Grund ist meine Sache. Sei einfach für die nächsten paar Wochen meine feste Freundin. Im Gegenzug lege ich eine richtige Step-up-Nummer mit dir hin, wenn du das möchtest. Da würden andere Mädchen vor Freude kreischen.«

»Als ob die neben dir und deinem Ego noch Platz zum Tanzen hätten. Dir ist übrigens schon bewusst, dass genau diese … sagen wir, sieben Dutzend Mädchen an unserer Schule liebend gern deine Freundin sein würden? Warum nimmst du nicht eine von denen?«

»Das wäre nicht nett. Das ist eine Beziehung mit Ablaufdatum. Ich möchte keinem Mädchen wehtun, das wirklich etwas für mich übrighat.«

»Ist das so eine Du-bist-in-Wirklichkeit-schwul-und-brauchst-eine-Alibi-Freundin-Sache?«, hakte ich noch einmal nach, worauf er herzhaft lachte.

»Nein. Aber nette Idee.«

Er stützte sich mit den Händen an der Stuhllehne ab, während sich seine Augen auf mich hefteten. Unschlüssig ließ ich mich nach hinten gegen das Regal sinken und verschränkte die Arme vor der Brust. Mein Blick fiel auf den Stapel Bücher. Ich könnte es mir jetzt einfach machen und behaupten, ich hätte ja ohnehin keine andere Wahl. Aber das stimmte nicht. Die hatte ich sehr wohl.

Ich könnte ablehnen und es alleine versuchen. Das war nichts, was mir sonst Angst machte. Aber so ungern ich es mir auch eingestand dieser Plan hatte wenig Aussicht auf Erfolg. Ich konnte einfach nicht tanzen. Zumindest nicht so, dass es gut aussah. Mir fehlte jegliche Erfahrung, geschweige denn Talent. Ich hob den Blick wieder zu Arthur. Seine ganze Erscheinung drückte absolute Selbstsicherheit aus. Das war irgendwie nervig. Offensichtlich war er sich sicher, dass ich keine andere Wahl hatte.

»Wie sieht’s aus, Schneewittchen? Haben wir einen Deal?!«

»Unter zwei Bedingungen …«, entgegnete ich langsam und konnte die Abneigung gegen seinen Vorschlag nicht aus meiner Stimme verbannen.

Arthur zog leicht die Augenbraue hoch, wirkte aber weiterhin amüsiert.

»Ich dachte eigentlich nicht, dass du in der Position dazu bist Bedingungen zu stellen! Schließlich brauchst du ja ganz offensichtlich meine Hilfe.«

»Wohl nicht nur. Hättest du für deine … was auch immer es sein soll … eine Alternative, wärst du ja sicher nicht zu mir gekommen.«

»Oh, da unterschätzt du dich, Schneewittchen. Ich finde dich ziemlich interessant. Deine Art ist so erfrischend anders.«

Das klang irgendwie immer noch nicht wie ein Kompliment, daher wischte ich es mit einer Handbewegung beiseite.

»Meine Bedingungen, solange ich deine Fake-Freundin mime:«, fuhr ich fort.

»Ich werde für dich ganz sicher nicht die Beine breitmachen, verstanden? Sex kommt nicht infrage.«

»Einverstanden!«, erwiderte er prompt.

Okay … sagen wir jetzt mal so: Die schnelle Zustimmung überraschte mich ebenso sehr, wie sie mich auch ein wenig beleidigte.

»Ähm … gut. Dann ist das Zweite sicher auch kein Problem: Es wird auch keine Küsse geben.«

»Wieso nicht? Ein Kuss ist doch nichts Schlimmes.«

Diesmal klang er nicht so bereitwillig.

»Der Grund dafür ist meine Sache.« wiederholte ich seine vorherigen Worte.

»Und damit das gleich klar ist: Du wirst mich nicht einfach gegen meinen Willen küssen oder in irgendeiner Form überrumpeln. Sonst ist unser Deal gleich hinfällig und ich behalte mir vor, dir etwas Schlimmeres als einen Schulterwurf anzutun!«

Seine Augen bohrten sich förmlich in meine und ich gab mir alle Mühe nicht zu blinzeln. So starrten wir uns einen sehr langen Moment an.

»Ich glaube nicht, dass uns irgendjemand abnehmen wird, dass wir ein Paar sind, wenn wir uns nicht ein einziges Mal küssen,« entgegnete er dann langsam.

»Und ich verstehe auch wirklich nicht, warum du das überhaupt willst. Aber ich bleibe dabei, entweder unter diesen Bedingungen oder gar nicht.«

Es war jetzt irgendwie ungewöhnlich. Ich hatte Arthur, glaube ich, noch nie mit so ernster Miene gesehen.

Wieso war ihm das bloß so wichtig? Zweifellos nicht der Kuss, sondern, dass man uns für ein richtiges Paar hielt.

»Da wir uns ja schon einig waren, dass du meine Hilfe ebenfalls benötigst, will ich hier einen Kompromiss. Ich verspreche, dass ich dich nicht einfach überrumpeln werde oder sonst etwas tue ohne deine Erlaubnis. Aber dafür schließt du das Küssen nicht mehr kategorisch aus. In diesem Punkt will ich die Chance, zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal darüber zu verhandeln.«

Wenn er dachte, dass ich jemals klein beigeben würde, hatte er sich geschnitten. Aber weiter einlenken würde er wohl nicht, und ich wollte wirklich, wirklich nicht meinen Namen tanzen. …

»In Ordnung!«

Jetzt lächelte er wieder und hielt mir die Hand entgegen.

»Deal?«

Ich ergriff seine Hand. Sie war wieder erstaunlich warm.

»Deal!«

Seine Finger umschlossen meine Hand etwas fester.

»Aber du musst mir versprechen, es richtig zu machen und dir wirklich Mühe zu geben. Kein Angiften oder Zicken vor anderen Leuten. Tu wirklich so, als ob du mich wirklich sehr magst. Das sollte nicht so schwer sein, wenn du mich etwas besser kennengelernt hast.«

»Irgendwie bezweifle ich das. Aber ich verspreche, es so aufrichtig wie möglich wirken zu lassen.«

O Mann! Ich hoffte inständig, für all das hier könnte er tanzen wie John Travolta in seinen besten Zeiten.

»Sehr gut. Die brauchst du ja dann nicht mehr.«

Er nahm die Bücher und schob sie unachtsam zurück ins Regal. Dann schulterte er meine Tasche und wir gingen aus der Bibliothek. Während seine Hand warm auf meinem Rücken lag und mich mit sanftem Druck vorwärts schob, warf ich noch einen Blick über die Schulter, zurück zu den Büchern.

Vielleicht hätte ich ihnen doch länger als fünf Minuten eine Chance geben sollen.

Schritt für Schritt

»Das soll doch jetzt wohl ein Scherz sein, oder?!«

Unser Hoftor fiel mit einem lauten Knall ins Schloss, weil ich es nicht festgehalten hatte. Dem schenkte ich allerdings keinerlei Beachtung, weil mich sein Anblick überrascht und aus der Fassung gebracht hatte. Vollkommen entspannt lehnte er an der Laterne gegenüber von unserem Haus.

»Dir auch einen wunderschönen guten Morgen, Schneewittchen.«

O nein, das strahlende Lächeln war ja schon schlimm genug. Aber Arthur war offensichtlich auch noch ein Morgenmensch. Das hielt doch keiner aus.

»Wenn ich gewusst hätte, dass du mich sofort abholen kommst, sobald du weißt, wo ich wohne, hätte ich dir gestern nicht erlaubt, mich nach Hause zu bringen.«

»Du bist wahrscheinlich das einzige Mädchen, das sich beschwert, wenn ihr Freund sie morgens abholt, um mit ihr zusammen zur Schule zu gehen«, entgegnete er, immer noch

äußerst gut gelaunt.

Er entwand mir, wie gestern schon, ungefragt meine Tasche und hängte sie sich über die Schulter. Ich öffnete bereits den Mund, um ihm zu sagen, dass er dieses Kavaliersgetue unbedingt lassen sollte, als er mir einen Becher unter die Nase hielt. Der Geruch von frischem Kaffee drang mir in die Nase. Das war eine wirklich nette Geste, aber das erwähnte ich unhöflicherweise nicht. (So früh am Morgen war es mit meinen Manieren einfach nicht weit her. Die schalteten sich erst so gegen halb zehn ein. Oft in Verbindung mit einem Knoppers oder sonst was Süßem, was meine Laune hob.)

»Ich mag keinen Kaffee«, sagte ich daher nur.

»Gar keinen?«

»Nein. Auch keinen Milchkaffee, Cappuccino oder was es sonst noch gibt. Ich mag den Geschmack nicht.«

Daraufhin liefen wir eine Weile schweigend nebeneinander her, ehe ich mich letztlich doch dazu genötigt sah hinzuzufügen: »Aber trotzdem war das nett von dir. Danke.«

Aus dem Augenwinkel sah ich, wie sich seine Mundwinkel wieder nach oben zogen. Der Weg von meinem Zuhause bis zur Schule war nicht weit, nur etwa fünfzehn Minuten Fußweg. Doch während wir schweigend nebeneinander hergingen, kam es mir schrecklich lange vor.

»Was genau stellst du dir eigentlich vor? Wie soll das heute ablaufen?«, durchbrach ich das Schweigen.

Ein Gedanke, der mich, kurz nachdem ich gestern Abend ins Bett gefallen war, verfolgte hatte.

»Was genau meinst du?«, fragte er unschuldig.

»Ich meine das mit dieser Fake-Beziehung. Willst du dich heute hinstellen und lauthals verkünden, dass ich deine Freundin bin, oder …«

Ich brach überrascht ab, als sich seine Hand in meine schob und er seine Finger mit den meinen verschränkte.

»Das wird nicht nötig sein. Wir bleiben so und der weitere Tratsch arbeitet für uns«, erwiderte er, immer noch äußerst gut gelaunt.

Na toll, das klang ja ausnehmend vielversprechend.

Ich unterdrückte den Impuls, ihm meine Hand wieder zu entziehen, denn wir hatten nun mal einen Deal und ich stand zu meinem Wort.

»Noch einmal zu der Sache, dass nur wir beide wissen, dass die Beziehung nicht echt ist …« Darauf hatte er gestern vehement beharrt, als er mich zu Hause abgeliefert hatte. Ich hatte zugestimmt, in der Hoffnung, ihn dann möglichst schnell los zu werden, aber erst später war mir bewusstgeworden, was das genau hieß.

»Ja?«, fragte er.

Seine Stimme klang normal, aber ich spürte, wie sich seine Finger kaum merklich anspannten. Ich fragte mich zum gefühlt tausendsten Mal, warum ihm dieser Fake so wichtig war.

»… da kann ich mich nicht hundertprozentig dranhalten.«

»Du hast es aber versprochen, Schneewittchen.«

»Das weiß ich. Aber ich werde nicht meine besten Freundinnen belügen!«

Ein Ruck an meiner Hand zwang mich stehen zu bleiben und Arthur drehte mich zu sich.

»Das musst du aber!«

Sein Tonfall war weder befehlend noch streng. Er klang eher, als rede er mit einem kleinen Kind, dem er versuchte zu erklären, warum es etwas nicht tun durfte.

Wenn er tatsächlich dachte, damit irgendeine Chance zu haben, würde ich ihn gleich eines Besseren belehren. Ich löste meine Hand, stemmte die Hände in die Hüfte, und los ging Runde zwei unseres Blickduells.

»Ich habe keine Ahnung, wie du es mit deinen Freundschaften hältst. Aber bei meinen ist mir Ehrlichkeit sehr wichtig. Erstens, weil es gar nicht möglich ist, Junes auf die Dauer zu belügen, und zweitens, weil sie und Kanade kein Wort mehr mit mir reden würden, wenn sie glaubten, ich hätte ihnen etwas verschwiegen. Geschweige denn, wenn sie herausfänden, dass ich sie fünf Wochen lang belogen hätte. Das mache ich nicht! Da musst du dir eine andere suchen für deine Scharade.«

Als sich seine Lippen wieder zu einem Lächeln verzogen, war ich überrascht.

»Ich glaube, genau deswegen will ich keine andere. Ich mag deine Ehrlichkeit. Meinetwegen, wir machen Ausnahmen. Aber kannst du dich darauf verlassen, dass sich keine von deinen Freundinnen verplappern wird?«

»Keine Sorge. Du kannst dich auf sie verlassen.«

»Gut. Dann, Schönste, auf in den Kampf.«

Wieder umschloss seine Hand die meine, und wieder war ich überrascht, wie warm seine Haut war. Die Zeit, die mir zuerst so gedehnt vorgekommen war, schien jetzt rasend schnell vorbei zu gehen und schon durchschritten wir das Schultor der Jupiter.

Arthur schien bester Laune, was ich von mir nicht behaupten konnte. Obwohl ich nicht gerade der ängstliche Typ war, verspürte ich doch ein Ziehen in der Magengegend und hatte das Gefühl, dass meine Hände vor Nervosität feucht wurden. Aber das veranlasste Arthur nicht mich loszulassen und die ersten Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten.

Die Schüler bemerkten Arthur (es war auch einfach nicht möglich, ihn zu übersehen. Er war zu groß, zu gutaussehend, zu … nun ja, er hatte einfach so eine Ausstrahlung, die man nicht ignorieren konnte), grüßten ihn, und als ihr Blick auf unsere Hände fiel, schauten sie verwundert, überrascht …. Mein Favorit war das Mädchen, das uns total schockiert anstarrte und dabei den Bissen ihres Brötchens aus dem Mund fallen ließ, um dann, alles andere als dezent, über uns zu tuscheln.

»Entspann dich, Schneewittchen. Versuch es mal mit einem Lächeln«, flüsterte Arthur, dem natürlich nicht entging, dass ich mich bei jedem Schritt mehr versteifte.

Ich konnte gar nichts dagegen tun. Obwohl ich sonst gar keine Probleme damit hatte, angestarrt zu werden – schließlich hielt ich mehrmals im Jahr Schulreden –, schien ich hier mein Selbstbewusstsein überschätzt zu haben.

»Ich führe mir gerade die bisherigen Kartenverkäufe für den Tanz in den Frühling vor Augen und wie wichtig das so vielen ist. Das hält mich davon ab, meine Hand aus deiner zu lösen. Sei damit zufrieden und lass mir etwas Vorlaufzeit!«, entgegnete ich leise und gab mir alle Mühe, meine Stimme nicht biestig klingen zu lassen.

»Okay. Das werde ich«, antwortete er.

Wir hielten vor meinem Klassenzimmer und ich hatte noch nie so ein Glücksgefühl verspürt wie bei dem Gedanken durch diese Tür zu gehen. Mit einem Fuß war ich schon drin, als Arthur sanft an meiner Hand zog, die er noch immer als Geisel hielt. Ich blieb stehen und sah wortlos dabei zu, wie er meine Hand an seine Lippen führte und einen sehr sanften Kuss auf meine Fingerknöchel hauchte.

»Dann bis zur Pause, Schneewittchen«, verabschiedete er sich.

Ich, sehr uncool zur Salzsäule erstarrt, sah ihm nur wortlos nach, wie er die Treppe nach oben ging, zwei Stufen auf einmal nehmend, um zu seinem Unterricht zu gelangen.

Ich wäre wahrscheinlich festgewachsen, wenn sich nicht zwei Hände fest um meinen Oberarm gekrallt hätten, um mich etwas unsanft ins Klassenzimmer zu ziehen.

Junes schob mich auf meinen Stuhl und setzte sich mit (ich hatte es geahnt) vorwurfsvoller Miene vor mich.

»Von wegen er will nur, dass du wieder das Training der Baseball-AG erlaubst! Da war doch mehr. Warum hast du nichts erzählt! Ich habe dir alles von Anfang an, jedes Detail, erzählt, als es mit Noah angefangen hat!«

»Was heißt jedes Detail?«, warf Noah dazwischen.

»Nicht jedes Detail,« beruhigte ich ihn.

Das lag allerdings daran, dass ich Junes immer dazwischenfahre, wenn sie mit etwas beginnt, was ich absolut nicht wissen will.

Aber das behielt ich vorsorglich für mich.

»Aber alles Wichtige! Und jetzt kommst du, händchenhaltend mit dem heißesten Typen der Schule …oh Schatz, nicht persönlich nehmen …«

»Aber natürlich nicht …«, erwiderte Noah sarkastisch.

»… und ich weiß von gar nichts!«, überging Junes ihn.

»Vielleicht würde Hayne ja etwas erzählen, wenn du sie zu Wort kommen lässt«, unterbrach Kanade sie.

Drei Augenpaare hefteten sich auf mich.

»Das … war eine sehr spontane Sache«, seufzte ich.

Eigentlich war es ziemlich witzig, wie alle drei beinahe synchron die Augenbrauen nach oben zogen. Aber darauf konnte ich leider nicht eingehen. Zum einen, weil der Lehrer gerade das Klassenzimmer betrat, und dann, weil nicht nur meine Freunde an meinen Lippen zu hängen schienen.

»Ich erzähle es euch nachher genau. Versprochen!«

Bevor sich Junes umdrehte, sagte ihr Blick sehr deutlich Und wehe, wenn nicht. Hach, man musste sie einfach liebhaben.

***

»Was soll denn das heißen?! Eine Fake-Beziehung?!«

»Nicht so laut!«, zischte ich Junes an.

Aber zum Glück fanden wir im Moment nicht wirklich Beachtung. Obwohl mir am Anfang der Sportstunde einige der anderen Mädchen erstaunlich böse Blicke zugeworfen hatten, waren sie jetzt dazu übergegangen, uns zu ignorieren. Eigentlich war ich bei den Mädchen der Schule immer ziemlich beliebt gewesen und daher erstaunte es mich wirklich, wie rasch das ins Gegenteil umgeschlagen war. Was mich allerdings noch mehr überraschte, war, wie schnell es die Runde gemacht hatte, dass ich und Arthur ein Paar waren.

Kein Witz. Nach den ersten beiden Schulstunden, also nach gerade mal eineinhalb Stunden, schien es jeder an der Schule zu wissen. Und die Jupiter war wirklich keine kleine Dorfschule. Jetzt mal ernsthaft: Gab es keine wichtigeren Themen? Klimaerwärmung oder die Eurokrise zum Beispiel?! Offensichtlich nicht!

Im Moment versuchte ich das Unverständnis, auf das ich stieß, nicht persönlich zu nehmen. Also, um genauer zu sein: Kein Mensch wunderte sich, warum – ich – mit Arthur zusammen war, natürlich nicht … aber jeder schien sich zu wundern, dass Arthur bei der riesigen Auswahl, die er hier hatte, gerade – mich – genommen hatte.

»Ihr tut also nur so als ob?«, fragte Junes jetzt leiser.

»Für die nächsten fünf Wochen, ja«, nickte ich.

Junes runzelte die Stirn.

»Das ist schon etwas merkwürdig …«

»Ach, was du nicht sagst!«, entgegnete ich scharfzüngig.

»Und er sagt dir mit keinem Wort, warum er das will?!«, fragte Kanade.

Was ich verneinte.

»Vielleicht ist er schwul? Das würde zumindest seinen auffallend guten Modegeschmack erklären.«

Ich lachte und schüttelte erneut den Kopf.

»Er sagt nein. Und ich glaube, da hat er mich nicht angelogen.«

»Denke ich auch. Wer nimmt sich denn eine Alibifreundin für eine so kurze Zeit, wenn er vertuschen will, dass er homosexuell ist? Ich könnte mir eher vorstellen … also …«

Ach je. Wenn Junes so begann, war das etwas absolut Abwegiges oder …

»… vielleicht ist er ja in Wahrheit total verliebt in dich. Aber weil du ja in Bezug auf Jungs etwas … schwierig bist, hat er sich so etwas ausgedacht, um an dich ranzukommen, damit du dich auch in ihn verliebst!«

… etwas schrecklich Kitschig-Romantisches.

»So ein Quatsch!«, antworteten Kanade und ich unisono.

Junes verzog das Gesicht.

»Ihr unromantischen Realisten.«

»Oh, wartet! Wie wäre das: Arthur ist inzwischen an dem Punkt, an dem ihm sein ganzer Fanclub nur noch tierisch auf den Geist geht. Er will etwas Abstand zu den Mädels, aber nicht so viel, dass ihm nicht noch genügend Möglichkeiten offenbleiben. Also nimmt er sich eine Freundin. Und wer wäre besser dazu geeignet, als das Mädchen, vor dem die ganze Schule Schiss hat?!«

»Es hat nicht die ganze Schule Schiss vor mir!«, protestierte ich gegen Kanades Idee, die, ehrlich gesagt, im Vergleich zu den anderen Theorien gar nicht so abwegig klang.