Song for Song. Liebe im Duett - Verena Bachmann - E-Book

Song for Song. Liebe im Duett E-Book

Verena Bachmann

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Beschreibung

**Liebe auf den ersten Ton…** Sasha singt leidenschaftlich gern und sie ist auch richtig gut. Zumindest wenn es nach ihren besten Freunden und ihrer Familie geht. Denn nur ihnen zeigt sie ihr musikalisches Talent. Doch dann soll an ihrer Schule ihr absolutes Lieblingsmusical aufgeführt werden und dafür wäre Sasha sogar bereit, über ihren Schatten zu springen. Problem ist nur: Ausgerechnet Kai, der begehrte, aber ziemlich arrogante Schwarm der Schule, ergattert die männliche Hauptrolle des Stücks. Sasha ist hin und hergerissen zwischen ihrem Traum und ihrem Duettpartner, der ungeahnt starke Gefühle in ihr zum Klingen bringt…   //»Song for Song. Liebe im Duett« ist eine in sich abgeschlossene Liebesgeschichte. Weitere berührende Musiker-Romanzen von Verena Bachmann bei Impress:  -- Step by Step. Herzschlag im Dreivierteltakt.//

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Verena Bachmann

Song for Song. Liebe im Duett

**Liebe auf den ersten Ton …** Sasha singt leidenschaftlich gern und sie ist auch richtig gut. Zumindest wenn es nach ihren besten Freunden und ihrer Familie geht. Denn nur ihnen zeigt sie ihr musikalisches Talent. Doch dann soll an ihrer Schule ihr absolutes Lieblingsmusical aufgeführt werden und dafür wäre Sasha sogar bereit, über ihren Schatten zu springen. Problem ist nur: Ausgerechnet Kai, der begehrte, aber ziemlich arrogante Schwarm der Schule, ergattert die männliche Hauptrolle des Stücks. Sasha ist hin und hergerissen zwischen ihrem Traum und ihrem Duettpartner, der ungeahnt starke Gefühle in ihr zum Klingen bringt …

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Vita

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© privat

Verena Bachmann, geb.1987 in Aschaffenburg, lebt mit Hund und Katzen in einem kleinen Dorf im schönen Spessart. Nach einem freiwilligen ökologischen Jahr absolvierte sie eine Ausbildung zur Industriekauffrau und arbeitet heute in einem Unternehmen für Modeaccessoires. Die Liebe zu Büchern weckte im Grundschulalter Enid Blyton und inzwischen stapeln sich die vielseitigsten Romane in ihren Regalen. Doch trotz bunter Auswahl reichte lesen allein irgendwann nicht mehr aus und so beschloss sie ihre eigenen Gedanken ebenfalls einmal zu Papier zu bringen.

Für Jasmin, Sonja, Tante Mathilde und meine Mutter Konny

Danke für jeden unserer unvergesslichen

Frauenpower-on-Tour-Ausflüge

&

Für meinen Vater

Niemand kann genau sagen, wohin wir gehen

Aber jenseits aller Schmerzen

Wünsche ich dir nochmal ein Leben,

in dem dir möglich ist,

all deine Wünsche und Träume

zu verwirklichen.

Ein unumstößlicher Wunsch

»Also? Wie sieht es aus? Diesen Freitag?!«

Ich neigte den Kopf zur Seite und musterte den Jungen, mit dem ich bis vor fünf Minuten noch nie auch nur ein Wort gewechselt hatte, von Kopf bis Fuß.

Er war ja durchaus recht niedlich, mit den hellblonden Locken und den warmen dunklen Augen. Auch konnte er wirklich beneidenswert lange und volle Wimpern vorweisen.

Aber etwas in der ganzen hochgewachsenen Statur verriet mir, dass ihm sein gutes Aussehen nur allzu bewusst war.

Außerdem wurde die nett vorgebrachte Einladung dadurch abgemildert, dass er die Frage weniger meinem Gesicht, als vielmehr meinen Brüsten gestellt hatte.

Ich unterdrückte ein Seufzen und zwang mich zu meinem freundlichsten Lächeln.

»Diesen Freitag ist ungünstig. Aber du könntest mich ja am Sonntag in die Kirche begleiten.«

Das selbstsichere Lächeln schwand.

»In die Kirche?«

»Ja. Das ist ein ganz wichtiger Teil meines Lebens, weißt du. Ich nehme das sehr ernst. Auch was solche Dinge wie Sex vor der Ehe betrifft. Ich finde das wird in der heutigen Zeit einfach viel zu locker gesehen. Für mich würde das niemals in Frage kommen.«

Ihm entglitten sämtliche Gesichtszüge, was er allerdings nicht einmal zu bemerken schien.

»Ah ja … «

Er trat einige Schritte zurück und wirkte ängstlich. Als könnte ich mich in der nächsten Sekunde auf ihn stürzen, um einen Exorzismus an ihm zu vollführen.

» … also, Sonntag kann ich leider nicht. Wir besuchen meine Großmutter von daher … also, ich melde mich.«

Damit machte er auf dem Absatz kehrt und mir war, als könne ich noch die Staubwolke in Form seiner Silhouette sehen, dort wo er eben noch gestanden hatte.

»Du wirst darin echt immer besser Sasha-Häschen!«, drang die amüsierte Stimme meines besten Freundes Leo an mein Ohr.

»Habt ihr gelauscht?«, fragte ich leicht genervt und drehte mich um.

Der weibliche Part meiner besten Freunde, meine Freundin Tessa, hatte zumindest den Anstand, schuldbewusst meinem Blick auszuweichen, während Leo ganz gelassen mit einem:

»Natürlich« antwortete.

Ich verzog das Gesicht, woraufhin Leo mit den Schultern zuckte.

»Ach komm. Ihr seid ja nicht nach China ausgewandert. Du bist mit ihm nur um die Ecke gegangen. Das sind nicht mal ganz fünf Meter. Da hätten wir schon taub sein müssen, um nichts mitzubekommen.«

Ich gab ein kurzes Schnauben von mir und ließ es damit bewenden.

»Ich will in so etwas nicht besser werden«, gab ich dann zurück.

»Komm schon, Schätzchen. Ich habe gleich gesagt, du kannst nicht mit jedem Depp ausgehen, der dich um ein Date bittet, nur um keine Gefühle zu verletzen. Die Hälfte legt es ohnehin nur darauf an dich flachzulegen und bei den anderen merkst du doch schon in den ersten Sekunden, dass sie nicht dein Typ sind. Also hab kein schlechtes Gewissen, weil du keinen Bock mehr darauf hast dich durch beschissene Dates zu quälen, wo du schon beim ersten Eindruck wusstest, dass nie etwas laufen wird«, entgegnete Leo.

»Das ist nicht … «, begann ich, hielt jedoch kurz inne und holte tief Luft, um Leos spöttisch hochgezogenen Augenbrauen mit ruhigerer Stimme zu begegnen.

»Das stimmt so nicht. Ich finde einfach, wenn jemand seinen ganzen Mut zusammennimmt, um mir Gefühle zu gestehen, oder um ein Date zu bitten, dann kann man doch so viel Respekt dafür zeigen, nicht sofort abzulehnen, sondern dieser Person eine Chance geben.«

»Und das hat dir im letzten Jahr wie viele Dates und eingebracht, aus denen nicht das Geringste geworden ist? Von der verschwendeten Lebenszeit ganz zu schweigen!«

Ich verengte meine Augen zu Schlitzen, aber Leo erwiderte ganz ungerührt meinen bösen Blick. Er wusste es ganz genau, wie viele es gewesen waren, erwartete aber dennoch, dass ich antwortete.

»Siebenundfünfzig«, sagte ich leise und widerwillig.

»Und eben alle waren die totale Zeitverschwendung!«, kommentierte er.

»Gar nicht wahr! Es waren auch wirklich … interessante Dates dabei.«

»Von denen es nie ein zweites gab und du bist noch immer so was von unschuldig … schau nicht so. Jede Nonne hat mehr Erfahrung als du, mein Herz. Jedenfalls, so interessant können die Dates nicht gewesen sein.«

Ich ließ Leos Worte unkommentiert. Es brachte nichts mit ihm zu diskutieren. Wenn er etwas konnte, dann reden bis einem die Ohren bluteten. Er fand zu allem, was man vorbrachte ein Gegenargument. Und wenn er tatsächlich mal kein plausibles Gegenargument hatte, dachte er sich eben eines aus. So oder so, man konnte nicht gewinnen.

Das war etwas an ihm, was ich als unfassbar anstrengend und nervig empfand. Dennoch liebte ich Leo wie einen Bruder. Andere Gefühle in Bezug auf ihn konnte ich mir auch nicht vorstellen. Er, Tessa und ich waren seit Kindergartenzeit miteinander befreundet und wenn man einen Jungen erst einmal in seiner Spider-Man-Unterhose gesehen hatte, fiel es schwer, über irgendwelche romantischen Szenarien mit ihm zu fantasieren. Abgesehen davon stand Leo auch auf Jungs.

Wir warteten zwar immer noch auf sein offizielles Coming-out, aber er hatte auch nicht widersprochen als Tessa und ich ihn vor etwas mehr als einem Jahr subtil darauf angesprochen hatten.

Ich richtete meine Aufmerksamkeit wieder auf Tessa.

»Du wolltest etwas erzählen, bevor wir unterbrochen wurden?«, nahm ich unser vorheriges Gespräch wieder auf.

»Ach ja, genau. Das diesjährige Musical findet jetzt doch statt und es wurde jetzt auch bekanntgegeben welches!«

Sie machte eine bedeutungsschwere Pause und blickte mich herausfordernd an.

Ich hob fragend die Augenbrauen und gab ihr mit einer Geste zu verstehen fortzufahren.

»Es wird dieses Jahr Elisabeth!«

Ich spürte sofort ein freudiges Kribbeln in mir aufsteigen, versuchte es mir aber nicht allzu sehr anmerken zu lassen. Aber meinen Freunden entging meine Reaktion natürlich nicht.

»Tja, wenn ich dieses verhaltene Grinsen richtig deute, wirst du dieses Jahr also am Vorsingen teilnehmen?«, fragte Leo.

Ich antwortete nichtssagend mit einem Schulterzucken.

Um unsere Privatschule, die Jupiter, zu besuchen, mussten die Eltern keine berühmten Filmstars oder so etwas sein, aber doch in irgendeiner Form das nötige Kleingeld besitzen, um die Schulgebühr bezahlen zu können. Dafür konnten ihre Kinder allerdings direkt vom Kindergarten bis zur Uni eine vielseitige Ausbildung genießen. Neben dem normalen Lehrplan legte unsere Schule viel Wert auf weitere Förderung ihrer Schüler im künstlerischen und sportlichen Bereich. Hier gab es Sportmannschaften für gefühlt jede Sportart, die auf diesem Planeten existierte … es hatte mich ehrlich überrascht das Bowling als Sport durchging … Arbeitsgemeinschaften mit den verschiedensten Schwerpunkten und viele allgemeine Schulfeste mit künstlerischen Einlagen, zu denen die Familien der Schüler und andere Interessenten eingeladen waren. Diese Feste begannen meist im Mai mit dem Tanz in den Frühling und zogen sich über das Jahr bis etwa Mitte Dezember. Richtig große Veranstaltungen, also bei denen mehr als eine Klasse in einem Projekt mitwirkten, gab es allerdings nur vier: Der Tanz in den Frühling, unser Sommer-Musical, die Symphonie im Herbst und das Winter-Festspiel. Diese vier Feste dauerten immer eine komplette Woche. Wobei beim Tanz in den Frühling tatsächlich nur am ersten Abend der Eröffnung getanzt wurde. Die restliche Woche beschränkte sich dann eher darauf, das Gelände der Jupiter in eine Art Jahrmarkt zu verwandeln, auf dem man die unterschiedlichsten Buden der verschiedenen Klassen besuchen konnte.

Anders sah es bei dem Festspiel, Musical und der Symphonie aus. Bei letzterem gab es eine Woche lang jeden Abend ein Konzert. Meist nur musikalische Stücke, aber teilweise gab es auch gesangliche Einlagen unserer Schulmusiker. Bei dem Festspiel wurde jährlich ein Theaterstück aufwendig ausgearbeitet und bei dem Musical handelte es sich eigentlich um dasselbe in Grün, nur eben zusätzlich mit Gesang.

Letzten Sommer hatte unsere Schule Tanz der Vampire gespielt. Richtig gut inszeniert mit Kostümen, tollem Bühnenbild und wirklich beeindruckenden Gesangsstimmen. Ich kannte das Original und war dennoch wirklich beeindruckt gewesen. Vor allem wenn man bedachte, dass es sich bei den Schülern allesamt um Laien und nicht um professionelle Musicaldarsteller handelte, hatten die mitwirkenden Klassen eine beeindruckende Leistung abgeliefert. Die Erinnerung daran versetzte mich in Hochstimmung, die noch dadurch gesteigert wurde, dass dieses Jahr also, wie Tessa gerade eröffnet hatte, mein absolutes Lieblingsmusical an die Reihe kam: Elisabeth! Und ich machte mir fast keine Sorgen, dass unsere Schule es versauen könnte.

Ich liebte Musicals ja ganz im Allgemeinen, aber dieses rangierte nun mal auf Platz eins, noch vor Wicked und Tanz der Vampire.

Ich hatte es in den vergangenen Jahren sieben Mal angesehen und würde es jederzeit wieder tun.

Das Musical erzählte die Geschichte der Kaiserin Elisabeth von Österreich. Den meisten wohl eher unter Sissi bekannt. Doch im Gegensatz zu den Verfilmungen mit Romy Schneider verzichtete das Musical auf den Kitsch.

Es beginnt vielmehr schon ziemlich düster mit einem Blick in das Reich der Toten und Träumer.

Dort muss sich Nacht für Nacht der Attentäter Luigi Lucheni, welcher die Kaiserin Elisabeth seiner Zeit mit einer spitzen Feile ins Herz stach und somit umbrachte, vor einem unsichtbaren Richter für seine Tat rechtfertigen.

Die Lebensgeschichte der Elisabeth wird als Totentanz geschildert und so verweist Luigi Lucheni zu seiner Verteidigung auf den Tod selbst als Anstifter zum Mord und nennt als Grund Liebe.

Der Tod symbolisiert in dem Stück zum einen den großen Freiheitsdrang der Kaiserin, verkörpert aber auch gleichzeitig Elisabeths Liebhaber, da er durch eine reale Person dargestellt wird.

Bei vereinzelten Darstellern in dieser Rolle hatte ich sinnbildlich mit Herzchen in den Augen im Publikum gesessen und mir gedacht: Wenn das der Tod ist, gehe ich freiwillig über den Jordan.

In einigen Inszenierungen hatte diese Rolle etwas unheimlich Anziehendes, was für mich mitunter den großen Reiz des Musicals ausmachte.

Zu seiner weiteren Verteidigung beschwört Luigi Lucheni die Welt des Habsburger Reiches herauf und führt, meist mittels sarkastischer Kommentare, durch die Geschichte.

Die zu Anfang fünfzehnjährige Prinzessin Elisabeth stürzt lebensbedrohlich und trifft dabei zum ersten Mal auf den Tod, aber er holt sie nicht, obwohl beide eine starke gegenseitige Faszination und Anziehungskraft verspüren.

Vielmehr bleibt er fortan ein ständiger Begleiter der Elisabeth.

Wie man es auch aus den Filmen kennt, begleitet Elisabeth danach ihre Schwester Helene und ihre Mutter Ludovika nach Bad Ischl, wo sie auf ihren Cousin Franz-Josef trifft, den damaligen Kaiser von Österreich.

Nach dem Willen seiner Mutter, der Erzherzogin Sophie, soll er seine Cousine Helene heiraten, verliebt sich jedoch in Elisabeth und entscheidet sich für sie.

Wie gesagt, der Kitsch fällt im Musical weg. Denn es wird recht deutlich gemacht, dass hier zwei Personen heiraten, die eigentlich gar nicht zueinander passen und die Ehe entwickelt sich schon kurz nach der Hochzeit für Elisabeth zur Hölle, besonders auch dadurch, dass sie von ihrer Schwiegermutter Sofie ständig überwacht, dressiert und erzogen wird. Sie verliert ihre Freiheit und auch ihre Kinder, deren Erziehung sie nicht übernehmen darf.

Ihr Ehemann steht ihr in keiner Weise bei, sondern befindet sich total unter der Fuchtel seiner Mutter.

Elisabeth stellt ihren Mann letztlich vor ein Ultimatum: Seine Mutter oder sie, und gewinnt.

Der Tod bleibt währenddessen an ihrer Seite und holt erst ihre zweijährige Tochter, welche an Typhus stirbt, und Jahre später ihren Sohn, Kornprinz Rudolf, der mittels Kopfschuss Suizid begeht.

Auch macht der Tod ihr während des Stücks immer wieder klar, dass Elisabeth, trotz jedes Befreiungsschlags und Triumphs, immer eine Gefangene des Hofs sein wird und letztlich nur er sie befreien kann.

Die Kaiserin wehrt sich jedoch weiterhin gegen den Tod. Sie nutzt eine Intrige ihrer Schwiegermutter, bei der diese für ihren Sohn eine Prostituierte engagieren lässt, ein Seitensprung, der nicht ohne Folgen bleibt, um sich letztlich selbst von ihrem Mann und den Zwängen des Habsburger Hofs zu befreien.

Sie reist fortan in der Welt umher und entfremdet sich immer weiter von ihrem Mann, wie auch ihren Kindern.

Als es dann zu dem Suizid ihres Sohnes kommt, plagen sie schwere Schuldgefühle.

Diese sind letztlich der Auslöser dafür, mit ihrem eigenen Leben abzuschließen und sich wieder dem Tod zuzuwenden.

Nach dem erfolgreichen Attentat durch Lucheni bekommt der Tod endlich, was er die ganze Zeit wollte. Elisabeth gehört ihm für die Ewigkeit und das Musical endet mit seinem Kuss des Todes.

»Ist es überhaupt das Elisabeth?«, fragte ich Tessa, bevor ich begann, mich zu sehr in die Vorfreude rein zu steigern.

Nachdem ich das Musical gedanklich nochmal im Schnelldurchlauf abgespielt hatte, kam es mir eigentlich etwas zu düster vor für unsere Schule.

Es gab nämlich zwei mit diesem Namen. Elisabeth – Legende einer Heiligen und Elisabeth – die wahre Geschichte der Sissi. Letzteres war das, welches ich so vergötterte.

»Es ist das, in dem es um die Kaiserin geht. Ich habe schon aufgepasst«, antwortete Tessa und warf mir mit ihren mausgrauen Augen einen ihrer Also-bitte-Blicke, zu.

»Was ist? Singst du vor?«, hakte Leo erneut nach, während wir durch einen der Seiteneingänge die Schule betraten.

»Sind sie dieses Jahr nicht eigentlich zu spät dran mit dem Musical?«, fragte ich, um der direkten Antwort auszuweichen.

Normalerweise begann die Planung des Musicals ein Jahr im Voraus. Spätestens wenn sich der Vorhang der letzten Aufführung schloss wurde festgesetzt, welches Musical im kommenden Jahr dran war.

Woraufhin unser Musiklehrer, Herr Linos, und der zuständige Lehrer für die Theater-AG, Herr Morino, mit den Schülern des Schulchors, der Theater-AG und noch vereinzelten Schülern aus den Jahrgängen, die bei dem Projekt mitwirkten, eine Vorstellung des Musicals besuchten.

Doch während der Vorbereitungen zu Tanz der Vampire im letzten Jahr war herausgekommen, dass bei Herrn Morino Krebs diagnostiziert worden war.

Was für einer, war nicht gesagt worden. Wir hatten nur gehört, dass es irgendwo im Darm war und er operiert werden musste.

Das war vor einem dreiviertel Jahr gewesen und letzte Woche war er wieder zur Arbeit erschienen. Die OP und die Nachbehandlung waren anscheinend erfolgreich gewesen, aber ihm war deutlich anzusehen, wie sehr es ihn mitgenommen hatte.

Herr Morino war zwar nicht übermäßig dick gewesen, aber doch deutlich beleibter. Jetzt hing ihm die Haut regelrecht von den Knochen, weil er in so kurzer Zeit so viel Gewicht verloren hatte und sein dunkles Haar, welches letztes Jahr noch voll leicht wellig und mit einzelnen weißen Strähnen durchzogen war, bestand inzwischen nur noch aus ganz kurzen und schlohweißen Stoppeln.

Sein Anblick hatte mich wirklich erschreckt.

Jetzt war er zwar wieder da, aber weil das letzte halbe Jahr nichts über eine Planung verlautet worden war, nahmen wir im Allgemeinen an, dass das Musical diesmal ausfallen würde.

»Anscheinend hat Herr Linos nach den Sommerferien ganz normal begonnen, mit dem Chor die Lieder von Elisabeth zu üben. Aber weil das mit Herrn Morino noch ziemlich unklar gewesen war, sollten die Mitglieder das noch nicht an die große Glocke hängen, für den Fall, dass das Musical doch nicht stattfände. Im letzten Dezember hat sich dann wohl Frau Griffuni bereiterklärt, Herrn Morino zu vertreten und mit Herrn Linos den größten Teil der Planung zu übernehmen. Aber vorher stand für sie der Tanz in den Frühling an, weswegen jetzt erst bekannt wurde, was gespielt werden soll. Und warum auch jetzt erst das Vorsingen für die Hauptrollen stattfindet. Hat mir so zumindest meine Schwester erzählt«, antwortete Tessa und strich sich eine Strähne ihrer dunkelblonden Strähnen genervt hinters Ohr. Sie hatte beschlossen, sich die Haare wieder lang wachsen zu lassen und jetzt hatten sie so eine Zwischenlänge bis zum Kinn, die Tessa unheimlich nervte, weil ihr die Haare immer wieder ins Gesicht fielen.

Ich wiederholte in Gedanken nochmal die Worte meiner Freundin. Tessas kleine Schwester war Mitglied im Schulchor. Also eine recht zuverlässige Quelle.

Der Tanz in den Frühling hatte vor zwei Wochen stattgefunden und war wirklich toll, aber auch extrem aufwendig gewesen. Kein Wunder, dass Frau Griffuni sich noch nicht die Mühe gemacht hatte, das Vorsingen vorzubereiten.

Dennoch, die Hauptrollen wurden sonst eigentlich spätestens im Januar festgelegt.

Jetzt blieben für die Vorbereitung des Musicals, beziehungsweise für das Einstudieren der Rollen nicht mal mehr drei volle Monate. Das würde diesmal also richtig knapp werden.

»Das wird eine ziemliche knappe Sache für das Einüben der Rollen«, sprach ich meine Gedanken laut aus.

»Was dich schon mal perfekt für die Rolle der Elisabeth macht. Du kennst doch jedes Lied auswendig«, sagte Leo und gab mir einen spielerischen Schubs gegen die Schulter.

Jedes Lied war übertrieben. Aber jedes Lied, welches von Elisabeth gesungen wurde … das kam schon hin.

»Ganz zu schweigen von den Haaren«, fügte er noch hinzu und zog einmal kurz an meinen langen dunkelbraunen Haaren, die ich wie üblich zu einem schweren Zopf geflochten hatte.

»Sie werden in diesem Jahr einfach mehr Unterrichtsstunden die Woche ansetzten und mehr Proben an den Wochenenden«, erklärte Tessa.

Das würde sicher einige Schüler nerven, aber ich käme damit durchaus klar.

Ich wollte wirklich nichts lieber als in diesem Musical mitzuspielen, am liebsten natürlich wirklich in der Rolle der Elisabeth. Aber es stellte schon einen gewaltigen Unterschied dar, ob ich nur für mich, Freunde oder für die Verwandtschaft auf Familienfesten ein Lied zum Besten gab, oder eine ganze Woche vor Hunderten von Menschen sang. Und es würden Hunderte sein. Oder eher über Tausend, wenn man alle sieben Tage rechnete. Die Musicals unserer Schule hatten sich in den letzten Jahren einen gewissen, positiven Ruf verschafft und waren sehr beliebt und daher auch extrem gut besucht.

So öffentlich hatte ich noch niemals gesungen. Ich wusste nicht, ob ich mir das wirklich zutraute.

Aber es war Elisabeth! Falls ich jemals einen unumstößlichen Wunsch benennen müsste, dann einmal in meinem Leben diese Rolle zu spielen.

Wenn ich daran dachte, wie es mich damals gefuchst hatte, als mir letztes Jahr die Chance auf Tanz der Vampire verwehrt worden war …

Für die Vorbereitungen, beziehungsweise die Planung des Musicals, wurden nicht alle Klassen einbezogen. Es kümmerten sich immer nur die zwei ältesten Jahrgänge unserer Schule, sowie die Mitglieder des Chores und der Theater-AG darum.

Der Grund war recht einfach. Unsere beiden Lehrer hatten schon immer lieber mit den älteren Schülern gearbeitet, und sofern kein Kind in dem jeweiligen Stück vorkam, passte es auch einfach besser, die Rollen mit älteren Jugendlichen zu besetzen.

Nun ja, nicht mit den wirklich Ältesten. Der Abschlussjahrgang fiel aus, weil sich hier die Schüler ausschließlich auf ihre Abschlussprüfungen und ihre Vorbereitungen für die Uni oder ihre anderweitigen Ausbildungen zu konzentrieren hatten. Daher lief die Planung über die beiden Jahrgänge darunter. Es war ihr Jahresprojekt, welches sich durch die verschiedenen Unterrichtsfächer zog. Das Nähen der Kostüme fiel beispielsweise unter Hauswirtschaft, das Fertigen der Bühnenbilder wurde im Werk- und Kunstunterricht übernommen … so in etwa verteilte sich das Ganze.

Und wie schon erwähnt, wurde die Besetzung der verschiedenen Rollen ebenfalls auf diese beiden Jahrgänge verteilt. Abgesehen von den großen Hauptrollen. Hier durfte am Vorsingen auch noch der Jahrgang darunter teilnehmen.

Was also bedeutete, ICH durfte in diesem Jahr auch vorsingen!

Bei Tanz der Vampire war mir das nicht möglich gewesen, weil meine Klasse noch nicht berücksichtigt worden war. Wie mich das letztes Jahr geärgert hatte!

Auch wenn es sehr unsicher gewesen wäre, dass ich überhaupt eine Rolle bekommen hätte. Herr Morino zog bei der Verteilung der Hauptrollen immer die Schüler vor, die im nächsten Jahr in die Abschlussklasse kamen und dann keine Chance mehr hatten, nochmal zu singen oder zu schauspielern, und bei Tanz der Vampire hatte es viele starke Stimmen in den oberen Klassen gegeben.

Dennoch, ich hätte bei unserem letztjährigen Musical gerne eine Chance gehabt es zu versuchen.

Wenn ich also jetzt diese Chance für Elisabeth verstreichen ließ … allein wenn man bedachte, dass der Großteil der guten Stimmen aus Tanz der Vampire jetzt in der Abschlussklasse waren und von denen keiner mehr singen würde … ich kannte mich … es würde mich letztlich ewig verfolgen, wenn ich es nicht zumindest mit dem Vorsingen versuchen würde.

Ich war zwar kein Mitglied des Schulchors, aber ich sang wirklich gerne und, wenn mich mein gesamtes Umfeld nicht anlog, auch noch richtig gut.

Dennoch hatte ich nicht den Wunsch, den Berufsweg einer Sängerin oder Musicaldarstellerin einzuschlagen. Im Gegensatz zu meiner älteren Schwester Toni, genauer Antonia, die in allen drei Jahren, in denen sie konnte, eine der Hauptrollen im Schulmusical gesungen hatte. Zuerst in Marie-Antoinette, danach in der kleine Horrorladen und zuletzt in Aida. Es hatte ihr so viel Spaß gemacht, dass sie sich in ihrem Abschlussjahr dazu entschloss, eine professionelle Ausbildung zur Musicaldarstellerin zu beginnen.

Das war zwar definitiv nicht mein Traum, aber wie sie im Schulmusical mitzuwirken?!

Ja, das konnte ich mir durchaus vorstellen.

Aber was, wenn ich an dem Vorsingen teilnahm und am Ende einfach nicht gut genug war?

Ich konnte mich gerade nicht entscheiden, was schlimmer sein würde:

Wenn ich es gar nicht erst probierte oder doch den Versuch wagte und scheiterte.

»Ich weiß nicht … «, murmelte ich leise, woraufhin Leo einen undefinierbaren Laut von sich gab. Ich musste nicht einmal aufsehen, um zu wissen, dass er mit den Augen rollte.

»Stell dich nicht immer so an Schätzchen. Wenn du so Schiss hast, werden wir dich halt zum Vorsingen begleiten«, entgegnete er entschieden.

»Ihr dürft nur zum Vorsingen, wenn ihr auch vorhabt zu singen«, antwortete ich.

So wurde verhindert, dass Schüler zum Vorsingen kamen, um über die Sänger zu lachen oder ähnliches.

Leo zuckte zur Antwort nur gelangweilt mit den Schultern.

»Dann singen wir eben auch vor.«

»WIR? Was heißt hier WIR? Wieso Mehrzahl?!«, fragte Tessa entsetzt.

»Klar wir. Als ihre Freunde unterstützen wir Sasha natürlich beim Vorsingen und ziehen das gemeinsam durch.«

»Oh … irgendwie fühle ich mich gerade, als hättet ihr beschlossen von einer Brücke zu springen und ich muss mit in die Tiefe«, murmelte Tessa und zupfte an ihren leicht gewellten Haaren, wie sie es immer tat, wenn sie nervös wurde.

Tessa hasste jede noch so kleine Form von öffentlichen Auftritten. Ihr Lampenfieber war noch schlimmer als bei mir. Sie starb schon tausend Tode, wenn sie nur etwas vor unserer Klasse vorlesen musste.

Dass sie nicht weiter protestierte, was das Vorsingen betraf, zeigte, dass sie es aus Freundschaft wirklich für mich machen würde und diese Geste verursachte mir regelrecht ein angenehm warmes Gefühl in der Brust.

»In Ordnung! Dann lasst uns vorsingen!«, entgegnete ich nun enthusiastischer, drehte mich um und lief rückwärts weiter, um die beiden Ansehen zu können.

»Nimmst du den Tod?«, fragte ich an Leo gewandt.

Ich betrachtete seine schlanke Gestalt. Leo war mit seinen 1,73m nicht unbedingt groß für einen Jungen, aber er war süß mit seinen hellbraunen Locken und hatte ein hübsches Gesicht und wahnsinnig schöne grau-grüne Augen.

»Bist du noch ganz dicht?! Der Typ hat das ganze Musical über ausschließlich nur Gesangsstücke. So sehr liebe ich dich jetzt auch wieder nicht, Schätzchen.

Ich dachte an, keine Ahnung, den Priester oder sowas.

Der singt glaube ich nicht viel, wenn überhaupt?!«

Tessa antwortete ihm mit einem Schnauben.

»Oh bitte! Wenn du zum Vorsingen gehst, verwenden sie dich ganz sicher nicht für eine der kleinen Rollen.«

Damit hatte sie recht. Es war alles andere als fair, aber die Jungs an unserer Schule wurden immer bevorzugt, wenn es um das Musical ging. Selbst wenn sie keinen einzigen Ton halten konnten, bekamen sie eine Rolle. Dann wurde lieber das Musical, beziehungsweise dessen Lieder angepasst, damit der Junge singen konnte, anstatt die Rolle einem Mädchen zu geben, das gesanglich viel besser war.

Das mochte schon sexistisch sein, aber es lag einfach daran, dass kaum Jungs an den Musicals teilnahmen. Die Quote war noch schlechter als bei den Theaterstücken. Was eben auch daran lag, dass sowohl der Chor als auch die Theater-AG fast ausschließlich nur aus Mädchen bestanden.

Wenn bei unseren Musicals drei männliche Rollen auch tatsächlich mit Jungen besetzt waren, war das in den letzten Jahren wirklich viel. Oft konnten unsere Aufführungen nur einen einzigen männlichen Darsteller vorweisen. Bei Tanz der Vampire hatten ganze sechs Jungs mitgespielt, gut, einer von ihnen hatte nicht gesungen, sondern den Diener Koukol gespielt, aber dennoch, das Musical hielt bei uns von der Männerquote bisher den absoluten Rekord.

Leider waren sämtliche dieser Jungs inzwischen im Abschlussjahr und würden nicht nochmal mitmachen.

Leo würde also in jedem Fall eine der Hauptrollen spielen. Auch weil er durchaus singen konnte, selbst wenn er gern das Gegenteil behauptete.

Er ließ seinen Blick nachdenklich über mich schweifen und antwortete dann mit einem Schulterzucken.

»Was tue ich nicht alles dafür, dich auf der Bühne zu sehen, Schätzchen. Aber ich warne dich, wenn sich kein anderer findet und ich den Tod übernehmen muss, schuldest du mir etwas!«

Ich grinste ihn dankbar an.

»Schwarz wird dir sicher gutstehen, mein Hübscher. Es wird …«

Weiter kam ich nicht, denn plötzlich verlor ich das Gleichgewicht und fiel mit einem überraschten Laut nach hinten.

»Sasha!!«, riefen Tess und Leo erschrocken unisono und versuchten beide nach mir zu greifen, doch es gelang keinem.

Rückwärts zu laufen war eine beschissene Idee gewesen. Während unserer Unterhaltung hatte keiner die Treppe im Blick gehabt, über die ich jetzt nach unten fiel.

Ich presste automatisch die Augen zusammen und erwartete einen schmerzhaften Aufprall, welcher zu meiner Überraschung allerdings ausblieb.

Ich wurde aufgefangen und gegen eine warme Brust gepresst.

Vorsichtig blinzelnd betrachtete ich den Unterarm, um den ich meine Finger gekrallt hatte und der mich seitlich gegen die Brust seines Besitzers drückte und so verhinderte, dass ich wegen meiner eingeknickten Beine komplett zu Boden sank.

»Dan … ke …«, murmelte ich langsam und erschrocken, während mein Blick über die silberne Uhr und die Ringe an Daumen und Mittelfinger der Person glitt, die mich hielt.

»Alles klar?«, fragte eine männliche Stimme.

Sie war äußerst melodisch und angenehm, aber ich versteifte mich sofort.

Nicht DER!

Ich drückte mich von seiner Brust weg und bemühte mich wieder einen festen Stand zu bekommen, ehe ich dem Jungen ins Gesicht blickte.

Mir war bewusst, dass andere Mädchen jetzt an meiner Stelle wahrscheinlich vor Freude gequietscht, sich überschwänglich bedankt und versucht hätten, noch möglichst lange in seinen Armen liegen zu bleiben, aber das traf nicht auf mich zu.

Ich konnte gar nicht schnell genug Abstand zwischen mich und Kai bringen. Auch konnte ich nicht verhindern, dass meine Miene einen Ausdruck widerspiegelte, als hätte er mich geschubst, zumindest wenn ich das Stirnrunzeln richtig interpretierte, mit dem er mein Gesicht jetzt betrachtete.

»Sasha! Alles in Ordnung?«, fragte Tessa, während sie und Leo an meine Seiten eilten, aber ich beachtete beide nicht, sondern überlegte wie ich am besten reagieren sollte.

Auch wenn es sehr leise gewesen war, ich hatte mich ja bedankt. Das sollte doch reichen, oder?! Also schob ich mich ohne ein weiteres Wort an Kai und seinen Freunden vorbei.

Ich hörte ihn noch »Was zum … «, murmeln, aber dem schenkte ich ebenfalls keine Beachtung.

»Wow, du bist bei dem Typ wirklich extrem nachtragend. Dabei hätte das echt schiefgehen können, wenn er dich nicht aufgefangen hätte«, meinte Leo amüsiert und warf einen Blick zurück über die Schulter während wir zu unserem Klassenzimmer gingen.

Dem konnte ich leider nicht widersprechen. Ich wusste, dass ich mich unhöflich verhielt, aber da es sich um Kai handelte, war mir das auch egal. Dieser Junge war selbstverliebt, oberflächlich und allgemein der arroganteste Arsch, der an unserer Schule rumlief.

Okay, meine Meinung war nicht unbedingt objektiv, aber auch nicht weit von der Wahrheit entfernt. Auch wenn meine Freunde meinten, ich würde übertreiben.

Vor ungefähr vier Jahren hatte mich eine Klassenkameradin, mit der ich damals richtig gut befreundet gewesen war gebeten, Kai einen Liebesbrief von ihr zu übergeben. Weil sie sich nicht traute es selbst zu tun. Im Nachhinein betrachtet war es schon sehr oldschool gewesen, aber wir waren zwölf und ich hatte es wirklich noch als sehr romantisch empfunden, dass sie ihm einen richtigen Liebesbrief geschrieben hatte. Auch noch ganz klassisch mit: Willst du mit mir gehen? Und dem Ja, Nein und Vielleicht zum Ankreuzen am Ende.

Ich fand es süß von ihr, und weil ich die Bitten meiner Freunde noch nie wirklich ablehnen konnte, hatte ich ihr den Gefallen getan.

Es war ja schließlich nicht mein Brief gewesen. Ich war nur die Überbringerin und daran hatte ich nichts Schlimmes empfunden. Zumindest bis ich herausfinden musste, was für ein Arsch Kai war. Mit gerade einmal vierzehn! Er hatte mich nicht einmal richtig zu Wort kommen lassen, um mich zu erklären. Er hatte nur den Brief mit den glitzernden Herzchen in meiner Hand gesehen, spöttisch gegrinst, den Blick einmal abschätzig an mir auf und ab gleiten lassen und dann so laut, dass wirklich alle um uns herum es hören konnten, verkündet: »Nein, danke. Definitiv nicht. Und sofern du nicht vorhast, irgendwelche operativen Verbesserungen vorzunehmen, nicht mal in einer Millionen Jahren!«

Das war das erste und einzige Mal gewesen, dass ich von einer ganzen Reihe von Leuten ausgelacht worden war. Ich hatte nie vergessen, wie demütigend sich das angefühlt hatte und auch niemals den abwertenden Blick, mit dem mich Kai an diesem Tag betrachtet hatte.

Zu diesem Zeitpunkt war er zu einer Persona non grata für mich geworden und daran hatte sich bis heute nichts geändert.

Das Mädchen, welches ihm mit dem Brief eigentlich wirklich ihre Liebe hatte gestehen wollen, hatte ihre Schwärmerei für Kai danach sehr schnell aufgegeben und zwei Jahre später einen richtigen festen Freund gefunden. Ich hatte mich für sie gefreut, aber diese Beziehung hatte uns letztlich auch entzweit, weil sie keinerlei Zeit mehr für mich oder genauer für uns, Tessa und Leo eingeschlossen, gehabt hatte.

Das Wegfallen einer Verehrerin fiel bei Kai natürlich nicht ins Gewicht. Er hatte auch jetzt noch einen ganzen Fanclub von Mädchen, die ihn anhimmelten, und nachdem der größte Mädchenschwarm unserer Schule, Arthur, seit ein paar Wochen ganz offiziell eine Freundin hatte, war seine Beliebtheit kein bisschen weniger geworden. Kai befand sich auf dem besten Weg, die Nummer Eins zu werden.

Ich hätte gern behauptet, dass ich überhaupt nicht verstehen konnte wieso, aber ganz so ignorant war ich natürlich auch nicht.

Kai und auch seine drei besten Freunde, Lucas, Louis und Teddy, eigentlich Theodor, aber ich glaube so wurde er von niemandem genannt, sahen auch gut aus. Wirklich gut. Außerdem hatten sie zusammen eine Schulband mit dem Namen Night and Day gegründet, und auch wenn sie meiner Meinung nach niemals an die Alchemy, eine sehr beliebte Mädchenband unserer Schule, heranreichen würden, waren ihre Lieder trotzdem wirklich gut und daher konnten die Jungs auch noch echtes musikalisches Talent vorweisen.

»Ich bin mir momentan nicht sicher, was schlimmer gewesen wäre. Aufgefangen werden von ihm, oder die Treppe runterfallen und mir alle Knochen brechen … «, murmelte ich leise, was Leo zum Lachen brachte.

»Jetzt komm. So schlimm ist Kai nun wirklich nicht. Also zumindest nicht mehr so schlimm wie früher.«

»Ist mir egal«, antwortete ich und meinte es auch so.

Bei mir war der Zug für Kai schon lange abgefahren und ich würde meine Meinung über ihn auch nicht ändern, nur weil er einmal etwas Nettes getan hatte. Wobei er wahrscheinlich ohnehin nur reflexartig gehandelt hatte, um zu verhindern, dass ich ihn und seine Freunde umrollte wie Bowlingpins.

»Also, wie sieht es aus? Melden wir uns zum Vorsingen?«, fragte ich, um das Thema zu wechseln und hielt abrupt vor dem Sekretariat.

Leo warf Tessa einen vielsagenden Blick zu, dem sie mit einem resignierten Schulterzucken antwortete.

»Na schön. Springen wir von der Brücke! Ihr habt ja so einen schlechten Einfluss auf mich.«

***

»Das wird schon«, beruhigte ich Tessa während unserer Frühstückspause. Wir hatten morgen nach Unterrichtsschluss einen Termin zum Vorsingen bekommen und Tessa hatte mit jeder Minute, seit wir das Sekretariat verlassen hatten, mehr und mehr Panik.

»Es ist nur ein Lied, was vorgesungen werden muss. Und wir müssen den Text nicht mal auswendig können. Also keine Sorge. Wir üben heute Nachmittag zusammen eines der Lieder ein und dann wird das ein Klacks. Glaub mir, das wird Spaß machen!«, sprach ich ihr weiter Mut zu.

Tessa wirkte nicht überzeugt und zu beobachten, wie nervös sie allein der Gedanke ans Vorsingen machte, tat mir schon leid. Daher setzte ich gerade an, ihr zu sagen, dass sie für mich nicht mitmachen musste, wenn ihr das so auf den Magen schlug, als ich jäh von Leo unterbrochen wurde.

»Nein. Tessa wird es ebenfalls guttun, mal aus ihrem Schneckenhaus zu kommen! Außerdem haben wir beide dieses Musical inzwischen sooft mit dir angesehen, wir können die Lieder ja ebenfalls schon auswendig!«

Damit griff er über den Tisch, um von Tessa einen Apfel zu stibitzen, was ihm einen bösen Blick von ihr einbrachte. Eventuell galt dieser aber auch seinen Worten.

»Ich habe nie gesagt, dass ich aussteigen will. Ich habe zugestimmt, also ziehe ich das auch durch!«, antwortete Tessa mit fester Stimme.

Das mochte ich so an ihr, Tessa stand zu ihrem Wort, auch wenn sie dafür etwas tun musste, was sie überhaupt nicht wollte.

Ich warf ihr ein dankbares Lächeln zu, aber sie erwiderte meinen Blick schon gar nicht mehr, sondern spähte über meine Schulter. Ihr Blick war so fasziniert, dass ich mich ebenfalls umsah.

Am Tisch hinter uns saßen Kai, samt Bandmitgliedern und ein paar Mädels. Bei Letzteren handelte es sich wohl um Groupies, denn meines Wissens hatte keiner der vier Jungs aktuell eine feste Freundin.

Louis schon mal überhaupt nicht, denn dieser war einer der wenigen Schüler unserer Schule, der, im Gegensatz zu Leo, vollkommen offen zu seiner Homosexualität stand. Auch konnte man ihn sich echt schwer neben einem Mädchen als Partner vorstellen, da er selbst sehr viele weibliche Züge besaß. Er war etwa so groß wie ich, also etwas um die 1,65m, hatte ein auffallend hübsches, androgyn wirkendes Gesicht, schulterlange dunkelbraune Haare und große hellbraune Augen mit ebenso beneidenswert vollen Wimpern wie der Junge heute Morgen. Er war schlank und für einen Jungen von eher schmächtiger Statur. Aber es stand ihm und … was wirklich deprimierend war, er sah im Rock unserer Schuluniform besser aus als viele der Mädchen. Er trug ihn zwar nicht täglich, aber seit Louis es durchgesetzt hatte, ebenfalls Rock tragen zu dürfen, den Mädchen unserer Schule war schließlich auch gestattet worden Hosen zu tragen, wenn sie das bevorzugten, trug er ihn ab und zu. Überraschenderweise ohne groß hämische Kommentare zu ernten. Das lag aber mitunter auch daran, dass an der Jupiter kein Mobbing toleriert wurde, was von unserer Schulsprecherin auch konsequent durchgesetzt worden war, und weil Louis Freunde geschlossen hinter ihm standen und es keiner wirklich wagte, sich mit Kai und den anderen anzulegen. Mein Blick glitt von Louis und dem Rest der Gruppe zu einer bildhübschen zierlichen Japanerin, die auf ihren Tisch zuhielt. Vor ein paar Wochen war ihr kinnlanges schwarzes Haar noch mit violetten Strähnen durchzogen gewesen, inzwischen war sie dazu übergegangen, eine komplette Haarhälfte leuchtend Türkis einzufärben. Es war schon sehr auffällig, aber ich fand es stand ihr sehr gut. Aber auch ohne die ungewöhnliche Haarfarbe hätte ich gewusst, wer das Mädchen war, obwohl unsere Schule nicht gerade wenig Schüler hatte. Ihr Name war Kanade und sie war die Sängerin der Band Alchemy.

Kanade stoppte vor dem Tisch der Jungs und ihre Miene wirkte alles andere als erfreut.

»Jungs! Ich habe echt so die Schnauze voll! Es gibt eine beschissene Regel. Den Probenraum so sauber zu hinterlassen, wie ihr ihn vorfindet. Aber jedes Mal, wenn wir nach euch dort proben, sieht es aus wie Sau und wir dürfen eure Tonnen an Müll beseitigen!«, wetterte sie los.

Ich zuckte bei dem ungewohnten, scharfen Tonfall zusammen, aber Kai hob lediglich eine Augenbraue und hatte diese arrogante Miene aufgesetzt, die ich so verabscheute.

»Wir räumen immer auf«, entgegnete er gelassen.

»Oh, glaube ich euch sogar. Aber eure Groupies offensichtlich nicht!«, antwortete Kanade scharf und warf den Mädchen am Tisch einen verächtlichen Blick zu, woraufhin Kai nur mit den Schultern zuckte.

»Das ist ja dann wohl nicht unser Problem, die sind alt genug.«

»Es ist sehr wohl euer Problem! Ihr wollt sie ja immer bei euren Proben dabeihaben. Also habt ihr auch dafür zu sorgen, dass wir nicht ihren Dreck wegmachen müssen! Ich meine es ernst Kai, Veronica hat gestern einen benutzen Kaugummi unter dem Keyboard wegmachen müssen!«, sagte Kanade und warf einem der Mädchen, das bis zu diesem Moment genüsslich Kaugummi gekaut hatte, einen bedeutungsschweren Blick zu, der es dazu veranlasse den Kaugummi runterzuschlucken und ertappt Kanades Blick auszuweichen.

»Was die Mädels machen ist nicht unser Problem«, widerholte Kai unnachgiebig und erntete dafür mehrere überraschte Blicke seiner Bandkollegen.

»Kai?«, fragte Lucas argwöhnisch. Ihm entging wohl ebenfalls nicht, dass sein Freund heute verdammt schlechte Laune hatte.

Doch Kai reagierte nicht auf ihn, sondern warf Kanade einen genervten und gleichzeitig auffällig herausfordernden Blick zu.

»Du willst dich nicht wirklich mit mir anlegen, Kai«, antwortete Kanade warnend.

»Was willst du schon tun?«, fragte Kai gelangweilt, worauf sich Kanades Augen zu Schlitzen verengten.

»Na schön! Du hast es nicht anders gewollt!«

Damit riss Kanade ihren Arm nach oben und fing an auffällig zu winken.

»Hayne!! Komm mal bitte!«

Es war durchaus komisch anzusehen, wie Kai und seinen Freunden plötzlich die Gesichtszüge entglitten.

»Oh wie gemein. Das ist wirklich gemein«, warf Kai leise Kanade vor, die ihm jetzt ihrerseits einen unbeeindruckten Blick zuwarf.

Das Mädchen, welches jetzt auf den Tisch zukam und den Jungs ganz offensichtlich Bauchschmerzen bereitete, wirkte auf den ersten Blick eigentlich alles andere als furchteinflößend. Sie sah eher aus als wäre sie Grimms Märchen »Schneewittchen« entstiegen. Vielleicht hatte ich die Assoziation aber auch nur im Kopf, weil sie vor ein paar Jahren genau diese Rolle in einem Theaterstück der Schule gespielt hatte. Aber sie passte eben auch perfekt dafür. Auffallend blasser Teint, tiefschwarzes langes Haar, weiblich schlanke Figur und hellblaue Augen, die einen interessanten lilafarbenen Schimmer hatten, sodass sie eher fliederfarben wirkten.

Unsere Schulsprecherin erschien auf den ersten Blick einfach nur wie ein hübsches Mädchen.

Wie gesagt … auf den ersten Blick. Beim zweiten fiel einem dann schon das selbstbewusste und unnachgiebige Auftreten auf. Ich wusste nicht, wie sie das anstellte, aber Hayne hatte so eine Art an sich, die einem Respekt einflößte. Selbst Jungs, die fast doppelt so groß und breit waren wie sie, bekamen regelrecht Angst, wenn sie es mit ihr zu tun hatten.

Leo nannte es gerne den Big-Mama-Effekt. Weil selbst die größten Gangster es oft nicht wagten, sich gegen ihre Mutter aufzulehnen, und er war der Meinung, dass Hayne genau dieses Gefühl bei den Schülern unserer Schule auslöste.

Dass sie auch noch in der Lage war, gegebenenfalls ihren Worten körperlichen Nachdruck zu verleihen, soweit ich wusste, beherrschte sie sogar irgendeine Art Kampfsport, tat natürlich ein Übriges.

»Was gibt es?«, fragte sie gut gelaunt, als sie bei Kanade angelangt war.

»Nichts?«, piepste Teddy, der regelrecht das Genick eingezogen hatte und noch viel nervöser wirkte als die anderen am Tisch.

Das brachte ihm einen überraschten Blick von Hayne ein.

»Es geht um meine Beschwerde wegen der wiederholten Sauerei im Probenraum der Bands«, erklärte Kanade.

»Ja? Konntet ihr das klären?!«, fragte Hayne und blickte erwartungsvoll in die Runde.

»Nicht ganz. Kai hier meint es wäre nicht sein, beziehungsweise das Problem der Band!«, antwortete Kanade und warf Kai einen sehr deutlichen Du-hast-es-nicht-anders-gewollt-Blick zu. Es war wirklich erstaunlich, wie schnell Haynes gut gelaunte Miene sich zu, jetzt gibt es Ärger, wandelte. Selbst ich, die hier nur stille Beobachterin war, zog unwillkürlich das Genick ein.

»Ach, ist es das, ja?«, fragte sie scharf und ihre Augen bohrten sich förmlich in die von Kai. Dessen Miene spiegelte eine Mischung aus Unbehagen und Trotz wider, aber den genervt-gelangweilten Tonfall behielt er bei.

»Ist es. Ich hab keines der Mädels eingeladen und ob sie bei den Proben zuhören oder nicht, ist mir vollkommen egal. Ich bin nicht ihr Babysitter. Also muss ich mich auch nicht darum kümmern, wo sie ihren Müll liegenlassen!«

Damit erhob er sich und überragte Hayne um mehr als einen Kopf. Doch obwohl diese den Kopf in den Nacken legen musste, wirkte sie in keiner Weise eingeschüchtert.

»Ihr nutzt den Probenraum und die Instrumente, damit fällt es sehr wohl in eure Verantwortung, was in dieser Zeit darin passiert. Wenn ihr dem nicht nachkommt, wird euch die Nutzung nicht mehr erlaubt sein! Das ist kein Witz, Kai. Das ist jetzt schon mehrmals vorgefallen und nochmal verwarne ich euch nicht«, erklärte Hayne.

»Jetzt habe ich aber Angst«, antwortete er spöttisch und überraschte damit nicht nur Hayne. Das hatte er jetzt nicht wirklich gesagt, oder?!

Doch. Und nicht nur das. Er wandte sich daraufhin zum Gehen und ließ Hayne und Kanade einfach stehen. Nicht nur die beiden starrten ihm perplex nach. Seine Freunde taten es ebenso, ehe sie sich eilig erhoben, um ihm zu folgen.

»Es tut mir leid«, wandte sich Lucas an die Schulsprecherin.

So direkt nebeneinander fiel mir erstmals auf, dass die beiden eine gewisse Ähnlichkeit hatten. Das gleiche tiefschwarze Haar, die blasse Haut und ein auffallend hübsches Gesicht. Nur waren Lucas` Augen, hinter dünnen Brillengläsern, von einem tiefen Dunkelgrün.

Von allen Mitgliedern der Band hatte er mir bisher immer am besten gefallen. Seine hohe schlanke Gestalt vermittelte eine ganz eigene Attraktivität. Vielleicht lag es aber auch an der Brille, die ihm zusätzlich noch etwas Intellektuelles verlieh, was einfach irgendwie sexy wirkte.

»Ich werde mich darum kümmern und … ich sorge dafür, dass es keine Probleme mehr mit dem Probenraum geben wird.«

Den letzten Satz richtete er an Kanade, dann folgte er seinen Freunden ebenfalls.

»Lässt du Kai das durchgehen?«, fragte diese dann an Hayne gewandt, als die Jungs schon ein Stück entfernt waren.

Haynes Miene wirkte immer noch perplex, als sie sich an Kanade wandte.

»Wirke ich als wäre ich weich geworden?!«, fragte sie, regelrecht erschrocken darüber, einfach stehen gelassen worden zu sein.

Ich konnte sie durchaus verstehen. Mir fiel keine einzige Situation ein, wann das jemals vorgekommen war. Hayne war zwar mitunter tatsächlich gefürchtet, aber dennoch eine beliebte Schulsprecherin. Sie war streng, aber fair und wir Schüler hörten auf sie.

Kanade blieb die Antwort schuldig, als zwei Arme die Taille der Schulsprecherin umfingen und sie an den dazugehörigen Körper pressten.

»Nein. Soweit ich mitbekommen habe, verbreitest du auch weiterhin Angst und Schrecken«, antwortete der blonde Junge statt Kanade.

Ich hörte Tessa neben mir leise seufzen und musste mir ein Grinsen verkneifen. Auch wenn Arthur inzwischen offiziell vom Markt war, ließ sein Anblick doch unwillkürlich die Herzen sämtlicher Mädchen höherschlagen. Er mochte ein wandelndes Klischee auf zwei Beinen sein, aber das war vollkommen egal. Er war attraktiv, nett, zuvorkommend und unser heimlicher Prinz der Schule. Und was ihn noch anziehender wirken ließ, auch wenn es einen bitteren Beigeschmack mitbrachte, war, wir hingebungsvoll er mit seiner Freundin umging. Jeder Blick aus diesen schönen türkisfarbenen Augen offenbarte, wie vernarrt er in unsere Schulsprecherin war. Es war beneidenswert.

Dennoch beobachtete ich die beiden recht gerne zusammen. Sie waren süß. Auch jetzt wieder, als Arthur einen Kuss in ihr schwarzes Haar drückte, was Hayne verlegen den Blick zu Boden senken ließ. Sie wirkte nicht, als wären ihr diese Zärtlichkeiten unangenehm, sondern eher ungewohnt. Als wäre das neu und sie wüsste nicht, wie sie damit umgehen sollte. Was wiederrum seltsam erschien. Immerhin waren die beiden jetzt schon mehrere Wochen ein Paar.

»Ich verbreite nicht Angst und Schrecken!«, protestierte Hayne, was Arthur ein Lächeln entlockte. Sie drehte sich in seinen Armen, sah dabei aber Kanade an.

»Und nein, ich werde das nicht durchgehen lassen! Wir haben Regeln an dieser Schule und die haben eingehalten zu werden!«

»Ach, ich steh drauf, wenn du so herrisch bist«, antwortete Arthur lachend, aber Hayne überging ihn. Dennoch entging mir nicht das Zucken ihres Mundwinkels.

Sie verkniff sich ein Lächeln.

»Oh, das klingt als hättest du schon einen Plan«, antwortete Kanade.

»Mmh … keinen Plan. Eher eine Idee«, entgegnete Hayne langsam.

Oha. Ich an Kais Stelle hätte es spätestens jetzt mit der Angst zu tun bekommen, bei der Miene, die unsere Schulsprecherin jetzt aufgesetzt hatte.

***

Der restliche Unterrichtstag verlief weitestgehend ereignislos und nachdem ich mit Leo und Tessa ausgemacht hatte, wann wir uns heute zum Proben treffen wollten, befand ich mich im Bus auf dem Weg nach Hause. Wie üblich war der überfüllt und auf einen Sitzplatz musste ich leider verzichten. Mit einem genervten Seufzen hielt ich mich an einer der Schlaufen über meinem Kopf fest und zog mein Vokabelheft aus der Tasche meines Blazers. Ich nutze die Heimfahrt immer, um ein wenig zu lernen.

»Reg dich ab Luc, was soll sie schon groß machen?! Sie ist nur die Schulsprecherin. Keine Lehrerin!«, hörte ich eine vertraute Stimme hinter mir.

Ich wandte den Kopf und erblickte Kais hochgewachsene Gestalt gar nicht weit von mir.

Was machte der hier? Der fuhr doch nie mit dieser Buslinie.

»Einen Scheiß muss ich! Warum entschuldigen?! Ich habe im Moment echt anderes im Kopf als mir Gedanken zu machen, was Hayne tun könnte. Was soll da überhaupt großartig kommen?!«, sprach er genervt in sein Handy.

Unsere Schulsprecherin hatte vor ein paar Wochen der kompletten Baseball-AG ihr Training gestrichen, als diese sich nicht an die Regeln gehalten hatten und dadurch eine Schülerin zu Schaden gekommen war. Und keiner der Lehrer, nicht einmal der Direktor, hatte gegen ihr Verbot etwas unternommen. Meiner Meinung nach konnte also einiges durch unsere Schulsprecherin kommen, wenn man gedachte sich mit ihr anzulegen.

Keine Ahnung, ob sein Gegenüber noch etwas sagte, aber Kai legte auf und stopfte sein Handy zurück in die Jackentasche.

Er wirkte wirklich stark angespannt und schien für nichts um ihn herum einen Blick zu haben. Dabei entgingen ihm auch die interessierten Blicke zweiter hübscher Mädchen auf den Sitzen ihm schräg gegenüber. Ich konnte es beiden nicht verdenken, dass sie ihn interessiert musterten. Er war ja echt ein hübscher Anblick.

Sein Haar war nicht wirklich lang, aber auch nicht kurz. Es fiel ihm eher in wild aussehenden Strähnen in Gesicht und Nacken und hatte eine sehr eigenwillige Farbe. Als könne es sich nicht entscheiden, ob es nun blond oder doch eher hellbraun sein wollte. Ähnlich eigenwillig sah es auch bei seiner Augenfarbe aus. Seine Iris hatte einen sehr ungewöhnlichen Braunton, nicht wirklich karamellfarben, eher wie dickes, flüssiges Gold. Es war auffallend und lockte einen, ihm in die Augen sehen zu wollen.

Seine Gesichtszüge waren attraktiv und auch unter der Schuluniform konnte man einen muskulösen Körper erahnen.

Kai drehte abrupt seinen Kopf und unsere Blicke kreuzten sich, worauf ich eilig das Gesicht abwandte.

Nein! Verdammt! Wenn ich etwas absolut nicht wollte, dann für eines der Mädchen gehalten zu werden, die wie Idioten dastanden und sabbernd sein hübsches Gesicht anstarrten.

Ich senkte meinen Blick wieder auf mein Vokabelheft, als etwas über meinen Hintern strich.

Ich stockte, wartete, vielleicht nur ein Versehen? Nein. Ein paar Sekunden später spürte ich erneut wie eine Hand über meinen Hintern streichelte.

Nicht schon wieder! Immer wieder kam es vor, dass irgendein Perverser den überfüllten Bus dazu nutzte zu grapschen. Dabei hatte ich bereits festgestellt, dass die Typen ganz unterschiedlichen Altersklassen angehörten. Manchmal waren es Opas, ab und an Männer mittleren Alters und viel zu oft Schüler, ungefähr so alt wie ich, die dachten, sie erlaubten sich nur einen Scherz. Vor ein paar Jahren hätte ich mich nur umgedreht, um meinen Hintern gegen eine Bus Wand zu drücken. Ich hätte den Versuch schweigend hingenommen, ohne eine Szene zu machen, weil es mir peinlich war die Aufmerksamkeit aller irgendwie auf mich zu ziehen. Inzwischen jedoch tat ich solchen Typen keinen Gefallen mehr, indem ich schwieg. Es war nicht richtig, was die sich rausnahmen und kein Mann hatte das Recht, mich ohne meine Erlaubnis anzufassen.

Ich drehte den Kopf und warf dem Mann schräg hinter mir einen drohenden Blick zu. Vom Alter her hätte er mein Vater sein können und das versetzte mich zusätzlich in Wut. Was dachte sich der Typ?!

»Hey! Wenn Sie ihre Hand mit nach Hause nehmen wollen, nehmen Sie sie von meinem Hintern!«, fauchte ich sehr deutlich. Einige Köpfe drehten sich in unsere Richtung und die Gesichtsfarbe des Grapschers wechselte auffallend schnell von Weiß zu Rot.