Rise of the Witch Queen. Beraubte Magie - Verena Bachmann - E-Book
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Rise of the Witch Queen. Beraubte Magie E-Book

Verena Bachmann

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Beschreibung

NIEDRIGER AKTIONSPREIS NUR FÜR KURZE ZEIT! **Eine Königin, die ihresgleichen sucht**  Als neue Hexenkönigin muss sich die sonst so vor Selbstbewusstsein strotzende Enju erst noch beweisen. Doch die erste Bewährungsprobe lässt nicht lange auf sich warten: Etwas Böses greift auf einer heiligen Insel die Menschen an. Allein die Königin der Hexen besitzt genügend Magie, um sich dem Wesen zu stellen. Allerdings spielen Enjus Kräfte seit einiger Zeit total verrückt und so bleibt ihr nur ein Ausweg: Sie muss Kayneth, den gefährlich attraktiven Anführer der Beasts, um Hilfe bitten. Aber dafür muss sich Enju endlich ihren Gefühlen zu ihm stellen … Eine Geschichte voller Magie, Herzklopfen und Frauenpower! //Dies ist der zweite Band der Reihe. Alle Romane der knisternden Fantasy-Liebesgeschichte: -- Band 1: The Witch Queen. Entfesselte Magie -- Band 2: Rise of the Witch Queen. Beraubte Magie -- Band 3: Fate of the Witch Queen. Verschollene Magie (erscheint im Juni 2024)//

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Verena Bachmann

Rise of the Witch Queen. Beraubte Magie

**Eine Königin, die ihresgleichen sucht**

Als neue Hexenkönigin muss sich die sonst so vor Selbstbewusstsein strotzende Enju erst noch beweisen. Doch die erste Bewährungsprobe lässt nicht lange auf sich warten: Etwas Böses greift auf einer heiligen Insel die Menschen an. Allein die Königin der Hexen besitzt genügend Magie, um sich dem Wesen zu stellen. Allerdings spielen Enjus Kräfte seit einiger Zeit total verrückt und so bleibt ihr nur ein Ausweg: Sie muss Kayneth, den gefährlich attraktiven Anführer der Beasts, um Hilfe bitten. Aber dafür muss sich Enju endlich ihren Gefühlen zu ihm stellen …

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Vita

Danksagung

© Jasmin Bachmann

Verena Bachmann, geb.1987 in Aschaffenburg, lebt mit Hund und Katzen in einem kleinen Dorf im schönen Spessart. Nach einem freiwilligen ökologischen Jahr absolvierte sie eine Ausbildung zur Industriekauffrau und arbeitet heute in einem Unternehmen für Modeaccessoires. Die Liebe zu Büchern weckte im Grundschulalter Enid Blyton und inzwischen stapeln sich die vielseitigsten Romane in ihren Regalen. Doch trotz bunter Auswahl reichte lesen allein irgendwann nicht mehr aus und so beschloss sie ihre eigenen Gedanken ebenfalls einmal zu Papier zu bringen.

Für Annika.Du bist die Beste, weil du bist, wie du bist.

KAPITEL 1

DER KLANG EINES GEBROCHENEN HERZENS

»Oh, Prinzessin … du hast gebacken.«

Kayneth hätte ja zumindest halbwegs den Anstand haben können, sich seine Belustigung nicht so sehr anmerken zu lassen, während er hinter mir stand und auf das Backblech spähte, das ich gerade panisch aus dem Ofen gezerrt hatte.

»Nehme ich zumindest an«, fügte er spöttisch hinzu, während ich das Blech samt dem schwarz verkohlten Klumpen, der, dem Plan nach, eigentlich mal ein Schokoladenkuchen hatte werden sollen, auf dem Kochfeld abstellte.

»Sehr witzig. Ja, ich habe gebacken! Mit echten Zutaten und so. Was glaubst du denn?«, murrte ich, warf die Ofenhandschuhe zur Seite und starrte wütend auf meinen ersten Versuch seit Jahren, meine Küche für ihren eigentlichen Daseinszweck zu nutzen.

Während ich das verbrannte Häuflein Elend weiter betrachtete, wurde mir bei dem Anblick allerdings nur wieder allzu deutlich bewusst, warum ich es bisher tunlichst vermieden hatte. Kochen und Backen vertrugen sich einfach nicht mit mir.

»Bei dem Anblick kann ich mir, offen gestanden, alles vorstellen. Briketts, Kohle … eventuell kleine Kinder, die du in dein Lebkuchenhaus gelockt und dann in den Backofen gesteckt hast.«

»Wenn ich ein Lebkuchenhaus hätte, würde ich nicht backen«, gab ich gereizt zurück.

Aber auch ohne würde ich es in Zukunft einfach sein lassen. Es war sowieso eine bescheuerte Idee gewesen.

Der Grund, warum ich es trotzdem probiert hatte, war der Mann hinter mir, der jetzt mit einem leisen Lachen seine Lippen sanft auf meinen Hinterkopf drückte und seine Arme um meine Taille schlang.

Mit einem kleinen Seufzen schloss ich meine Augen und genoss die sanfte Wärme, die mich umhüllte. Wir trafen uns jetzt bereits seit mehreren Wochen regelmäßig und abgesehen von einem ersten katastrophalen Date lief es zwischen Kayneth und mir gefühlt richtig gut.

Nun ja, eine Steigerung war zunächst auch nicht sonderlich schwer gewesen. Bei unserer ersten richtigen Verabredung hatten wir uns eine Burlesque-Show der Sirenen angesehen, die durch einen von einem Geist verursachten Todesfall frühzeitig beendet worden war. Wir hatten den Geist zwar vertrieben, dabei aber das Gebäude teilweise in Brand gesetzt.

Trotzdem … alles in allem ein ziemlich denkwürdiger Abend. Nur eben mit noch viel Luft nach oben.

Aber jetzt lief es gut.

So gut, dass ich inzwischen mehrfach überlegt hatte, ob das, was uns verband, schon die Bezeichnung »Beziehung« verdiente.

Wenn man von einer Kleinigkeit einmal absah, die für mich in diesem Zusammenhang aber nicht unerheblich war.

Seit unserem ersten Mal hatten wir leider nicht mehr miteinander geschlafen, und ganz langsam begann dieser fehlende Teil von Intimität mich tatsächlich zu stören.

Obwohl ich für mein Empfinden eigentlich über ein recht gesundes Maß an Selbstbewusstsein verfügte, verunsicherte mich diese Tatsache doch so sehr, dass ich mich nicht traute, es Kayneth gegenüber anzusprechen.

Zum einen wollte ich ihn nicht unter Druck setzen, wenn er, trotz höllisch heißer Küsse, keine Anstalten machte, mal wieder einen Schritt weiter zu gehen. Zum anderen nagte an mir die Sorge, beim letzten Mal nicht sonderlich gut gewesen zu sein. Zwar hatte ich es damals als extrem gut empfunden, hatte allerdings auf keinen großen Erfahrungsschatz zurückgreifen können und daher Kayneth mehr oder minder die ganze Arbeit überlassen. Vielleicht war ihm das ja zu langweilig gewesen und er wollte deswegen nicht mehr?

Wie sollte ich dabei allerdings besser werden, wenn er nicht mit mir … übte?

Um dies so nicht zur Sprache bringen zu müssen, hatte ich mir für heute einen anderen Plan überlegt. Dazu hatte ich mir zum ersten Mal in meinem Leben ein knielanges Sommerkleid mit Spaghettiträgern besorgt, in der Hoffnung, dass ihm nicht entgehen würde, wie leicht zugänglich alles, was unter dem Stoff lag, nun war.

Außerdem hatte ich versucht zu backen, weil mir in den letzten Wochen aufgefallen war, dass Kayneth unheimlich auf Süßes, vor allem auf Schokoladenlastiges, abfuhr.

Doch als ich meine Augen wieder öffnete und erneut den dunklen Klumpen vor mir erblickte, ließ sich nicht leugnen, dass dieser Teil meines Plans wortwörtlich für die Tonne war. Dadurch kam ich mir in meinem weiß-grün geblümten Kleid, was so gar nicht zu meinem sonstigen Kleidungsstil passte, direkt noch blöder vor.

»Sollte das eigentlich für mich sein?«, fragte Kayneth, dessen Tonfall weiterhin amüsiert, aber nicht länger spöttisch klang.

Er strich mit seinen Händen über meinen Bauch hinweg zu meiner Taille und brachte mich dann mit sanftem Druck dazu, mich zu ihm umzudrehen.

Immer noch missmutig hob ich das Gesicht und schaute in seine faszinierend grünen Augen, die inzwischen immer etwas in mir zum Kribbeln brachten, wenn er mich ansah.

»Ja, aber es sollte kein Versuch sein, dich zu vergiften, falls du etwas in der Richtung vermutest.«

Kayneth lachte erneut, während seine Hände von meiner Taille aus über meinen Rücken streichelten, bis er mich mit seinen Armen eng umschlang.

Ich folgte seiner Bewegung und stellte mich automatisch leicht auf meine Zehenspitzen, als er mich etwas in die Höhe drückte und so dicht an seine Brust zog, bis nicht einmal mehr ein Blatt Papier zwischen uns gepasst hätte.

Er neigte den Kopf und einen Wimpernschlag später spürte ich seine Lippen auf meinen. Für einen wundervollen Augenblick schien die Zeit einfach stillzustehen, und mein Kopf fühlte sich an, als hätte man mit einem Laubbläser sämtliche störenden Gedanken einfach weggepustet.

Ich schloss die Augen und legte meine Hände auf seine Oberarme. Meine Finger fuhren über seine angespannten Muskeln, spürten die Stärke, mit der er mich hielt. Willig seufzend erwiderte ich den Kuss.

Oh ja, genau deswegen wollte ich unbedingt wieder mehr. Ihm noch näher sein. Ihn mit jeder Faser meines Körpers spüren, so weit es mir möglich war. Weil sich das zwischen uns so unfassbar gut anfühlte. So viel intensiver. Es war nicht mehr allein eine rein körperliche Anziehung. Nein. Ich hatte mein Herz ein Stück weit geöffnet und ließ mittlerweile Gefühle zu.

Es machte mir ein wenig Angst, seit ich den Moment verpasst hatte, zu dem ich noch heil und am Stück aus dieser Sache wieder rausgekommen wäre, aber andererseits war es wirklich schön. Ich mochte diese wachsenden Gefühle irgendwie. Auch wenn ich auf die Unsicherheiten gern hätte verzichten können.

Er teilte meine Lippen, und ich kam ihm bereitwillig entgegen, bis unsere Zungen leidenschaftlich miteinander tanzten und mein Magen sich anfühlte, als würde ein Orkan in ihm toben, der sich langsam ausbreitete.

Dieser Mann ging mir inzwischen so unter die Haut wie … ja, wie noch nichts und niemand vor ihm. Er wusste, wie er mich anfassen musste, und küsste mich mit dem richtigen Druck und der richtigen Intensität, sodass ich es in jeder Nervenfaser zu spüren schien.

Meinetwegen hätte unser Kuss noch ewig so andauern können, aber zu meinem Bedauern beendete Kayneth ihn. Allerdings gab er mich nur ein klein wenig frei und küsste noch zweimal sanft meine Nasenspitze, bis ich ihm wieder ins Gesicht sehen konnte.

»Ich könnte für dich kochen, wenn du das möchtest. Ist vielleicht für alle Beteiligten sicherer«, sagte er dann leise.

»Ich übergehe mal diese keine Spitze. Du kannst kochen?«, fragte ich überrascht.

»Kann ich. Mit echten Zutaten und so«, antwortete er zwinkernd, ehe er mich gänzlich losließ und zum Esstisch dirigierte, damit ich mich dort auf einem der Stühle niederließ. »Aber vorher müssen wir etwas besprechen.«

Er zog sich nun ebenfalls einen Stuhl heran und setzte sich. Seine Miene wurde mit einem Mal sehr ernst und dieser plötzliche Stimmungswechsel bereitete mir Unbehagen.

Ich sagte nichts, aber die Fragezeichen, die vermutlich über meinem Kopf schwebten, schienen wohl deutlich sichtbar zu sein, denn Kayneth fuhr ohne Umschweife fort: »Ich habe ein Verbindungsgesuch erhalten. Es stammt von einer Familie innerhalb des Rudels und aus verschiedenen Gründen kann ich es leider nicht ignorieren.«

Völlig perplex starrte ich ihn an. Falls Kayneth gedacht hatte, die Schnell-und-schmerzlos-Methode, wie beim Abreißen eines Pflasters, wäre eine gute Idee, so konnte ich dem nicht zustimmen. Ich fühlte mich eher wie ein Reh im Scheinwerferlicht, das soeben mit voller Wucht von einem Lkw erfasst worden war.

»Moment … was?«, fragte ich dann sehr langsam, als mein Gehirn seine Tätigkeiten wieder aufnahm.

Unsere Stadt Lapislazuli, die eher eine eigene Welt war, war das Zuhause eines Großteils der magischen Wesen. Die Stadt existierte im Prinzip überall und nirgends, da sie durch Portale mit allen Orten des Planeten verbunden war, sich aber auf keiner Landkarte der Welt finden ließ. Lapislazuli war alt und magisch und hier herrschten ganz eigene Regeln unter den verschiedenen Völkern. Daher war mit einem Verbindungsgesuch leider keine Verhandlung über einen neuen Handy-Tarif gemeint, sondern eine Heiratsanfrage.

Lapidar konnte man auch sagen, dass Kayneth ein neues Weibchen vorgesetzt wurde, das er beschnuppern sollte, und wenn er es für gut befand, stand es ihnen frei zu heiraten, damit irgendeine Familie oder ein ganzes Volk sich glücklich schätzen konnte, eine Verbindung mit dem Alpha der Beasts vorweisen zu können.

Um es jetzt mal ganz einfach runterzubrechen, Kayneth hatte mir also gerade mitgeteilt, dass er gedachte, sich mit einer anderen Frau zu treffen, während er gerade mit mir ausging. Mit einer Frau, die er eventuell sogar heiraten würde.

Das war ein sehr, sehr schmerzhafter Zusammenstoß mit dem Lkw.

»Ist das dein Ernst?«, fragte ich, während ich spürte, wie Zorn in mir hochkochte. Ruckartig erhob ich mich vom Stuhl. »Du willst dem nachgehen?«

»Ich muss«, antwortete er ausgesprochen ruhig, stand allerdings ebenfalls auf.

Nein! Nein, verdammt! Musste er nicht. Er traf sich aktuell mit mir, und auch wenn wir noch nichts wirklich offiziell gemacht hatten, wäre das ein gerechtfertigter Grund, solche Heiratsgesuche abzulehnen. Außerdem war er der verdammte Alpha der Beasts und Mitglied des Rates von Lapislazuli. Wer sollte ihn letztlich zu irgendwas zwingen können, das er nicht wollte?!

Es war für mich natürlich nachvollziehbar, warum die Frau Kayneth wollte. Neben seinem Status als Oberhaupt eines mächtigen magischen Volkes gab es eben noch den Pluspunkt, dass Kayneth jung, stark und attraktiv war. Den letzten Aspekt hatte ich nicht mal bei unserer ersten Begegnung ignorieren können. Und damals hatte ich ihn noch für einen psychopathischen Massenmörder gehalten und mich ihm im Zweikampf gestellt. Den ich im Übrigen verloren hatte, bevor ich am Ende vor dem Rat, der Judikative Lapislazulis, wieder zu Bewusstsein gekommen war und mich für ein Verbrechen hatte verantworten sollen, das ich nicht begangen hatte.

Hach ja, die gute alte Zeit.

»Und wer ist es? Von wem kam das Verbindungsgesuch?«, fragte ich, nicht sicher, ob ich wirklich wissen wollte, wer die Frau war.

»Darf ich dir leider nicht sagen … Rudelangelegenheiten.«

Ach, verdammt. Ich hasste diesen Scheiß.

»Und was erwartest du jetzt bitte schön von mir?«, zischte ich mit zusammengebissenen Zähnen.

»Ich … glaub mir, es ist alles nur halb so schlimm, wie es jetzt vielleicht klingt. Ich kann es dir zwar aktuell noch nicht erklären … aber eigentlich musst du bitte nur etwas Geduld haben und warten.«

»Warten? Worauf? Ob es für dich mit der Frau gut läuft oder nicht? Wirst du es mir frühzeitig mitteilen, oder gedenkst du, mich dir noch ein wenig warmzuhalten, bis du dir sicher bist?«

»So ist das wirklich nicht. Komm schon, Prinzessin. Du bist doch selbst das Oberhaupt deines Zirkels. Du solltest inzwischen wissen, wie so etwas abläuft. Manchmal sind einem einfach die Hände gebunden. Man kann nicht immer das machen oder so entscheiden, was oder wie man gerne möchte. Man muss auch an seine Leute denken.« Seine Miene zeigte bei seinen Worten tatsächlich eine Spur von Ungeduld und Ärger, was mich noch um einiges fuchsiger machte.

Er wollte sich mit einer anderen Frau treffen, die Heiratsabsichten ihm gegenüber hegte, und hatte jetzt tatsächlich den Nerv, aufgrund meines Unverständnisses ärgerlich zu sein? Weil ich es doch angeblich besser wissen musste?!

»Ich bin vieles, o großer und sich für Dates mit anderen Frauen aufopfernder Alpha. Aber nur eins davon musst du dir merken. Ich bin niemals, unter keinen Umständen für jemanden die zweite Wahl!«

»Das sagt doch auch keiner. Und wieso sind es jetzt Frauen in der Mehrzahl? Es geht um eine Frau«, erwiderte er irritiert.

Als ob es das besser machte!

Mit einer wütenden Geste deutete ich zum Eingangsbereich. »Du möchtest dich mit dieser Frau treffen. In Ordnung. Mach. Du weißt ja, wo die Tür ist. Das Rechteck mit dem Drehgriff. Kaum zu verfehlen!«

»Enju …«, begann Kayneth ruhiger und hob die Hände zu einer versöhnlichen Geste. »Lass es uns einfach besprechen. Es klingt wirklich schlimmer, als es ist. Schenk mir bei dieser Sache bitte etwas Vertrauen.«

Vertrauen … Zack, erneut war ich vom Lkw erfasst worden.

Fassungslos starrte ich ihn an und sprach meine Gedanken laut und überraschend emotionslos aus. »Ich würde dir mein Leben anvertrauen, Kayneth. Aber was du gerade von mir verlangst … ist mein Herz. Und … das kann ich dir nicht geben.«

Jetzt wirkte er, als hätte ihn der Lkw erwischt, und in seiner Miene las ich, dass der Aufprall wehgetan hatte. Aber darauf konnte ich nicht eingehen. Ich empfand nicht mal so etwas wie Genugtuung. Was ich empfand, brachte mich dazu, mich abzuwenden und ihn stehen zu lassen.

Ich stieg die Stufen zum oberen Stockwerk hinauf. Meine Brust fühlte sich wie zugeschnürt und schwer an. Obwohl ich normal atmete, hatte ich das Empfinden, es unter erschwerten Umständen tun zu müssen. Ein Teil von mir erwartete, hoffte irgendwie, dass Kayneth mir noch nachkommen und dieses Heiratsgesuch letztlich doch ablehnen würde. Was ich hingegen hörte, waren keine Schritte auf den Treppenstufen, sondern die Wohnungstür, die ins Schloss fiel.

Oh, er hatte sie also ohne Probleme gefunden.

Das Geräusch hatte etwas Endgültiges und schaffte es, dass ein Teil von mir in kleine Stücke zersprang.

Ähnelte der Klang eines gebrochenen Herzens dem Zuschlagen einer Tür? Mir kam es jedenfalls so vor.

KAPITEL 2

EINE ZWEIFELHAFTE EHRE

»Du bist die Königin der Hexen! Oberhaupt eines mächtigen Zirkels. Du kannst dich nicht einfach wie eine schmollende Fünfjährige unter deiner Bettdecke verstecken!«

»Kann ich wohl«, murrte ich und zog besagte Decke noch etwas enger um mich.

Mir war schon klar, dass ich damit der Realität nicht entfliehen konnte. Meiner Tante Luvia bekanntlich schon gar nicht. Die würde mich zielsicher wie ein Jagdhund auch noch am Nordpol aufspüren. Aber ich wollte mich zumindest noch ein paar Minuten lang dieser Illusion hingeben.

»Bei der Verbindung zweier so einflussreicher Familien dieser Völker als Trauzeugin erwählt worden zu sein, ist eine große Ehre. Also hör auf, dich wie ein kleines Kind zu benehmen, Enju!«, keifte Luvia weiter vom Fußende meines Bettes aus.

Genervt schob ich die Decke ein Stück nach unten, um meine Tante anblicken zu können. Wie sie da so stand, die Hände in die Hüften gestemmt, ihr Gesicht eine einzige Maske der Strenge, verursachte ein unangenehmes Déjà-vu. Ich konnte wahrscheinlich hundert Jahre alt werden, ich würde mich unter ihrem Blick immer wie ein Kind fühlen, das etwas falsch gemacht hatte.

Aber abgesehen davon, dass ihre unnachgiebige Miene mir noch immer Unwohlsein bescherte, sah Tante Luvia wirklich erstaunlich gut aus. Ihr dunkles Haar war zwar weiterhin von verfrüht ergrauten Strähnen durchzogen, aber meine direkte Gegenwart hatte ihr in den letzten Monaten tatsächlich keine neuen mehr beschert. Ein Umstand, der mich zugegebenermaßen dazu verleitet hatte, ihre physische Anwesenheit in meinem Haus wieder zu erlauben, mich aber dennoch argwöhnisch stimmte.

Zuerst hatte ich vermutet, mein Zugriff auf die gesamte Macht des Hexenzirkels beim Kampf gegen die Göttin Discordia hätte zur Stagnation der Machtübergabe zwischen uns gesorgt. Dass ich damit für eine Art Ausgleich gesorgt hatte. Ein Kreislauf, der es mir erlaubte, weiterhin Macht zu ziehen, der Luvia durch unsere Hexenschwestern aber gleichzeitig mit Leben versorgte, statt es ihr zu nehmen.

Doch diese spezielle Verbindung zum Zirkel spürte ich bereits seit einigen Wochen schon nicht mehr. Es fühlte sich an wie eine versiegte Quelle. Was bedeutete, dass Luvia auch keine Lebensenergie mehr von den anderen Hexen zog.

Trotzdem sah meine Tante nicht schlechter aus als vorher. Wirklich, das war … seltsam. Sehr, sehr seltsam. Denn sosehr ich es mir für meine Situation auch gewünscht hätte, die Machtübergabe von einer Königin zur nächsten war noch nie, wirklich nie, vor ihrer Vollendung zum Stillstand gekommen. Es hatte immer mit dem Tod der vorherigen Königin geendet. Meist durch die Hand ihrer Nachfolgerin.

Aber ich wollte meine Tante nicht töten. Zumindest die meiste Zeit nicht. Jetzt nervte sie mich allerdings so, dass ich tatsächlich das Bedürfnis unterdrücken musste, ihr den Hals umzudrehen.

»Eine große Ehre? Wirklich? Wie kommt es, Tante Luvia, dass du immer unter einer schrecklich ansteckenden Krankheit gelitten hast, wenn dir diese Ehre zuteilwerden sollte?«

Eine sanfte Röte überzog ihre blassen Wangen, und an ihrem Gesichtsausdruck konnte ich ablesen, dass sie sich ertappt fühlte.

Sie wandte ihr Gesicht ab und hüstelte gekünstelt in ihre Faust. »Na ja, unter Umständen … mag es eine zweifelhafte Ehre sein. Aber nichtsdestotrotz kannst du als amtierende Königin dieser Verbindung ohnehin nicht fernbleiben. Dazu sind die Mitglieder beider Völker zu hochrangig. Einen solchen Affront können wir uns momentan nicht leisten. Nicht, solange der Zirkel durch das komplette Ableben einer seiner Coven noch so geschwächt ist. Da brauchen wir Verbündete, keine neuen Feinde.«

Ich senkte den Blick, als sich bei ihren Worten mein Herz schmerzhaft zusammenzog.

Vor ein paar Monaten hatten Verräterinnen in unseren eigenen Reihen den kompletten Coven der Flusshexen umgebracht. Ich hatte ihren Tod als körperlichen Schmerz gespürt, aber es nicht verhindern können. Noch immer verfolgten mich die Gesichter der Toten in meinen Albträumen.

Als ob die Erinnerung daran nicht reichte, fuhr Luvia streng mit ihrer Schimpftirade fort, und ihre Worte, die sich ohnehin schon wie ein Dolchstoß ins Herz angefühlt hatten, wurden nun zu einem Drehen des Griffs. »… außerdem eignen sich solche Hochzeiten perfekt, um Verbindungen zu knüpfen. Es ist sowieso höchste Zeit, dass du dir einen potenten Partner suchst.«

Ein Teil von mir hoffte bei solchen Aussagen ja immer wieder, sich verhört zu haben. Dass Luvia einen potenziellen Partner meinte. Aber leider kannte ich meine Tante zu gut und dieses Gespräch führten wir nicht zum ersten Mal. Daher wusste ich auch, was als Nächstes kommen würde.

»Es kann ja schließlich nicht sein, dass du immer noch diesem Drachen hinterhertrauerst! Das ist inzwischen Wochen her und er hat sich nicht mehr bei dir gemeldet. Sieh es endlich ein. Das war doch gar nichts. Er hat sich inzwischen anderweitig orientiert.«

Mit einem leisen Stöhnen drückte ich mein Gesicht zurück ins Kissen. »Fang nicht schon wieder damit an, Tante Luvia. Außerdem werde ich erst dreiundzwanzig. Ich habe also noch viel Zeit, um Kinder zu bekommen.«

»Mit fünfundzwanzig nimmt die Fruchtbarkeit bereits rapide ab«, entgegnete sie prompt in beinahe schon alarmiertem Tonfall.

»Aha«, erwiderte ich dagegen tonlos.

Was hätte ich nur ohne diese Information mit meinem Leben angefangen. Außerdem, was erwartete sie denn jetzt, wie ich reagierte? O Gott, du hast recht. Ich höre meine biologische Uhr bereits ticken. Schnell, besorg mir einen potenten Mann! Ich messe derzeit schon mal meine Temperatur und überlege mir eine Stellung.

Mmh … nee, sicher nicht.

Ich warf die Bettdecke zur Seite, ehe ich mich aufrichtete und meine Beine über den Bettrand schwang, um mich zumindest in eine sitzende Position zu bringen. Luvia würde mich ja ohnehin nicht in Ruhe lassen. Also konnte ich mich auch weitestgehend wieder der Realität stellen.

»Und wie denkst du dir das jetzt? Soll ich da hingehen, für den Erstbesten die Beine breitmachen und mich schwängern lassen?«, murrte ich und begegnete Luvia mit einem, wie ich hoffte, mörderischen Blick.

Den ich aber entweder nicht draufhatte oder der Luvia schlichtweg kaltließ. Denn sie fuhr ruhig, aber auch etwas ungeduldig fort: »Natürlich nicht! Es ist ja letztlich nicht vollkommen egal, mit wem du deine Gene vermischst. Wir haben schließlich einen gewissen Ruf zu verlieren. Aber es ist unumgänglich, dass du diesen Schritt in nicht allzu ferner Zukunft machst. Das bist du unserem Zirkel einfach schuldig. Immerhin stammst du selbst von königlichem Blut ab. Die Chancen sind daher groß, dass eine Tochter von dir ebenfalls als Königin erwählt wird.«

»Das hat dich aber nicht dazu veranlasst, selbst Kinder in die Welt zu setzen«, rief ich ihr in Erinnerung und stand auf.

»Ich hatte ja auch dich. Die nächste Generation unserer Linie war also bereits gesichert«, antwortete sie. Nicht ohne kurzzeitig das Gesicht vor Ekel zu verziehen. Ich kannte meine Tante jedoch inzwischen so gut, dass ich wusste, dass sich diese Mimik nicht auf mich bezog. Sie galt allein dem biologisch notwendigen Akt zwischen Frau und Mann, um Nachwuchs zu zeugen.

Denn leider konnte unsereins nicht auf moderne Fortpflanzungsmethoden wie Eizellen- oder Samenspenden zurückgreifen. Nicht wenn sichergestellt werden sollte, dass sich die Magie der Eltern mit übertrug. Warum dem so war, ließ sich nicht mit Gewissheit sagen. Irgendwie verlor sich die Magie, sobald zu viel Wissenschaft im Spiel war. Es war also bei uns Hexen unumgänglich, körperlich zu werden, wenn man magisch begabte Kinder wollte.

Tante Luvia war jedoch dem männlichen Körper schon seit frühster Jugend wirklich abgeneigt. Nicht dass sie irgendwelche schlimmen Erfahrungen gesammelt hätte, sie fand Männer nur einfach gänzlich unattraktiv.

Trotzdem, und daran gab es nicht den geringsten Zweifel, hätte es mich nicht gegeben, hätte Luvia es durchgezogen. Mit einem Mann zu schlafen, allein zu Fortpflanzungszwecken. Zum Wohle des Zirkels. Dafür hätte sie im Zweifelsfall sogar ihre Beziehung zu ihrer Partnerin Ekidona riskiert, mit der sie seit ihrem zwanzigsten Lebensjahr liiert war.

Das war eine Eigenschaft an meiner Tante, die ich bewunderte, die mich gleichzeitig aber auch abschreckte. So viel Hingabe und Opferbereitschaft. Für eine Position, die sie nicht selbst gewählt, für die sie sich nicht entschieden hatte, die sie aber für ihre Pflicht hielt.

Eine Königin … Immer nur zum Wohle aller handeln. Die eigenen Bedürfnisse hintenanstellen. Ständig vorausplanen. Im Hintergrund Fäden ziehen. Nonstop eine Strategie zur Hand haben. Sie erwartete genau das von mir.

Aber ich konnte das nicht und besaß auch gar nicht den Willen dazu. Alles davon fühlte sich für mich an wie Ketten, die mich zu Boden drückten. Ich hasste es.

Eine Einstellung, wegen der ich es noch immer für einen kosmischen Fehler hielt, dass man mich als neue Königin erwählt hatte. Ich war absolut ungeeignet für diese Rolle.

»Ich werde mal schauen, was sich machen lässt«, kam ich meiner Tante etwas entgegen, in der Hoffnung, dass sie mich dann endlich damit in Ruhe lassen würde.

Die Wahrheit konnte ich ihr ja ohnehin nicht sagen. Etwa, dass ich gar nicht sicher war, ob ich überhaupt jemals eigene Kinder haben wollte. Wie meine eigene Erzeugerin hielt ich mich nämlich nicht gerade für den mütterlichen Typ. Aber das zuzugeben, würde Tante Luvia sicher einen Herzinfarkt bescheren.

In diesem Moment ein durchaus verlockender Gedanke.

»Ja, na sicher wirst du das«, antwortete sie sarkastisch. Der Zweifel, der in ihrer Stimme so deutlich mitschwang, machte mir bewusst, dass sie mich leider auch viel zu gut kannte. »Du solltest dem Gedanken gegenüber weder so abgeneigt sein noch das Ganze halbherzig in Angriff nehmen«, machte sie daher unbeirrt weiter. »Ich verlange ja gar nicht, dass du direkt auf der Hochzeitsgesellschaft für Nachwuchs sorgst. Aber so eine Auswahl potenzieller Partner wirst du nicht immer zur Verfügung haben. Es wäre gut möglich, dass darunter auch ein geeigneter Bewerber ist, der eventuell dauerhaft an deiner Seite bleiben kann.«

»Ich bitte dich, Tante Luvia. Dieses gesamte Hochzeitsbrimborium mag zwar eine Woche gehen. Aber um deinen Vorgabenkatalog darüber, wie mein Zukünftiger zu sein hat, in voller Länge abzuarbeiten, benötige ich mindestens ein halbes Jahr.«

Schätzungsweise. Denn gut die Hälfte von Luvias Voraussetzungen hatte ich bereits vergessen oder eher verdrängt.

»Unsinn. Passende Abstammung und ein starkes Magie-Erbe. Vorzugsweise Mitglied eines Volkes, mit dem uns eine Verbindung für die Zukunft strategisch von Nutzen ist. Aber vor allem muss er unter dir stehen. Du brauchst einen Partner, der dich unterstützt und bereit ist, sich unterzuordnen. Niemanden, der versucht, dir deine Macht streitig zu machen oder sie für seine eigenen Ziele zu nutzen.«

»Der unter mir steht«, schnaubte ich und starrte aus meinem Fenster in den wolkenlosen hellblauen Himmel.

»Natürlich! Vergiss eines niemals, Enju: Du magst eine Königin sein. Aber in dieser Welt wird ein König dir immer übergeordnet sein. Deshalb darfst du niemanden wählen, der deinem Rang gefährlich werden könnte. Das Beste wäre, du entscheidest dich für einen zweit- oder drittgeborenen Sohn. Einen, der zwar gute Gene vorweist, aber keine eigene Machtposition in Aussicht hat.«

Ich stieß erneut ein genervtes Schnauben aus und wandte mein Gesicht wieder meiner Tante zu. »Versteh mich nicht falsch, Tante Luvia. Ich bin insofern ganz deiner Meinung, dass ich keinen Partner will, der denkt, er könnte mir sagen, was ich zu tun und zu lassen habe. Aber ich werde ganz sicher auch nicht glücklich mit jemandem, der bei allem, was ich tue und sage, nur mit Ja und Amen reagiert. Was ich will, ist …« Ich biss mir auf die Lippe, denn um ein Haar hätte ich den Satz mit einem Namen beendet. Dabei wollte ich gar nicht wirklich an ihn denken. Das war unbewusst passiert. Gar nicht gut. Denn mit einem hatte Luvia recht: Das zwischen uns war nicht genug gewesen, um sich noch immer daran festzuklammern. »… ist … ein Partner auf Augenhöhe. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.«

Das entlockte nun wiederum Luvia ein spöttisches Schnauben, als wäre mein Wunsch absolut abwegig. »Wie du meinst. Ich werde mir mal erlauben, die Gästeliste anzufordern, um eine Auswahl der … Vielversprechendsten zusammenzustellen.«

»Tu, was du nicht lassen kannst«, antwortete ich resigniert.

Weitestgehend, wenn auch nicht gänzlich, zufrieden verließ Tante Luvia endlich mein Schlafzimmer.

Mit einem leisen Seufzen ging ich zu der Kommode neben meinem Fenster, auf die ich gestern Abend achtlos die Einladungskarte geworfen hatte. Ich nahm das schwere Papier erneut zwischen die Finger und betrachtete noch einmal die goldenen Lettern.

Viel gab es nicht zu lesen, aber was dort stand, war ausreichend, um mir bewusst zu machen, dass ich mich dieser Hochzeit wirklich nicht würde entziehen können. Schließlich war ich so dumm gewesen, die beiden einander vorzustellen.

Unter dem obligatorischen Save the Date standen in hübsch verschnörkelter Schrift die Namen Marisya Belena und Styx de Sembren. Zwischen den beiden Namen thronte ein smaragdfarbener Baum, was mir, auch ohne die Karte umzudrehen, verriet, wo die Hochzeit stattfinden würde. Esmeraude Eiland.

Alle für wichtig erachteten Hochzeiten fanden dort statt.

Ich warf die Karte zurück und griff nach einer zweiten, die sich ebenfalls in dem Briefumschlag befunden hatte. In fast schon unnatürlich akkurater Handschrift bat mich Marisya darauf, die Position ihrer Trauzeugin zu übernehmen.

Diese Ehre wurde in Lapislazuli selten dem besten Freund, der besten Freundin, der Schwester oder dem Bruder zuteil. Zum einen, weil diese Rolle bei Hochzeiten schon immer eher repräsentativ genutzt wurde. Die Trauzeugen standen für Verbündete. Je mächtiger das Volk, aus dem er oder sie stammte, desto eindrucksvoller oder einschüchternder war die Wirkung auf die übrigen Hochzeitsgäste. Die Position innerhalb des eigenen Volkes spielte natürlich auch eine Rolle. Je hochrangiger, desto besser. Deshalb war es nicht verwunderlich, dass Marisya ihre Bitte an mich, die Königin der Hexen, gerichtet hatte.

Der andere Grund, warum man seine Familie oder die Menschen, die man wirklich gernhatte, nicht mit dieser Position betraute, war, dass es so ziemlich der undankbarste Job war, den man bei einer Hochzeit bekommen konnte. Denn um die komplette Organisation, also alles, was einen normalerweise bis zur Vermählung so kirre machte, kümmerte sich nicht das Brautpaar. Nein, die waren tatsächlich fein raus bei der Sache. Die Trauzeugen übernahmen diese Aufgaben und waren damit betraut, stets im besten Sinne für die zukünftigen Eheleute zu handeln.

In Lapislazuli hatte diese Praktik eine lange Tradition, entstanden aus einem einfachen Grund: Hochzeiten zwischen verschiedenen Völkern waren wichtig. Sie sicherten Frieden und schafften Verbündete. Damit das Paar nicht auf die Idee kam, sich aufgrund von Streitigkeiten vor der Trauung zu trennen, diente diese Trauzeugen-Funktion dem Versuch, jeglichen Stress für beide direkt im Keim zu ersticken.

Verständlicherweise riss sich niemand darum, dieses Amt zu übernehmen. Daher wurde die Rollenverteilung schon immer unter dem Deckmantel der Ehrerbietung vollzogen. Und die Ablehnung einer solchen Ehre käme der nicht wiedergutzumachenden Beleidigung eines ganzen Volkes und demnach einer Todsünde gleich.

Zumindest war es nicht verpönt, die Aufgaben zu delegieren. Ich konnte also immerhin jemanden bezahlen, der sich um das Organisatorische kümmern und dafür sorgen würde, dass Marisya all ihre Wünsche erfüllt bekäme.

Zur Hochzeit erscheinen musste ich allerdings dennoch.

Mir entwich ein weiterer tiefer Seufzer, als ich nach meinem Handy griff und die Kurzwahl eintippte, die mich mit meiner besten Freundin Thea verband.

»Guten Morgen, Eure Hoheit. Wie kommt es, dass du so früh wach bist? Sieht dir gar nicht ähnlich«, grüßte mich die Walküre, nachdem sie nach dem zweiten Tuten abgehoben hatte.

»Luvia hat mich nicht schlafen lassen«, antwortete ich missmutig, ging zurück zu meinem Bett und setzte mich wieder auf die Kante.

»Du könntest ja festlegen, dass Audienzen bei dir nie vor zehn Uhr beginnen«, schlug Thea amüsiert vor, was mir ein Schnauben entlockte.

»Und mir dann bis in alle Ewigkeiten Luvias Tiraden anhören? Das ist ein paar Stunden mehr Schlaf nicht wert.«

»Auch wieder wahr. Also, was gibt’s, willst du was Bestimmtes?«, wechselte Thea das Thema, und ich hörte im Hintergrund, wie sie auf ihrer Computertastatur tippte.

Wie ich Thea kannte, recherchierte sie aktuell für ihren nächsten Beutezug. Sie blieb eben durch und durch eine diebische kleine Elster.

»Ja. Ich habe eine Hochzeitseinladung erhalten …«

»Ah ja. Der Nekromant und die heilige Madonna der La Dame Blanche. Habe ich schon mitbekommen.«

»Marisya bittet mich, ihre Trauzeugin zu werden.«

Es folgte ein Moment der Stille, dann brach Thea in gehässiges Gelächter aus.

Ich wartete … und wartete … und wartete … Bis sie sich halbwegs wieder beruhigt hatte. Auch ohne sie vor mir zu haben, konnte ich quasi sehen, wie sie sich Lachtränen aus den Augenwinkeln wischte.

»Welch eine Ehre«, gluckste sie und kicherte erneut.

»Was du nicht sagst«, murrte ich ganz und gar nicht amüsiert.

»Und du rufst an, weil du dir noch mal ein Kleid von mir borgen möchtest? Müssen bei der Auswahl wieder so unnütze Sachen Beachtung finden, wie ob du Unterwäsche drunter tragen kannst?«

»Ich gebe mich inzwischen nicht länger der Illusion hin, dass du solche Kleider überhaupt besitzt. Also nein. Wenn, dann kaufe ich mir diesmal selbst eins.«

»Oho, große Töne. Bei der Shoppingtour bin ich auf jeden Fall dabei.«

»Mhm, ja. Wenn sie überhaupt nötig wird. Bei meinem Glück macht Marisya von ihrem Recht Gebrauch, die Kleider ihrer Brautjungfern auszusuchen, was bestimmt auch die Trauzeugin mit einschließt, und ich werde dort als Prinzessin Bubblegum rumrennen.«

Mit Grauen dachte ich an die letzte Hochzeit, auf der ich Gast gewesen war. Die Braut hatte ihre sämtlichen Brautjungfern und die Trauzeugin in bonbonpinke Kleider im Stil von Vom Winde verweht gesteckt. Es war ein furchtbarer Anblick gewesen.

Noch dazu würde sich Pink schrecklich mit meinen dunkelroten Haaren beißen.

»Oh, das würde ich zu gerne sehen«, lachte Thea schadenfroh, was mir diesmal jedoch selbst ein niederträchtiges Grinsen ins Gesicht zauberte.

»Wie gut, dass du es erwähnst …«

»O nein, Enju. Das wagst du nicht!«

»Auf meiner Einladung muss ich noch angeben, ob ich alleine oder mit einer Begleitung komme.«

»Das ist bösartig und absolut schändlich. So gemein kannst nicht mal du sein!«

»Ich nehme an, dass du in nächster Zeit ja ohnehin nichts vorhast?!«

»Och, komm schon! Diese Hochzeitsgesellschaft ist für eine komplette Woche geplant! Eine Woche! Während der man auf Esmeraude Eiland festsitzt und nicht entkommen kann. Es muss nur eine Vertretung der Walküren hin. Und wir haben gestern ausgelost, dass Hild sich das diesmal antun muss. Ich war also schon aus dem Schneider!«

»Willst du lieber Fisch oder Hühnchen?«

»Du bist ein ganz, ganz bösartiges Weibsbild und wirst in der Hölle schmoren, Enju.«

»Also Hühnchen.«

»In der Hölle!« Thea gab ein Geräusch von sich, das wie ein sehr wütendes Quieken klang. »Wehe, da laufen nicht tonnenweise gut gebaute Junggesellen rum, die mir die Woche versüßen werden!« Damit legte sie auf.

Mit einem zufriedenen Grinsen warf ich mein Telefon zurück aufs Bett, erhob mich und verschwand in meinem angrenzenden Badezimmer erst mal unter der Dusche.

KAPITEL 3

DIE UNHEILVOLLEN ZWILLINGE

Als ich das Badezimmer wieder verließ, stolperte ich um ein Haar in meine Tante Celenike. Vor Schreck machte ich einen Satz nach hinten und wickelte das Handtuch, das leicht ins Rutschen geraten war, enger um meinen Körper.

»Was soll denn das? Kannst du nicht anklopfen?«, fragte ich erschrocken.

»Hab ich. Aber du hast nicht reagiert«, antwortete Celenike ungerührt.

»Das ist normalerweise kein Grund, trotzdem einfach ein Zimmer zu betreten!« Mit noch immer trommelndem Herzen schob ich mich an ihr vorbei zu meinem Kleiderschrank. »Was gibt es denn so Wichtiges?«

»Die Zwillinge sind hier.«

Stöhnend kniff ich die Augen zusammen. »Was haben sie jetzt schon wieder angestellt?«, fragte ich resigniert, obwohl ich die Antwort eigentlich gar nicht hören wollte. Wenn sie die Zwillinge hierherbrachte, kam nie so was wie: Sie haben dir nur einen Kranz aus Gänseblümchen gebastelt und wollten ihn dir schenken.

»Sie haben ein Hochhaus in die Luft gesprengt.«

Ja, genau. So was kam dann eher. Moment …

Ich spürte, wie mein Puls schnurstracks auf hundertachtzig schnellte, während ich mein Gesicht so ruckartig wieder in Richtung meiner Tante wandte, dass ich es unangenehm in meinem Nacken knacken hörte.

»Sie haben WAS?«

»Na ja, es war kein fertiges Gebäude. Es befand sich noch in der Bauphase«, beschwichtigte Celenike, als ob es das wirklich irgendwie besser machte.

»Wo?«

»New York.«

»Jemand verletzt?«

»Der Bauleiter. Es geht ihm aber den Umständen entsprechend gut.«

»Was heißt den Umständen entsprechend?«, erkundigte ich mich mit gepresster Stimme. In meinen Schläfen pochte es unangenehm.

Celenike stieß ein tiefes Seufzen aus und wieder wollte ich unterbewusst die Antwort gar nicht erst hören.

»Nun … er befindet sich aktuell in einem Ganzkörpergips, aber er lebt. Und seine Knochenbrüche werden wohl gut heilen … Ich meine, ich werde etwas mit Magie nachhelfen müssen … Aber dann wird er schon wieder.« Sie versuchte, ihrer Stimme einen positiven Klang zu verleihen, aber es gelang ihr nicht wirklich.

»Was? Nein. Doch lieber von Anfang an. Was genau ist passiert?«, fragte ich und zwang mich zur Ruhe.

Ich spürte, wie alles in mir anfing zu brodeln, aber das wirkte sich in letzter Zeit sehr negativ auf meine Magie aus und das konnte ich jetzt nicht gebrauchen.

»Also, die beiden wollten wie üblich nur shoppen gehen …«, begann Celenike.

Natürlich. Wenn sie nicht damit beschäftigt waren, irgendwelches Unheil zu verbreiten, dann gingen sie einkaufen. Was sollte man mit fünfzehn auch anderes machen, wenn man von Daddy frisch zum Geburtstag eine schwarze American-Express-Kreditkarte bekommen hatte?

»Sie haben sich diesmal einen Zugang nach New York gesucht. Waren dort einkaufen und kamen gegen späten Nachmittag an einer verlassenen Baustelle vorbei. Also, fast verlassen … der Bauleiter war wohl noch dort und …«

»Und?«

Erneut stieß meine Tante ein tiefes Seufzen aus. Das schien bei ihr inzwischen zu einer Dauerreaktion zu werden.

»Die Zwillinge hielten es in diesem Moment für eine tolle Idee, sich in Gedankenkontrolle zu … üben. Sie wollten herausfinden, wie stark und über welche Distanz sie die Fähigkeit einsetzen können.«

Oh, nicht gut. Das klang ganz und gar nicht gut.

»Was haben sie mit dem armen Mann gemacht?«

»Sie haben ihn gezwungen, am Gerüstbau immer weiter nach oben zu klettern. Auf den Stahlträgern zu balancieren … solche Dinge eben. Als er auf Höhe des zehnten oder elften Stockwerks war, haben sie aufgrund der Distanz die Kontrolle verloren. Der Mann stürzte, und so, wie ich es verstanden habe, wollte Taissa ihn mit einem Zauber auffangen. Aber statt Levitation hat sie einen Druckzauber angewendet.«

Ich schloss die Augen und das unangenehme Pochen begann zusätzlich zwischen meinen Augenbrauen. Was für ein selten dämlicher Anfängerfehler. Mit Levitation brachte man Menschen oder Dinge zum Schweben. Je nach Stärke und Konzentration auch zum Fliegen. Diese Art der Magie, zu einem Druck kompensiert, bedeutete aber, man sammelte die Energie zu einer Art Trampolin. Das konnte einen Sturz natürlich auch abfangen. Aber wie bei einem richtigen Trampolin federte es und magischer Druck entlud sich.

»Den Rest kannst du dir ja vielleicht denken. Der Mann federte zwar kurz vorm Boden ab, flog anschließend aber trotzdem wieder ein paar Meter in die Luft und schlug ein Stück entfernt auf dem Boden auf. Der Aufprall brach ihm dann leider mehrere Knochen. Währenddessen entlud sich ein Teil der Magie und traf wohl auf irgendeine Gasleitung oder etwas in der Art … Und boom. Es kam zu einer Explosion.« Celenike unterstrich ihre Worte noch mit einer entsprechenden Geste, indem sie beide Hände zu Fäusten ballte und dann wieder öffnete.

Als meine Tante geendet hatte, ging ich erneut zu meinem Bett, ließ mich am Rand nieder und vergrub erschöpft und genervt das Gesicht in meinen Händen. Am liebsten hätte ich mir noch mein Kissen geschnappt und frustriert hineingebrüllt.

»Was soll ich mit den beiden bloß machen?«, jammerte ich erstickt.

Die Zwillinge Taissa und Tamsin waren jetzt seit einigen Wochen im schwarzen Coven, und mit jedem Tag brachte ich mehr Verständnis für Tiere auf, die ihre Jungen nach der Geburt auffraßen. Diese Mädchen waren Ausgeburten der Hölle.

Inzwischen war ich auch der Überzeugung, dass man die beiden in keinem Kreis der Hölle länger hatte haben wollen und sie deshalb in unsere Welt geschickt worden waren.

Normalerweise besaß ich viel Einfühlungsvermögen für Hexen ihres Alters. Jede Junghexe durchlief in ihrer Pubertät eine schwierige Phase. Denn zusätzlich zu den normalen körperlichen und hormonellen Veränderungen brachte dieser Lebensabschnitt bei einer Hexe nochmals einen enormen Machtanstieg mit sich. Es gab quasi über Nacht einen extremen Wachstumsschub der Magie, mit dem man dann erst mal lernen musste umzugehen. Nicht selten verfielen die jungen Hexen hierbei in einen Machtrausch. Sie wurden im Prinzip zu kleinen Kindern, die feststellten, dass sie die Kraft in sich trugen, einer Fliege die Flügel auszureißen oder eine Ameise unter dem Schuh zu zertreten.

Die Versuchung, sich auszuprobieren, war demnach entsprechend groß. Zu testen, wie weit man gehen konnte. Welche neuen Kräfte und Fähigkeiten man bekommen hatte. Es war ein normales Verhalten, und gerade am Anfang war es sogar ziemlich ungesund, es zu unterdrücken. Die persönlichen Grenzen auszuloten, war ein wichtiger Lernprozess, um die eigene Magie richtig kennenzulernen und einschätzen zu können. Deshalb war es aber, wenn sich eine junge Hexe in dieser Phase befand, umso wichtiger, darauf zu achten, dass keine anderen Menschen zu Schaden kamen.

Bei mir hatte Tante Luvia damals ganze Arbeit geleistet, obwohl ich es ihr mitunter wirklich schwer gemacht hatte. Ich war zickig und rebellisch gewesen und, was die Magie betraf, damals mit einem Schlag relativ mächtig geworden. Doch Luvia hatte den Coven schon immer mit eiserner Hand regiert und auch bei ihrer Nichte keine Ausnahme gemacht. Was zweifellos zum Vorteil aller gewesen war.

Aber bei den Zwillingen gab es einen entscheidenden Unterschied zu mir damals. Sie waren verwöhnt und in keinster Weise mit normalen Maßstäben erzogen worden. Keine Ahnung, ob es zu »unerzogen« noch eine Steigerung gab. Falls ja, traf diese auf die beiden definitiv zu. Denn Fakt war, dass die Mädchen in ihrem Leben wohl niemals ein Nein zu hören bekommen hatten.

Ihre Mutter, eine Hexe aus dem Eis-Coven und damit auch Mitglied unseres Zirkels, war die Ehe mit einem Mitglied der Nekromanten eingegangen. Neben den Beasts zählten die Totenbeschwörer zu den reichsten Völkern in Lapislazuli und der Vater der beiden Mädchen war ein ganz hohes Tier dort. Die Zwillinge waren, wie man so schön sagte, mit dem goldenen Löffel im Mund zur Welt gekommen und hatten alles gehabt und alles bekommen, was sie wollten.

Die Mädchen hatten daher nie gelernt, dass gewisse Dinge einen Wert hatten. Nicht einmal das Leben anderer Menschen.

Dass diese Art antiautoritärer Erziehung, oder vielmehr das Fehlen jeglicher Erziehung, ein Fehler gewesen war, hatten ihre Eltern leider erst jetzt eingesehen, nachdem die Mädchen in die Pubertät gekommen waren. Denn wo normale Kinder schon schlimm wurden … Nun, Hexen waren eben schlimmer. Ohne Ausnahme.

Vor ein paar Wochen war ihre Mutter daher an mich herangetreten und hatte mich mehr oder minder angefleht, die Zwillinge in die Obhut des schwarzen Covens zu nehmen. Wobei »herangetreten« eigentlich eine zu behutsame Umschreibung war. Genau genommen hatte sie einfach die Koffer der beiden Mädchen gepackt und diese, inklusive ihrer Töchter, vor dem Herrscherhaus direkt bei meinen Tanten abgeladen. Denn – welch Überraschung – sie wurde der Kinder, denen sie nie irgendwelche Grenzen aufgezeigt hatte, nicht mehr Herr.

Zu allem Überfluss verfügten die beiden Gören bereits jetzt schon über recht starke Magie, welche die ihrer Mutter längst übertraf.

Ich war nur telefonisch darüber informiert worden, da ich ja bereits seit einigen Jahren nicht mehr in der Villa wohnte, und hatte letztlich zugestimmt. Was hätte ich auch anderes tun sollen? Das historisch wirkende Gebäude war nicht nur der Hauptsitz des schwarzen Covens, sondern schließlich der aller Hexen. Egal welchem der fünf … nein, inzwischen ja nur noch vier … Coven man angehörte, wir waren schlussendlich ein Zirkel, und damit hatte jede Hexe Anspruch darauf, im Anwesen Unterschlupf zu finden.

Also waren die Zwillinge bei meinen Tanten und den anderen dort wohnhaften Hexen eingezogen und unter die Vormundschaft des schwarzen Covens gestellt worden. Nicht nur, weil es als Königin eben auch zu meinen Aufgaben gehörte, sondern vor allem, weil mir die Konsequenzen, die eintraten, wenn man solchen Junghexen nicht Einhalt gebot, klar waren.