Fear Street 46 - Besessen - R.L. Stine - E-Book

Fear Street 46 - Besessen E-Book

R.L. Stine

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Beschreibung

Vorurteil mit Folgen. Emiliy hat Angst. Denn heute kehrt ihre ältere Schwester zurück: Nancy, die einmal gefährlich war, Nancy, die Emily töten wollte. Doch die Ältere scheint mittlerweile von ihren Wahnvorstellungen geheilt zu sein, und die Familie kann endlich zur Normalität zurückkehren. Bis etwas Entsetzliches geschieht. Und jeder glaubt, die Schuldige zu kennen ... Mit den Horror- und Thriller-Büchern aus der Fear Street schuf Bestsellerautor R.L. Stineeine Reihe, die inzwischen zu den Klassikern derHorrorliteratur für Jugendliche zählt. Seit über 20 Jahren gibt es seine Geschichten schon auf Deutsch und seitdem begeistern sie gleichermaßen Jungs und Mädchen ab 12 Jahren und alle Fans von Gruselgeschichten. Ab 2021 zeigt Neflix den Klassiker Fear Street als Horrorfilm-Reihe!

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Seitenzahl: 139

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Inhalt

Kapitel 1 – Nancy kommt zurück …

Kapitel 2 – Emily starrte hinab …

Kapitel 3 – Jessie öffnete die …

Kapitel 4 – Nancy hob das …

Kapitel 5 – Emily schrie auf …

Kapitel 6 – Emily stöhnte leise …

Kapitel 7 – Voller Panik brüllte …

Kapitel 8 – Emily traute ihren …

Kapitel 9 – Emily schlug mit …

Kapitel 10 – Die Frau in dem …

Kapitel 11 – Emily hatte den …

Kapitel 12 – Emily war nicht …

Kapitel 13 – Am folgenden Tag …

Kapitel 14 – Voller Panik schrie …

Kapitel 15 – Emily tastete nach …

Kapitel 16 – Jessie blickte Emily …

Kapitel 17 – „Nein! Bitte nicht!“ …

Kapitel 18 – Emily hatte erst …

Kapitel 19 – Emily öffnete den …

Kapitel 20 – Jessie schnappte nach …

Kapitel 21 – Plötzlich trat Mr …

Kapitel 22 – Emily schauderte. „Es …

Kapitel 23 – Klopf klopf klopf …

Kapitel 24 – Emily ließ einen …

Kapitel 25 – Panik ergriff Emily …

Kapitel 26 – Das Messer durchschnitt …

Alle Einzelbände der Reihe „Fear Street“ als eBook

Über den Autor

Weitere Infos

Impressum

1

Nancy kommt zurück.

Emily Casey lief ein kalter Schauer über den Rücken. Sooft sie diesen Satz auch in Gedanken wiederholte – er machte sie nervös, regte sie auf, jagte ihr Angst ein.

„Ich fürchte mich vor Nancy“, stellte sie fest. Mit fest verschränkten Armen starrte sie zum Fenster ihres Zimmers hinaus. „Ich fürchte mich vor meiner eigenen Schwester. Dabei kann ich es nicht erwarten, sie wieder zu sehen.“

Emily blickte auf die kahlen Bäume des Vorgartens. Die dunklen Äste waren dünn mit Schnee bedeckt. Das helle Sonnenlicht des späten Vormittags legte ein Schimmern auf die verschneite Erde. Das Licht war kalt.

Ein weißer Kombi voll mit Kindern rollte langsam vorbei. Der Wagen schlitterte, als er an der Ecke anhielt.

„Ist es wirklich ein ganzes Jahr her, dass ich meine Schwester zuletzt gesehen habe?“, dachte Emily. Sie fror, obwohl sie gerade heiß geduscht hatte und die Sonne warm durchs Fenster schien.

Emily versuchte sich auszumalen, wie wohl Nancy dieses Jahr verbracht hatte. Ein Jahr in einer psychiatrischen Klinik. Ein Jahr fern von zu Hause, fern von ihrer Familie. Ein Jahr mit Ärzten und psychologischen Tests und …

Emily konnte es sich nicht vorstellen.

Sie hatte ja schon genug damit zu tun, mit ihren eigenen Gefühlen klarzukommen. Schließlich hatte Nancy versucht, sie umzubringen. Vor einem Jahr hatte Emilys eigene Schwester versucht, sie zu töten.

Emily wandte sich vom Fenster ab und schaute auf die Uhr. Es war Zeit, sich anzuziehen. Nancy würde bald da sein. Emilys Mutter und Stiefvater waren losgefahren, um sie aus der Klinik abzuholen und zurück nach Shadyside zu bringen.

„So viel Schmerz, so viel Unglück“, dachte Emily seufzend.

Alles hatte damit angefangen, dass Emilys und Nancys Vater bei einem Bootsunglück gestorben war. Emily hatte keine Ahnung gehabt, dass Nancy ihr die Schuld an dem Unfall gab.

Die Mutter heiratete bald darauf Hugh Wallner. Und Nancy und Emily bekamen eine Stiefschwester in ihrem Alter und einen Stiefbruder – Jessie und Rich Wallner.

Eine große, glückliche Familie. Abgesehen davon, dass der vierzehnjährige Rich sich merkwürdig verhielt und ständig missmutig war. Dass Emily glaubte, Jessie sei boshaft und falsch. Und dass Nancy, Emilys eigene ältere Schwester und ihr größtes Vorbild … dass Nancy versucht hatte, sie umzubringen.

Eine große, glückliche Familie.

So viel hatte sich in einem Jahr verändert.

Seit Nancy fortgeschickt wurde, war Rich noch missmutiger geworden und noch verschlossener als je zuvor. Aber Emily hatte gemerkt, dass sie sich von Jessie ein falsches Bild gemacht hatte – ein völlig falsches Bild. Inzwischen waren sich die beiden näher gekommen, so nah wie richtige Schwestern.

„Und wie ist meine richtige Schwester jetzt“, fragte sich Emily, „jetzt, nachdem sie ein Jahr fort war? Ist sie jetzt vollkommen anders? Wird sie mich immer noch hassen? Wird sie noch daran denken, dass sie mich umbringen wollte?“

„Hier bin ich wieder!“, rief eine Stimme zur Tür herein.

Erschrocken wirbelte Emily herum. „Jessie …!“

Jessie zog einen großen Karton in Emilys Zimmer. Sie stöhnte. „Ich kann’s nicht fassen, dass ich jetzt wieder bei dir einziehe – nachdem ich ein ganzes Jahr lang ein eigenes Zimmer gehabt habe.“

„Und ich kann’s nicht fassen, dass du so viel Zeug hast!“, rief Emily.

Schon seit dem frühen Morgen war Jessie damit beschäftigt, ihre Sachen aus Nancys Zimmer zu räumen. „Mach eine Schublade in der Kommode für mich frei, okay?“

Ehrlich gesagt war Emily froh, dass Jessie wieder bei ihr einzog. Irgendwie fühlte sie sich dadurch sicherer.

„Sicher vor meiner eigenen Schwester“, dachte sie niedergeschlagen.

Emily zog sich das Handtuch vom Kopf, das sie sich nach dem Duschen um die nassen Haare gewickelt hatte. Sie schüttelte ihr Haar, wie es die Models im Fernsehen taten.

Doch wenn die Models das machten, legte sich ihr langes, seidiges Haar auf magische Weise wieder in die richtige Form. Emilys dickes, gelocktes, braunes Haar dagegen fiel feucht und wirr herunter. Sie blickte in den Spiegel. „Na toll“, murmelte sie stirnrunzelnd.

Emily war eigentlich ganz zufrieden mit ihrem Aussehen. Sie wünschte bloß, sie könnte etwas an ihren wilden, verrückten Haaren ändern. Und sie wünschte sich, dünner und zierlicher zu sein. „Du hast eben einen schweren Knochenbau“, so nannte es ihre Mutter.

Neben der zierlichen, schmalen, perfekt aussehenden Jessie kam sie sich immer vor wie eine Kuh.

Jessies hübsches, herzförmiges Gesicht war von gewelltem, strohblondem Haar umrahmt. Ihre blauen Augen glänzten, sie hatte eine wunderbar hohe Stirn und zarte, helle Haut. Wenn Emily sie ansah, musste sie an einen Engel aus einem alten Gemälde denken.

Emily bürstete ihr Haar, kämmte es zurück und band es zusammen. „Ich muss mich anziehen“, sagte sie laut. „Nancy kann jeden Augenblick hier sein.“ Emily blickte zu Jessie hinüber, die gerade versuchte, einen Stapel Modezeitschriften unten in ein Bücherregal zu stopfen. Jessie trug ein ausgeleiertes graues Sweatshirt und eine viel zu weite graue Jogginghose. „Was soll’s“, dachte Emily. „Jessie würde sogar in einem Müllsack gut aussehen!“

Emily zog noch einmal ihr Haar zurecht und ging zum Kleiderschrank hinüber, der nun schon von Jessies Klamotten überquoll. Sie zog ein beigefarbenes Kleid heraus, das kittelähnlich geschnitten war.

„Das willst du anziehen?“, fragte Jessie in schrillem Tonfall.

Emily ließ das Kleid wie ein Zelt über ihren Körper fallen. „Das ist mein bestes Stück“, erwiderte sie. Sie hatte es im Sonderangebot erstanden und seitdem ständig getragen. Das Kittelkleid war ungefähr fünf Nummern zu groß. Aber sie fühlte sich einfach so wohl darin.

So sicher.

Als könnte sie sich darin verstecken.

Von draußen hörte sie das Knirschen von Autoreifen auf dem Schnee. Emily blickte aus dem Fenster und sah einen blauen Honda vorbeirollen. Nicht ihre Eltern. Das grelle Sonnenlicht spiegelte sich auf der vereisten Straße.

Sie schloss die Augen und stellte sich Nancy vor. Nancys langes, seidiges, kupferrotes Haar, ihre dünne, knabenhafte Gestalt, ihre grünen Augen. Sie versuchte, sich die ältere Schwester in glücklicheren Zeiten vorzustellen. Die Nancy, mit der sie aufgewachsen war. Die Nancy, der sie vertraut hatte, auf die sie sich jederzeit verlassen konnte.

Ein ganzes Jahr ohne ihre Schwester. Keine Briefe. Keine Anrufe.

Emily versuchte, sich an Nancys Lachen zu erinnern.

„Hast du Angst?“ Jessies Stimme unterbrach ihre Gedanken.

Emily öffnete die Augen und schüttelte den Kopf. „Nein, keine Angst. Ich meine … Nancy hatte einen Nervenzusammenbruch, stimmt’s? Jetzt ist sie wieder gesund. Sonst würden die Ärzte sie nicht aus der Klinik entlassen und nach Hause schicken.“

„Genau“, stimmte Jessie zu. Sie ließ sich auf den Rand ihres Bettes fallen. „Du, Em, ich hab deine Mutter noch nie so nervös gesehen.“

„Ja. Sie war die ganze Nacht auf und hat geputzt“, sagte Emily.

„Ich hab sie auch gehört“, murmelte Jessie.

Emily blickte Jessie in die Augen. „Du warst wach? Warum? Schon wieder der Albtraum?“

Jessie nickte.

Mitfühlend schüttelte Emily den Kopf. Die arme Jessie hatte wieder von Jolie geträumt.

„Jessie hat auch ihre Probleme“, dachte Emily. „Ihre schlimmen Erinnerungen. Ihre Albträume.“

Jolie war Jessies Freundin an ihrer alten Schule gewesen. Sie war bei einem Campingausflug ums Leben gekommen. Jessie hatte sie gefunden. Und manche, die bei dem Ausflug dabei gewesen waren, beschuldigten Jessie, sie umgebracht zu haben.

„Ich dachte, ich wäre über die Sache mit Jolie hinweg“, sagte Jessie mit erstickter Stimme. „Keine Ahnung, warum ich wieder von ihr geträumt habe.“

Emily ging zu ihrer Stiefschwester hinüber und legte ihr sanft die Hand auf die Schulter. „Bestimmt wegen Nancy“, sagte sie leise. „Wir sind alle so nervös, weil Nancy nach Hause kommt. Deshalb kriegen wir Albträume.“

Die beiden umarmten sich.

Dann ging Jessie zur Kommode hinüber. Sie nahm eine schlanke, gläserne Parfümflasche zur Hand und besprühte sich Hals und Handgelenke. Ein süßer Duft von Pfirsichen und Rosen durchströmte den Raum.

„Hey, nicht so viel!“, schimpfte Emily. „Das Zeug war teuer!“

Eigentlich war es Emily egal, wie viel das Parfüm gekostet hatte. Aber ihr Freund Josh hatte es ihr geschenkt, und deshalb wünschte sie sich, dass die Flasche niemals leer wurde.

Josh hatte seine Eltern beauftragt, es von einer Parisreise für Emily mitzubringen. Das war das wunderbarste Geschenk, das sie jemals von ihm bekommen hatte. Ma chérie stand in einem zarten Schriftzug auf der Flasche.

„Das bedeutet Mein Liebling“, hatte Josh auf seiner Karte dazugeschrieben.

Jessie sprühte sich noch einmal ein. „Das nennt man Baden auf Französisch“, sagte sie und grinste Emily durch den Spiegel zu. „Man hüllt sich in eine Parfümwolke, statt zu duschen.“

Emily ballte ganz kurz die Faust zusammen. Jessie brauchte die halbe Flasche auf!

Plötzlich erinnerte sie sich, dass es nicht gerade die einfachste Sache der Welt gewesen war, sich mit Jessie ein Zimmer zu teilen. Aber sie biss sich auf die Zunge und sagte lieber nichts. So kurz vor Nancys Ankunft wollte sie keinen Streit vom Zaun brechen.

„Hast du schon alles aus Nancys Zimmer geräumt?“, fragte Emily und atmete den süßen Parfümduft ein.

Endlich stellte Jessie die Flasche zurück. „Ich geh noch mal nachsehen.“

Einen Augenblick später kam sie mit einem Schwan aus Bleikristall wieder. „Schau mal, was ich vergessen hatte: Grace.“

Der gläserne Schwan war das Liebste, was Jessie besaß. Sie hing sehr daran, weil er sie an glückliche Zeiten erinnerte. Vor vier Jahren hatte sie ihn von ihrer Mutter geschenkt bekommen, zu ihrem dreizehnten Geburtstag.

Vor der Scheidung ihrer Eltern. Vor Jolies Tod.

Jessie hatte den Schwan Grace getauft. „Weil er das graziöseste Geschöpf ist, das ich je gesehen habe“, erklärte sie.

„Dieser gläserne Schwan ist wirklich wunderschön“, dachte Emily. Das Kristall fing das Licht der Wintersonne ein und warf es in den Farben des Regenbogens auf den Teppich.

„Wo soll ich Grace hinstellen?“, fragte Jessie und ließ ihren Blick durch das voll gestopfte Zimmer schweifen.

„Vielleicht auf die Kommode“, schlug Emily vor. „Sie sieht bestimmt wunderschön aus neben der Parfümflasche.“

„Genau“, stimmte Jessie zu. Vorsichtig und mit beiden Händen trug sie den Schwan zur Kommode hinüber.

Auf einmal drang ein Schrei aus dem Hausflur hinauf. Jessies Hände flogen in die Luft.

Emily sah, wie der Schwan zu Boden fiel und ihm der Kopf abbrach.

Sie sah, wie der zarte, gläserne Körper zersprang, während der schrille Schrei immer lauter wurde.

2

Emily starrte hinab auf die glitzernden Scherben zu Jessies Füßen. „Rühr dich nicht von der Stelle!“, rief sie. „Du bist barfuß!“

Mit einem Mal platzte Rich herein. „Du bist so widerlich!“, brüllte er Emily an.

Emily starrte ihren Stiefbruder an. Normalerweise hatte er die gleiche helle Haut wie Jessie. Doch jetzt war er hochrot vor lauter Wut und Schmerz. Er ließ einen weiteren frustrierten Schrei los, ein lautes, tierisches Gebrüll.

„Du miese Kröte! Du verdammte, miese Kröte!“, fuhr er Emily an.

„Ich?“, rief Emily. „Was hab ich denn getan?“

„Du Kröte – du hast gepetzt!“

„Gepetzt?“

Emily wandte sich Hilfe suchend an Jessie. Sie hatte sich hingekniet und sammelte vorsichtig die Bruchstücke des gläsernen Schwans vom Boden auf. „Du bist ein Vollidiot, Rich“, knurrte Jessie verärgert. „Schau, was du angerichtet hast!“

Rich beachtete sie nicht. Er stürmte auf Emily zu. „Dad hat mir Hausarrest gegeben wegen der Party ges-tern Abend. Das hab ich dir zu verdanken.“ Er zeigte mit dem Finger auf Emily.

Die Party. Bei Steve Arnold. Steves Eltern waren übers Wochenende weggefahren. Deshalb hatte er ein paar Freunde eingeladen. Und diese Freunde hatten ein paar von ihren Freunden mitgebracht und … Das Ganze hatte sich rasch zu einer ziemlich wilden und lautstarken Party entwickelt.

Emily und Josh waren auch eine Weile dort gewesen. Aber als bis um zehn Uhr keiner von ihren Freunden aufgetaucht war, hatte Emily Josh überredet zu gehen.

Auf dem Weg zur Tür hatten sie Rich und ein paar seiner Freunde in der Küche gesehen. Einer von ihnen hatte im Kühlschrank eine Sechserpackung Bier entdeckt und eine Dose an Rich weitergereicht. Emily hatte nicht erkennen können, ob Rich sie ausgetrunken hatte oder nicht.

„Ich hab dich nicht verraten“, antwortete sie. „Keine Ahnung, wie Dad herausgefunden hat …“

„Ach, komm!“ Rich schnitt ihr das Wort ab. „Lüg doch nicht! Du warst schließlich dort. Du hast mich gesehen. Und das Nächste, was passierte, war, dass Dad mir Hausarrest gegeben hat. Ich kann doch eins und eins zusammenzählen.“

„Wie erstaunlich!“, mischte sich Jessie ein. „Mathe muss dein stärkstes Fach sein!“ Sie warf die Glasscherben in den Papierkorb unter Emilys Schreibtisch.

„Vielleicht kannst du den Schwan wieder zusammenkleben“, sagte Emily zu ihr.

„Nein. Es sind zu viele Teile“, erwiderte Jessie und blickte zu ihrem Bruder hinüber.

„Rich, ich schwör’s dir“, sagte Emily, „ich hab deinem Vater kein Wort erzählt.“

„Du Lügnerin!“, entgegnete Rich heftig. „Es ist unglaublich. Ich hab Hausarrest! Ich sitze fest!“

„Oh, wie entsetzlich!“, antwortete Jessie. „Jetzt kannst du einen Abend mal nicht mit deinen dämlichen Freunden weggehen.“

„Einen Abend?“ Rich stieß ein schrilles Lachen aus. „Das denkst du! Dad hat mir sechs Wochen Hausarrest gegeben. Weißt du, was das bedeutet? Meine Freunde und ich können Die Nacht der tanzenden Augäpfel nicht zu Ende drehen!“

„Oh Schreck, welch ein Verlust!“, rief Jessie sarkastisch.

Rich wirbelte herum. „Halt die Klappe, du Miststück!“

Emily fand, dass Jessie Recht hatte. Der Horrorfilm, den Rich und seine Freunde drehten, war wirklich ziemlich blöd. Emily hatte eine Szene daraus gesehen, die sie vor ihrem Haus aufgenommen hatten. Aber Rich war förmlich besessen davon.

Emily versuchte, ihren Ärger zu unterdrücken. „Es tut mir Leid, Rich. Aber ich hab keine Ahnung, wer es deinem Vater erzählt hat.“

„Hör mal zu, Rich“, sagte Jessie, „statt dir den Kopf darüber zu zerbrechen, wer es herumposaunt hat, solltest du dich lieber ein bisschen zusammenreißen. Benimm dich doch nicht wie ein Kleinkind. Dann wird Dad dich auch nicht so lange einsperren.“

Rich beachtete seine Schwester nicht. Drohend ging er noch einen Schritt auf Emily zu und starrte sie wütend an.

Instinktiv wich Emily zurück und ging in Habachtstellung. Sie war sehr empfindlich geworden nach allem, was letztes Jahr geschehen war.

„Das zahl ich dir heim“, knurrte Rich mit bebender Stimme. „Das zahl ich dir heim, Emily! Ich hab diese dämliche Familie nie gewollt. Ich zahl dir heim, dass du mir mein Leben verpfuscht hast!“

Er stapfte davon und knallte die Tür hinter sich zu.

Emily ließ sich auf den Rand ihres Bettes fallen. Jessie hockte sich neben sie.

Keine von beiden sagte ein Wort. „Der Tag fängt ja gut an“, dachte Emily. „Ausgerechnet dieser Tag.“

„Ich hab ihn nicht verpetzt“, sagte sie.

„Ich weiß.“

„Du weißt es?“ Emily schaute Jessie überrascht an. Plötzlich machte sich ein quälender Verdacht in ihr breit. „Woher?“, fragte sie stirnrunzelnd.

Jessie wurde rot. „Weil … Immer wenn Rich sich einer Sache völlig sicher ist, dann ist er garantiert auf dem Holzweg.“

„Dein Bruder ist wirklich seltsam“, murmelte Emily und starrte zu Boden.

„Alle Vierzehnjährigen sind seltsam“, erwiderte Jessie.

Emily blickte zur Tür hinüber. Mit gedämpfter Stimme fragte sie: „Hast du mal die Videos gesehen, die er sich ausleiht? Diese Clive-Barker-Filme? Wenn ich mir die anschauen würde, könnte ich nachts nicht mehr schlafen.“

„Er schläft ja auch nicht“, meinte Jessie. „Er hockt immer im Fernsehzimmer und schaut in die Röhre.“

„Und dieser merkwürdige Cyberpunk-Kram, den er immer liest“, fügte Emily hinzu. „Der macht ihn total verrückt.“

Jessie grinste sie an, doch Emily war immer noch ganz außer sich.

„Was ist denn?“, fragte Jessie.

„Ich weiß nicht. Ich hab das Gefühl, er fängt jetzt an zu überlegen, wie er mich umbringen kann oder so. Du hast ja gehört, was er gesagt hat: , Das zahl ich dir heim!‘ Ich kann das nicht ertragen, Jess. Wirklich nicht.“

„Keine Sorge, das meint er nicht so“, versicherte ihr Jessie. „Er ist eben auch ziemlich angespannt. Du weißt schon, wegen Nancy.“

„Vielleicht hat sie Recht“, dachte Emily. „Vielleicht rege ich mich deshalb so sehr über Richs Drohungen auf. Weil Nancy nach Hause kommt.“

Jessie stand auf.