Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Bleierne Hitze liegt über der Stadt. Zum Glück hat Lindsay einen Job als Lifeguard im Ferienclub ergattert. Jede freie Minute verbringt sie am Wasser. Bis eines Tages der Albtraum beginnt: Lindsay sieht ein Mädchen leblos im Pool treiben. Doch als sie am Beckenrand ankommt, ist dort nichts als Wasser. Kein Hilferuf, kein ausgestreckter Arm. Tag für Tag wiederholt sich diese Szene. Und Lindsay ist sich sicher: Sie wird verrückt. Mit den Horror- und Thriller-Büchern aus der Fear Street schuf Bestsellerautor R.L. Stineeine Reihe, die inzwischen zu den Klassikern derHorrorliteratur für Jugendliche zählt. Seit über 20 Jahren gibt es seine Geschichten schon auf Deutsch und seitdem begeistern sie gleichermaßen Jungs und Mädchen ab 12 Jahren und alle Fans von Gruselgeschichten. Ab 2021 zeigt Neflix den Klassiker Fear Street als Horrorfilm-Reihe!
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 164
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Kapitel 1 – Hallo, Terry. Hier …
Kapitel 2 – Ich hatte in …
Kapitel 3 – Als der Regen …
Kapitel 4 – War das peinlich! …
Kapitel 5 – „Was läuft hier …
Kapitel 6 – Damit hatte sie …
Kapitel 7 – Als die Tür …
Kapitel 8 – Hi, Terry. Wie …
Kapitel 9 – Wir hatten jede …
Kapitel 10 – Wir alle drehten …
Kapitel 11 – Am anderen Tischende …
Kapitel 12 – Sie haben mich …
Kapitel 13 – „Autsch!“ Behutsam berührte …
Kapitel 14 – „Hilfe. Bitte, helft …
Kapitel 15 – „Helft mir doch …
Kapitel 16 – Starr vor Entsetzen …
Kapitel 17 – Was hatte Lindsay …
Kapitel 18 – Hallo, Terry. Ich …
Kapitel 19 – Der Tag, nachdem …
Kapitel 20 – Ich musste mich …
Kapitel 21 – Ich saß da …
Kapitel 22 – Die Frau ließ …
Kapitel 23 – Ich muss stundenlang …
Kapitel 24 – „Das muss ein …
Kapitel 25 – Hi, Terry. Ich …
Kapitel 26 – „Hey, Arnie – komm …
Kapitel 27 – Ich hielt es …
Kapitel 28 – Am nächsten Nachmittag …
Kapitel 29 – Beim Abendessen herrschte …
Kapitel 30 – Ich drehte mich …
Kapitel 31 – „Wer ist da?“ …
Kapitel 32 – Innerhalb von wenigen …
Kapitel 33 – Hi, Terry. Ich bin’s …
Kapitel 34 – Ich musste von …
Kapitel 35 – Der Wagen brach …
Kapitel 36 – Ich machte mir …
Kapitel 37 – Danny und Spencer …
Kapitel 38 – In meinem Kopf …
Kapitel 39 – „Was?“, keuchte ich …
Kapitel 40 – Ich verstand immer …
Kapitel 41 – „Mouse, warte!“, schrie …
Kapitel 42 – Ertrinken … Mein Körper …
Alle Einzelbände der Reihe „Fear Street“ als eBook
Über den Autor
Weitere Infos
Impressum
– Mouse –
Hallo, Terry. Hier ist Mouse.
Ja, ich bin’s. Mouse.
Bist du überrascht?
Da ist so ein komisches Rauschen in der Leitung. Kannst du mich verstehen?
Wie geht’s dir denn so, Terry?
Ich weiß, dass du nicht reden kannst. Also hör mir einfach zu. Das tust du doch, nicht wahr?
Hey, Terry, weißt du was?
Ich habe den Test bestanden!
„Welchen Test?“, fragst du.
Den Bluttest. Haha.
War nur ein Witz, Terry. Ich hab den Test für die Rettungsschwimmer bestanden. Wirklich! Kannst du dir das vorstellen, Terry? Ich und Rettungsschwimmer!
Hat lange gedauert, was? Aber ich hab’s geschafft.
Na komm schon, Terry. Du weißt doch, dass ich alles tun würde, um Rettungsschwimmer zu werden – sogar töten.
Also hab ich’s gemacht. Echt. Ich hab einen von ihnen umgebracht. Haha.
Warum ich dir das erzähle?
Weil du mich nicht verpfeifen kannst, Terry.
Haha. Verstanden? Rettungsschwimmer? Verpfeifen? Du hattest doch schon immer Sinn für Humor. Genau wie ich. Deswegen sind wir auch so gute Freunde, was?
Ich weiß, dass du mir nicht antworten kannst, Terry.
Ich weiß, dass du tot bist.
Sonst würde ich ja hier nicht mit dem Freizeichen quatschen. Ich höre nämlich das Tuten.
Hey, ich bin nicht verrückt. Das denkst du doch nicht von mir, oder?
Natürlich ist mir klar, dass du tot bist, Terry. Und ich weiß auch, warum.
Wegen der Rettungsschwimmer.
Und deswegen werde ich sie töten. Einen nach dem anderen.
Ich tue es für dich, Terry. Nur für dich. Mouse lässt seine Freunde nicht im Stich.
Auch wenn du tot bist, bist du immer noch mein Freund, Terry. Und du wirst auf ewig mein Freund bleiben.
Ich muss ständig an letzten Sommer denken. Und an den davor. Ich kann einfach nicht damit aufhören. Selbst wenn ich es wollte. Und deswegen ist mir auch klar, dass ich die Rettungsschwimmer töten muss.
Ja. Ich weiß, dass du mir nicht danken kannst. Mach dir deshalb keine Sorgen.
Glaubst du etwa, ich würde das Freizeichen nicht hören? Ich habe gute Ohren. Natürlich höre ich es.
Ich ruf dich wieder an. Aus dem Freizeitklub oben in North Beach.
Ja, klar, Terry, du bist tot. Du musst mich nicht daran erinnern. Ich bin nämlich nicht verrückt. Kein bisschen.
Ich muss los. Bis dann, okay?
Tschüss, Terry. Pass gut auf dich auf.
Ich kümmere mich um alles andere.
– Lindsay –
Ich hatte in solcher Eile gepackt, dass ich ganz vergessen hatte, die Sonnencreme einzustecken.
Das fiel mir plötzlich ein, als ich die vier Blocks von der Bushaltestelle bis zum Eingangstor lief. Es ist schon komisch, was einem manchmal so durch den Kopf geht.
Was hatte mich bloß auf Sonnencreme gebracht? Das Wetter bestimmt nicht. Ich blickte zu den dunklen Sturmwolken auf, die tief am Himmel hingen. In einiger Entfernung war Donnergrollen zu hören und der böige Wind fühlte sich kühl und feucht an.
„Ich hoffe, das Gewitter zieht schnell vorbei“, dachte ich. „Morgen ist der Eröffnungstag. Da möchte ich auf meinem Ausguck sitzen und mich in der Sonne aalen.“
Ich ließ meinen schweren schwarzen Seesack zu Boden fallen und warf einen Blick auf das Schild am Tor. NORTHBEACH-FREIZEITKLUB stand darauf.
„Da wären wir also, Lindsay“, sagte ich zu mir. „Bereit für den nächsten Sommer als Rettungsschwimmerin.“
Ich rieb mir durch das T-Shirt meine schmerzende Schulter. Der Seesack war ganz schön schwer. Ich hatte praktisch meinen gesamten Kram reingestopft. Bis auf die Sonnencreme.
Wo war ich bloß mit meinen Gedanken gewesen?
Wahrscheinlich bei dem Sommer, der vor mir lag. Wieder in der Unterkunft der Rettungsschwimmer zu wohnen – zusammen mit sieben oder acht anderen Leuten –, das musste einfach super werden! Den ganzen Sommer lang Party!
Das Eingangstor zum Freizeitklub war mit einem Vorhängeschloss gesichert. Ich musste meinen Krempel also zum Seiteneingang schleppen. Das nächste Donnergrollen – diesmal schon um einiges näher – machte mir klar, dass ich mich lieber beeilen sollte.
Durch den hohen Maschendrahtzaun warf ich einen Blick auf das Klubhaus. Unter dem sich immer mehr verdunkelnden Himmel wirkte es düster und abweisend.
Das Klubhaus war ein lang gezogenes, einstöckiges Holzgebäude, das wahrscheinlich wie eine Jagdhütte aussehen sollte, nur ungefähr hundertmal größer. Die Fenster starrten mich wie leere dunkle Augen an.
Hinter dem Haus entdeckte ich den Swimmingpool – auf der unbewegten Wasseroberfläche spiegelte sich der graue Himmel. Dahinter lagen die Tennisplätze.
Das kleine Gästehaus, in dem die Rettungsschwimmer untergebracht waren, konnte man von hier aus nicht sehen, weil es von einem Flügel des Klubhauses verdeckt wurde.
Ein Blitz zuckte knisternd über meinen Kopf hinweg und ein Donnerschlag ließ mich erschrocken zusammenfahren.
Ich wuchtete mir den Seesack über die Schulter und machte mich auf den Weg zum Seiteneingang.
Die dunklen Wolken ballten sich immer höher zusammen. Um sie herum verfärbte sich der Himmel schwefelgelb und strahlte ein seltsames Licht aus. Das Gras, der Zaun, das Klubhaus – alles nahm einen unwirklichen Farbton an.
„Beeil dich, Lindsay“, trieb ich mich an. „Du willst ja wohl nicht aussehen wie ein durchnässter Straßenköter, wenn du die anderen kennenlernst.“
Die dicken Sohlen meiner alten Turnschuhe quietschten über das Pflaster, als ich, unter dem Gewicht des Seesacks gebeugt, zu rennen begann.
Plötzlich wünschte ich mir sehnlichst einen Spiegel. Ich war so überstürzt von zu Hause aufgebrochen, dass ich nicht mal die Zeit gehabt hatte, einen Blick auf meine Frisur zu werfen. Hatte ich mich überhaupt gekämmt?
Während ich lief, fuhr ich mir mit einer Hand durch die Haare. Sie sind kurz, glatt und blond und fallen meistens genau so, wie sie sollen. Aber ich mache mir trotzdem ständig Sorgen, ob sie richtig sitzen.
Eigentlich sehe ich ganz gut aus. Ich meine, ich bin nicht schön oder so. Dafür ist meine Nase zu stupsig und mein Gesicht zu rund. Die meisten Leute finden mich niedlich, aber damit kann ich leben.
Ich spürte einen kalten Regentropfen auf meiner Stirn. Als ich aufblickte, sah ich, dass die dunklen Wolken den Himmel jetzt völlig bedeckten. Obwohl es erst Nachmittag war, kam ein Auto mit eingeschalteten Scheinwerfern auf mich zu.
Ich schützte meine Augen vor dem grellen Licht, bis der Wagen vorbei war. Dann lief ich weiter zum Seiteneingang.
Der hohe Maschendrahtzaun wackelte im Wind und gab dabei ein vibrierendes Geräusch von sich – eine Art gleichmäßiges Summen. Durch den Zaun erblickte ich das Gästehaus. Es sah aus wie eine kleinere Ausgabe des Klubhauses, an dessen einem Ende es angebaut war.
Ganz in der Nähe erstreckte sich der Swimmingpool. Ich konnte es sogar spritzen sehen, wenn Regentropfen auf die Wasseroberfläche fielen. Im Gästehaus brannte Licht und in einem der Fenster zeichnete sich der Hinterkopf eines Jungen ab. Der Junge hatte rote Haare. Sein Kopf bewegte sich beim Reden auf und ab.
„Wer ist das?“, fragte ich mich. „Und wer sind wohl die anderen Rettungsschwimmer in diesem Jahr? Ob ich einige von ihnen noch vom letzten Sommer her kenne?“
Ich spürte den nächsten Regentropfen in meinem Nacken. Und dann einen auf der Schulter. Sogar durch mein Baumwoll-T-Shirt hindurch fühlte er sich kühl an.
Endlich war ich am Seiteneingang angekommen: Ich versuchte, das Tor zu öffnen.
Es war verschlossen.
Ich rüttelte daran. Ein lauter Donnerschlag verschluckte das klappernde Geräusch und die Erde schien zu beben.
Dann begann der Regen, auf das Pflaster zu trommeln. In der Luft hing der bittere, leicht säuerliche Geruch, der sich immer kurz vor einem Gewitter einstellt. Es blies ein scharfer Wind.
Ich wünschte, der rothaarige Junge würde sich umdrehen und mich bemerken. Vielleicht würde er dann nach draußen laufen und mich hereinlassen.
Wieder rüttelte ich am Tor. In diesem Moment fiel mir meine Ausweiskarte ein. Der Klub hatte sie mir zugeschickt, nachdem sie meine Bewerbung angenommen hatten. Auf der Karte war mein Foto. Kein sehr gutes übrigens. Es war verwackelt und zeigte mich mit meiner alten Frisur – die Haare länger und über die Schulter zurückgeworfen.
Man hatte mir geschrieben, dass ich die Karte nur durch den Schlitz des Lesegeräts am Tor ziehen müsste, dann würde sich das elektronisch gesteuerte Schloss öffnen.
Hastig setzte ich meinen Seesack ab, öffnete den Reißverschluss und suchte nach meinem Portemonnaie. Ich wusste, dass ich es ziemlich weit nach oben gepackt hatte.
Der Regen strömte jetzt gleichmäßig herab und prasselte in großen Tropfen auf das Pflaster. Mein Haar war inzwischen klatschnass, mein T-Shirt total durchweicht.
Ich wühlte herum, bis ich mein rotes Portemonnaie fand, und nahm die Plastikkarte heraus.
Wieder fuhr ein Wagen die Straße entlang und erfasste mich für einige Sekunden mit seinen Scheinwerfern. In ihrem Licht suchte ich nach dem Lesegerät für die Ausweiskarte.
Der Junge im Fenster des Gästehauses bewegte sich. Neben ihm tauchte ein anderer Junge auf, der mir ebenfalls den Rücken zuwandte.
Schließlich entdeckte ich das Kästchen, das ungefähr in Brusthöhe am Zaun neben dem Tor befestigt war. Auf der Vorderseite blinkte ein winziges rotes Lämpchen. Ich zog meine Karte durch den Schlitz und wartete auf das summende Geräusch.
Nichts passierte.
Der Regen wurde noch heftiger. Die dicken Tropfen platschten lautstark auf den Boden.
„Mist, ich werde ja klitschnass“, dachte ich.
Genervt startete ich einen zweiten Versuch, die Karte durch den Schlitz zu ziehen.
Immer noch nichts.
Ich drehte die Karte um und probierte es von der anderen Seite. Das rote Lämpchen blinkte gleichmäßig vor sich hin. Aber das Tor öffnete sich nicht.
Ich stieß ein frustriertes Stöhnen aus. „Was ist nur mit diesem blöden Tor los?“, fragte ich mich.
Der Regen wurde immer stärker. Der Wind blies ihn in dichten Schleiern gegen das Haus. Inzwischen war ich völlig durchnässt. Wütend rüttelte ich am Tor.
Ich konnte die beiden Jungen im Fenster des Gästehauses deutlich sehen.
„Hey, kann mich irgendjemand hören?“, rief ich. „Hallo!“
Meine Stimme wurde vom Wind verweht und durch den prasselnden Regen gedämpft.
„Hey, lasst mich rein!“, rief ich noch einmal.
Während ich so durch den Zaun starrte, blieb mein Blick an etwas hängen.
Dort, in einer Ecke des Swimmingpools. Was war das?
Ich kniff die Augen zusammen und versuchte, durch den dichten Regenschleier etwas zu erkennen.
Es verschlug mir den Atem, als ich begriff, dass es ein Mädchen war. Sie trieb mit dem Gesicht nach unten im Pool. Ihr blondes Haar trieb auf der unruhigen Wasseroberfläche und ihre bleichen Arme waren reglos zur Seite gestreckt.
Ein Mädchen. Ein Mädchen in einem blauen Badeanzug.
Ertrunken.
Ich umklammerte den kalten Zaun, streckte mein Gesicht dem Regen entgegen und stieß einen schrillen Entsetzensschrei aus.
– Danny –
Als der Regen anfing, saßen wir alle im Gemeinschaftsraum und alberten herum. Cassie Harlow schrie entsetzt auf, als es direkt vor dem Gästehaus donnerte. Sie ist die Kleine mit dem tollen Körper, den großen braunen Augen und der weißblonden Mähne.
Es ist gar nicht so leicht, sich die vielen Namen zu merken, weil wir alle neu im Klub sind. Aber da ich nun mal der Chef der Rettungsschwimmer bin – der Big Boss sozusagen –, hab ich mir gedacht, es wäre keine schlechte Idee, mir alle Namen sehr schnell einzuprägen und dafür zu sorgen, dass sich alle wohlfühlen.
Jedenfalls überhäuften wir Cassie wegen ihrer Angst vor Gewittern mit guten Ratschlägen. „Nein, nein, ich bin nur erschrocken“, protestierte sie mit ihrer leisen, aufregenden Stimme.
Aber als der nächste Donnerschlag die Fensterscheiben erzittern ließ, quietschte Cassie wieder los. „Okay, okay. Ich mag nun mal keine Gewitter“, gab sie verlegen zu und zupfte nervös mit beiden Händen an einer Haarsträhne.
Wir lachten uns alle schlapp und Arnie Wilts – so ein magerer, kleiner Kerl – sagte, er ginge gern bei Gewitter schwimmen. Das würde ihn total unter Strom setzen.
Alle stöhnten. Ich hoffte, dass Arnie kein allzu großer Schwachkopf war. Immerhin musste ich den ganzen Sommer mit ihm verbringen. Keine Ahnung, wie viele blöde Scherze von dieser Sorte ich ertragen konnte, bevor ich ihn in den Pool warf und seinen Kopf für fünf oder zehn Minuten unter Wasser tauchte!
Ich lehnte mich gegen das Fensterbrett. Hinter meinem Rücken trommelte der Regen gegen die Scheibe. Unauffällig ließ ich meinen Blick durch den Raum wandern.
„Die Mädchen sind echt spitze“, dachte ich lächelnd.
Cassie war der absolute Knaller. Und die in den pinkfarbenen Shorts und dem nabelfreien blauen Top – Deirdre Webb – war auch nicht von schlechten Eltern. Ihre kurzen, glatten schwarzen Haare hatten einen seidigen Glanz. Normalerweise stehe ich ja auf Mädchen mit längeren Haaren, aber Deirdre hatte absolut irre hellblaue Augen.
Die Große in der Ecke, May-Ann Delacroix – wie immer man das ausspricht –, war auch nicht zu verachten. Sie hatte kurzes Haar, dessen Farbe an Kastanien erinnerte, und kühle dunkle Augen. Sie wirkte eher ruhig und zurückhaltend. Wahrscheinlich war sie ein bisschen schüchtern.
Aber zu ihr würde ich auch nicht Nein sagen.
Wow, Leute – das konnte ein heißer Sommer werden!
„Wie kommt es eigentlich, dass du Chef der Rettungsschwimmer geworden bist, Danny?“, fragte Arnie grinsend. „Hast du einen Wettbewerb gewonnen oder so?“
„Quatsch“, erwiderte ich. „Ich hab einen Wettbewerb verloren!“
Die anderen fanden das furchtbar komisch.
Arnie setzte an, um etwas zu sagen. Dabei grinste er, als wollte er gleich den nächsten blöden Witz loslassen.
Aber Phil ließ ihn nicht zu Wort kommen. „Hey, Danny, ist da vielleicht ’n Schluck Bier im Kühlschrank?“
Phil sah aus wie ein typischer Rettungsschwimmer. Groß und muskulös, wie er war, hätte er sofort bei Baywatch einsteigen können. Er machte offensichtlich Fitnesstraining und hatte einen perfekten Körper. Außerdem war er schon ziemlich braun, obwohl der Sommer gerade erst angefangen hatte.
Bei Phil dachte man sofort an den netten amerikanischen Jungen von nebenan. Er hatte lockige blonde Haare, dunkle Augen mit Lachfältchen drum herum und ein breites, freundliches Lächeln. Er sah ein bisschen aus, als hätte er sich in seinem ganzen Leben noch nie ernsthaft über etwas Sorgen machen müssen. Aber man konnte ja nie wissen.
Jedenfalls musste man ihn einfach gernhaben. Er war echt cool.
Phil, der sich neben Cassie auf der Ledercouch breitgemacht hatte, trug ein rotes Tuch um die Stirn. Sollte wohl der Piraten-Look sein.
Ich trat vom Fenster weg und wollte ihm gerade einen Vortrag darüber halten, dass Bier in der Unterkunft der Rettungsschwimmer streng verboten ist, als ich von einem schrillen Schrei unterbrochen wurde.
Ich klappte den Mund wieder zu und fuhr herum.
Es klang, als wäre er von draußen gekommen.
Zuerst dachte ich, es wäre das Gewitter. Der Wind oder so. Vielleicht hatte sich ja auch eine Katze im Zaun verfangen.
Aber dann hörte ich wieder einen Schrei. Und diesmal klang er eindeutig menschlich.
Ich stieß gegen Arnie, der bereits aus dem beschlagenen Fenster starrte. Nachdem ich mit der Hand über die Scheibe gewischt hatte, um besser sehen zu können, entdeckte ich draußen eine Gestalt. Ein Mädchen. Auf der anderen Seite des Zauns.
Sie schrie wie eine Verrückte.
Der Regen war zu laut, als dass man ihre Worte hätte verstehen können. Aber sie klang ziemlich fertig mit den Nerven.
„Was ist denn los?“, fragte Cassie.
„Wer ist da draußen?“, wollte Deirdre wissen und drängte sich zwischen Arnie und mich, um aus dem Fenster zu schauen. „Wer ist die denn?“
Arnie und ich rasten zur Tür und in den strömenden Regen hinaus. Es schüttete aus Kübeln. Blitze zuckten knisternd über den Himmel. Als ich mit meinen Turnschuhen in eine Pfütze stieg, spürte ich das kalte Wasser bis über meine Knöchel.
Das Mädchen schrie und zeigte auf irgendetwas. Ich konnte kein Wort verstehen. Der Regen war einfach zu laut. Das war ja ein richtiges Unwetter!
Arnie rannte ein kleines Stück vor mir. Unter unseren Füßen spritzte das Wasser nur so auf und der Regen lief mir von der Stirn in die Augen. Ich musste sie zusammenkneifen, um das Mädchen erkennen zu können.
Sie war völlig durchnässt. Ihr kurzes blondes Haar lag wie ein Helm am Kopf an. Sie schien völlig außer sich zu sein.
„Was ist los?“
Sie rief mir etwas zu und zeigte hinter mich.
Ich war schon fast am Tor, als ich ihre Worte endlich verstand: „Ein Mädchen! Ein Mädchen ist im Pool ertrunken! Dahinten!“
„Was?“ Im ersten Moment konnte ich gar nicht reagieren. Wahrscheinlich war ich durch den Schock wie betäubt. Ich starrte das Mädchen am Tor nur mit offenem Mund an.
„Sieh doch! Dahinten, im Pool!“, schrie sie noch einmal.
Endlich konnte ich mich wieder rühren. Ich versuchte, mir das Regenwasser aus den Augen zu wischen.
Ich drehte mich um, beschattete mit einer Hand meine Augen und rannte zum Swimmingpool.
Mein Herz hämmerte wie verrückt. Ein paar Mal wäre ich fast auf dem feuchten Pflaster ausgerutscht und hingefallen. „Wer könnte denn hier ertrunken sein?“, fragte ich mich. Der Klub war doch noch geschlossen.
Die Schreie des Mädchens hinter mir gingen jetzt wieder im gleichmäßigen Rauschen des Regens unter.
Wenige Sekunden später erreichte ich schwer atmend den Pool. Ich holte tief Luft und schaute in das Becken.
Während ich die Regentropfen wegblinzelte, suchte ich mit meinen Blicken den Pool ab.
Es war niemand zu sehen. Keine Menschenseele.
– Lindsay –
War das peinlich!
Am liebsten wäre ich vor Scham im Boden versunken.
Ausgerechnet so mussten die anderen Rettungsschwimmer mich kennenlernen. Durchnässt bis auf die Haut. Ein nasses, zitterndes Häuflein Elend.
Als Danny, der Rothaarige, und Arnie, der Kleine, Magere, mich in den Gemeinschaftsraum führten, rang ich immer noch keuchend nach Luft. Mein Hals fühlte sich ganz wund an vom Schreien.
Am liebsten hätte ich mich in Luft aufgelöst. Oder mich in eine Pfütze Regenwasser verwandelt.
Das T-Shirt klebte mir am Körper, meine Haare waren an den Kopf geklatscht und meine Turnschuhe waren voller Wasser. Ich setzte meinen Seesack ab. Als er den Boden berührte, gab es ein quietschendes Geräusch.
Eines der Mädchen, eine Große mit kurzen rötlich braunen Haaren, nannte mir ihren Namen. May-Ann Delacroix. Dann stürmte sie los, um mir ein Handtuch zu holen.
Aber ich wollte kein Handtuch. Ich wollte ein Loch, ein tiefes Loch, in dem ich versinken konnte. Einen Platz, um mich zu verstecken. Am besten für immer.
„Was ist passiert?“
„Warum hast du geschrien?“
„Warst du ausgesperrt?“
„Was hast du gesehen?“
„Was hast du da draußen eigentlich gemacht?“