Feier der Töne - Siegfried Carl - E-Book

Feier der Töne E-Book

Siegfried Carl

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Beschreibung

"Siegfried Carl steht in einer langen und fruchtbaren Tradition von Dichtern, die zur Musik schreiben, über Musik sowie die Wirkungen und Gefühle, die Musik zu erreichen, anzusprechen und auszulösen in der Lage ist. Und er platziert sich damit in durchaus prominenter Gesellschaft. Seine im vorliegenden Band versammelten Gedichte sind in einem Zeitraum von mehreren Jahrzehnten entstanden und allesamt in Verbindung mit - eher mehr als weniger - bekannten Musikstücken; sie ließen sich von diesen inspirieren, kommentieren und reflektieren sie - und sind dabei auf einen ganz konkreten praktischen Gebrauch hin ausgerichtet. Der Leser möge sie laut lesen, und ganz ausdrücklich mögen sie (auch) im aktuellen Musik- und Konzertrepertoire als Zutat zum musikalischen Vortrag benutzt werden: als gesprochene Zwischentexte oder als begleitender, vertiefender und anregender Lesestoff im Programmheft." so der Musikwissenschaftler und -herausgeber Guido Johannes Joerg in seinem Nachwort "... und alles ward ..." des Lyrikbandes "Feier der Töne". Rhythmus und Klang sowie großenteils formale Strenge - vom antiken (elegischen) Distichon über Stanzen und Sonette bis hin zu unterschiedlichen strophischen und freirhythmischen Formen - zeichnen diese Lyrik aus. Sie entführt in musikalischen Klangwelten und verbindet die durch Musik ausgelösten Emotionen mit den sprachlich vermittelten Phantasiewelten - lyrisch beredte Musik-Interpretation und Komponisten-Annäherung. Das hier wieder abgedruckte "Aschenputtel" hat es in den 1990ern vom Abendprogramm des Theaters Bremerhaven bis in ein Schulbuch des Schöningh-Verlages gebracht - es wartet darauf, künstlerisch bunt bebildert für junge und ältere Menschen herausgegeben zu werden.

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zumeist laut zu lesen…

Inhalt

Anstatt eines Vorwortes

Aschenputtel zu Sergej Prokofjews Ballettmusik „Soluschka“

Zoologische Fantasie zu Camille Saint-Saëns: „Le carnaval des animaux“

Die vier Jahreszeiten zu Antonio Vivaldi

„So nette Jahreszeiten“ oder „Die Quadratur des Jahreskreises“ zu Joseph Haydns Oratorium: „Die Jahreszeiten“

„… und Apoll weint“ Frédéric Chopin zum 200sten Geburtstag

Der Kuss der Musen Franz Liszt zum 200sten Geburtstag

Planeten antikisch – 6°x{[7x(3x2)]+[3x(3x2)]}=10x36°=360° zu Gustav Holsts Orchestersuite: „The Planets“

Vermischtes Richard Wagner, Gioachino Rossini, Igor Strawinsky und Sergej Prokofjew

… und alles ward … Nachwort von Guido Johannes Joerg

Überschriften der Zyklen und Einzelgedichte

Zum Autor

Anstatt eines Vorwortes

memento mori IV

Oh, welcher Frevel,

nur weil dir

Gesang gegeben,

weil Tier und Baum

und Stein von ihm betört,

ja selbst die Götter,

hast ins Leben du

zurückgeführt Eurydike.

Doch ist die Liebe

stärker als der Tod,

nicht als das Leben,

dem sie ganz verfallen ist:

du hast dich umgeschaut.

An Friz

Wenn Orpheus sang,

schwieg alle Kreatur,

und alles ward Gesang.

In dem Geschwätz der Zeit

sind nicht einmal

Gespräch wir noch.

Wann werden wir Gesang sein, wann

wird uns ein neuer Orpheus singen?

Wie du einst...

Aschenputtel

neu in Verse gebracht

zur Ballettmusik „Soluschka“ auch „Cinderella“ oder „Aschenbrödel“ von Sergej Prokofjew

Die Frau des reichen Mannes starb

im Herbst, im Frühjahr drauf erwarb

der Mann sich eine neue.

Sein frommes Kind, das scheue,

litt unter dieser bösen Frau

und deren Töchtern, die genau

so bös wie ihre Mutter waren.

Die wiesen es ins Aschenloch,

sodass es grau, nach Asche roch;

grau war sein Kleid und grau die wunderbaren,

einstmals so zarten Hände, ihr Gesicht, ihr Haar,

weshalb sein Name fortan Aschenputtel war.

Es musste Erbsen, Linsen aus der Asche lesen,

es durfte nicht mehr sein die Tochter, die es einst gewesen.

Das liebe Kind, tagtäglich weint es

am Grab der Mutter, früh verloren;

es dankte täglich Gott, dass es geboren,

und seiner Mutter güt’gen Blick zu spüren meint es.

Einst ritt der Vater morgens aus.

„Was bring ich euch nur mit nach Haus?“

fragt er; die stolzen Töchter bitten gleich

um Schmuck und teure Kleider, denn sie denken,

„Der Vater, der ist ja so reich...“.

Die treue Tochter wünscht vom Vater, ihr zu schenken,

den ersten Zweig, an den er stößt,

wenn er, den grauen Kopf entblößt,

den Heimweg angetreten.

Der Vater tat, wie er gebeten.

Aus dem Reis, den das Mädchen mit Tränen begoss,

auf Mutters Grab ein Baum entspross.

Weißwunschvogel saß auf dem Haselnussbaum

und erfüllte des Aschenputtels Traum.

Der König lud zum dreitägigen Feste

alle schönen Mädchen des Landes als Gäste,

denn sein Sohn sucht zur Hochzeit die Braut.

Die stolzen Töchter lachten laut.

Sie waren begehrenswert, jung und schön,

und wollten zum Fest des Königs geh’n.

Das Aschenputtel musste sie schmücken,

denn wenigstens einer sollte die Brautwahl glücken.

Aschenputtel wär auch gern dabei gewesen,

doch wurd’ ihm befohlen, erst müsste es lesen

eine Schüssel voll Erbsen vom Aschehaufen

binnen zwei Stunden. Schnell ist es gelaufen

zum Garten: „Ihr Täubchen, ihr Vögel kommt alle,

helft, sonst sitze ich in der Falle.

Die guten ins Töpfchen – die schlechten ins Kröpfchen!“

Die Täubchen nickten

die Köpfchen,

sie pickten

in sechzig Minuten

die Erbsen, die guten,

in den Topf.

Die Stiefmutter schüttelte nur den Kopf,

und befahl, zuerst müsst’ es noch lesen

zwei Schüsseln Linsen vom Aschehaufen

in einer Stunde. Schnell ist es gelaufen

zum Garten: „Ihr Täubchen, ihr Vögel kommt alle,

schon wieder sitze ich in der Falle.

Die guten ins Töpfchen – die schlechten ins Kröpfchen!“

Die Täubchen nickten

die Köpfchen,

sie pickten

in dreißig Minuten

die Linsen, die guten,

in den Topf.

Die Stiefmutter schüttelte wieder den Kopf:

„Du aschgraue Maus bleibst hier,

wir müssten uns schämen wegen dir!“

Die Mutter, die Töchter eilten zum Tanz.

Doch Aschenputtel – allein – ging mit seltsamem Glanz

zum Grab der Mutter untern Haselnussbaum

und rief wie im Traum:

„Rüttel-schüttel Bäumchen dich,

wirf Gold und Silber über mich!“

Weißwunschvogel warf ein Kleid herab,

gold-silbern, und seid’ne Pantoffeln aufs Grab.

Auf dem Feste des Königs unter fünfhundert

Schönen wurde nur sie bewundert.

Der Königssohn hatte nur sie im Sinn

und sagte zu jedem, der sie zur Tänzerin wollte:

„Das ist meine Tänzerin!“

und dass sich der andere trollen sollte.

Am Abend war des Tanzens ein Ende,

da nahm der Königssohn ihre Hände:

„Ich gehe mit dir, ich begleite dich!“

Doch sie entwischte ihm frisch;

vorne hinein ins Taubenhaus

und wie der Blitz wieder hinten hinaus.

Und als die andern ins Haus heimgekehrt,

saß es grau in der Asche am Küchenherd.

Anderntags eilten Mutter und Töchter zum Tanz.

Doch Aschenputtel – wieder mit seltsamem Glanz –

ging zum Grab der Mutter am Haselnussbaum

und rief wie im Traum:

„Rüttel-schüttel Bäumchen dich,

wirf Gold und Silber über mich!“

Weißwunschvogel warf Kleid und Pantoffeln herab,

noch kostbarer, schöner als gestern aufs Grab.

Auf dem Fest des Königs wartete schon

auf die Schönste des Abends der Königssohn.

Der Königssohn hatte nur sie im Sinn

und sagte: „Das ist meine Tänzerin!“

Am Abend wollte die Fremde geh’n,

der Königssohn ihr nach, um zu seh’n,

wohin es eilt, das schöne Kind,

Doch dies entwischte im Garten geschwind,

auf den birnenschweren Baum hinauf

und hinten herunter, in schnellem Lauf.

Und als die andern ins Haus heimgekehrt,

saß es grau in der Asche am Küchenherd.

Am dritten Festtag – die andern warn schon beim Tanz –

bekam Aschenputtel wieder den seltsamen Glanz

und ging zum Grab der Mutter am Haselnussbaum

und rief wie im Traum:

„Rüttel-schüttel Bäumchen dich,

wirf Gold und Silber über mich!“

Weißwunschvogel warf ein goldenes Kleid herab,

und gold’ne Pantoffeln – nie gesehen – auf’s Grab.

Der Königssohn hatte nur sie im Sinn

und sagte: „Das ist meine Tänzerin!“

Am Abend wollte die Fremde gehn,

der Königssohn eilte ihr nach, blieb dann stehn,

er hatte die Treppe mit Pech bestrichen,

und als die schönste der Schönen entwichen,

blieb ein goldner Pantoffel im Pech zurück,

den nahm der Königssohn als Pfand für sein Glück.

Und als die andern ins Haus heimgekehrt,

saß Aschenputtel in der Asche am Küchenherd.

Anderntags kam der Königssohn, in der Hand

den gold’nen Pantoffel, den im Pech er fand.

Er sprach: „Der Tochter Fuß, der so gebaut,

dass der Pantoffel ihr passt, sie wird meine Braut!“

Die älteste der beiden Schwestern nahm

den Pantoffel, und als in die Kammer sie kam,

um ihn zu probieren, passte die Großzehe nicht.

Auf der Mutter Rat – mit schmerzverzerrtem Gesicht –

hieb sie die Zehe im Übermut

ab und zwängte den Fuß voller Blut

in den Pantoffel. Zum Königssohn tritt

sie, er nahm sie aufs Pferd, er ritt