Herrenalb-Trilogie - Siegfried Carl - E-Book

Herrenalb-Trilogie E-Book

Siegfried Carl

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Beschreibung

Ein spät-mittelalterliches Weltgerichtsspiel aus dem Jahr 1499 um den "Leibhaftigen" und wie die Inquisition nicht über die Liebe triumphiert; eine anspielungsreich mit der klassischen deutschen Literatur spielende Mythenkomödie rund um die Quell-Nymphe "Alva" und den Götterliebling "Ganymed", der als "Aquarius" im Sternbild "Wassermann" unsterblich wurde; und eine Kriminalstory im mondänen Kurort der Weimarer Republik zur Zeit des aufkommenden Nationalsozialismus' und der damit einhergehenden Judenfeindlichkeit. Das ist die "Herrenalb Trilogie" - drei Stücke, angesiedelt im malerischen Nordschwarzwälder Herrenalb und dort auch in den drei Jahren um die letzte Jahrtausendwende uraufgeführt. Die Stücke entführen jeweils zeitgebunden in die Welt der Liebe und die diversen Möglichkeiten der Anfechtung, der Verhinderung, bis hin zur drohenden oder tatsächlichen Katastrophe... Im ersten Moment mag die dramatische Form des Theaterstücks für den "Leser" befremdlich erscheinen, aber es kann extrem Spaß machen, im Kopfkino die Szenen zum Leben zu erwecken, sich von den Dialogen in eine fremde Welt entführen zu lassen. Theater findet nicht nur auf den Bühnen der Welt statt, sondern auch in den Gedanken phantasiebegabter Leserinnen und Leser.

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dramatisches Lesen

die Szene lebt in und auf der Kopfbühne …

meinen Söhnen

Aurelius & Maximilian

Inhalt

Der Teufel von Herrenalb

Ein „Weltgerichtsspiel” aus dem Jahre 1499 in XIII Szenen

So ein Theater

Nachwort von Jakob Ossner

Alva & Aquarius

12 ko(s)mische Szenen in einer schwül-heißen Sommernacht geträumt

Die Mythe lebt! – oder – Der neue Blick

Nachwort von Jakob Ossner

Ein Mordssommer im Albtal

Eine Kriminal-Story im Herrenalb der Weimarer Republik

Kaltes Wasser

Nachwort von Jakob Ossner

Zum Autor

Eine Geschichte um Klosterleben, Inquisition, Liebe, Verrat und Rettung

während der Proben des Herrenalber Weltgerichtsspiels

zum 350. Jahr der Klostergründung im Sommer 1499.

Der Teufel von Herrenalb

Ein „Weltgerichtsspiel” aus dem Jahre 1499 in XIII Szenen

Die Rollen

Einzelrollen:

Abt Bartholomäus von Richtenberg (45-70J.)

Mönch Johannes Zürn, Kantor und Leiter des Herrenalber Scriptoriums

Mönch Aurelius, Scriptor/Michael der Seelenwäger im Weltgerichtsspiel (jung/25 J., zartes Wesen)

drei weitere Mönche (mittleren Alters, bzw. Alter unwichtig, nur nicht zu jung)

Sebaldus, hager, beinahe dürr und schwarzhaarig

Peter

Paul

Maximilian, Vagant/Teufel im Weltgerichtsspiel (jung/25 J., draufgängerisch)

1. Bauernmädchen, Lene/Maria Magdalena im Weltgerichtsspiel (jung/16-25J., sehr zart und schön)

2. Bauernmädchen, Marthe/Marta im Weltgerichtsspiel (jung/16-25J., etwas burschikos, frech)

mehrere Dorfbewohner:

Großbauer Maier (ein ganzer Mann/40-65J.)

Wirt Kunz (wie man sich eben einen Wirt vorstellt/40-65J.)

Bauer Hinz (gestanden aber verlebt/ 35-60J.)

Kräuterfrau/Hebamme Trude (älter/40-70J.)

sie hat in einigen Szenen ein kleines Kind an der Hand, das in der letzten Szene das Feuer im Dachstuhl des Klosters entdeckt

Wirtsmagd Liesel (prall/25-45J.)

Bäuerin Ilse (Mutter der Lene, 35-50J.)

Herold der Inquisitoren (Alter egal)

Zwei Dominikaner/Inquisitoren (Gesandte des Papstes Alexander VI.):

Ignatius d’Auverge (älter/45-65J.)

Bartholomé de Tarascon (dito)

Hanswurst (könnte vom Regisseur gespielt werden; muss improvisieren können: Souffleur, er spricht laut in die Szenerie, als sei das ‚Einsagen‘ geplant. Er darf durchaus häufiger die Identifikation der Zuschauer mit dem Dargestellten ironisch brechen.)

Mitwirkende Gruppen (z.T. mit kleinen Sprechtexten):

Abstrakt:

Wir schreiben das Jahr 1499, 350 Jahre nach der Klostergründung Herrenalbs, 150 Jahre vor Aufhebung des Klosters, 500 Jahre vor der Ur-Aufführung des „Teufel von Herrenalb”. Kloster und Dorf rüsten sich zum Klosterjubiläum, bei welchem ein Weltgerichtsspiel aufgeführt werden soll. Die Inquisition kommt dazwischen und verurteilt den zisterziensischen Schreiber des Stückes sowie den die Hauptrolle des Teufels verkörpernden Studenten zum Tod durch Verbrennen. Bei einem Feuer im Kloster werden die beiden durch zwei Bauernmädchen gerettet und können fliehen.

Das Stück zeigt Kloster- und Dorfleben sowie historische Probleme am Vorabend der Reformation, zur Blütezeit der Herrenalber Zisterzienser-Abtei, verbunden mit einer Liebes- und Kriminalstory.

Inhalt:

Abt und Mönche des Klosters planen – nachdem der Leiter des Scriptoriums aus alten Schriften die Gründung auf 1149 berechnet hat – zum 350. Jubiläum ein vom jungen Scriptor Aurelius neu verfasstes Weltgerichtsspiel zur Aufführung zu bringen. Sie suchen Schauspieler, wobei Michael, der Seelenwäger durch Aurelius selbst, der Teufel durch einen auswärtigen Scholaren oder Vaganten und die bei Aurelius in den Mittelpunkt des Spiels gestellten Frauen Maria Magdalena und Marthe durch Mädchen (Lene und Marthe) aus dem Dorf – oder besser aus den dem Kloster vorgelagerten Bauernhäusern zumeist Leibeigener des Klosters – verkörpert werden sollen. In die Vorbereitungen der Proben des Spiels hinein, an der viele Dorfbewohner – Alt und Jung – teilnehmen, platzt die Nachricht, dass der König trotz des allgemeinen Landfriedens der heilige Inquisition das Recht übertragen hat, auch im deutschen Reich (am Vorabend der Reformation) nach Häretikern zu forschen. Zwei dominikanische Inquisitoren treffen kurz darauf, während der Proben des Spiels, eilfertig ein und beschuldigen, unterstützt durch den von Neid zerfressenen Leiter des Scriptoriums, Aurelius und den Vaganten Maximilian der Ketzerei, indem die Teufelspassagen des Weltgerichtsspiels für bare Münze genommen werden. Zwischen den beiden Angeklagten und den mitspielenden Mädchen haben sich bei Aurelius (Zölibat!) zarte, bei Maximilian stärkere Bande der Zuneigung ergeben. Die Maßnahmen der Inquisition nehmen ihren Lauf, während im Dorf, aber auch beim Abt und ihm ergebenen Mönchen, auf Rettung gesonnen wird. Aurelius kann fliehen und wird im Dorf, als Bauer verkleidet, bei Lene versteckt; aus den zarten Banden der Zuneigung werden Stricke der Liebe . Der Inquisitor braucht seinen Erfolg und so wird Maximilian und in Abwesenheit auch Aurelius zum Tod durch Verbrennen verurteilt. Der Scheiterhaufen wird errichtet, und Maximilian bringt in einem großen Monolog eine Strafpredigt vor, die Reformation, Ende des Klosters, Zerstreuung der wertvollen Bücher etc., ja die Geschichte Herrenalbs bis zur Jahrtausendwende in 500 Jahren [dem Zeitpunkt unserer Aufführung] vorhersagt. Die Dorfbewohner zünden, bevor der Scheiterhaufen angesteckt wird, das Kloster an. Alarm und große Konfusion. Alle eilen zum Löschen; während Marthe – mit Lene und Aurelius – den Geliebten vom Scheiterhaufen rettet, und allen Vieren die Flucht ins Badische gelingt.

Historischer Hintergrund 1499:

Es ist der Vorabend der Reformation: 1415 wurde Hus auf dem Konzil zu Konstanz verbrannt. Ein Jahrhundert später tritt Luther auf den Plan und die Kirchenspaltung nimmt ihren Lauf. Seit 1231 wirkt die v. a. von Dominikanern durchgeführte Inquisition, ab 1252 unter Nutzung der bis dahin nach dem Kirchenrecht verbotenen Folter; 1481 findet in Spanien, nach Einrichtung des Amtes eines Großinquisitors, in Sevilla das erste Autodafé statt. Um die Mitte des 16. Jahrhunderts wird die Inquisition durch Einrichtung des Heiligen Offizium durch Papst Paul III institutionalisiert, der vorherige Wildwuchs teilweise beseitigt.

Wir befinden uns am Wendepunkt des Mittelalters zur Neuzeit, ein fundamentaler Paradigmenwechsel in Naturwissenschaft, Technik und Kultur findet statt. 1453 fällt Byzanz als Hauptstadt des oströmischen, byzantinischen Reiches an die Araber, oströmische Wissenschaftler überschwemmen den Westen und bringen v.a. im medizinischen und philosophischen Wissen Neuerungen, die Bestehendes auf den Kopf stellen. Gutenberg hat zwischen 1450 und 1456 den Buchdruck mit beweglichen Lettern erfunden. Diaz entdeckt 1488 das Kap der Guten Hoffnung, Vasco da Gama umsegelt es zehn Jahre später 1497/98; Kolumbus ist gerade zu seiner dritten Amerikareise aufgebrochen, die Nachricht seiner ersten beiden Reisen verbreitet sich in ganz Europa. Das ptolemäische/geozentrische Weltbild beginnt zu wanken (Kopernikus, 1515), es sollen allerdings noch über 100 Jahre vergehen, bis es nach Tycho Brahe, Galileo Galilei und Johannes Kepler ins heliozentrische überführt wird. Der nicht nur technische Wandel umfasst auch den Handel (Übergang von Waren-Tausch-Wirtschaft zur Geld-Wirtschaft), die landwirtschaftlichen Produktionsweisen etc. etc.

Auch für Herrenalb eine bedeutsame Zeit: 1482-84 entsteht im Herrenalber Scriptorium das sog. Herrenalber Gebetbuch (Johann Zürn aus Neimbsheim bei Bretten). 1497 wird der Württembergisch-Badische Ausgleich über die Klosterherrschaft erreicht – letzthin ein Eingriff in seine angestammten Rechte und damit eine Schwächung des Klosters. 1525 Plünderung des Klosters durch aufständische Bauernscharen. 1535 Ende der Reichsunmittelbarkeit des Klosters, Ende der kontinuierlichen Klostergeschichte, Beginn des bis zur endgültigen Aufhebung des Zisterzienserklosters im Jahre 1649 (nach Zerstörung des Klosterbezirks 1642/43 – Dreißigjähriger Krieg) andauernden wechselvollen Zerfallsprozesses.

Zur mittelalterlichen Theatergeschichte vgl. die entsprechenden Artikel von mir im Sachwörterbuch der Mediävistik (Kröner-Verlag).

Zum Stück [einige Gedanken]:

Keiner muss diese historischen Hintergründe kennen, um das Stück zu verstehen. Wir können nur die Augen nicht verschließen vor dem Fakt, dass sich die Welt derzeit in einem wenn auch ungleich rasanteren Prozess eines Paradigmenwechsels in Wirtschaft, Politik, Kultur und Religion, ja im ganzen Weltbild befindet. 1999 markiert das Ende des Milleniums, und die selbst ernannten Weltuntergangspropheten sind schon jetzt zu hören, dies wird noch zunehmen. Hier soll das Stück – das als Ganzes das Ende der mittelalterlichen Welt symbolisiert – einen wirkungsvollen Kontrapunkt setzen.

Das Stück soll Blüte und zugleich Ende des mittelalterlichen Zisterzienserklosters Herrenalb vergegenwärtigen, nach dem Motto: „So könnte es gewesen sein!” Zisterziensische [fromme, aber die Ketten der Frömmigkeit zu dieser Zeit schon manchmal abstreifende] Klosterkultur, spätmittelalterliches [pralles und manches Mal derbes] Dorfleben, und Kirche am Vorabend der Reformation werden mit einem Krimi und einer Liebesgeschichte zu einem historischen Spektakel verschmolzen. Nicht historische Exaktheit, engstirnige Wahrheit um jeden Preis ist gefragt, sondern das Einfangen der Stimmung im ausgehenden Mittelalter, die genährt ist aus Versatzstücken; eine fiktive „historia rerum gestarum”, die mit den erschlossenen Fakten spielt, fokussiert das problembeladene Ende des Mittelalters im historischen Moment des Jahres 1499 in Herrenalb.

Rüdiger Krüger

Es ist nicht die Aufgabe des Dichters zu beschreiben,

was geschehen ist, sondern was geschehen könnte,

d.h. was möglich ist im Sinne der Wahrscheinlichkeit und der Notwendigkeit.

Aristoteles „Poetik“

1. Szene: Kloster

Die Mönche ziehen mit Gesang ins Kloster (Paradies) ein. Vor dem Kloster treffen sich Abt, Kantor und der Scriptor Aurelius, um über das bevorstehende, geplante Klosterjubiläum und das von Aurelius verfasste Weltgerichtsspiel zu sprechen. Hierbei wird, stets nur in Andeutungen, auf das Herrenalber Gebetbuch, die Tradition des Scriptorums und des Klosters insgesamt – auch auf die historische Situation, die immer durchschimmern wird – eingegangen.

Mönche[in Reihen ins Kloster laufend, singen]: laudate domine

Abt[bleibt stehen und hält Johannes Zürn sowie den jungen Scriptor Aurelius zurück, während die Mönche singend ins Paradies schreiten]: Oh ja, es wäre schon wunderbar, wenn wir mit einem großen Jubelfest an den Samen erinnern könnten, den Berthold von Eberstein vor dreihundertfünfzig Jahren hier an der Alb in fruchtbaren Boden gelegt hat.

Johannes Zürn[unterwürfig]: Dies hatte ich bezweckt mit meinem Hinweis auf das Gründungsdatum unserer Abtei, ehrwürdiger Abt. Die alten Schriften sagen dies Datum eindeutig. Wir werden uns für das Gedenken anstrengen: Ich werde gleich dem Scriptorium Anweisung geben, ein weiteres festlich illuminiertes Gebetbuch zu verfassen. Die Merklinger werden ihr Exemplar sicher bald abholen. Und so lange haben wir ja nun noch eine schöne Vorlage im Haus.

Abt: Nein Bruder Johannes, ich denke mehr an ein richtiges Fest. Ein Fest, das uns Mönche mit den Menschen der Dorfes und all unserer Besitztümer vereint.

Johannes[wehrt ab]: Was für moderne Gedanken, Abt Bartholomäus! Was sollen wir uns gemein machen mit dem einfachen Volk. Es ist gut, dass diese für uns arbeiten und uns in schweren Zeiten auch mit Waffen zu verteidigen wissen. Sind nicht wir diejenigen, die stetig für sie beten, die um ihr Seelenheil bemüht sind. – Während sie nur danach trachten, es schnellstmöglich in die Gosse zu werfen?

Abt[sanft]: Ach Bruder Johannes. Alle Geschöpfe unter dem weiten Himmel sind Gottes. Und alle haben ihren eigenen Wert in sich. Was ist es an uns, herab zu schauen auf den Nächsten. Ihn zu lieben, wie uns selbst, ist uns aufgetragen.

Johannes[erregt]: Sind die Huren und Säufer im Wirtshaus auch meine Nächsten, die Mörder, Diebe und gar auch die Ketzer? Meine Mitbrüder sind meine Nächsten, [er schaut auf den neben ihm stehenden Aurelius] und da fällt mir die Liebe schon manches Mal schwer genug.

Abt[immer noch relativ ruhig, aber innerlich erregt]: Darf ich dich erinnern, mit wem unser Herr sich umgab auf seinem kurzen Erdengang. Hast du die Worte der Schrift vergessen? Wer gibt dir das Recht, über diese manchmal armen Kreaturen zu richten, die nicht in den Umständen leben können, die du in unserem Kloster genießen darfst.

Johannes Zürn[laut]: Die Zeiten hier waren auch schon einmal besser; aber Sie mussten ja unbedingt den badischen Markgrafen zu unserem Schirmer bestimmen. Jetzt leidet das ganze Kloster unter Ihrer Unbedachtsamkeit. Die Württemberger haben es uns heimgezahlt und sich bei uns herzlich bedankt. [lacht höhnisch]

Abt[mit scharfer Stimme]: Jetzt reicht es, Bruder Johannes. Hüte deine Zunge und lass‘ diese frechen Reden auf unsre Landesherrschaft.

Hanswurst[von der Seite in die Szene springend, er nestelt noch an seinem Gewand herum, verbeugt sich vor dem Publikum und zu den Schauspielern hin]: Hallo, alle zusammen! Entschuldigt, dass ich mich verspätet habe. Ist alles in Ordnung und läuft die Sache gut ab. [er scheint zu merken, dass er stört] Oh ... ihr habt schon angefangen. [räuspert sich verlegen und zieht sich auf eine freien Platz in der ersten Zuschauerreihe zurück] ... dann macht mal einfach weiter.

Abt[schüttelt den Kopf und murmelt vor sich hin]: So ein Schwachkopf .. wo waren wir eigentlich.

Aurelius[leise zu ihm]: Das mit der Landesherrschaft war dran.

Abt[leise]: Ach ... ja. [er stellt sich in Positur und fährt im Text fort, indem er den letzten Ausspruch noch einmal zornig wiederholt]: Jetzt reicht es, Bruder Johannes. Hüte deine Zunge und lass‘ diese frechen Reden auf unsre Landesherrschaft. Ich möchte dich nicht noch einmal ermahnen müssen!

Johannes[lenkt ironisch ein]: Wenn Sie mir in solchem Ton meine Verdienste um das Kloster im Skriptorium und Kantor lohnen, strecke ich die Waffen.

Abt[ruhiger]: Du brauchst nicht beleidigt zu sein. Ein jeder weiß es zu schätzen, dass unsere Gönner Wert auf Psalterien und Gebetsbücher aus unserer Schreibstube legen. Und dein Anteil an diesem Erfolg soll keineswegs geschmälert werden. Aber zum Jubelfest wollen wir auf diesen Glanz verzichten. Ein richtiges Fest soll mit allen uns von Gott anvertrauten Untertanen gefeiert werden. Der Küchenmeister wird das Nötige veranlassen.

Johannes[gibt noch nicht nach]: Und zum Lobe Gottes, der unser Kloster durch die Fährnisse der Jahrhunderte geleitet hat, soll nichts geschehen. Denn Saufen und Tanzen ist wohl kaum als Gotteslob aufzufassen. Gebet und Arbeit sind nach des heiligen Benedikt Weisung die gottgefälligen Taten; und was wir in Gebet und Arbeit zum Lobe des Herrn verrichten können, sollten wir auch zum Jubelfest tun.

Abt[pflichtet ihm bei]: Ja, Bruder Johannes, „ora et labora” das war und ist und wird stets unsere Devise sein. Wir sind keinem andern Leitsatz so verpflichtet, wie dieser Gründungsformel unseres allseits geliebten und hochverehrten heiligen Benedikt. Und weil du schon deinen Teil im Übermaß abgeleistet hast, soll nun dein Stellvertreter Aurelius einmal sein Können ganz zum Lobe des Allmächtigen einsetzen.

Johannes[ungläubig, enttäuscht]: Wie das, ehrwürdiger Abt. Er hat noch keine einzige Handschrift eigenständig geschrieben, noch nichts illuminiert. Wie soll er nun – ohne mein Dazutun – ein ganzes Werk vollbringen.

Abt[lächelt ihn an]: Da hast du recht, Bruder Johannes. Aber er soll gar keine Handschrift erstellen. Jedem hat der Herr andere Gaben in die Wiege gelegt. Und Bruder Aurelius ist nun einmal ein begabter Erfinder von geistlichen Spielen. Manches, was ich gelesen habe, hat mir überaus gefallen. Und wir wollen ein solches, ganz neues, aufführen.

Johannes[schüttelt den Kopf]: Ein Spiel von uns Mönchen aufgeführt? Das ist doch nicht möglich ...

Aurelius[der die ganze Zeit dabei gestanden und nur durch Körpersprache gezeigt hat, wie sehr er emotional beteiligt ist, sprudelt hervor]: Warum nicht. Allenthalben führt man solche Spiele auf. Das Künselsauer Spiel um den Leichnam des Herrn vor zwanzig Jahren hat die Menschen aufgerüttelt, hat sie zur Umkehr zu Gott bewogen. Und auch ich will die Menschen aufrütteln und ans Jenseits erinnern.

Abt[pflichtet bei]: Ja ein Weltgerichtsspiel soll es werden. Ein Memento Mori, das die Menschen gemahnen soll an den Tod, der keinen verschont.

Hanswurst[springt auf]: Das ist ja richtig schaurig und trübe. Mönche, die uns das Jüngste Gericht auftischen wollen. Kennt ihr das jüngste Gerücht: Das Weltende soll kurz bevorstehen. Der heilige Silvester wird es einläuten. Da wollen wir doch lieber fröhlich sein und uns die paar Monde noch am Leben freuen ...

Abt[zu Hanswurst gewandt]: Ruhe jetzt, bitte! Lass uns weiter machen! [drohend] Das gilt auch für den Rest des Abends. [Hanswurst setzt sich wieder, vor sich hin plappernd, welche Feste er noch zu feiern gedenke, bis zum Weltuntergang].

Aurelius[nimmt den Faden des Hanswurst auf]: Ja gerade um das Ende dieser sündigen Welt soll es in meinem Spiel gehen, ums Jüngste Gericht und die Auseinandersetzung zwischen den teuflischen Mächten und den himmlischen, zwischen dem Teufel und Michael, dem Seelenwäger.

Abt[froh gelaunt dazwischen]: Das ist zu unserem Jubelfest einmal ein „ora et labora” ganz besonderer Art. Nun, da staunst du, Bruder Johannes.

Aurelius[redet sich in Fahrt]: Und natürlich sind die klugen und törichten Jungfrauen zur himmlischen Hochzeit geladen ... und alle die dem Herrn begegneten, als er als Mensch hier auf Erden wandelte, ... und die Reichen und Armen, die Mächtigen und die Unterdrückten, Päpste, Kaiser, Bischöfe, Fürsten, Bürger, Bauern, Bettelleute .... bis hinab zum ungetauften Säugling – - alle, alle müssen sie vor dem letzten Richter erscheinen. Und die Engel werden ... (Hosianna singen und den Herrn loben für seine Güte ...)

Johannes[der mit besorgter Mine, kopfschüttelnd zugehört hat, unterbricht nach „Engel werden...”]: Ehrwürdiger Abt, ist das Ihr Ernst?

Abt[ruhig und gelassen]: Oh ja Bruder Johannes, es ist mein Ernst. Und auch du solltest dich damit abfinden, dass wir diesmal unseren Herrn ein wenig anders loben werden als bisher.

Aurelius[immer noch in Fahrt]: Und wo doch das Schreiben von Büchern nicht mehr lange von Hand weitergehen wird. Die Erfindung von Mainz, von diesem Gutenberg, nutzt man jetzt schon an vielen Orten. Auch in unserer Bibliothek sind schon einige wichtige Bücher in der neuen Technik des Büchermachens gelandet.

Johannes[unwirsch]: Technischer Tand. All diese Neuerungen, nichts als sündige Gedanken, gar biblische Texte auf Deutsch ... Steht doch in einem dieser Bücher, die Erde sei rund und man könne einmal herumsegeln. Da wird bald noch ein Spinner kommen und behaupten, die Erde drehe sich um die Sonne, ha ha ha [lacht hämisch].

Aurelius[in Rage]: Aber es ist doch nicht zu leugnen, dass mit dem neuen Buchdruck Bücher viel schneller und billiger gemacht werden können als wie wir es bisher machten. Das wird, das muss sich durchsetzen.

Johannes[böse]: Man wird sehen, was die Welt davon hat, wenn sie heilige Schriften durch Maschinen drucken lässt. Sie sind entweiht und Unheil wird dadurch über uns kommen. Die Sonne wird still stehen und sich verdunkeln und der Antichrist die Herrschaft übernehmen.

Abt[versucht zu vermitteln und Johannes Zürn zu besänftigen]: Rede dich nicht in einen unbegründeten Zorn, Bruder Johannes. Wir wollen gemeinsam zum Lob des Herrn das Weltgerichtsspiel des guten Aurelius aufführen und darin Teufel und Antichrist überwinden. Und du wirst weiterhin den Ruhm unseres Klosters mit wunderbaren Handschriften mehren. Haben nicht die Württemberger das Gebetbuch für den Bruchsaler bewundert und selbst nach einem verlangt? Geh hin und sorge, dass es noch prächtiger ausfällt.

Johannes[etwas besänftigt]: Wenn Sie meinen! Dann wird ich gleich das Nötige veranlassen und meine besten Schreiber und Illuminatoren ans Werk setzen. Ehrwürdiger Abt, darf ich mich zurückziehen. [Auf eine Handbewegung des Abtes hin zieht er sich ins Kloster zurück, indem er noch murmelt]: Ich sollte so ein Spiel schreiben, nicht dieser Aurelius. Der ist viel zu jung...

Abt[legt den Arm um Aurelius]: Sei nicht immer so hitzköpfig. Auch bei den Vorbereitungen zum Weltgerichtsspiel. Stoße nicht die Alten vor den Kopf. Wir leben in eine schnellebigen Zeit; und viele können der Entwicklung nicht folgen – viele wollen es auch gar nicht. Es ist an uns, die wir weiter sehen, Rücksicht zu nehmen.

Aurelius: Ich weiß, ehrwürdiger Abt, aber bei soviel Ignoranz... Man kann doch nicht immer die Augen verschließen vor dem Neuen...

Abt[ganz ruhig]: Ja, aber das Neue birgt auch Gefahren. Kein Mensch weiß zu sagen, ob die zukünftigen Zeitläufte nicht doch schon in Kürze in die Endzeit übergehen werden. Wir müssen immer das eigene Ende und das Ende der Welt vor Augen haben; bei all unserem Tun.

Aurelius[zustimmend]: Ja aber gerade das ist doch der Grund für mein Spiel, ich meine, für unser Spiel, das wir zur Aufführung bringen wollen.

Abt[jetzt sehr ernst]: Dann ist es gut, wenn du das auch so siehst, und wenn dein Spiel – denn zuerst ist es ja doch deines – den Weg zum Seelenheil nicht verlässt. [er fährt sich über die Stirn, wie um böse Gedanken wegzuscheuchen; plötzlich aufgeräumt heiter]: Nun, dann wollen wir die Dinge mal in die rechten Bahnen führen. Zunächst müssen wir wohl die geeigneten Spieler finden. Lass uns ins Dorf gehen und unsere Gedanken unter die Menschen bringen.

2. Szene: Dorfplatz

Abt und Aurelius unterhalten sich auf dem Dorfplatz – Lene und ihre Freundin Marthe beobachten aufmerksam die Szene und v.a. den jungen schönen Mönch. Man bespricht mit den Bauern das Kloster-Jubiläum und fordert zum Mitspielen auf. Aurelius erklärt, wen man aus der Bauernschaft benötigt (Engel, Magdalena, Marta, Volk etc.) und er fügt hinzu, dass ein Teufel von auswärts gesucht werde. Lene und Marthe erklären sich bereit, mitzuspielen, desgleichen einige Bauern; während die Bäuerinnen zustimmen, dass ihre Kinder als Engel zur Verfügung stehen.

Aurelius[zum Abt, ein wenig unbeholfen stotternd]: Mir .. äähem .. hm [druckst herum] ... mir liegt – ehrwürdiger Abt – eines besonders am Herzen. Wird es mir gestattet sein, das notwendige Personal des Spieles alleine auszuwählen, selbst zu entscheiden, wer welche Rolle verkörpert. Den alles steht und fällt bei einem solchen Vorhaben im Freien mit den Spielern, den schauspielerischen Leistungen, den Stimmen ...

Abt[Aurelius beipflichtend]: Unbedingt müssen wir die besten der Bauern und Handwerker gewinnen. Und du hast mein Vertrauen. Such aus, wer dir in dein Stück passt.

Aurelius[lebhaft]: Ja! Wir brauchen gute Spieler. Aber mein Stück wird weniger die Handwerker und Bauern erfordern als vielmehr auch Frauen und Kinder; v. a. für die Rolle der schönen Maria aus Magdala, und die Marta muss eine ganz Feurige sein ...

Abt[beschwichtigend, vorwurfsvoll]: Aber Aurelius, was sprichst du so von den Weibern, ereifere dich nicht, wenn du ans schwache Geschlecht denkst; erinnere stets dein Gelübde. Satan wird sich doch nicht in deine Gedanken einnisten in Gestalt einer schönen Frau?

Aurelius[mit gesenktem Haupt]: Aber nein, ehrwürdiger Abt! Ich dachte nur an den Teufel, dem Marta Paroli bieten soll –sie muss schon das rechte Auftteten haben, damit dem höllischen Hallodri Hören und Sehen vergeht – und schön muss sie sein, damit er sich verguckt.

Abt[nachdenklich]: Wer aber soll den Teufel spielen. Ich denke stets darüber nach, wem man dies schwierige, ja vielleicht sogar gefährliche Amt aufbürden kann.

Aurelius[wirft ein]: Wir könnten Bruder Sebaldus bitten, den Part zu übernehmen, mit seinen spitzen Ohren, seiner spindeldürren Gestalt und seiner scharfen Stimme würde er mir gut in die Rolle passen.

Abt[wehrt ab]: Nein Aurelius, keiner von uns kann in die Rolle des Bösen schlüpfen; der wahre Böse könnte Macht über ihn gewinnen wollen, seine Seele wäre in Gefahr.

Aurelius[fast ein wenig frech]: Aber er würde doch auch von seiner Art her gut in diese Rolle passen

Abt[unwirsch]: Du solltest gegenüber deinen Mitbrüdern, auch wenn sie Konversen sind, dein loses Mundwerk im Zaum halten. Du kennst Sebaldus und weißt, welchen Einfluss er auf unsere Gönner hat. [er macht eine wegwischende Handbewegung] Lassen wir das, überlegen wir lieber eine Lösung des Dilemmas.

Aurelius[geknickt]: Verzeihung! Ich bitte um Vergebung wegen der losen Worte über Bruder Sebaldus. [macht einen erneuten Anlauf] Aber wenn keiner von uns in Frage kommt, dann sollten wir einen Burschen finden, der zu sonst nicht taugt, als derbe Späße zu machen und den Jungfrauen nachzulaufen. Was hat er zu verlieren?

Abt[hebt mahnend die Hand]: Aber Aurelius, dein jugendlicher Überschwang geht mit dir durch. Du weißt doch selbst, dass einer aus dem Dorf verloren wäre. Ein jeder würde in ihm den Leibhaftigen sehen und sein Leben wäre in Gefahr. Es muss eine andere Lösung geben. Vertrauen wir nur auf Gott, er wird es richten, wenn er unser ernsthaftes Bemühen sieht, ihm ein wohlgefälliges Spiel zu bereiten.

Aurelius[meint bedenklich]: Es mag kein gar so wildes Getöse geben um den Teufel. Nicht der grausame, Menschen kochende und verschlingende Satanas schwebt mir vor. Ich stelle ihn mir eher als den an sich selbst verzweifelten und darum bitteren und sarkastischen Luzifer vor.

Abt[auch ganz ruhig]: Trotzdem ist es wohl besser, wenn es kein Hiesiger ist, der ihn darstellt. ... Ach im Übrigen, Bruder Aurelius, worüber ich dich dringlich ermahnen muss: Du begibst dich doch in deinem Weltgerichtsstück nicht auf den Boden der Häresie? [in drängendem Ton] Bleib im gedanklichen Schoß der Mutter Kirche.

Aurelius[abwehrend]: Aber natürlich, ehrwürdiger Abt! Ich werde allerdings die Grenzen weit setzen. So wie Sie es mir in Disputen gelehrt haben. Denn ein Schauspiel muss den Menschen einen Zerrspiegel vorhalten, damit sie ihre Sünden erkennen und Buße tun. So werde ich die Maria und die Marta, die dem Herrn auf so verschied‘ne Weisen dienten, dem Teufel entgegensetzen und die Beide durch Michael, unseren Seelenwäger, beschützen lassen.

Abt[hebt mahnend die Hand]: Nun denn, ich wünsche dir den Segen unseres Herrn. Und ich verlasse mich auf seine lenkende Hand, dass dir die rechten Worte in den Sinn kommen. [er bemerkt Lene und Marthe, die sich ihnen ehrerbietig nähern] Grüß Gott Lene , grüß Gott Marthe, was wollt ihr, liegt etwas an?

Marthe[zögernd]: Grüß Gott ehrwürdiger Vater. [Lene macht einen linkischen Knicks in Richtung der beiden] Stimmt das, was man sich zuraunt.

Aurelius[vorlaut]: Was raunt man denn im Dorf.

Marta[mutiger]: Das Kloster plant ein großes Fest zum Gedenken an die Grundsteinlegung vor vielen hundert Jahren, und wir alle sollen beim Tanz eingeladen sein.

Abt: Ja mein Kind, es stimmt, dass wir der Gründung unseres Herrenalber Klosters vor nunmehr 350 Jahren gedenken wollen Und auch das mit dem Fest und Tanz ist richtig. Das ganze Dorf soll an einem lauen Sommerabend nach der gemeinsamen Vesper vor dem Dorfkrug unser Gast sein.

Aurelius[unterbricht den Abt eifrig und gar nicht ehrerbietig]: Und ein großes Spiel wird es geben, ein Spiel vom Ende der Zeiten, vom Weltgericht.

Lene[erschrocken]: Das Weltgericht als Spiel, mit dem leibhaftigen Seelenverschlinger.

Abt[mahnend zu Aurelius]: Schau, was du mit deinem Übereifer anrichtest: Du hast das Kind verschreckt. Nein Lene es wird nichts Böses um das Spiel sein. Aurelius selbst schreibt es uns und wird es mit euch allen gemeinsam zur Aufführung bringen.

Marthe[gemeinsam mit Lene]: Mit uns allen? Ein richtiges Spektakel – toll!

Lene[erschrocken aber auch freudig]: Wir sollen mitspielen, ob ich das kann?

Marthe[nimmt Lene an der Hand]: Natürlich kannst du, und ich will unbedingt mitmachen! Wir zwei in einem Weltgerichtsspiel als Engel. Das wär‘ doch super.

Lene[kommt in Fahrt]: Ich als ein Engel – oh ja, das wäre wunderbar.

Abt[lachend über die Begeisterung der Mädchen]: Ihr seid wohl etwas alte Engel. Gemach, gemach, es gibt sicher für eine jede von euch eine schöne Rolle; nicht wahr Aurelius! [dieser nickt eifrig] Lasst uns alle zusammenrufen. [er klatscht in die Hände und langsam kommt der Großbauer Maier auf die Gruppe zu.] Dann kann Aurelius erklären, was es mit dem Spiel auf sich hat, welche Rollen es zu besetzen gibt und wie viele Personen er dafür braucht.

Großbauer Maier[tritt auf den Abt und Aurelius zu]: Seltene Gäste im Ort. Ich grüße euch. Was liegt an?

Abt[zu ihm gewandt]: Grüß Gott mein Bester. Würdest du bitte alle Bürger des Ortes zusammenrufen, denn wir haben etwas Wichtiges zu verkünden, das so viele wie möglich wissen sollten.

Maier[erschrocken]: Gibt es wieder Streit mit den Württembergern und Badenern, ich dachte, das wäre nun endgültig geklärt. [nach und nach sammelt sich immer mehr Volk um die Gruppe]

Abt[besänftigend]: Nein, nein, das ist alles in seiner Ordnung, so wie es vor zwei Jahren mit den Württembergern vereinbart worden ist. Es geht nun ...

Maier[scheint noch nicht beruhigt]: Mir fährt noch jedesmal der Schreck in die Glieder, wenn Sie etwas Wichtiges verkünden wollen. Dass Herzog Eberhard II., unser Landes-Herr, uns alle wegen der unvorsichtigen Aktionen des Klosterkonvents beinahe mit Krieg überzogen hätte, vergessen wir so schnell nicht.

Abt[ein wenig unwirsch]: Ach lass das. Das war hohe Politik, und ich hätte mir auch einen günstigeren Ausgang der Verhandlungen gewünscht. Doch nichts mehr davon. [wieder freudiger] Nein, heute gibt es wirklich ein für alle höchst erfreuliches Ereignis zu verkünden. Wir wollen ein gemeinsames Fest feiern.

Maier[der sich wieder abgeregt hat]: Nichts für ungut, aber was soll es in diesen schweren Zeiten Anlass zum Feiern geben? Ich hab‘ mich schon gewundert, als ich von dem Gerücht hörte, ein Fest stünde an.

Abt[fröhlich]: Unser Kloster Herrenalb hat genug Grund zum Feiern, trotz der schweren Zeitläufte; denn wir haben Geburtstag. Und einen runden noch dazu. Vor dreihundertfünfzig Jahren hat der gute Berthold von Eberstein – Gott sei ihm gnädig – den Grundstein für unser Kloster legen lassen. Was daraus geworden ist, darauf können wir mit Recht stolz sein. Jetzt ruft die Leute, damit wir unser Vorhaben erklären können.

Maier[mit lauter Stimme rufend]: Kommt her, kommt alle her, und hört, was der ehrwürdige Abt uns anzukündigen hat. [die Leute kommen zögernd näher] Ja jetzt macht schon, bisschen Beeilung! [zum Abt gewandt] Alle werden wir sowieso nicht erreichen.

Abt[zustimmend]: Das ist mir klar. Aber auch Christus hat einst nicht die ganze Menschheit mit seiner frohen Botschaft erreicht, sondern die Jünger, die Apostel zur Verkündigung ausgesandt. So müssen halt die jetzt hier Anwesenden jedem, dem sie begegnen, berichten.

Maier[zur Menge gewandt]: Jetzt bitte Ruhe, damit ein Jeder hören kann, was uns das Kloster mitteilen will. Und vergesst nicht, es jedem weiter zu sagen, dem ihr begegnet!

Abt[in Reihen ins Kloster laufend, singen]: Ja ihr Lieben. Zunächst darf ich euch allen ein herzliches Grüß Gott zurufen. [es antwortet ihm ein vielstimmig gemurmeltes „Grüß Gott”] Zum Andenken an unsere Klostergründung vor nunmehr drei und einem halben Jahrhundert werden wir ein großes Fest veranstalten, zu welchem das Kloster Köstlichkeiten aus Küche und Keller beisteuern wird. Das Fest soll hier auf dem Klosterplatz vor dem Wirtshaus von euch ausgerichtet werden. Spielleute sollen zum Tanz aufspielen. Wir wollen uns gemeinsam mit euch freuen!

Bauer Hinz[haut sich auf die Schenkel und nimmt eine Dorfschöne in den Arm]: Au ja! Da bin ich dabei, wenn ein Fass aufgemacht wird. Ich hab schon wieder mächtig Durst. [er zieht mit der Dorfschönen ins nahe gelegene Wirtshaus]

Abt[schaut kopfschüttelnd hinter ihm her]: Nun der Herr schaut auch auf die Schwächsten gnädig herab. Bruder Aurelius wird euch nun erklären, was wir sonst noch vor haben. Denn das gemeinsame Fest soll nur der weltliche Teil der Feier sei. Bruder Aurelius schreibt ein Weltgerichtsspiel, das er mit euch gemeinsam zum Lobe Gottes aufführen wird. [macht eine aufmunternde Bewegung zu Aurelius] Nun Aurelius, erklär ihnen, was du vorhast!

Aurelius[eingerahmt von Lene und Marthe sowie dem Abt und Großbauer Maier, zunächst ein wenig schüchtern, mehr und mehr in Fahrt kommend]: Der Herr wird unserem Vorhaben sicherlich gnädig sein, denn alles was wir vorhaben, geschieht nur zu seiner Ehre.

Vielleicht hat mancher von euch schon vom Weltgerichtsspiel gehört, das vor ein paar Jahren in Künzelsau gespielt wurde. Wir haben Ähnliches und doch ganz Anderes vor. Ein Spiel vom Ende der Welt und vom Jüngsten Gericht soll es werden. Ein Spiel, das dem Menschen seine Nichtigkeit als Erdenwurm begreiflich macht. Ein Spiel, das den Menschen an sein Ende gemahnt,

Abt[leise aber bestimmt]: Nun erzähl schon, wofür du die Menschen aus dem Dorf brauchst.

Aurelius[fährt fort, während die Umstehenden mit gehen, z.B. bei „ewige Glückseligkeit” jauchzen und bei „grässlichem Höllenfeuer” massiv erschrecken etc.]: Früher haben nur wir Mönche die geistlichen Spiele aufgeführt. Aber auch die Künzelsauer haben alle mitgemacht bei ihrem Spiel. Und so wollen wir es auch: Alle von euch sind aufgefordert, beim Weltgerichtsspiel mitzumachen, beim Kampf Michaels mit dem Drachen. Das Spiel wird als Exempla die Versuchung vieler durch den Teufel zeigen; und wie sich die Meisten eben nicht in Versuchung führen lassen. Es wird auch zeigen, das Arm und Reich, Jung und Alt, Groß und Klein, dass ein Jeder und eine Jede die ewige Glückseligkeit erlangen kann oder der ewigen Verdammnis, dem grässlichen Höllenfeuer übergeben werden kann. Und so brauche ich eben auch möglichst viele für das Spiel. Tanzende Kinder für die Seelen der Verstorbenen, Adelige, Bauern, Mönche, Bettler, Huren, Spieler und so weiter.

Alle durcheinander[alle geraten in helle Aufregung und Jeder überlegt, was er wohl spielen kann]:

Ich könnte einen Ritter spielen.

Du ein Ritter, dass ich nicht lache; vielleicht ein Jäger?

Eine Hure will ich nicht sein, nein, das soll die Anne machen.

Oh, ich wär gern ne reiche, schöne Frau aus der Stadt!

Ich bleibe, was ich bin: Bauer, das kann ich am besten, und da komm ich auch in den Himmel.

Nicht alle, obs der Bauer Hinz auch schafft, glaub ich nicht.

Ne schöne Jungfrau, das wär toll für mich.

Wie willst du denn wieder Jungfrau werden?

Meine Kinder dürfen gerne mitmachen.

Ich bin arm und will auch einen Armen spielen, denn die Armen verstößt der Herr nie!

Ja, die Kinder sollen ruhig die Engel spieln.

...

Großbauer Maier[klatscht in die Hände]: Nur keine Aufregung; ich denke, Bruder Aurelius wird für jeden eine Rolle haben.

Aurelius[pflichtet ihm bei]: Aber gewiss...

Maier[fährt fort]: Aber es ist wohl klar, dass nur wenige das Lesen beherrschen und genauso wenige das Hirn dazu haben, einen Text zu lernen?!

Aurelius[sofort wieder in seinem Element]: Nein, nein! Es sind nur ganz wenige Rollen, die einen längeren Text memorieren müssen. Spielen müssen alle können und Spielwitz mitbringen. Und für die Maria aus Magdala und ihre Schwester Marta brauche ich zwei schöne Mädchen, [er wird ganz verlegen und schaut den Abt an].

Abt[lacht]: Nur zu Aurelius...

Aurelius[etwas linkisch zu Marthe und Lene]: Du Marthe könntest wohl als Marta dem Teufel Paroli bieten und du [er strahlt Lene an] ja, du, Lene, wärst eine wunderschöne Maria Magdalena.

Lene[schüchtern]: Ich weiß nicht, ob ich das kann, so vor allen; und war die Maria Magdalena auch wirklich tugendhaft und rein?

Marthe[fröhlich]: Ach Lene, wir sind doch fast wie Schwestern. Und im Spiel könnten wir es wirklich sein. [stellt sich in Positur] Ich bin bereit, dem Teufel zu zeigen, was eine Heilige ist. [alle lachen].

Aurelius[zu Lene und Marthe]: Es wäre wunderbar, wenn ihr beide das spielen könntet. Und die Maria aus Magdala liebte den Herrn, wie wir alle den Herrn lieben sollten; und der Herr ist ihr als Erste nach seiner Auferstehung erschienen, daran siehst du, Lene, dass sie etwas ganz Besonderes ist! Du kannst das bestimmt.

Alle[rufen]: – Ja Marthe, ihr könnt das!

Die Lene als Maria Magdalena, ja, die soll das machen.

Die Marthe wird dem Teufel ganz schön einheizen

[lacht].

Ja, dem wird Hören und Sehen vergehen.

...

Marthe[ruft fragend]: Ja und wer soll der Teufel sein.

Abt[bekreuzigt sich]: Marthe! Mit dem Teufel und Satanas ist nicht zu spaßen. Das ist die schwerste Rolle im Weltgerichtsspiel, nicht wahr, Bruder Aurealius.

Aurelius[stimmt sofort ein]: Ja, ehrwürdiger Abt. Es wird schwer werden, hierfür einen Spieler zu finden. Einen, der stark genug ist, der Rolle zu widerstehen. Ich werde eine Nachricht nach Künzelsau schicken, wer dort den Teufel gespielt hat, vielleicht kann man uns helfen. Wenn einer von euch weiter weiß, so soll er es sagen. Ich komm in den nächsten Tagen noch einmal auf euch zu, dann können wir alles Weitere besprechen. Wer mitspielen will, soll sich in einer Woche morgens früh zum Hahnenschrei an der Klosterpforte einfinden.

Abt[wendet sich zum Gehen]: Es ist wohl gesagt, was gesagt werden muss. Ich wünsche euch allen eine gesegnete Woche. [er schlägt über alle in drei Richtungen das Kreuzeszeichen:] In nomine patri et filii et spiritus santus. Amen. [geht mit Aurelius in Richtung Kloster].

Großbauer Maier

[klatscht wieder in die Hände, um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken]:

Ihr wisst alle, was ihr zu überlegen habt. Zum Lobe des Herren und unseres Kloster wird es uns eine Verpflichtung sein, das Jubiläum würdig zu gestalten, Und jetzt soll wieder jeder an seinem Platz seinem Tagwerk nachgehen.

[Alle gehen ins Gespräch vertieft bzw. nachdenklich in die unterschiedlichsten Richtungen auseinander].

3. Szene: Kloster

Der Kantor – von Neid zerfressen – ist in ein Gespräch mit weiteren Mönchen vertieft. Sie schimpfen über das Vorhaben des Spiels zum Klosterjubiläum, das dem jungen Aurelius eine herausragende Stellung verschafft, die eigentlich dem Kantor zustünde. Dass Aurelius in dem selbst verfassten Weltgerichtsspektakel auch noch den Seelenwäger Michael persönlich verkörpern will, empfinden sie als Anmaßung. Sie sehen die hierarchisch gegliederte Kloster- und damit Kirchen- ja Weltordnung in Gefahr, wenn „so etwas” Schule machen würde. Zudem ist dem Kantor einiges über den Inhalt des Stückes bekannt geworden, das ihn (heuchlerisch) um die Seele des Aurelius bangen lässt – erste Vorboten des drohenden Unheils.

Johannes Zürn[mit den Mönchen Sebaldus, Peter und Paul vor dem Paradies]: Ich liebe es überhaupt nicht, was der junge Bruder Aurelius da anstellt, wie er sich gebärdet, in den Vordergrund spielt. Er sollte sich lieber auf die wirklichen Aufgaben eines Kantors und Scriptors vorbereiten, so wird aus ihm nie etwas Rechtes.

Sebaldus[fragend]: Warum, Bruder Johannes, was ist mit Bruder Aurelius.

Peter[fällt ein]: Meinst du das mit dem Weltgerichtsspiel? Das klappt doch sowieso nicht, ich glaube, da hat sich der gute Aurelius übernommen.

Sebaldus[neugierig]: Ach das mit dem Jubiläum! Irgendwas muss doch aber als Gedenken an die Gründung unseres Klosters passieren. Ich find die Idee unseres Abtes gar nicht so übel.

Johannes[zustimmend aber verärgert]: Natürlich ist die Idee in Ordnung. Aber zum Lobe des Herrn und seiner Werke muss nicht immer eine solches Spektakel gemacht werden. Ich hatte Großes vorgeschlagen, aber mein Wort zählt ja nichts mehr. Und wenn es denn schon eine geistlich Spiel sein soll, dann kann das kein so unerfahrener, grüner Bursche wie Bruder Aurelius machen.

Peter[pflichtet bei]: Genau das meine ich auch. Da braucht es Erfahrung im Leben und Erfahrung in der Schrift. Wo kämen wir hin, wenn jeder Anfänger an Großes gelassen würde.

Johannes[dazwischen]: Das wollte ich sagen... Es gibt eine Ordnung des Menschen und der Dinge daran sollte sich auch unser ehrwürdiger Abt halten. Das Schreiben ist in unserem Kloster meine Aufgabe. Auch ich hätte da so meine Ideen gehabt, wenn ich die Aufgabe übernommen hätte

Peter: Was weiß Bruder Aurelius schon von den wahren Anfechtungen des Teufels, und nun will er gar über diesen schreiben. Ich habe bis heute nur die Hälfte der Apokalypse verstanden. Das reicht, um Angst genug zu haben

Sebaldus[weiterhin neugierig]: Da habt ihr natürlich recht, Bruder Aurelius ist noch ziemlich grün und unerfahren. Aber weiß einer, was in dem Spiel abgeht. Ich habe nur gehört, dass es um den Teufel und das Ende der Welt gehen soll.

Johannes[lacht hämisch]: Ja, vielleicht hast du dann auch gehört, dass er meinte, du könntest den Teufel spielen.

Sebaldus[erschrocken]: Um Gottes Willen, nein... das ist unmöglich!

Paul[der bisher ruhig zugehört hat]: Ich verstehe eure Aufregung nicht.

Sebaldus[fällt ärgerlich ein]: Wenn ich der Teufel sein soll? Das ist ja schrecklich...

Johannes[beinahe gleichzeitig]: Kennst du denn den Inhalt des Spiels, Bruder Paul? Weißt du, welch gotteslästerliche Szenen Bruder Aurelius vor hat? Ja ,dass er gar den Erzengel Michael, den Seelenwäger selbst zu spielen gedenkt.

Peter[beinahe lüstern neugierig]: Ja, was hat er denn vor? Geht es tüchtig zur Sache? [lacht, bzw. kichert.]

Paul[zu Johannes Zürn]: Nein, ich weiß nicht, was Bruder Aurelius vor hat, und ich sehe auch nicht, warum ein schöner Jüngling – und das ist unser Aurelius immerhin – einen Erzengel spielen sollte. Der ehrwürdige Abt wird schon ein Auge auf das alles haben, und ihm vertraue ich.

Sebaldus[auch zu Johannes]: Weißt du mehr? Komm, erzähl!

Johannes[beflissen]: Ja denkt euch nur, der Teufel soll leibhaftig erscheinen, aber man will ihn von auswärts holen. Und dann soll er mit der Marta und der Maria aus Magdala Unzucht treiben.

Peter[mit gespielter Empörung, eigentlich geil neugierig]: Das ist ja gotteslästerlich! Was treibt der Teufel denn mit den Schwestern des Lazarus?

Johannes[hinterhältig]: Genaues weiß ich auch nicht, aber die Skizzen im Scriptorium lassen ahnen, was Bruder Aurelius vorhat. Es wird um Unzucht mit den Heiligen gehen, um allerlei Schweinereien, natürlich unter dem Vorwand, dass die armen Seelen gerettet werden. Sodom und Gomorrha! Unser ehrwürdiger Abt täte gut daran, sich um das Seelenheil des Aurelius, ja um unser aller Seelenheil zu kümmern, und diesem lasterhaften Treiben ein Ende zu bereiten, bevor es recht los geht.

Sebaldus[aufgeregt]: Ich ahne Schreckliches, wenn ihm nicht Einhalt geboten wird.

Peter[laut und derb]: Man sollte dazwischen hauen. Solche Sauereien können wir in unserem reinen Herrenalb nicht dulden. Für Hurerei ist hier kein Platz.

Paul[scharf aber sanftmütig]: Was ist es an dir, Bruder Peter, so über andere zu richten.

Peter[plötzlich leiser]: Wie meinst du das?

Paul[wie zuvor]: Ich glaube, das weist du genau. Und auch für euch beide gilt [er wendet sich zu Sebaldus und Johannes]: Nur wer in Gedanken, Worten und Werken ohne jeden Fehl ist, der zeige mit dem Finger auf Bruder Aurelius. Von diesem kann sich manch einer von uns ein großes Stück abschneiden, wenn es um die Ehrfurcht vor dem Göttlichen geht.

Johannes[unbeirrt]: Was ich gelesen und gehört habe, das reicht mir – und was ich weiß, das weiß ich. Ihr werdet alle noch sehen, wohin uns das führt. Vielleicht kommt das wirkliche Jüngste Gericht ja schneller, als manchem von uns lieb ist! [wendet sich zum Gehen.]

Paul[sehr mild zu dem abgewandten Johannes Zürn]: Nur keine so großen Worte Bruder Johannes. Ist es nicht auch dein großer Ehrgeiz, der dich so über die Pläne unseres ehrwürdigen Abtes richten lässt..., und auch ein wenig Neid auf Bruder Aurelius?

Johannes[der als getroffener Hund bellt, wütend]: Hüte deine Zunge. Mit mir hat das nichts zu tun. Mir ists nur um das Seelenheil meiner Mitbrüder Angst.

Paul[wendet sich zum Kloster, sehr sanft]: Die Zeit wird zeigen, wohin uns Gottes unausforschliche Güte führen wird. Lasst uns hinein gehen, die Vesper wartet.

Sebaldus[beipflichtend]: Ja, gehen wir zum Gebet! [alle vier gehe in die Klosterpforte/ins Paradies].

4. Szene: Wirtshaus im Dorf, vor dem Kloster

Mehrere Bauern und (nur zwei) Frauen beim Zechen. Derbe Sprüche v.a. gegenüber der Magd, die bedient. Man spricht über das Kloster und die bevorstehenden Proben zum Weltgerichtsspiel. Die Reden sind zotig und nicht für jedermanns Ohren bestimmt. An einem Tisch abseits der heilkundigen Kräutertrude setzt sich ein junger Student – wie wir später erfahren auf der Durchreise von Paris nach Heidelberg, Arbeit suchend.

Der Student, er gibt seinen Namen mit Maximilian („Wie unser deutscher Herrscher” sagt er lachend) an, wird in die Zechrunde aufgenommen und gibt eine schlüpfrige, ja ordinäre Minnerede zum Besten. Der Student ist von dem Gedanken, den Teufel zu spielen, sehr angetan.

Bauer Hinz[schlägt der Wirtsmagd auf ihren prallen Hintern, man merkt ihm und den andern Zechern an, dass sie schon ordentlich getankt haben]: Dich alleine ... ha ha ha ... dich mal ganz alleine in meinem Heuschober. Das würd‘ dir gut tun. Ich tät‘ dir die Fürz‘ aus dem Arsch pumpen. [Macht eine ordinäre Hüftbewegung. Alle lachen. Die Magd schlägt ihm auf die Finger, er fasst ihre Hand.]: Nun wie wär’s mit uns.

Wirtsmagd Liesel[lacht kokett]: Geh Hinz, je größer das Maul um so schlaffer der Schwanz. Wer mit mir buttern will, muss erst mal ins Butterfass passen. [Sie fasst sich ordinär zwischen die Beine. Alle johlen durcheinander.]

Hinz[fasst sie wieder am Arm und zieht sie sich auf den Schoß]: Bleib‘ nur ein wenig hier sitzen und rühr dich, dann wirst du spüren, ob das Buttefass für meinen Stecken nicht zu klein ist. [lacht]

Liesel[legt den Arm um ihn]: Hinz, Hinz ... du bleibst auch immer der Alte. Versäufst das bisschen Geld, das all halb Jahr da ist, und meinst dann, du könntest mich noch oben drauf kriegen. Aber dein Hof reicht doch nicht für zwei, und was wär‘ mit den Bälgern, die bald kommen würden. Die fressen dir die letzten Haare vom Kopf. Lass‘ gut sein, trink, und vergnüg‘ dich.

Hinz[trinkt weiter und umfasst Liesels Brüste]: Aber bleib noch bei mir sitzen, es tut gut, dich zu spüren.

Maximilian[kommt herein, bleibt an der Türe stehen, die Mütze in der Hand]: Grüß Gott ihr Leute. Gibts wohl für einen armen Studenten ein Stück Brot und Wasser.

Wirt Kunz[winkt ihm]: Grüß Gott. Komm nur rein und setzt dich hier zu Trude. [ruft zu Liesel, die gerade mit Hinz schmust] Liesel bring‘ dem jungen Herrn Brot und Wasser, und tu ihm einen Schluck Wein in den Krug, dann schmeckt‘s nach was. [Liesel steht von Hinzens Schoß auf und tut wie ihr geheißen.]

Maximilan: Guten Abend. Ich bin froh, ein Dach über dem Kopf zu haben. Die dunklen Wolken, die von Ettlingen herziehen, verheißen nichts Gutes. [setzt sich an den Armsündertisch zu Trude]

Kräuter-Trude[zu dem bei ihr Sitzenden]: Guten Abend, junger Mann

Maximilian[neigt sich zu ihr]: Guten Abend. Ich hoffe, ich stör nicht, wenn ich mich hersetze.

Trude[sehr ruhig]: Nein, nein, du störst mich nicht. Es setzt sich selten genug einer nur zum Vergnügen zu mir und plaudert ein wenig mit mir.

Maximilian[nimmt einen Schluck des Wassers, und bricht ein Stück des bereitgestellten Brotes ab]: Das Kloster hier im Schwarzwald kannte ich bisher nur vom Hörensagen.

Trude[fragt ihn]: Woher kommst du denn so spät am Abend. Die Gegend ist nicht immer sicher in der Nacht. Es treibt sich allerlei Gesindel herum.

Maximilian[Isst und spricht mit vollem Mund]: Auf dem Weg nach Heidelberg bin ich. Da hab ich vor zwei Jahren studiert und jetzt wollt ich einen ehemaligen Professor aufsuchen, um mit ihm ein schwieriges juristisches Problem zu diskutieren. Ich will den Doktor des Jurisprudenz machen, und da brauch ich das für.

Hinz[zu Liesel]: Komm ruhig wieder her zu mir, in der Hose rührt sich wieder was.

Liesel[macht eine abweisende Handbewegung]: Was wird sich schon in deiner Hose regen, sie wird sich wegen nem verklemmten Furz blähen.

Hinz[lacht laut und dreckig]: Nein, mein Butterstempfel ists, der sucht dein Butterfass. Oder ist dir die Milch sauer geworden. Jetzt komm schon her.

Liesel[tritt an den Tisch des Studenten, kokett]: So einer wie der hier könnt mir gefallen. [reibt sich von hinten an Maximilians Schulter] Na Student, wie heißt unser Schöner denn.

Maximilan[etwas verlegen auf Trude schauend]: Ich heiß Maximilian.

Trude[zu Liesel, die sich ziemlich geil an Maximilian ranmacht]: Liesel, lass den jungen Mann. Es ist ungeziemlich, was du da machst. Außerdem unterhalten wir uns gerade.

Hinz[rückt mit seinem Schemel näher]: Und? darf man sich mit den hohen Herrschaften unterhalten? [streckt Maximilian die Hand hin] Hinz ist mein Name. Und du heißt Maximilian.

Maximilian[der die Hand fest geschüttelt hat]: Ja, wie unser ritterlicher König.

Hinz[lacht, und ist nun nahe genug gerückt, um Liesel wieder auf seinen Schoß zu ziehen]: Da Liesel, spürst du den Stecken.

Liesel[greift unter sich und spielt die Erschrockene]: Ei Hinz, wer hätte das gedacht, dass du noch einen hoch kriegst. Nicht schlecht, ich glaub, es gibt doch noch etwas Butter auf die Nacht. [lacht schmutzig, der Wirt und Hinz lachen mit].

Trude[weist sie in die Schranken]: Jetzt ists aber genug, man muss sich schämen für euch vor dem jungen Mann.

Wirt[besänftigend]: Ach Trude, lass uns doch ein wenig Spaß haben. Und den jungen Herrn wird’s schon nicht stören. Ich hab gehört, Studenten sind so manches gewohnt.

Maximilian[abwehrend, verlegen]: Ja was man so erzählt über uns Studenten.

Wirt[will es genau wissen]: Wo kommst du denn her, ich habe nur vorhin mit gekriegt, dass du noch nach Heidelberg willst, da hast du noch ne ganz schöne Strecke vor dir. Eine Woche brauchst du mindestens bei dem Wetter.

Maximilian[gibt Auskunft und erzählt]: Ich habe es nicht eilig. Erst in einem Monat muss ich in Heidelberg sein. Von Paris bin ich los gezogen, dort habe ich grade meinen Magister fürs Jurastudium gemacht.

Trude[fragend]: In Paris hast du studiert, da geht der Weg aber nicht hier durch nach Heidelberg.

Maximilian[stimmt zu]: Ja, da hast du recht. Aber ich hatte paar Unannehmlichkeiten, weil ich völlig abgebrannt bin. Da musste ich mich etwas abseits der normalen Strecke halten.

Wirt[schlägt ihm auf die Schulter]: Jetzt bist du erst mal hier, mach dir mal keine Sorgen. Hier wird sich schon was für dich finden, dass du dir dein Brot verdienst.

Hinz[der sich die ganze Zeit sehr intensiv und intim mit Liesel beschäftigt, zu Maximilian]: Ein Student bist du also. Und hast in Paris studiert. Ich hab gehört, die Pariser Studenten sind ganz besonders geile Burschen.

Maximilian[abwehrend]: Geschichten, nichts als Geschichten; das ist alles halb so schlimm. Natürlich gehts nicht immer zu wie im Nonnenkloster.

Hinz[neugierig lauernd]: Was weißt du, wies im Nonnenkloster zugeht?

Maximilian[lacht]: Na, nicht was du meintst. Na ja, man hört da ja so Manches; die Beichtiger werdens besser wissen.

Hinz[lacht mit]: Ich denk auch, mancher Pater wird ein himmlisches Lied zu singen wissen, wenn er die Nonnen bedient hat. [haut sich lachend auf die Schenkel] Und du weißt gar kein deftiges Studentenstück?

Maximilian[immer noch abwehrend]: Ja schon, aber das ist nichts für feine Ohren, eher eine Sauerei, die man nicht in der Öffentlichkeit rausposaunt. Es sind ja auch Frauen hier.

Wirt[ist neugierig geworden und mischt sich ein]: Na Student, so feine Ohren haben wir nun auch wieder nicht. Wir sind manches gewöhnt, wir haben ja unseren Hinz. [deutet lachend auf diesen.]

Hinz[lacht mit]: Ja und wir haben die Liesel [fasst diese, die an seinem Tisch steht, unverschämt an, sie lacht nur], die mich immer auf die gleichen geilen Gedanken bringt. Wenn du die mit den Frauen meinst? Du hast ja selbst gespürt, wie die rangeht.

Maximilian[gibt langsam nach]: Na ja, ich hab schon mit gekriegt, wies bei euch zugeht...

Hinz[lauernd]: ja und, was ist jetzt mit der Sauerei?

Maximilian[immer noch zögernd]: ... wenn ihr unbedingt wollt, könnt ich vielleicht ....

Hinz[unterbricht ihn, äfft ihn nach]: ‚Könnt ich vielleicht...‘ – jetzt zier dich nicht so. Liesel bring dem jungen Mann ein Glas Wein, vielleicht fällt ihm dann die gescheite Sauerei wieder ein.

Wirt:[stimmt zu]: Ja auf!, das Glas geht aufs Haus; und wenn es uns gefällt, was du zum Besten gibst, soll gleich noch eines folgen.

Maximilian[zögert zunächst noch, nimmt dann von Liesel das Weinglas und hebt sein Glas]: Ich weiß wirklich nicht so recht... Also gut – wenns unbedingt muss –, ich will euch ein derbes Stück zum Besten geben, das ich vor Jahren bei einem Umtrunk in Heidelberg gehört habe, hoffentlich bekomm ich noch alles zusammen. Die Weiber möchte ich warnen, es ist eigentlich nicht für ihre Ohren gemacht. [Er nimmt einen kräftigen Schluck und beginnt mit seinem Vortrag, den er mit obszönen Handbewegungen ausmalt. Die Bauern, die solch starken Tobak noch nicht gehört haben, johlen an den entsprechenden Stellen, so dass Maximilian häufig Mühe hat, fortzufahren; als Einzige wehrt sich Trude mit entsprechender Mimik gegen die „Schweinereien”]: Ich will euch ein Kabinettstückchen über das [er schmunzelt] „Summum bonum der Weiber”, da höchste Gut für viele Männer, vortragen:

„Es ist schon immer der Lauf der Welt

Die Liebe ist käuflich für gutes Geld.

Manchen erfreut der wonnige Mai,

Manchen freut die Falknerei,

Mancher freut sich beim Turnier,

Und mancher säuft aus Kannen Bier.

Manchen freuen jagende Hunde,

Und mancher freut sich auf die Stunde,

Wenn er zum Tanzen kommen soll,

Mancher fühlt sich bei Frauen wohl,

Manchen freut üppiger Tand,

Manchen freut sein schickes Gewand,

Mancher kann nur Freude finden,

Die ihm dicke Bücher künden.

Die Landstreicher freuen sich, wie bekannt,,

Wenn sie ziehn von Land zu Land.

Jedermann ist wohlgemut,

Wenn er hat, was gut ihm tut.

Mehr als all das erfreuet mich

Eine gute Fotze sicherlich,

(Bauer Hinz lacht, schlägt sich auf die Schenkel, macht eine obszöne Bewegung und deutet auf die Wirtsmagd, v.a er aber auch die anderen Männer gehen mit entsprechender Mimik und Gestik mit)

Denn was auch immer man sieht und hört,

Eine gute Fotze ist weit mehr wert.

Eine gute Fotze lässt Esel rattern,

Eine gute Fotze lässt Vögel flattern,

Eine gute Fotze macht Pfauen rund,

Eine gute Fotze reibt Kater wund,

Eine gute Fotze verjüngt die Häute,

Eine gute Fotze reizt Viecher und Leute,

Eine gute Fotze rundet den Ranzen,

Eine gute Fotze lässt Mönche tanzen.

Einer guten Fotze von Natur

Erfreut sich alle Kreatur.

Nun hört, was ne gute Fotze sei,

Die mich der Sorgen macht ledig und frei:

[Hanswurst steht auf und geht, aufmerksam lauschend, eis zwei Schritte auf die Szene zu; man merkt seinen Gesichtszügen und seiner Haltung an, wie unangenehm ihm der Vortrag ist.]

Ein Weibsbild, von schöner Gestalt,

Weder zu jung noch zu alt,

Mit einem lieblichen Angesicht,

Die Augen, die Brauen schön zugericht,

Dazu eine Nase gerade und klein.

Und der Mund wir brennender Feuerschein,

Tief im wärmenden Ofen drin.