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Antonias Schönheit verschlägt Marco Bellini, Milliardär aus Mailand, immer wieder den Atem. Obwohl sie bereits seit einem Jahr zusammen sind, ist ihr Leben ein Feuerwerk der Leidenschaft. Doch dann taucht Antonias Ex auf, und das gemeinsame Glück scheint plötzlich bedroht …
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Seitenzahl: 205
IMPRESSUM
Felicità - Glück auf Italienisch erscheint in der HarperCollins Germany GmbH
© 2001 by Michelle Reid Originaltitel: „The Bellini Bride“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe ROMANABand 1436 - 2002 by CORA Verlag GmbH, Hamburg Übersetzung: Karin Weiss
Umschlagsmotive: czekma13/GettyImages
Veröffentlicht im ePub Format in 1/2018 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783733754969
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
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Zwischen dem zerwühlten Bettzeug erblickte Marco Bellini ein langes gebräuntes Bein und eine sanft gerundete Hüfte. Der Rest war mit dem blütenweißen Laken bedeckt, an dessen oberen Ende Antonias schlanker Arm und eine üppige Fülle rötlichblonden Haares hervorragten.
Marco lehnte sich an das Geländer und lächelte, während er einen Schluck Kaffee trank. Es war noch sehr früh, doch die Sonne brannte ihm schon heiß auf den Rücken. Er war nach dem Duschen sogleich hinausgegangen und hatte sich das weiße Badetuch um die Hüften geschlungen. Hier in dem Sommerhaus hoch oben auf dem Hügel oberhalb von Portofino konnte er es sich erlauben, halb nackt auf der Terrasse zu stehen. Außer den Möwen, die die Stille mit ihrem Geschrei durchbrachen, konnte ihn niemand sehen.
Antonia könnte ihn natürlich sehen, wenn sie nicht noch schlafen würde. Sie brauchte auch nicht wie er um neun Uhr in Mailand zu sein. Deshalb gab es für sie keinen Grund, so früh aufzustehen. Aber wenn sie jetzt aufwacht, wäre es für mich geradezu selbstverständlich, trotz meiner Termine das Badetuch fallen zu lassen und mich zu ihr ins Bett zu legen, gestand er sich ein.
Marco trank noch etwas Kaffee, der heiß, schwarz und sehr stark war. Er genoss jeden Schluck davon, während er Antonia im Schlaf beobachtete.
Seit einem Jahr war er mit dieser ungemein schönen und attraktiven Frau zusammen. Sie war immer elegant und perfekt gekleidet, und wenn sie nackt war, wirkte sie mit ihrem fantastischen Körper und der feinen Haut genauso perfekt. Sie strahlte eine natürliche Schönheit aus, mit der keine andere Frau konkurrieren konnte. Marco war stolz darauf, dass er ihr Liebhaber war und sie nur Augen für ihn hatte.
Liebe ich sie etwa? fragte er sich. Nein, gab er sich dann selbst die Antwort. Er liebte ihre Schönheit, ihre Eleganz und die Gefühle, die sie ihn ihm weckte. Er würde ihr jederzeit das Leben retten und seins dafür riskieren. Aber wahre Liebe ging tiefer. Er müsste sie als die Frau lieben, die sie war, und das tat er nicht.
Er seufzte. In dem Moment schob sich eine Wolke vor die Sonne, und eine Möwe schien ihren Protest hinauszuschreien. Plötzlich schmeckte ihm der Kaffee bitter. Marco stellte die Tasse hin, drehte sich um und blickte hinaus auf das blaue Wasser des Mittelmeers. Er wünschte, er wüsste, was er machen sollte.
Niemals würde er sich von Antonia trennen. Und das bedeutete, er würde auf jeden Fall Schwierigkeiten bekommen. Dort drüben hinter den Bergen und jenseits der fruchtbaren Täler seines schönen Italiens braute sich etwas zusammen. Seine herrschsüchtige Mutter und sein kranker Vater, der sich sehnlichst wünschte, die Hochzeit seines Sohnes noch zu erleben, machten ihm Probleme.
Es würde ihm nicht schwer fallen, Antonia zu heiraten, auch ohne sie zu lieben. Sie war jung und schön, und sie liebte ihn sehr. Doch welche Eltern würden es ihrem einzigen Sohn verzeihen, dass er eine Frau wie Antonia heiratete? Für den Erben des riesigen Bellini-Vermögens war eine solche Verbindung schlechthin unmöglich.
Antonias Vergangenheit würde sie verfolgen. So eine Frau würde ihm, Marco, und seiner Familie keine Ehre machen. Sie war die perfekte Geliebte, aber das war auch schon alles.
Marco seufzte noch einmal. Vielleicht hatte Antonia es gehört, denn sie bewegte sich. Er nahm die Tasse in die Hand und beobachtete Antonia. Sie drehte sich langsam auf den Rücken und streckte, ohne die Augen zu öffnen, den Arm aus. Sie will mich streicheln, dachte Marco. Diese Geste war ihm so vertraut, dass er glaubte, ihre Hand auf seiner Brust zu spüren. Er bekam eine Gänsehaut und lächelte wieder. Es gefiel ihm, dass sie beim Wachwerden zuerst an ihn dachte.
Als sie begriff, dass Marco nicht mehr neben ihr lag, öffnete sie die Augen. Sekundenlang zögerte sie, dann richtete sie sich mit einer einzigen geschmeidigen Bewegung auf und sah sich um.
Sie entdeckte ihn sogleich und lächelte ihn liebevoll an. „Hallo“, begrüßte sie ihn sanft.
Er warf ihr einen strahlenden Blick zu, während sein Körper anfing, auf diese Frau, die ihn immer wieder zutiefst berührte, zu reagieren.
Graziös stand sie auf. Dann hob sie die Arme und reckte und streckte sich, während Marco ihren herrlichen Körper bewundernd betrachtete. Ihre leicht gebräunte Haut schimmerte wie feine Seide. Das wunderschöne Haar fiel ihr in weichen Wellen über den Rücken. Noch nie hatte Marco eine Frau kennen gelernt, die so makellos und hinreißend schön war wie Antonia. Ihr Gesicht, ihr Haar, ihr perfekter Körper, die Art, wie sie sich bewegte, das alles faszinierte ihn.
Jetzt kam sie auf ihn zu. Ihr Anblick erregte die Sinne aller Männer und beflügelte deren Fantasie, dessen war er sich sicher. Sogar die Sonne schien von ihr begeistert zu sein, denn sie kam in dem Moment hinter der Wolke hervor, als Antonia die Terrasse betrat, und schien sie in ein goldenes Licht zu hüllen.
Ich kann verstehen, dass Stefan Kranst von ihr wie besessen war und die Schönheit ihres nackten Körpers auf die Leinwand bannen musste, dachte Marco verbittert. Der Künstler hatte sie in jeder nur möglichen Stellung gemalt. Jahrelang war sie das einzige Modell des Malers gewesen.
In seinem Bestreben, Antonia auf diese Weise unsterblich zu machen, hatte er die Fantasie der Betrachter angeregt. Die Gemälde mit ihrem nackten Körper schmückten die Wände der Reichen und Berühmten. Wenn Antonia einen Raum betrat, hielten alle, die die Werke des Malers kannten, inne und hatten das Gefühl, sie würden sie schon lange und intim kennen.
Seltsamerweise war es ihr völlig egal. Es war ihr nicht peinlich, und sie wurde nie verlegen. Antonia fühlte sich wohl in ihrem Körper und hatte kein Problem mit den Bildern des Künstlers.
Sie war als Stefan Kransts Aktmodell bekannt, und das brachte Marco einen gewissen Ruhm unter seinen männlichen Bekannten ein, die ihn irgendwie beneideten. Es war ein zweifelhafter Ruhm, auf den er hätte verzichten können, er konnte jedoch damit umgehen. Genau wie Kranst war er wie besessen von dieser Frau.
Antonia blieb schweigend vor ihm stehen. Sie blickte ihn unverwandt an, während sie ihre Hand auf seine legte, in der er die Tasse hielt. Ihre Augen schimmerten im Sonnenschein wie Topase. Marco sah sie an, und langsam führte sie die Tasse an ihre Lippen. Dann trank sie einige Schlucke Kaffee, ehe sie die Tasse wieder an Marcos Lippen führte.
Das Spiel gefiel ihm, und er trank gehorsam den Kaffee. Dabei sahen sie sich in die Augen, und es kam ihm vor wie eine einzige Verführung. Schließlich schob Antonia seine Hand, in der er die Tasse hielt, weg, stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn.
Das Aroma des Kaffees lag noch in der Luft, und sie schmeckten ihm auf ihren Lippen. Antonias Brüste waren nur wenige Zentimeter von Marcos Brust entfernt, und er spürte die Reaktion seines Körpers unter dem Badetuch.
Es war ein Liebesspiel einer ganz anderen Art und so intim, dass er zutiefst berührt war. Als sie sich zurückzog, schien das Leuchten in ihren Augen unendlich viel zu versprechen. Vielleicht spiele ich mit, überlegte er. Doch momentan war er damit zufrieden, sich passiv zu verhalten und sich von Antonia verführen zu lassen.
Sie legte ihm die Hand auf die Schulter. „Du hast ohne mich geduscht“, beschwerte sie sich.
„Du hast noch geschlafen“, erinnerte er sie lächelnd.
Diese Antwort schien sie nicht zu überzeugen, denn sie verzog schmollend die Lippen und nahm ihm die Tasse aus der Hand. Dann stellte sie sie weg, griff nach seinen Händen und legte sie sich um die schmale Taille. Schließlich legte sie ihm die Arme um den Nacken. Mit einem kleinen Schritt stand sie dicht vor ihm und schmiegte sich an ihn. Er spürte ihre herrlichen Brüste an seiner Brust und ihre Hüften an seinen. Antonia neigte den Kopf etwas zur Seite, öffnete die Lippen und küsste Marco noch einmal.
Sein Körper reagierte heftig auf ihre Zärtlichkeiten. Er begehrte sie viel zu sehr, als dass er ihr hätte widerstehen können. Diese Frau war etwas ganz Besonderes, und er wollte sie nicht verlieren.
„Was ist los?“ Sie hob den Kopf, als Marco erbebte.
„Die Sonne ist hinter den Wolken verschwunden, es ist kühl“, antwortete er.
Das stimmte. Es kam ihm vor wie ein schlechtes Omen, dass die Sonne ausgerechnet in dem Augenblick verschwand, als er über die Zukunft nachdenken wollte.
„Du bist ein Softie“, sagte sie, während sie ihm mit den Fingern durchs Haar fuhr. „Du solltest mal bei solchem Wetter auf einem Balkon in England stehen. Als Italiener würdest du wahrscheinlich sogleich Frostbeulen bekommen.“
Eigentlich sollte ich jetzt lachen oder eine lustige Bemerkung machen, dachte er. Aber es gelang ihm nicht, denn er stellte sich Antonia plötzlich nackt auf einem Balkon in England vor, wie Kranst sie gemalt hatte.
„Du musst es wissen“, erwiderte er deshalb ironisch.
Antonia stand wie erstarrt da. Sie war so schockiert, als hätte er sie geohrfeigt. Ihr Blick wirkte nicht mehr warm und zärtlich, sondern ausgesprochen kühl. Sie löste sich von ihm, drehte sich schweigend um und ging zurück ins Schlafzimmer.
Mit schlechtem Gewissen beobachtete er sie, während sie den Raum in Richtung Badezimmer durchquerte. Am liebsten wäre er hinter ihr hergelaufen und hätte sich entschuldigt. Aber dazu war es schon zu spät. Sie schloss die Tür hinter sich ab. Ihm war klar, er würde sich anstrengen müssen, das, was er da angerichtet hatte, wieder in Ordnung zu bringen.
„Verdammt“, fluchte er vor sich hin und drehte sich auch um.
In dem Moment kam die Sonne wieder zum Vorschein. Er sah der Möwe zu, die über seinen Kopf hinwegflog. Dann runzelte er die Stirn. Er würde nicht dadurch aus seinem Dilemma herauskommen, dass er den Schaden, den er mit seiner Bemerkung angerichtet hatte, wieder gutmachte.
Mit geschlossenen Augen stand Antonia im Badezimmer. Sie wartete darauf, dass der Schmerz nachließ, den sie empfand. Nicht Marcos Worte hatten sie so sehr verletzt, sondern die Art, wie er sie seine Verachtung hatte spüren lassen.
Immer wieder lief alles auf Stefan hinaus. Marco schaffte es offenbar nicht, sich damit abzufinden, dass ihr Leben nicht erst angefangen hatte, als sie ihn kennen lernte. Er hielt an geradezu archaischen Prinzipien fest. Und das passte nicht zu einem Mann, der stolz darauf war, flexibel, aufgeschlossen, vorurteilslos und tolerant zu sein.
Eines Tages bin ich stark genug, mich gegen diese Prinzipien zu wehren und auch dagegen, dass er sich das Recht herausnimmt, so mit mir zu reden, überlegte sie.
Aber noch war es nicht so weit. Wenn sie anfing, sich zu wehren, müsste sie auch ihre Beziehung mit Marco infrage stellen und damit rechnen, ihn vielleicht für immer zu verlieren.
Sie spürte, dass der Augenblick der Entscheidung näher rückte. Ihr wurde bewusst, dass der Schmerz, den sie immer wieder nach Marcos gezielten Sticheleien empfand, dieses Mal rascher verschwand. Sie öffnete die Augen und betrachtete sich im Spiegel.
Ich bin mit einem Mann liiert, der nicht verheiratet ist, mich aber trotzdem wie eine Geliebte und nicht wie eine Freundin oder Partnerin behandelt, sagte sie sich und verzog spöttisch die Lippen. Die Geliebte eines Mannes zu sein war ein Makel für eine Frau und bewies, dass der Mann keine Achtung vor ihr hatte. Dem Ansehen eines Mannes hingegen schadete es nicht, wenn er der Geliebte einer Frau war.
Letztlich ging es Marco nur um Sex. Antonia wohnte in seinem Haus, sie schlief in seinem Bett. Und sie war finanziell von ihm abhängig. Dafür konnte er sich ihrer Loyalität und ihres Körpers sicher sein.
Das ist eigentlich gar nicht so schlecht für eine Frau, die kein eigenes Vermögen hat, sagte sie sich spöttisch. Wenn sie Marco nicht so verzweifelt liebte, könnte sie das Leben genießen, das er ihr bot. Sie liebte ihn jedoch und war unglücklich.
„Marco gehört zur Elite“, hatte Stefan erklärt, als er versucht hatte, ihr die Idee auszureden, mit Marco in Italien zusammenzuleben. „Er will deinen Körper haben, aber das ist auch schon alles. Du kommst nicht aus seinen Kreisen und passt auch nicht hinein. Die Leute der High Society heiraten nur untereinander.“
Dass Stefan recht gehabt hatte, hatte sie schon bald einsehen müssen. Am besten würde ich meine Sachen packen und gehen, sagte sie sich. Und das würde sie wahrscheinlich auch eines Tages tun. Sie nahm es sich jedenfalls vor.
Die Trennung von ihm würde ihr sehr schwer fallen. Sie liebte ihn viel zu sehr und war schon zu lange mit ihm zusammen, um einfach weggehen und ihn vergessen zu können. Lieber ertrug sie seine gelegentlichen beleidigenden Bemerkungen noch eine Zeit lang.
Das bedeutete natürlich nicht, dass sie ihm immer wieder alles verzeihen würde. Sie stellte sich unter die Dusche und beschloss, Marco für die Beleidigung büßen zu lassen. Sie musste lächeln bei dem Gedanken, Marco Bellini, diesem arroganten und selbstherrlichen Mann, eine Lektion zu erteilen, und ihre Stimmung hellte sich auf.
Als sie aus dem Badezimmer kam, war Marco nicht mehr da. Antonia ging hinunter und begegnete Nina, dem Hausmädchen.
„Signor Bellini ist vor zehn Minuten nach Mailand gefahren“, erklärte die junge Frau. „Er hat gesagt, ich solle Sie an die Party heute Abend erinnern. Sie möchten bitte vorsichtig fahren, weil in der Hochsaison starker Verkehr nach und von Mailand herrscht.“
Antonia bedankte sich und lächelte belustigt. Das war typisch für Marco. Er war rasch und heimlich verschwunden, denn er wusste genau, dass er sie verletzt und beleidigt hatte. Zugleich tat er jedoch so, als wäre alles in Ordnung, und ließ sie an die Party erinnern.
Und warum das alles? Weil er als erfolgreicher Unternehmer, der dafür bekannt war, rücksichtslos und eiskalt zu sein, es nicht ertragen konnte, wenn zwischen ihnen Unstimmigkeiten bestanden. Obwohl er sie nicht so liebte, wie sie es sich wünschte, hatte er sie doch gern und fühlte sich unbehaglich, wenn er sie verärgert oder aufgeregt hatte. Da Marco ein sehr egoistischer Mensch war, legte er Wert auf ein möglichst harmonisches Privatleben.
Er hatte einen ersten kleinen Schritt getan, um die ihm so wichtige Harmonie wieder herzustellen. Weitere kleine Schritte werden folgen, dachte Antonia, während sie am Frühstückstisch saß. Sie frühstückte zum ersten Mal allein, seit sie vor einer Woche in Portofino angekommen waren. Bisher hatten sie die Zeit gemeinsam verbracht und kaum etwas anderes getan, als sich zu lieben und zu schlafen.
Der Urlaub hier in seinem Sommerhaus in Portofino war so etwas wie ein Geburtstagsgeschenk für sie. Auch den roten Sportwagen, einen Lotus, der im Hof stand und mit dem sie nach Mailand fahren würde, hatte er ihr zum Geburtstag geschenkt. Im vergangenen Jahr hatte sie einen kleinen Fiat bekommen. Doch da waren sie auch erst einen Monat zusammen gewesen.
Die Geschenke, die ich vielleicht als Prämien für gute Dienste bezeichnen sollte, werden großzügiger, je länger ich bei ihm bin, überlegte sie. Wie würde die Prämie zu ihrem nächsten Geburtstag aussehen?
Vielleicht war sie dann gar nicht mehr mit ihm zusammen. Der Gedanke schmerzte, und sie verdrängte ihn sogleich wieder. Schließlich stand sie auf und ging nach oben, um zu packen.
Eine Stunde später saß sie in der eleganten weißen Hose und einem T-Shirt in dem roten Lotus. Das Haar hatte sie kunstvoll zu einer modischen Frisur hochgesteckt. Sie las, was auf dem Zettel stand, den Marco ihr auf das Armaturenbrett gelegt hatte.
„Respektiere die Kraft des Wagens, dann wird er Dich respektieren“, stand darauf. „Ich wünsche mir, dass Du heil und gesund bei mir ankommst.“
Antonia lächelte liebevoll, jedoch nicht wegen der Nachricht selbst, sondern weil Marco sich Zeit genommen hatte, ihr etwas zu schreiben, ehe er in seinen Ferrari gestiegen war.
Das war der nächste dieser kleinen Schritte. Sie lächelte noch, als sie in den ersten Gang schaltete und losfuhr, zurück nach Mailand. Was würde Marco sich sonst noch alles einfallen lassen?
Er war ein sehr guter Taktierer. Er wartete, bis sie seiner Meinung nach die Vororte von Mailand erreicht haben musste, ehe er ihre Nummer wählte. Und dann läutete ihre Freisprechanlage im Auto.
Sie überlegte, ob sie das Läuten ignorieren und ihn schmoren lassen sollte. Schließlich konnte sie der Versuchung nicht länger widerstehen und drückte auf den Knopf, um die Verbindung herzustellen.
„Hallo, Liebes.“ Seine tiefe Stimme klang sanft, herzlich und verführerisch. Antonia bekam eine Gänsehaut. „Du musstest dich wahrscheinlich auf den Verkehr konzentrieren und konntest dich deshalb nicht sogleich melden“, stellte er spöttisch fest.
Er weiß, dass ich überlegt habe, mich gar nicht zu melden, schoss es ihr durch den Kopf. „Was willst du?“, fragte sie kurz angebunden.
„Das kommt darauf an, wo du jetzt bist“, antwortete er anzüglich.
„Momentan spaziere ich nackt durch Monte Napoleon. Etwas anderes erwartest du ja auch nicht von mir“, entgegnete sie in Anspielung auf seine Bemerkung am frühen Morgen. Monte Napoleon war ein vornehmes Wohnviertel in Mailand.
Eigentlich hätte er sich jetzt schuldig fühlen müssen. Er lachte jedoch nur anerkennend. Antonia wünschte, sie könnte ihn hassen. Aber sie empfand etwas ganz anderes als Hass und hatte Mühe, sich auf den dichten Verkehr zu konzentrieren.
„Ich habe das Mittagessen bei Dino’s ausfallen lassen, nur um mit dir zu reden“, sagte er dann.
„Pech für dich, mein Lieber“, erwiderte sie. „Das hättest du nicht tun sollen, es wäre auf jeden Fall die bessere Alternative gewesen.“
„Du schmollst wie eine Primadonna“, hielt er ihr vor.
Er hatte recht, das tat sie, und sie hatte auch Grund dazu. Sie durfte jedoch die versteckte Warnung nicht in den Wind schlagen. „Du hast mir erklärt, du hättest mehrere Meetings heute.“ Ihre Stimme klang jetzt weniger spöttisch. „Ein Mittagessen bei Dino’s dauert meist stundenlang.“
„Manchmal bin ich selbst überrascht über meine Leistungsfähigkeit“, antwortete er betont locker.
„Und über deine Eitelkeit“, fügte sie hinzu.
„Ja, darüber auch“, gab er arrogant zu.
Antonia musste lächeln. Seine Arroganz und seine Eitelkeit trugen zu seiner charismatischen Ausstrahlung bei. Außerdem sah er ungemein gut aus, wie Antonia sich eingestand, während sie über die Stadtautobahn in die Stadtmitte fuhr. Er hatte einen herrlichen Körper und war ein fantastischer Liebhaber.
„Ehrlich gesagt, das Mittagessen bei Dino’s wäre für mich sowieso nicht infrage gekommen“, erklärte er in dem Moment. „Dafür haben die Meetings heute Morgen zu lange gedauert. In einer halben Stunde fängt das nächste an. Jetzt sitze ich hier an meinem Schreibtisch, esse ein Sandwich, habe die Zeitung vor mir liegen und sehne mich danach, etwas Nettes von dir zu hören.“
„Ah ja.“ Mehr fiel ihr dazu nicht ein.
„Ich soll mich wirklich vor dir auf die Knie werfen, stimmt’s?“, fragte er reumütig.
„Ja, das ist keine schlechte Idee.“
„Wie interessant“, sagte er leise. „Die Vorstellung gefällt mir. In dieser Position hätte ich mehrere Möglichkeiten, wie ich dich um Verzeihung bitten könnte.“
Antonia konnte sich nicht mehr beherrschen, sie lachte laut auf. Marco lehnte sich in seinem luxuriös ausgestatteten Büro im Sessel zurück und lächelte sehr zufrieden. Dann wechselte er geschickt das Thema und sprach von allgemeinen Dingen. Er wollte wissen, wie sie den Nachmittag verbringen würde. Und er überlegte mit ihr, wann sie am Abend zu seinem Freund Franco und dessen Frau Nicola fahren würden, die ihren ersten Hochzeitstag feierten.
Als das Gespräch beendet war, war Marco sich ziemlich sicher, dass Antonia ihm die dumme Bemerkung verziehen hatte. Er konnte sich wieder entspannen.
Er packte das Sandwich aus und griff nach der Zeitung. Dann legte er die Füße auf den Schreibtisch und machte es sich für die nächste halbe Stunde bequem.
Als er die Zeitung aufschlug, war seine gute Laune wie weggeblasen. Auf dem Foto, das ihm ins Auge fiel, erkannte er Stefan Kranst. Er stand in einer der bekanntesten Galerien Mailands. In dem ganzseitigen Artikel wurde Werbung gemacht für die Romano-Galerie, wo der Künstler in der kommenden Woche seine Gemälde ausstellte.
Aber das beunruhigte Marco weniger als der Verdacht, Antonia habe gewusst, dass Kranst nach Mailand kommen würde. Sie hatte es ihm gegenüber jedoch nicht erwähnt.
Wusste sie es wirklich? Wollte sie Stefan Kranst heimlich treffen? Es wäre nicht das erste Mal.
Obwohl sie Kranst verlassen hatte und jetzt mit Marco in Mailand zusammenlebte, hatten sich die beiden nicht endgültig getrennt. Marco hatte zufällig herausgefunden, dass sie während ihres gemeinsamen Aufenthalts in London Anfang des Jahres einen ganzen Tag mit Kranst verbracht hatte.
„Du kannst mir nicht vorschreiben, wen ich sehen darf und wen nicht“, hatte sie erklärt, als er ihr Vorhaltungen gemacht hatte. „Stefan wird für mich immer ein ganz besonderer Mensch bleiben. Und wenn du damit nicht zurechtkommst, ist es dein Problem und nicht meins, Marco.“
Er hatte das Gefühl gehabt, sie würde ihn verlassen, wenn er auf seinem Standpunkt beharrte. Deshalb hatte er geschwiegen. Ihm war bewusst geworden, dass Kranst noch Macht über Antonia hatte, und er hatte zum ersten Mal in seinem Leben gespürt, wie quälend Eifersucht sein konnte.
Es gefiel Marco nicht, dass er nachgegeben hatte. Genauso wenig gefiel ihm, dass Kranst ausgerechnet jetzt nach Mailand kommen musste, wo Marco ernsthaft über seine Beziehung mit Antonia nachdachte.
Entweder war es eine perfekte zeitliche Abstimmung von Kranst, oder es war ein weiteres schlechtes Omen. Wie auch immer, Marco rührte das Sandwich nicht an, und seine Laune erreichte einen Tiefpunkt. Während der Meetings am Nachmittag stellte er sich immer wieder Antonia und Kranst zusammen im Bett vor.
Schließlich hielt er es nicht mehr aus. Er eilte in sein Büro und wählte die Nummer ihres Handys. Es war jedoch abgestellt, was ihn sehr irritierte. Dann erinnerte er sich, dass sie in seine Wohnung hatte gehen wollen, und rief dort an. Es schaltete sich aber nur der Anrufbeantworter ein.
Antonia stand vor einem Haus in einer Seitenstraße in einem weniger vornehmen Stadtteil und steckte den Schlüssel ins Schloss. Nachdem sie die Tür aufgeschlossen hatte, ging sie über den engen Flur und dann die Treppe hinauf, vorbei an den Büros von kleinen Firmen. Einige der Mieter kannten Antonia, andere nicht. Die meisten musterten sie neugierig und lächelten höflich, ohne sie jemals anzusprechen. Und das war ihr recht. Was sie hier machte, sollte ihr Geheimnis bleiben.
Auf dem obersten Flur steckte sie einen anderen Schlüssel in das Schloss der einzigen Tür und ging hinein. Dann schloss sie sorgfältig hinter sich ab, drehte sich um und lächelte.
Als Antonia einige Stunden später Marcos Wohnung betrat, blieb sie sekundenlang stehen, um die Umgebung in sich aufzunehmen, die so ganz anders war als die, die sie soeben verlassen hatte.
Sein Apartment lag im obersten Stock eines modernen Gebäudes in der Innenstadt und war ein kleines Paradies. Nichts fehlte, und man hatte weder Mühe noch Kosten gespart, um ein harmonisches Ambiente zu schaffen.
Der große Flur war hell und luftig. Die Räume waren in einer geschmackvollen Mischung aus Alt und Neu eingerichtet. Nichts beleidigte das Auge. Es gab große Zimmer für offizielle Anlässe und kleinere für die private Nutzung. Die Küche war mit den modernsten Geräten ausgestattet, und alle vier Schlafzimmer hatten ein angrenzendes Badezimmer. Der Fußboden war mit bester italienischer Keramik ausgelegt, und an den Wänden hingen wertvolle Gemälde.
Wie seine Vorfahren, die Kunstsammler gewesen waren, hatte Marco ein Auge für das Besondere. Er und seine Mutter waren als Kunstförderer für ihre Großzügigkeit bekannt. Wenn sie etwas kauften, wurden andere aufmerksam. Und da er sich auf seinen guten Geschmack verlassen konnte, hatte er keine Bedenken, die Werke unbekannter Maler neben die von sehr berühmten Künstlern zu hängen.
Für solche Gedanken habe ich jetzt keine Zeit, mahnte Antonia sich. Sie hatte sich verspätet und war sich bewusst, dass sie gerade noch vor Marco nach Hause gekommen war.
Ich lebe gefährlich, überlegte sie, während sie ins Schlafzimmer eilte. Wenn Marco kam, wollte sie so tun, als wäre sie schon lange da und hätte sich auf den Abend vorbereitet.