Flawless - Elsie Silver - E-Book

Flawless E-Book

Elsie Silver

0,0
11,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Sie denkt, es hat nichts zu bedeuten. Für ihn bedeutet es alles

Die Regeln sind klar, als der Sportler Rhett Eaton von seinem Agenten nach einem PR-Skandal zu einer Zwangspause verdonnert wird: ruhig verhalten und Hände weg von seiner Tochter Summer! Denn genau die soll jetzt für Rhett den Babysitter spielen und raubt ihm damit den letzten Nerv. Die Anziehung zwischen ihnen lässt sich bald nicht mehr leugnen, und als sie nach einem Termin zusammen feststecken und sich sogar ein Bett teilen, stellt sich die Frage, ob sie einander widerstehen können ...

»FLAWLESS ist mein neues Lieblingsbuch! Ich kann nicht genug von den Eaton-Jungs bekommen!« BOOKBABESUNITED

Auftakt der CHESTNUT-SPRINGS-Serie

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 444

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Titel

Zu diesem Buch

Leser:innenhinweis

Widmung

Motto

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

12

13

14

15

16

17

18

19

20

21

22

23

24

25

26

27

28

29

30

31

32

33

Epilog

Danksagung

Die Autorin

Die Bücher von Elsie Silver bei LYX

Impressum

Elsie Silver

Flawless

Roman

Ins Deutsche übertragen von Maike Hallmann

Zu diesem Buch

Ein einziger Fehltritt auf dem Weg zu seinem dritten Weltmeistertitel genügt, und Rhett Eaton ist auf einmal in einen handfesten Skandal verwickelt. Neben dem Unmut seiner Fans springen ihm auch reihenweise die Sponsoren ab. Die Lösung seines Sportagenten: Er braucht einen Aufpasser, der sich darum kümmert, dass sich der Skandal nicht ausweitet und sein Image wiederhergestellt wird. Und dieser Babysitter ist ausgerechnet Summer Hamilton, die Tochter des Agenten und nach ihrem Jurastudium neu bei Hamilton Elite eingestiegen. Summer soll Rhett dabei helfen, seine Sponsoren zurückzugewinnen, ihn mit seinen Fans versöhnen und dafür sorgen, dass er sich in den nächsten zwei Monaten bis zum entscheidenden Finale in Las Vegas nichts mehr zuschulden kommen lässt. Summer zieht mit Rhett auf die Familienranch und begleitet ihn zu Interviews und Wettkämpfen. Schon bald merkt sie, dass hinter seiner Fassade des sorglosen Frauenhelden ein ganz anderer Mann steckt. Ein Mann, in den sie sich trotz aller Warnungen ihres Vaters immer mehr verliebt …

Liebe Leser:innen,

dieses Buch enthält potenziell triggernde Inhalte.

Deshalb findet ihr hier eine Triggerwarnung.

Achtung: Diese enthält Spoiler für das gesamte Buch!

Wir wünschen uns für euch alle

das bestmögliche Leseerlebnis.

Euer LYX-Verlag

Ehrlich gesagt habe ich dieses Buch für mich selbst geschrieben. Für das Mädchen, das keine Ahnung hatte, was es mit seinem Leben anfangen soll, und für die Frau, die es herausgefunden hat.

Manchmal packen wir die Gelegenheit beim Schopf, und manchmal packt sie uns.

Gregg Levoy

1

Summer

»Du hast hier ja einen ganz schön wütenden Scheißkerl, Eaton.« Der gut aussehende Cowboy auf dem Rücken des riesigen Bullen schnaubt spöttisch und packt das Seil vor ihm fester. Seine dunklen Augen blitzen selbst auf dem Bildschirm, und trotz des Helms erkennt man, was für ein markantes Gesicht er hat. »Je wilder sie bocken, desto glücklicher bin ich.«

Ich verstehe kaum ein Wort über dem Lärm der brüllenden Menge in der riesigen Arena und der dröhnenden Hintergrundmusik, aber am unteren Rand des Bildschirms laufen Untertitel mit.

Der junge Mann, der sich über die Absperrung des Pferchs lehnt, schüttelt feixend den Kopf. »Das muss die ganze Milch sein, die du trinkst. Der weltberühmte Rhett Eaton kennt keine gebrochenen Knochen.«

Der besagte weltberühmte Cowboy lacht, ein Aufblitzen weißer Zähne und das Funkeln eines bernsteinfarbenen Auges unter dem schwarzen Helm. Ein charmantes Grinsen, das ich gut kenne, weil ich stundenlang auf eine reglose Hochglanzversion davon gestarrt habe.

»Leck mich, Theo. Du weißt genau, dass ich Milch hasse.«

Ein schelmisches Lächeln umspielt Theos Lippen. »DusiehstabersüßausinderWerbung,wenndasZeugdirüberdieLippeläuft.ZiemlichniedlichfüreinenaltenMann.«Der jüngere Mann zwinkert ihm zu, und die beiden lachen freundschaftlich, während Rhett routiniert die Hand am Seil hinaufgleiten lässt.

»Ich würde lieber jeden verdammten Tag von einem Bullen abgeworfen werden, als diese Scheiße zu trinken.«

Ich höre sie lachen, und im nächsten Moment stoppt das Video auf dem großen Flachbildschirm. Mein Vater hat es angehalten, und über seinen Hals kriecht eine tiefe Röte und steigt ihm ins Gesicht.

»Okay …«, sage ich vorsichtig, gespannt, was an diesem Wortwechsel ein spontanes Meeting mit den beiden neuesten Vollzeitmitarbeitern bei Hamilton Elite erfordert.

»Nein. Nicht okay. Dieser Typ ist das Gesicht des professionellen Bullenreitens, und er hat gerade seine größten Sponsoren auf die Hörner genommen. Aber es wird noch schlimmer. Schau’s dir weiter an.«

Er drückt wieder auf Play, so zornig, als hätte die Taste persönlich etwas falsch gemacht, und der Bildschirm zeigt eine andere Szene: Rhett geht über einen Parkplatz, einen Seesack über der Schulter. Statt eines Helms trägt er jetzt einen Cowboyhut, dicht dahinter ein schlanker Mann in dunkler, zu weiter Kleidung. Die Kamera folgt den beiden.

Ich glaube nicht, dass Bullenreiter ein bevorzugtes Ziel von Paparazzi sind, aber Rhett Eaton hat sich im Lauf der Jahre einen Namen gemacht als Symbol für den rauen, wilden Kerl aus der ländlichen Wildnis.

Der Reporter macht einen kleinen Ausfallschritt, um sein Mikrofon vor Rhetts Mund zu bringen. »Rhett, was wollen Sie unseren Zuschauern zu dem Video sagen, das dieses Wochenende im Umlauf war? Möchten Sie sich entschuldigen?«

Der Cowboy presst die Lippen zu einem schmalen Strich zusammen und versucht, das Gesicht hinter der Krempe seines Huts zu verstecken. Ein Muskel in seinem Kiefer zuckt, und sein durchtrainierter Körper strafft sich. »Kein Kommentar«, sagt er mit zusammengebissenen Zähnen.

»Kommen Sie schon, Mann, geben Sie mir was.« Der schlanke Mann streckt die Hand aus und drückt Rhett das Mikrofon an die Wange, zwingt es ihm auf trotz seiner Weigerung, einen Kommentar abzugeben. »Ihre Fans verdienen eine Erklärung«, drängt er.

»Nein, tun sie nicht«, brummt Rhett und versucht, Abstand zwischen sich und seinen Verfolger zu bringen.

Warum glauben diese Leute, dass sie eine Antwort verdienen, wenn sie jemanden derartig überfallen?

»Wie wäre es mit einer Entschuldigung?«, fragt der Reporter.

Und da schlägt Rhett ihm ins Gesicht.

Es geht so schnell, dass ich verblüfft blinzle, während ich versuche, aus den plötzlich völlig verwackelten Bildern schlau zu werden.

Oh Scheiße.

Der aufdringliche Paparazzo liegt auf dem Boden und hält sich das Gesicht, und Rhett schüttelt seine Hand aus und geht wortlos weg.

Der Bildschirm schaltet zurück zu Nachrichtensprechern hinter einem Pult, aber mein Vater macht den Fernseher aus, ehe sie einen Kommentar abgeben können, und stößt ein frustriertes Grollen aus. »Ich hasse diese verdammten Cowboys. Es ist unmöglich, sie in Schach zu halten, und ich habe echt keine Lust, mich mit ihm rumzuschlagen. Ihr zwei habt also Glück, der Job gehört euch.« Er bebt förmlich vor Wut, aber ich lehne mich ungerührt im Stuhl zurück. Mein Vater rastet leicht aus, aber er ist auch schnell wieder vernünftig. Seine Stimmungsschwankungen beeindrucken mich nicht mehr sonderlich. Man hält es bei Hamilton Elite nicht lange aus, wenn man sich von Kip Hamilton ins Bockshorn jagen lässt.

Zum Glück bin ich es schon mein ganzes Leben lang gewohnt, seine Launen wegzustecken, und dagegen immun. Für mich ist es praktisch Teil seines Charmes, und ich nehme es nicht persönlich. Er ist nicht wütend auf mich. Er ist einfach nur … wütend.

»Ich habe mir jahrelang den Arsch aufgerissen, um diesem Landei Sponsorengelder zu verschaffen, von denen er vorher nicht mal zu träumen gewagt hätte, und jetzt macht er alles kaputt.« Mein Vater zeigt anklagend auf den Bildschirm. »Hast du eigentlich eine Ahnung, wie viel Geld diese Typen dafür bekommen, dass sie so bescheuert sind, auf einen wütenden, tausend Kilo schweren Bullen zu steigen, Summer?«

»Nein.« Aber ich habe das Gefühl, er wird es mir gleich sagen. Ich blicke meinem Vater geradewegs in die Augen, die ebenso dunkel sind wie meine.

Geoff, mein Praktikantenkollege auf dem Stuhl neben mir, macht sich so klein wie möglich.

»Sie verdienen Millionen von Dollar, wenn sie so gut sind wie dieses Arschloch.«

Ich hätte nie gedacht, dass es dabei um so viel Geld geht, aber das lernt man ja auch nicht im Jurastudium. Ich weiß alles über Rhett Eaton, Bullenreiter-Sensation und Schwarm aller Teenager, aber fast nichts über die eigentliche Branche oder den Sport. Ich grinse bei der Erinnerung daran, wie ich vor zehn Jahren im Bett lag und sein Foto bewundert habe: Rhett, der auf einem Zaun stand und über die Schulter in die Kamera blickte. Offenes Land hinter ihm und die untergehende Sonne. Ein smartes Lächeln auf den Lippen, die Augen im Schatten des abgewetzten Cowboyhuts, und als i-Tüpfelchen die Wrangler-Jeans, die eng an seinen prächtigsten Körperstellen anlagen.

Also ja, ich weiß wenig über Bullenreiten. Aber ich weiß, dass ich schrecklich viel Zeit damit verbracht habe, dieses Foto anzustarren. Das Land. Das Licht. Es hat mich in seinen Bann gezogen. Es war nicht nur der Kerl, ich wollte dort sein und den Sonnenuntergang mit eigenen Augen sehen.

»George, weißt du, wie viel der Molkereisponsor gezahlt hat, den er gerade so vor den Kopf gestoßen hat? Ganz zu schweigen von all den anderen Sponsoren, denen ich jetzt die Eier streicheln muss, um diese Scheiße wieder in Ordnung zu bringen?«

Nur mit Mühe halte ich ein spöttisches Schnauben zurück. George. Ich kenne meinen Vater gut genug, um zu wissen, dass ihm völlig klar ist, dass der Mann nicht so heißt … Er testet ihn, um zu sehen, ob Geoff die Cojones hat, etwas zu sagen. Es ist oft kein Zuckerschlecken, mit bekannten Sportlern und sonstiger Prominenz zu arbeiten. Ich kann jetzt schon sagen, dass der Typ neben mir Schwierigkeiten bekommen wird.

»Ähm …« Geoff blättert hektisch in der Mappe, die vor ihm auf dem Tisch im Konferenzraum liegt, und ich schaue zu den raumhohen Fenstern hinaus, die einen weiten Blick über die Prärie von Alberta bieten. Von hier oben aus dem dreißigsten Stock hat man eine unvergleichliche Aussicht über Calgary. Die schneebedeckten Rocky Mountains in der Ferne sind wie ein Gemälde, das niemals langweilig wird.

»Die Antwort lautet: zig Millionen, Greg.«

Ich beiße mir auf die Innenseite der Wange, um nicht zu kichern. Ich mag Geoff, und mein Vater ist ein totaler Arsch, aber nachdem ich jahrelang selbst gepiesackt wurde, ist es amüsant, mit anzusehen, wie jemand anders so ins Schwitzen gerät wie ich früher.

Meine Schwester Winter wurde nie auf diese Weise gequält. Sie hat eine ganz andere Beziehung zu unserem Vater als ich. Bei mir macht er Scherze und haut eine Menge Sprüche raus, ihr gegenüber benimmt er sich fast professionell. Ich glaube, das ist ihr auch deutlich lieber so.

Geoff sieht mich an und lächelt schmallippig. Dieses Lächeln bekomme ich auf der Arbeit oft zu sehen, es besagt: Es muss schön sein, das kleine Mädchen des Chefs zu sein. Und es sagt: Schöne Vetternwirtschaft hier. Ich habe Routine darin, diese Art Blicke auszuhalten, ich habe ein dickes Fell. Und ich weiß, dass Kip Hamilton in einer Viertelstunde schon wieder Witze reißen und nett sein wird. Dann ist er wieder so, wie ihn auch die Kunden erleben, die ihn lieben.

Der Mann ist ein Meister seines Fachs, wenn auch aalglatt. Das gehört wohl dazu, wenn man ein hochrangiger Talent-Agent ist und mit Millionenverträgen operiert.

Wenn ich ehrlich bin, weiß ich noch nicht recht, ob ich für diese Art Arbeit geeignet bin. Ich weiß nicht, ob ich das wirklich will. Aber ich schulde es meinem Vater, mein Bestes zu geben.

»Die Frage ist also, Kinder, wie kriegen wir das in den Griff? Der Sponsorenvertrag von Dairy King hängt am seidenen Faden. Mal im Ernst, da hat ein verdammter professioneller Bullenreiter gerade lauter potenzielle Werbepartner vor den Kopf gestoßen, nämlich sämtliche Landwirte und Molkereibetriebe. Die Leute werden ihn jetzt ganz genau unter die Lupe nehmen, und ich glaube nicht, dass ihnen gefallen wird, was sie sehen. Das wird diesem Idioten wahnsinnig schaden. Und sein Gewinn ist auch mein Gewinn … Dieser Spinner bringt uns allen eine Menge Geld ein.«

»Wie ist die erste Aufnahme überhaupt an die Öffentlichkeit gelangt?«, frage ich und zwinge mein Gehirn, sich wieder auf die Gegenwart zu konzentrieren.

»Ein Lokalsender hat dabei die Kamera laufen lassen.« Mein Vater reibt sich über das glatt rasierte Kinn. »Die haben das ganze verdammte Ding untertitelt und in den Abendnachrichten gesendet.«

»Okay«, stellt Geoff fest. »Er muss sich also entschuldigen.«

Mein Vater verdreht die Augen. »Er wird viel mehr tun müssen, als sich nur zu entschuldigen. Nein, er braucht eine wasserdichte Strategie für den Rest der Saison – es sind nur noch ein paar Monate bis zu den Weltmeisterschaften in Vegas. Bis dahin müssen wir den Cowboyhut-Heiligenschein aufpolieren, sonst verlassen uns auch die anderen Sponsoren wie Ratten das sinkende Schiff.«

Ich tippe mir mit dem Stift gegen die Lippen und überlege, was wir tun können. Natürlich habe ich so gut wie keine Erfahrung, deshalb frage ich vorsichtig: »Er braucht also ein neues Image als der charmante, markige Landjunge von nebenan?«

Mein Vater brüllt vor Lachen und haut mit beiden Händen auf den Konferenztisch. Geoff zuckt zusammen, und ich verdrehe die Augen. Weichei.»Genau das ist das Problem. Rhett Eaton ist nicht der markigeLandjungevonnebenan. Er ist ein eingebildeter Bursche, der viel zu viel feiert und dem sich jedes Wochenende Horden von Frauen an den Hals werfen. Und er ist kein Kostverächter. Früher war das kein Problem, aber jetzt werden sie ihn dafür in Stücke reißen wie verdammte Aasgeier.«

Ich ziehe eine Augenbraue hoch und lehne mich zurück. Rhett ist erwachsen, und wenn man ihm erklärt, was auf dem Spiel steht, kann er sich sicher zusammenreißen. Schließlich bezahlt er die Firma dafür, dass sie solche Belange für ihn regelt. »Du meinst also, er kriegt es nicht auf die Kette, sich einfach ein paar Monate lang von seiner besten Seite zu zeigen?«

Mein Vater lacht leise in sich hinein. »Summer, die beste Seite dieses Mannes wird nicht reichen.«

»Du tust so, als wäre er eine Art wildes Tier, Kip.« Ich habe auf die harte Tour gelernt, ihn bei der Arbeit nicht Dad zu nennen. Er ist mein Chef, auch wenn wir nach Feierabend gemeinsam ins Auto steigen. »Was braucht er denn dann, einen Babysitter?«

Einige Sekunden lang ist es still, und mein Vater starrt auf die Tischplatte zwischen seinen Händen hinunter. Schließlich trommelt er mit den Fingerspitzen darauf herum – das tut er oft, wenn er nachdenkt. Eine Angewohnheit, die ich im Laufe der Jahre übernommen habe. Dann sieht er auf, und ein wölfisches Grinsen breitet sich auf seinem Gesicht aus.

»Ja, Summer. Das ist genau das, was er braucht. Und ich kenne die perfekte Besetzung für diesen Job.«

Und so, wie er mich gerade ansieht, befürchte ich, dass ich Rhett Eatons neuer Babysitter sein werde.

2

Rhett

Kip: Geh ans Telefon, du hübsches Arschgesicht.

Rhett: Du findest mich hübsch?

Kip: Ich finde, du bist ein Idiot, wenn du das aus meinem Text herausliest.

Rhett: Aber ein hübscher Idiot?

Kip: Geh. An. Dein. Beschissenes. Telefon.

Kip: Oder sei um zwei Uhr nachmittags hier, damit ich dich persönlich in die Mangel nehmen kann.

Das Flugzeug landet auf dem Flughafen von Calgary, und ich bin erleichtert, wieder zu Hause zu sein. Vor allem nach dem Durcheinander der letzten Tage.

Der Typ, den ich geschlagen habe, erstattet keine Anzeige, aber ich habe keine Ahnung, welche Summe mein Agent Kip dafür hat rüberwachsen lassen. Ist eigentlich auch egal. Wenn jemand das aus der Welt schaffen kann, dann Kip.

Er hat versucht, mich anzurufen, also ist er offenbar kurz vorm Durchdrehen … Wir pflegen eher eine SMS-Beziehung. Deshalb bin ich auch nicht überrascht, als ich aufs Handy blicke und sein Name auf dem Display aufleuchtet.

Ich nehme seinen Anruf nicht entgegen, weil ich nicht in der Stimmung bin, mir sein Gebrüll anzuhören. Ich will mich verkriechen. Ich will Stille. Vogelgezwitscher. Eine heiße Dusche. Etwas Tylenol. Und ein Date mit meiner Hand, um ein bisschen Druck abzubauen.

Nicht unbedingt in dieser Reihenfolge.

Ja, das ist genau das, was ich brauche. Eine Ruhepause zu Hause, während Gras über die Sache wächst. Je älter ich werde, desto länger kommt mir die Saison vor, und irgendwie fühle ich mich mit meinen zweiunddreißig Jahren schon steinalt.

Mein Körper schmerzt, mein Geist ist rastlos und überreizt, und ich sehne mich nach der Ruhe auf der Ranch meiner Familie. Sicher, meine Brüder werden mir auf die Nerven gehen, und mein Vater wird mich fragen, wann ich endlich mit dem Bullenreiten aufhöre, aber so ist Familie eben. Das ist mein Zuhause.

Ich nehme an, es gibt einen Grund, warum wir Brüder immer wieder zurückkommen. Unsere kleine Schwester ist da ganz anders. Sie hat sich aus dem Staub gemacht, wenig erpicht darauf, mit einem Haufen erwachsener Männer auf der elterlichen Farm zu versauern.

Ich nehme mir vor, Violet später anzurufen und mal zu hören, wie es ihr geht.

Ich lehne den Kopf an, während das Flugzeug auf der Landebahn zum Stehen kommt. »Willkommen im schönen Calgary, Alberta.« Die Stimme der Flugbegleiterin erfüllt den Flieger, und überall ertönt das Klicken der Sicherheitsgurte, obwohl wir sie noch nicht öffnen sollen. Ich öffne meinen ebenfalls und kann es kaum erwarten, den engen Sitz zu verlassen und meine Glieder zu strecken.

»Wenn Calgary Ihr Zuhause ist, heißen wir Sie willkommen …«

Man sollte meinen, dass ich es nach über einem Jahrzehnt hinbekommen sollte, meine Flüge und Hotels rechtzeitig zu buchen. Aber es läuft immer darauf hinaus, dass ich erst in letzter Minute noch einen Sitz ergattere. Meist stört mich das nicht, obwohl ich auf den Flügen oft wenig Platz habe.

Als mein Sitznachbar aufsteht, seufze ich vor Erleichterung auf. Ich bin müde, aber ich kann dieser Müdigkeit noch nicht nachgeben, ich muss mir gleich meinen Truck schnappen und nach Chestnut Springs rüberfahren, das gut eine Stunde außerhalb der Stadt liegt.

»Bitte denken Sie daran, dass das Rauchen im Terminal nicht gestattet ist …«

Und ich muss mich meinem Pitbull von einem Agenten stellen. Er kläfft mich seit gestern Abend ununterbrochen an, weil ich nicht auf seine Anrufe reagiere. Jetzt muss ich für mein schlechtes Verhalten geradestehen. Bei dem Gedanken unterdrücke ich ein Aufstöhnen, während ich meinen Seesack aus dem Gepäckfach hole.

Kip Hamilton habe ich meine luxuriöse finanzielle Lage zu verdanken. Und außerdem mag ich ihn sehr. Er ist seit zehn Jahren mein Agent, und ich betrachte ihn fast als Freund. Allerdings ist es ein zweischneidiges Schwert – regelmäßig träume ich auch davon, ihm in das glatt rasierte Gesicht zu schlagen.

Er erinnert mich an eine ältere, elegantere Version von Ari Gold aus Entourage, und ich liebe diese Serie.

»Vielen Dank, dass Sie mit Air Acadia geflogen sind. Wir freuen uns darauf, Sie wieder bei uns willkommen zu heißen.«

Endlich setzt sich die Menschenmenge Richtung Ausgang in Bewegung, und ich erreiche gerade die Gangway, da sticht mir mit einem Mal etwas fest in die Brust. Ich sehe nach unten und entdecke wütende blaue Augen und eine umwölkte Stirn. Eine Frau in ihren fortgeschrittenen Sechzigern starrt mich an.

»Sie sollten sich schämen, Ihre Mitmenschen auf diese Weise zu beleidigen. Uns alle zu beleidigen, die wir so hart arbeiten, um unseren kanadischen Mitbürgern Essen auf den Tisch zu bringen. Und dann schlagen Sie auch noch einem Mann ins Gesicht. Was fällt Ihnen eigentlich ein?«

Hierzulande ist man sehr stolz auf seine Landwirtschaft und das Landleben. Calgary ist die Heimat eines der größten Rodeos der Welt. Manche nennen die Stadt sogar Cowtown, weil sie so eng mit Viehzucht und Landwirtschaft verbunden ist.

Ich bin auf einer großen Rinderfarm aufgewachsen, ich sollte es wissen. Mir war nur leider nicht klar, dass es ein Verbrechen ist, keine Milch zu mögen.

Aber ich nicke ihr trotzdem reuevoll zu. »Das sollte keine Beleidigung sein, Ma’am. Wir wissen beide, dass die Farmwirtschaft das Rückgrat unserer schönen Provinz ist.«

Sie erwidert meinen Blick, strafft die Schultern und zieht die Nase hoch. »Sie tun gut daran, das niemals zu vergessen, Rhett Eaton.«

Ich lächle sie angespannt an. »Natürlich«, sage ich nur und stapfe mit gesenktem Kopf weiter, inständig hoffend, keine weiteren beleidigten Fans zu treffen.

Doch die Begegnung verfolgt mich noch von der Gepäckausgabe bis zu meinem Pick-up. Ich habe kein schlechtes Gewissen, weil ich diesen Idioten geschlagen habe, er hat es nicht anders verdient – aber bei der Vorstellung, möglicherweise meine hart arbeitenden Fans gekränkt zu haben, verspüre ich einen Anflug von schlechtem Gewissen. Das hatte ich gar nicht auf dem Schirm. Stattdessen wundere ich mich seit Tagen darüber, dass meine Abneigung gegen Milch es tatsächlich in die Schlagzeilen geschafft hat.

Als mein Oldtimer-Truck in der überdachten Parkgarage in Sicht kommt, atme ich erleichtert auf. Ist er ein praktisches Fahrzeug? Vielleicht nicht. Aber meine Mutter hat ihn einst meinem Vater geschenkt, und allein deshalb liebe ich ihn. Trotz der Rostflecken und der unterschiedlichen, nicht zueinander passenden Grautöne, in denen er lackiert ist.

Ich will ihn restaurieren. Mir schwebt eine blaue Lackierung vor.

Ich erinnere mich nicht an meine Mutter, aber auf Bildern sind ihre Augen stahlblau, und genau diesen Farbton will ich. Eine kleine Hommage an die Frau, die ich nie richtig kennengelernt habe.

Ich muss nur erst die Zeit dafür finden.

Mit dem Seesack in der Hand steige ich in meinen Truck. Die rissigen braunen Ledersitze knarzen, als ich meinen müden Körper hinters Lenkrad hieve. Der Wagen springt an und stößt eine dunkle Wolke aus, als ich auf den Freeway fahre, der mich direkt ins Stadtzentrum bringt. Mein Blick ruht auf der Straße, aber in Gedanken bin ich ganz woanders.

Als mein Handy klingelt, werfe ich einen kurzen Blick aufs Display, sehe den Namen meiner Schwester und lächle unwillkürlich. Violet schafft es immer, mich zum Lächeln zu bringen, selbst in den schlimmsten Phasen. Es ist typisch, dass sie mir mit dem Anruf zuvorkommt.

Als ich an einer roten Ampel halten muss, nehme ich den Anruf entgegen und stelle sie auf Lautsprecher. Dieses Fahrzeug ist definitiv nicht mit Bluetooth ausgestattet.

»Hey, Vi«, rufe ich – ich muss laut reden, damit sie mich verstehen kann.

»Hallo.« Ihre Besorgnis ist ihr deutlich anzuhören. »Wie geht es dir?«

»Ich denke, ich komme klar. Ich gehe gleich zu Kip ins Büro und bringe mal in Erfahrung, wie schwer der angerichtete Schaden ist.«

»Gut. Aber wappne dich, er ist ganz schön sauer.«

»Woher weißt du das?«

»Ich bin als Notfallkontakt in deiner Akte eingetragen. Er hat mich furchtbar vollgelabert, weil du ihn ignorierst.« Jetzt lacht sie. »Ich wohne doch gar nicht mehr auf der Farm, du musst mal einen anderen Kontakt eintragen lassen.«

Ich grinse und fahre auf den Highway. »Ja, aber du bist die Einzige, die mit meiner Berufsentscheidung klarkommt und mich nicht ständig ermahnt, ich solle kündigen, sobald nur die kleinste Kleinigkeit schiefgeht.«

»Wenn du also einen Unfall hast, soll ich meinen Mann und meine Kinder sitzen lassen, in den nächsten Flieger springen und an deinem Krankenhausbett hocken?«

Erinnerungen steigen in mir auf. Jedes Mal wenn ich mich als Teenager oder junger Erwachsener verletzt habe, war es Violet, die sich um mich gekümmert hat. »Du bist einfach so eine unglaublich gute Krankenpflegerin. Aber du hast recht – ich glaube, Cole würde mich umbringen, wenn du meinetwegen einfach abhaust.«

Ich mache mich nur lustig. Ich mag ihren Mann sehr, und das will schon etwas heißen, denn ich hätte nie gedacht, dass sie jemanden finden würde, der gut genug für sie ist. Aber Cole ist großartig. Außerdem war er früher mal beim Militär und ist irgendwie furchterregend. Ich würde mich jedenfalls ungern mit ihm anlegen.

Meine Schwester kichert. Sie ist immer noch ganz verliebt in den Kerl, und ich freue mich riesig für sie. »Ach, er käme schon klar. Ich könnte ihn dir vorbeischicken, falls du einen Leibwächter brauchst.«

»Niemals würde er seine Mädchen zurücklassen!«

Sie hört auf zu kichern. »Du weißt, dass ich für dich da bin, wenn du mich brauchst, oder? Ich weiß, dass die anderen nicht verstehen, weshalb du dich für diesen Beruf entschieden hast. Aber ich verstehe es.«

So ist meine kleine Schwester. Sie versteht mich … Sie ist ja selbst eine kleine Draufgängerin. Aber sie hat jetzt ihr eigenes Leben. Ihre Kinder, die sie umsorgen kann.

»Schon gut, Vi. Komm uns doch bald mal mit der ganzen Familie besuchen, ja? Sonst schleppe ich am Ende der Saison meinen Arsch mal zu dir rüber. Wir könnten auf schicken Rennpferden um die Wette reiten, ich häng dich bestimmt meilenweit ab.« Es soll witzig rüberkommen, aber ich bin nicht sicher, ob mir das gelingt.

»Ja«, antwortet sie, und ich sehe förmlich vor mir, wie sie sich auf die Unterlippe beißt, weil ihr etwas auf der Zunge liegt, das sie nicht aussprechen will. »Ich werde dich wahrscheinlich gewinnen lassen, weil du mir so leidtust.«

»Hey, Sieg ist Sieg«, versuche ich die Stimmung aufzulockern.

»Ich liebe dich, Rhett«, sagt sie nur. »Sei vorsichtig. Aber vor allem sei du selbst. Du bist ein lieber Kerl, ich hoffe, das weißt du.«

Das sagt sie oft. Erinnert mich daran, einfach Rhett Eaton zu sein, ein Junge aus einer Kleinstadt. Nicht Rhett Eaton, der eingebildete, berühmte Bullenreiter.

Meist verdrehe ich dann spöttisch die Augen, aber insgeheim weiß ich, dass es ein guter Rat ist. Das eine ist mein wahres Ich, das andere nur Show.

Das Problem ist, dass nicht mehr viele Leute mein wahres Ich kennen.

»Ich liebe dich auch, Schwesterherz«, sage ich, lege auf und verliere mich in meinen Gedanken, während ich den Highway Richtung Stadt runterfahre.

Als ich bei Hamilton Elite vorfahre und zu meiner Überraschung sofort einen Parkplatz vor dem Haus ergattere, stelle ich fest, dass ich so in Gedanken versunken war, dass ich mich kaum an die Fahrt erinnere. Ich lehne den Kopf zurück und atme einmal durch. Schwer zu sagen, wie tief ich in Schwierigkeiten stecke, aber angesichts der Frau, die mich im Flugzeug öffentlich beschimpft hat, tippe ich darauf, dass der Dreck so ungefähr kniehoch ist.

Ich kenne die Menschen in dieser Gegend. Sie sind fleißig. Sie sind stolz. Und sie werden sehr ungehalten, wenn Menschen aus höheren Gesellschaftsschichten nicht verstehen, wie schwer sie schuften.

Und vielleicht haben sie recht. Vielleicht hat der Durchschnittskanadier keine Ahnung von der harten Arbeit, die in der Landwirtschaft geleistet wird, um die Regale der Supermärkte zu füllen.

Aber ich? Ich schon.

Ich mag einfach nur keine Milch. Das Ganze ist so bizarr, dass es fast lustig ist.

Ich betrete das imposante Gebäude. Alles glänzt. Der Fußboden. Die Fenster. Die Fahrstuhltüren aus rostfreiem Stahl. Am liebsten würde ich mit den Händen darüberstreichen, um Schlieren auf dieser Perfektion zu hinterlassen.

Der Wachmann nickt mir zu, als ich vorbeigehe, und ich betrete den Aufzug gemeinsam mit einem Haufen gut gekleideter Leute. Als mich eine Frau mit kaum verhohlener Herablassung mustert, beiße ich mir auf die Lippen, um nicht zu grinsen.

Ich trage abgenutzte Cowboystiefel – würde mich nicht wundern, wenn noch Kuhscheiße an der Sohle wäre –, perfekt eingetragene alte Jeans, dazu eine braune Shearling-Jacke. Mein Haar ist lang, so wie ich es mag.

Wild und widerspenstig. Genau wie ich.

Dieser Frau gefällt es ganz offensichtlich überhaupt nicht.

Ich zwinkere ihr zu und sage mit übertriebenem Akzent: »Howdy, Ma’am.« Wir Jungs aus Alberta haben kaum Akzent, aber wenn man sein Leben auf Rodeos mit Jungs aus sämtlichen Staaten verbringt, lernt man schnell, so ziemlich jeden Akzent zu imitieren. Ich wünschte nur, ich hätte einen Cowboyhut dabei, um das Bild zu vervollständigen.

Die Frau zieht eine Grimasse und drückt auf den Knopf mit der Aufschrift TÜR SCHLIESSEN. Als sich die Türen das nächste Mal öffnen, stürmt sie hinaus, ohne einen Blick zurückzuwerfen.

Ich grinse immer noch, als ich in der Etage ankomme, in der Hamilton Elite residiert. Bei meinem Eintreten leuchten die Augen der Empfangsdame auf … Sie scheint ganz anderer Meinung zu sein als die Tussi aus dem Fahrstuhl.

Ehrlich gesagt sind das die meisten Frauen. Buckle-Bunnys, Stadtmädchen, Landmädchen, sie sind mir alle willkommen … Ich war schon immer für Chancengleichheit, und ich liebe Frauen. Allerdings keine Beziehungen.

Eine Frau sagte kürzlich, ich wäre wie ein Ausflug in die Wildnis, nachdem wir einen ganzen Tag im Hotelzimmer verbracht hatten, um meinen Sieg zu feiern … Es war großartig, aber danach war ich ganz schön fertig.

»Rhett!«, dröhnt Kips Stimme durchs Foyer, bevor ich die Gelegenheit habe, ein bisschen mit dem Mädchen am Empfangstresen zu plaudern.

Blödmann.

»Danke, dass du gleich hergekommen bist.« Er schüttelt mir so fest die Hand, dass es fast wehtut. Seine Art, seine Aggressionen an mir auszulassen, so macht er es immer, wenn er wütend auf mich ist. Das aufgesetzte, verkniffene Lächeln ist ein weiterer deutlicher Hinweis. Der Inhaber dieser Agentur hat normalerweise nicht die Angewohnheit, seine Kunden vorn an der Rezeption zu begrüßen. Ich scheine wirklich tief in der Scheiße zu stecken.

»Kein Problem, Kip. Ich bezahle dir schließlich eine Menge Geld dafür, dass du mich herumkommandierst, richtig?«

Wir lachen, aber uns ist beiden klar, dass ich ihn gerade daran erinnert habe, dass ich es bin, der ihn bezahlt. Nicht andersrum.

Er klopft mir auf den Rücken, und meine Zähne schlagen aufeinander. Er ist ein großer, kräftiger Mann. »Komm mit, reden wir im Konferenzraum weiter. Glückwunsch zu deinem Sieg am Wochenende. Du hast dieses Jahr eine echte Glückssträhne.«

In meinem Alter dürfte ich eigentlich nicht mehr so viele Wettbewerbe gewinnen wie diese Saison. Eigentlich sollte ich mich auf der Talfahrt meiner Karriere befinden. Aber das Schicksal scheint mir gerade gewogen zu sein. Und dreifacher Weltmeister hört sich viel besser an als zweifacher Weltmeister, so wie auch drei goldene Gürtelschnallen in meinem Regal besser aussehen würden als zwei.

»Manchmal stehen die Sterne günstig.« Ich grinse ihn an, und wir ziehen uns in einen Raum zurück, in dem ein langer Tisch steht, umgeben von schwarzen Stühlen. Auf einem sitzt bereits jemand, ein sehr gewöhnlich aussehender Typ mit braunem, kurz geschnittenem Haar und braunen Augen. Grauer Anzug. Gelangweilte Miene. Manikürte Nägel. Weiche Hände. Typischer Stadtjunge.

Neben ihm steht eine Frau, die alles andere als gewöhnlich aussieht. Tiefbraunes, zu einem festen Dutt gebundenes Haar, das in der Sonne fast mahagonifarben schimmert. Die schwarz umrandete Brille wirkt etwas zu hart in ihrem zarten, fast puppenhaften Gesicht, aber die fast ein wenig zu vollen Lippen gleichen das irgendwie aus. Sie schimmern dunkelrosa.

Ihre elfenbeinfarbene Bluse ist bis obenhin zugeknöpft, die Spitzenborte liegt eng um ihren Hals. Ihr Mund wirkt trotz der üppigen Lippen fast ein wenig verkniffen, die Arme hat sie schützend vor der Brust verschränkt, und ihre schokoladenbraunen Augen mustern mich über den Rand ihrer Brille hinweg.

Ich weiß, dass man Leute nicht nach ihrem Äußeren beurteilen soll, aber trotzdem schießt mir das Wort »verklemmt« durch den Kopf.

»Setz dich, Rhett.« Kip zieht einen Stuhl gegenüber der Frau hervor, lässt sich direkt daneben nieder und stützt das Kinn auf die Hand.

Ich lasse mich auf den angebotenen Stuhl plumpsen, schiebe ihn ein Stück vom Tisch weg und lege einen bestiefelten Fuß aufs Knie. »Na gut. Verpass mir meine Tracht Prügel, damit ich nach Hause gehen kann, Kip. Ich bin müde.«

Mein Agent zieht eine Augenbraue hoch und mustert mich aufmerksam. »Ich muss dir keine Tracht Prügel verpassen. Du hast offiziell Dairy King als Sponsor verloren. Ich denke, das ist Strafe genug.«

Ich zucke zurück, mein Hals schnürt sich zu. Es ist dasselbe Gefühl wie damals als Kind, wenn ich Ärger bekam. Zu spät nach Hause gekommen. Mit den älteren Kindern von der Brücke gesprungen. Unerlaubtes Betreten der Jansen-Farm. Ich steckte ununterbrochen in irgendwelchen Schwierigkeiten. Aber das hier ist etwas anderes. Das ist kein Kinderspiel, hier geht es um meinen Lebensunterhalt. »Du willst mich wohl verarschen.«

»Ich würde damit nicht scherzen, Rhett.« Er zuckt mit den Schultern. Sein Blick sagt: Ich bin nicht wütend, ich bin enttäuscht.Das macht mich fertig, denn tief im Innern hasse ich es, Menschen zu enttäuschen. Wenn sie wütend sind, bedeutet das, dass sie sich um dich sorgen. Sie wollen, dass es dir besser geht. Sie wissen, dass du zu Besserem fähig bist. Wenn sie enttäuscht sind, ist es fast so, als würden sie resignieren. Als würden sie in Zukunft nichts mehr von mir erwarten.

Deshalb versuche ich mir immer einzureden, es sei mir egal, was die Leute von mir denken. Aber es funktioniert nicht besonders gut.

Ich rutsche hin und her und lasse den Blick zu den beiden anderen schweifen. Der Mann ist so vernünftig, auf die Papiere vor sich zu starren. Aber die Frau erwidert meinen Blick unbeirrt. Und trotz ihrer ausdruckslosen Miene weiß ich genau, dass sie mich verurteilt.

Ich fahre mir mit der Hand über den Mund und räuspere mich. »Tja … wie bekommen wir ihn zurück?«

Kip lehnt sich mit einem tiefen Seufzer nach hinten und trommelt mit den Fingerspitzen auf die Armlehnen seines Stuhls. »Ich weiß nicht, ob wir das können. Vermutlich sollten wir uns lieber auf Schadensbegrenzung konzentrieren und hoffen, dass nicht noch weitere Sponsoren abspringen. Wrangler, Ariat, das sind Firmen, die ihre Klientel gut kennen. Und ihre Klientel besteht aus genau den Leuten, die du verärgert hast. Ganz zu schweigen davon, dass es ein PR-Albtraum ist, vor laufender Kamera einen Mann zu schlagen.«

Ich lege den Kopf in den Nacken und blicke gen Decke. »Wer hätte gedacht, dass es ein Verbrechen ist, keine Milch zu mögen? Und dieser Typ hatte es verdient, dass ihm mal jemand den Kiefer zurechtrückt.«

Die Frau mir gegenüber stößt ein leises Schnauben aus, und ich sehe sie an. Wieder erwidert sie meinen Blick unverwandt. Was zum Teufel starrt sie mich so an?

Sie grinst leicht. Als fände sie es lustig, wenn mein Multimillionen-Dollar-Sponsorenvertrag platzt.

Ich bin erschöpft. Ich bin wütend. Mein Geduldsfaden ist nur noch hauchdünn. Aber ich bin ein Gentleman, also fahre ich nur gereizt mit der Zunge über die Vorderseite meiner Zähne und wende mich wieder Kip zu.

»Wenn niemand es gefilmt hätte, wäre es kein Problem gewesen. Lass bloß niemanden hören, wie du über einen tätlichen Angriff auf einen anderen Menschen sprichst … Ich habe mir den Arsch aufgerissen, um diesen Typen davon abzuhalten, Anzeige zu erstatten.«

Ich ziehe die Brauen hoch, denn ich bin ziemlich sicher, dass »ich habe mir den Arsch aufgerissen« bedeutet, dass er einen Haufen meines hart verdienten Geldes ausgegeben hat, um den Kerl zum Schweigen zu bringen. »Warum lief eigentlich die Kamera mit? Haben die mich absichtlich provoziert?«

Kip seufzt und schüttelt den Kopf. »Ist doch eigentlich egal, oder? Der Schaden ist angerichtet.«

»Scheiße.« Ich stöhne auf und schließe kurz die Augen, rolle mit den Schultern und stelle fest, dass die rechte ordentlich wehtut. Meine letzte Landung war nicht gerade sanft gewesen. Ein Anfängerabstieg.

»Also, ich habe einen Plan.«

Mit zusammengekniffenen Augen mustere ich Kip. »Ich hasse ihn jetzt schon.«

Er lächelt. Der Wichser weiß, dass er mich in der Hand hat. Wir wissen beide, dass das Ende meiner Karriere absehbar ist, und ich habe den Fehler gemacht, ihm zu sagen, dass meine Familie mehr Geld braucht, um die Ranch langfristig zu erhalten. Ich werde nehmen, was ich brauche, um irgendwo auf unserem weitläufigen Land bequem zu leben, und dann mit meinem älteren Bruder Cade gemeinsam zusehen, die Wishing Well Ranch am Laufen zu halten.

Denn für die Familie tut man, was auch immer nötig ist.

»Spielt keine Rolle. Wir wissen beide, dass du es trotzdem tun wirst.«

Ich starre ihn an. Was für ein Arschloch.

Er zeigt auf die Frau. »Das ist Summer. Sie arbeitet schon einige Jahre in der Firma und gehört seit Neuestem zu unserem Team. Sie ist ab jetzt dein Schatten.«

Ich verziehe das Gesicht und rümpfe die Nase. Sein Plan riecht jetzt schon nach Scheiße. »Etwas ausführlicher bitte.«

»In den nächsten zwei Monaten, bis zu den Weltmeisterschaften in Las Vegas, arbeitet sie als deine persönliche Assistentin und Kontaktperson für die Presse. Sie kennt sich mit Öffentlichkeitsarbeit aus und wird dir helfen, dein Image aufzupolieren. Ihr beide arbeitet einen Plan aus. Sie hält allein mit mir Rücksprache, ohne dich, damit ich dich nicht erwürge, weil du so ein kolossaler Schwanzlutscher bist. Ich bin sicher, dass sie auch bereit ist, dich bei sämtlichen organisatorischen Dingen zu unterstützen, falls nötig, aber hauptsächlich wird sie darauf achten, dass du nicht noch mehr in Schwierigkeiten gerätst.«

Ich sehe die Frau an. Sie nickt nur ungerührt.

»Jetzt weiß ich, dass du scherzt. Denn auf keinen Fall würdest du einem Mann in meinem Alter einen Babysitter zuteilen. Das ist einfach beleidigend, Kip.«

Ich hoffe, dass er in Gelächter ausbricht und mir sagt, dass er mich auf den Arm nehmen will. Aber er starrt mich einfach nur an, genau wie die Frau, und lässt mir Zeit, zu begreifen, was er bereits für mich entschieden hat.

»Verdammt noch mal, jetzt reicht es, ihr könnt rauskommen.« Ich richte mich auf und sehe mich um. Es muss ein Witz sein. Ein guter, zugegeben. Mit Sicherheit stecken meine Brüder dahinter.

Aber ich ernte nichts als Stille.

Dies hier ist kein Scherz. Es ist ein verdammter Albtraum.

»Nein, danke. Ich nehme den Typen da als Babysitter.« Ich zeige auf den Kerl. Den, der mir nicht mal in die Augen schauen kann. Er wäre perfekt, er würde so im Hintergrund verschwinden, dass ich seine Anwesenheit nicht mal bemerke. Ganz anders als das verklemmte Weib, das mich anstarrt wie einen dummen Hinterwäldler.

Kip verschränkt die Hände und schlägt die Beine übereinander. »Nein.«

»Nein?«, sage ich ungläubig. »Ich bezahle dich, nicht umgekehrt.«

»Dann such dir jemand anderen, der diesen Shitstorm wieder in den Griff bekommt. Es steht ja nur die Zukunft deiner Familienranch auf dem Spiel.«

Hitze schießt mir in die stoppligen Wangen. Zum ersten Mal bin ich sprachlos. Vollkommen sprachlos. Mein Kiefer knackt, so fest beiße ich die Zähne zusammen.

Milch. Von verdammter Milch zu Fall gebracht.

Ein aufgeschlagener Notizblock wird mir über den Tisch hinweg zugeschoben. Manikürte, polierte Fingernägel klopfen zweimal darauf. »Schreiben Sie mir bitte Ihre Adresse auf.«

»Meine Adresse?« Ich sehe zu ihr hoch.

»Ja. Der Ort, an dem Sie wohnen.« Ich könnte schwören, dass ihr Mundwinkel zuckt. Verdammt unhöflich, diese Frau.

Ich richte den Blick auf Kip. »Warum noch mal gebe ich diesem Mädchen meine Adresse?«

Er lächelt und klopft mir auf die Schulter. »Du bist nicht Peter Pan, Rhett. Du wirst deinen Schatten nicht verlieren. Nicht in den nächsten zwei Monaten.«

Mir schwirrt der Kopf. Er kann es nicht ernst meinen.

»Wo du hingehst, geht sie auch hin.« Kip schenkt mir ein bösartiges Lächeln. Es ist ganz anders als das, mit dem er mich begrüßt hat. Dieses Lächeln ist eine Warnung. »Und Eaton, dieses Mädchen ist meine Tochter. Meine Prinzessin. Also benimm dich, lass deine Hände bei dir und halte dich verdammt noch mal von Ärger fern, ja?«

Die schnippische Prinzessin soll mit mir auf der Ranch leben? Guter Gott, es ist noch viel schlimmer, als ich es mir vorgestellt habe.

Seit diesem beschissenen Video geht es mit meinem Wochenende bergab, und es wird auch nicht besser, als ich aus dem prächtigen Bürogebäude hinausstürme und die Straße erreiche, weil ich feststellen muss, dass ich die Parkuhr für meinen großartigen Parkplatz übersehen habe.

3

Summer

Summer: Jetzt geht es los.

Dad: Sei vorsichtig. Lass das Arschloch nicht in deine Hose.

Summer: Ich trage eigentlich lieber Röcke.

»Moment mal. Wie lange wirst du weg sein?«

»Ich bin nicht weg, Wils. Ich bin etwa eine Stunde außerhalb der Stadt. Die Fahrt von deiner Wohnung zu deiner Scheune ist fast genauso lang.«

»Du musst mir so was rechtzeitig ankündigen. Mit wem soll ich denn jetzt zum Brunch gehen? Was, wenn ich eine neue beste Freundin finde, während du weg bist?«

Ich lache. Meine beste Freundin hat einen Hang zum Dramatischen, das ist Teil ihres Charmes. »Dann hast du mich wohl nie wirklich geliebt«, entgegne ich wehmütig.

»Das ist eine wirklich entsetzliche Neuigkeit. Für mich jedenfalls. Du hingegen bist wahrscheinlich schon ganz freudig erregt. Erinnerst du dich an das Foto, das du …«

»Willa, bitte, das ist schon lange her. Ich bin jetzt erwachsen. Ein Profi. Heiße Sportler sind mein täglich Brot.«

Sie stöhnt. »Warum musst du so erwachsen sein? Gegen dich komme ich mir vor wie ein Kind.«

»Du bist kein Kind. Vielleicht eher ein Teenager?« Auf der Suche nach der richtigen Abzweigung sehe ich mich um. Die staubigen Nebenstraßen sind nicht besonders gut ausgewiesen, aber ich sehe das Schild gerade noch rechtzeitig und biege ab. Meine Reifen knirschen auf dem Schotter.

»Ich denke, damit kann ich leben. Weißt du, erwachsen zu sein ist einfach nichts für mich.«

Ich lache wieder. Willa ist sehr erwachsen, sie nimmt nur nicht alles so ernst. Sie ist unglaublich lustig. Und sie tut mir gut. »Du hast die Jungs in der Bar fest im Griff. Ich glaube, du bist erwachsener, als du denkst.«

»Nimm das zurück!« Sie lacht und fügt hinzu: »Und knall diesen Cowboy. Tu es.«

Willa muntert mich immer auf, wenn ich es brauche, sie hat mich getröstet und mir den Rücken gekrault, wenn ich wegen Rob geweint habe.

Aber manchmal liegt selbst Willa falsch.

»Du willst, dass ich meine aufkeimende Karriere ruiniere, um mit dem Promi-Schwarm meiner Teenagerzeit zu schlafen, der mich allem Anschein nach abgrundtief hasst? Danke, ich werde darüber nachdenken, versprochen. Ich denke darüber nach.«

»Das ist alles, worum ich dich bitte.«

Wir lachen, so wie wir es in den letzten fünfzehn Jahren so oft getan haben. Ich habe nicht viele Freunde. Aber ich habe lieber eine Willa als ein ganzes Rudel von Leuten, die mich nicht wirklich verstehen.

Vor mir sehe ich eine Einfahrt und lese langsam die Zahlen auf dem Zaun. »Ich bin gleich da. Ich schreib dir nachher.«

»Ja, vergiss das auf keinen Fall. Hab dich lieb.«

»Ich dich auch«, sage ich und stelle erleichtert fest, dass die Zahlen auf dem Zaun mit denen übereinstimmen, die Rhett mir aufgeschrieben hat. Ich schalte mein Bluetooth aus und biege in die Einfahrt ein, bereit, mich dem Schlamassel zu stellen, den mir mein Vater aufs Auge gedrückt hat.

Die groben Holzzäune, die das Grundstück säumen, führen mich durchs Haupttor, dessen Pfosten hoch über die Einfahrt ragen. Den Balken, der das Tor überspannt, ziert ein schmiedeeisernes Schild in Form eines Wunschbrunnens. Darunter baumelt an zwei schmalen Ketten eine Holzplatte, in die die Worte Wishing Well Ranch eingebrannt sind.

Das Land rund um Chestnut Springs ist wahrlich eine Augenweide. Ich fühle mich wie an den Drehort von Yellowstone versetzt. Mir wird ganz schwindlig vor Freude.

Auf Wiedersehen, stickiges Büro, hallo, endloses Land.

Sieht Rhett Eaton mich an wie ein überfahrenes Tier am Straßenrand?

Ja.

Begeistert es mich trotzdem, aus dem Büro rauszukommen und mal was ganz anderes zu tun?

Ebenfalls ja.

Ich werde es verdammt noch mal genießen. Werde den Stier bei den Hörnern packen. Ich kichere über meinen eigenen Witz und drehe die Lautstärke des The-Sadies-Albums runter, das ich vor Willas Anruf gehört habe.

Ich sehe mich um und drossle meinen Geländewagen auf Schrittgeschwindigkeit. Unter den Reifen knirscht und knackt der Schotter. Der März in Süd-Alberta ist auf seine karge Weise echt schön. Es mag kalt und verschneit sein, aber dann kommt ein Chinook auf, und dieser Wind streicht einem warm und weich über die Haut. Es gibt noch keine üppigen Grasmeere, nur Felder über Felder in moosigen Brauntönen. Fast spürt man das Grün darunter lauern, aber noch ist es nicht so weit.

Die sanft hügeligen Felder, die im Westen in graue Gipfel übergehen, haben zu dieser Jahreszeit noch etwas leicht Monotones. Hinter den Ausläufern der Berge ragen die Rocky Mountains zerklüftet und schneebedeckt in die Höhe, ein unberührter weißer Gipfel neben dem anderen.

Seit Jahren sehe ich tagtäglich in der Firma meines Vaters aus den Fenstern des 30. Stocks und wünsche mir, ich wäre dort draußen. Stelle mir vor, meine Sommer damit zu verbringen, die Berge und die dazwischen eingebetteten kleinen Städtchen zu erkunden, statt in einem Hochglanzbüro gefangen zu sein. Oder, noch weiter zurückgedacht, in einem blassgrünen Zimmer, zu kraftlos, um aus dem Bett zu kommen.

Ist mein Auftrag so lächerlich, dass ich beim Meeting Mühe hatte, eine ernste Miene zu wahren?

Allerdings.

Aber ich werde das Beste daraus machen. Zumindest kann ich jetzt zwei Monate lang auf die Berge blicken, den Wind im Gesicht, statt verbrannten Kaffee und geschmacklose Croissants zu riechen … die Kombination, die mir Martha jeden Tag hinstellt. Und auch statt eines Zimmers, das nach antiseptischer und antibakterieller Waschseife riecht. Die Art Seife, die angeblich geruchsneutral ist.

Die lange Einfahrt erstreckt sich vor mir und verschwindet ein gutes Stück voraus in einem Wäldchen aus dicht gepflanzten Pappeln. Zwischen ihren winterlich kahlen Ästen blitzt der Umriss eines imposanten Gebäudes hervor.

Ich fahre hindurch. Das beeindruckende Haus kommt in Sicht, umrahmt von stattlichen Bäumen, und ich betrachte es neugierig. Es ist in einem leichten Bogen gebaut und scheint sich fast in die dahinterliegenden Hügel zu schmiegen. Es ist groß und hat riesige Fenster; die untere Stützmauer ist mit einer Steinfassade verkleidet, die in eine Art Vinylverkleidung in einem sanften Salbeiton übergeht. Ein hübscher Kontrast zu dem warmen gebeizten Holz und dem Zedernschindeldach.

Die Häuser, in denen ich aufgewachsen bin, befanden sich praktisch im Krieg mit der umgebenden Landschaft, schrien sie an mit ihren scharfen Ecken und unpassenden Farben. Dieses Haus, so groß es auch ist, sieht fast so aus, als sei es aus dem Boden gewachsen. Als wäre es einfach Teil der Landschaft, in perfekter Harmonie.

Es sieht aus, als gehöre es hierher.

Im Gegensatz zu mir.

Als ich aus dem Wagen steige, sehe ich kritisch an mir hinunter. Mein Outfit ist der Hammer, schwarzer Rock aus Wollstoff, ein Seidenhemd mit Schottenkaro und braune, hochhackige Slipper mit einem hübschen Brogue-Absatz … Aber in einer solchen Umgebung wirkt es eigenartig lächerlich.

Ich habe mich so sehr daran gewöhnt, mich jeden Tag schick zu machen, und es macht mir so viel Freude, dass mir nicht mal der Gedanke gekommen ist, wie seltsam ich hier in diesen Klamotten aussehen würde.

Ich weiß nicht, was mich hier erwartet. Rhett hat beim Hinkritzeln seiner Adresse so fest aufgedrückt, dass man sie auch von mehreren Blättern darunter noch ablesen kann.

Und dann ist er ohne ein weiteres Wort hinausgestürmt.

Ein Lächeln umspielte die Lippen meines Vaters, als wir Rhett Eaton hinterherblickten, seinen breiten Schultern und dem hinter ihm her wehenden langen Haar. Aber definitiv nicht seinem Hintern.

Ich bin schließlich Profi.

»Das fängt ja gut an«, stellte mein Vater fest, sobald Rhett außer Hörweite war.

Zusammengefasst besteht mein Auftrag nur in einer Adresse und der Anweisung: »Bring das in Ordnung, Summer. Ich glaube an dich.«

Oh, und einer Ermahnung: »Lass nicht zu, dass dieser Wichser den Weg in dein Bett findet.«

»Was ist mit seinem Bett?«, habe ich lächelnd gefragt.

»Du bringst mich noch ins Grab, Mädchen«, hatte er gestöhnt, während er aus dem Konferenzraum schlenderte und dabei aussah wie die Grinsekatze.

Und das war’s. Wird schon gut gehen, wenn ich mich in das Leben meines Jugendschwarms einmische. Ich weiß nicht, ob sich mein Vater überhaupt daran erinnert.

Ich weiß, dass dies ein Test ist. Eine Feuerprobe. Wenn ich diesen Auftrag mit Bravour meistere, werde ich nicht nur meinen Vater beeindrucken, sondern mich auch vor allen anderen in der Firma beweisen. Das muss ich tun, wenn ich bei Hamilton Elite aufsteigen will. Ich muss fantastische Arbeit abliefern, damit ich nicht dastehe, als würde ich meinen Job reiner Vetternwirtschaft verdanken.

Es ist keine leichte Aufgabe, aber sie entmutigt mich nicht. Ich bin es mein ganzes Leben lang gewohnt, dass nichts leicht ist und mir einfach in den Schoß fällt.

»Sind Sie die Babysitterin?«

Ich drehe den Kopf zur vorderen Veranda des weitläufigen Hauses, von wo die tiefe, raue Stimme erklungen ist. Ein älterer Mann mit silbernem Haar lehnt dort an einem großen Holzpfeiler, die Arme vor der Brust verschränkt, ein Grinsen im Gesicht. Auf seinem Kopf sitzt ein abgenutzter schwarzer Cowboyhut, an den er zur Begrüßung tippt. »Es ist schon eine Weile her, dass ich eine Babysitterin für einen meiner Jungs bei mir zu Hause empfangen habe.«

Ich lache auf und fühle mich in seiner Gegenwart sofort wohl. Rhett sieht mich an wie einen lästigen Käfer auf seiner Windschutzscheibe, aber dieser Mann sprüht vor Charme.

Ich erwidere sein Grinsen und stemme die Fäuste in die Hüften. »Ist schon eine Weile her, dass ich auf jemanden aufgepasst habe.«

»Ich schätze, Sie kommen selbst mit dem unartigsten Kind zurecht«, meint er, während er auf mich zugeht.

Ich habe eine deutliche Ahnung, wer dieser Mann sein mag. »Ich nehme an, die Drohung, es seinem Vater zu sagen, wird mir nicht weiterhelfen, oder?«

Der Mann lächelt mich an, die wettergegerbte Haut um seine Augen kräuselt sich, und er streckt mir die Hand hin. »Dieser Teufelskerl hat sich noch nie darum geschert, was ich zu sagen habe.« Er zwinkert mir zu, und ich erwidere seinen festen Händedruck. »Harvey Eaton, Rhetts Vater. Freut mich, Sie kennenzulernen. Willkommen auf der Wishing Well Ranch.«

»Summer Hamilton. Freut mich ebenfalls. Ich weiß noch nicht recht, was mich erwartet … Ich habe nicht das Gefühl, dass Rhett und ich gestern einen guten Start hatten«, gestehe ich.

Ich gehe zum Kofferraum und öffne ihn. Harvey scheucht mich mit einer Handbewegung beiseite und nimmt meinen Koffer. »Ich habe hier im Haupthaus ein Zimmer für dich hergerichtet«, sagt er und lässt die Förmlichkeiten hinter uns. »Du kannst davon ausgehen, dass Rhett schmollen wird wie ein kleiner Junge, dem man sein Lieblingsspielzeug weggenommen hat. Und wenn seine Brüder Wind von der Sache bekommen, werden sie ständig Witze reißen, was seine Laune ganz sicher nicht verbessert.«

Ich ziehe eine Grimasse. »Ich Glückspilz.«

Harvey schnaubt belustigt und geht voran zum Haus. »Keine Sorge, Ms Hamilton. Es sind gute Jungs. Ein bisschen ungehobelt, aber trotzdem gute Jungs.« Er wirft mir einen Blick über die Schulter zu und mustert mich amüsiert. »Und irgendwas sagt mir, dass du ganz gut mit ihnen zurechtkommen wirst.«

Ich beiße mir auf die Lippen. Wenn ich Kip Hamilton als Vater und Chef überlebt habe, sollte ich mit ein paar Cowboys doch wohl locker klarkommen – aber das spreche ich lieber nicht laut aus … Ich möchte kein Unglück heraufbeschwören. »Ich bin Summer«, sage ich stattdessen.

Er hält mir die Eingangstür auf. »Komm rein, Summer. Ich gebe dir mal lieber was zu essen, bevor du dich dem kleinen Monster stellst.«

Kichernd schüttle ich den Kopf und betrete das Haus. Offensichtlich lag ich mit meiner Einschätzung von Rhett nicht allzu weit daneben. Zumindest scheint auch sein Vater nicht zu glauben, dass er es mir leicht machen wird. Auf einmal überkommen mich Zweifel, sogar Angst, und mir wird übel. Was, wenn ich der Sache nicht gewachsen bin? Was, wenn ich versage? Was, wenn ich einfach niemals etwas richtig machen kann?

Mein innerer Monolog verstummt, als ich hinter Harvey durch das Haus gehe. Auch hier herrschen warme Töne vor, Holzbalken an der Decke und dunkelgrüne Wände verleihen dem Wohnbereich trotz der hohen, offenen Räume ein gemütliches Flair. Die breiten, dunklen Hartholzdielen sind an manchen Stellen sichtlich abgenutzt, und als ich sehe, wie Harvey mit seinen Stiefeln darübermarschiert, kann ich mir denken, warum.

Zu meiner Linken entdecke ich das Wohnzimmer mit gepolsterten Ledersofas vor einem riesigen Kamin, über dem ein Hirschkopf hängt, die schwarzen Augen glänzen lebensecht, und das Geweih ragt über ihm auf wie eine üppige, verschnörkelte Baumkrone.

Ich verziehe das Gesicht. Ich habe kein Problem mit der Jagd, jedenfalls wenn sie verantwortungsvoll betrieben wird, aber ich bin ein echtes Stadtkind, und der Anblick dieses majestätischen Tiers, das als Dekoration an der Wand hängt, macht mich ein wenig traurig.

Seien wir ehrlich. Ich denke an Bambi.

Ich schüttle den Gedanken ab und reiße mich zusammen. Was ist nur los mit mir?

Vor uns liegt die riesige Küche mit einem großen Holztisch in der Mitte, und ich kann mir gut vorstellen, wie sich all diese Cowboys nach einem langen Tag auf der Ranch hier zu einem Familien-Festgelage versammeln.

»Hier entlang«, reißt mich Harveys Stimme aus meinen Gedanken, und wir biegen rechts in einen von Messingleuchten an den Wänden gesäumten Flur ein. »Ist ein bisschen ungünstig, dass dein Zimmer im Erdgeschoss ist. Wir werden versuchen, morgens leise zu sein. Rhett und ich haben Zimmer im Obergeschoss, also dachte ich, dass du hier vielleicht etwas mehr für dich bist, weg von uns Männern. Es hat ein eigenes Bad und den größten Kleiderschrank im Haus.« Er hebt meinen Koffer kurz hoch … meinen sehr, sehr vollen Koffer. »Ich denke, das kann nicht schaden.«

Ich erröte ein wenig. Auf einen Mann wie Harvey Eaton muss ich wie eine verwöhnte Tussi wirken. »Ich war nicht sicher, was mich bei diesem Auftrag erwartet.«

Er gluckst gutmütig in sich hinein. »Erwarte ein Rodeo, Mädchen. Ich liebe meinen Jungen, aber er ist anstrengend. Das war er schon immer. Wenn ich so darüber nachdenke, weiß ich gar nicht, ob jemals jemand wirklich mit Rhett fertig geworden ist. Der jüngste Sohn und so weiter. Selbst seine kleine Schwester war irgendwann reifer als er. Sie hat sich immer um ihn gekümmert – Rhett braucht jemanden, der das tut. Mein Rat? Dräng ihn nicht zu sehr, sonst schlägt er nur um sich.«

Verblüfft nicke ich. So wie Harvey über ihn redet, klingt es fast, als wäre Rhett ein bisschen irre. »Ein weiser Rat, Mr Eaton.«

Er stellt meinen Koffer direkt vor der Tür eines Zimmers am Ende des Flurs ab. »Mädchen, wenn ich dich Summer nenne, nennst du mich Harvey. Haben wir uns verstanden?«

Ich lächle ihn an. »Gern.«

»Gut.« Er bleibt im Flur zurück, als ich das Zimmer betrete. »Lass dir ruhig Zeit, dich ein bisschen einzurichten. Ich bin in der Küche, und wenn du fertig bist, essen wir eine Kleinigkeit, und ich führe dich herum.«

»Perfekt.« Ich schenke ihm mein schönstes Lächeln, und er schlendert durch den Flur davon.

Ich schließe die Tür, lehne den Kopf an das kühle Holz und atme tief durch, um die Angst zu vertreiben.

Und dann bete ich um Geduld, denn irgendetwas sagt mir, dass ich sie brauchen werde.

4

Rhett

Rhett: Willst du deine Tochter wiederhaben? Ich verspreche auch, ich werde brav sein.

Kip: Sie ist noch nicht mal da.

Rhett: Denk nur mal dran, wie viel Zeit du ihr ersparst, wenn du sie jetzt zurückpfeifst.

Kip: Nein.

Rhett: Bitte?

Kip: Versuch nicht, rücksichtsvoll zu sein. Das passt nicht zu dir.

Rhett: Geh und lutsch einen Schwanz.

Kip: Was glaubst du, wie ich all deine Sponsoren bei der Stange halte?

Summer Hamilton ist in ihrem noblen Geländewagen und ihrem lächerlich schicken Outfit vorgefahren, als wollte sie in die Stadt und nicht auf eine Rinderfarm.