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Florida existiert in vielen Ausführungen. Am häufigsten wird der Sunshine State als Urlaubsparadies für Pauschalreisende angepriesen. Dies aber wird dem Südostzipfel der USA kaum gerecht, denn Florida ist eine außergewöhnlich vielseitige Lebenswelt, die neben Sonne, Strand, Meer und den Themenparks von Orlando spannende Metropolen, glitzernde Konsumwelten und abgelegene Inseln mit den grandiosen Rückzugsräumen der Natur vereint. Obwohl der Staat erst seit 100 Jahren eine größere Bevölkerung aufweist, besitzt er eine vielerorts erstaunlich interessante Geschichte, die von wegweisenden Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts geprägt wurde. Neuerdings fällt Florida von Kultur bis zu Kulinarik immer öfter durch eine eigene unverwechselbare Identität auf. Das vorliegende Buch hat sich zum Ziel gesetzt, diese in den Vordergrund zu rücken und eine Reise durch Florida zu einem ebenso einmaligen wie unverwechselbaren Erlebnis zu machen.
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Ralf Johnen
Florida
USA
IMPRESSUM
Florida – USA
50 Tipps abseits der ausgetretenen Pfade
Ralf Johnen
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Gedruckt und gebunden:
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Bildnachweis: siehe Seite 256
ISBN: 978-3-96855-168-5
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Ralf Johnen
FLORIDA
USA
VORWORT
Sonne, Strand und Meer. Darauf wird Florida gerne reduziert. Na gut, Disney World, die Universal Studios und all die anderen Kunstwelten rund um Orlando spielen in der öffentlichen Wahrnehmung auch eine gewisse Rolle. Doch wer sich auf das weit verbreitete und stets mit Palmen angereicherte Florida-Klischee beschränkt, kommt kaum an der Einschätzung vorbei, dass es zwischen Pensacola, Amelia Island und Key West ein bisschen langweilig zugeht.
Doch weit gefehlt. Wer sich auf den Sunshine State einlässt, entdeckt sofort Argumente für einen Aufenthalt, die weit über Müßiggang und Erholung in milden klimatischen Rahmenbedingungen hinausgehen. Florida hat eine atemberaubende Entwicklung hingelegt: Innerhalb von nur einem Jahrhundert ist aus dem kaum besiedelten und noch weniger beachteten Landzipfel am Rande des Kontinents ein extrem spannender Lebensraum geworden, der immer dichter besiedelt wird. Halb Amerika möchte hier inzwischen wenigstens den Winter verbringen.
Rastloser Motor ist Miami, das sich losgelöst von allen politischen Befindlichkeiten längst als Hauptstadt beider Amerikas fühlt. Englisch und Spanisch existieren hier gleichberechtigt nebeneinander, was Charme und Temperament dieser Stadt sehr zuträglich ist. Bei jedem Besuch ragen neue Wolkenkratzer in den Himmel. Auch die Hitliste der angesagten Viertel kennt rasch wechselnde Spitzenreiter. Spätestens seit ein Ableger der Art Basel Miami einen viel beachteten Platz auf dem Kalender gefunden hat, haben Stadt und Bundesstaat endlich ihren Komplex kultureller Minderwertigkeit abgelegt.
Das neue Selbstbewusstsein überträgt sich auf eine avancierte Architektur: In Florida kursieren noch die Millionen, die für den Bau neuer Museen und Konzerthallen erforderlich sind. Ja, sogar für das angemessene Erscheinungsbild von Parkhäusern engagiert man gelegentlich gefeierte Meister. Geschmackvolle Designerhotels und pompöse Boutiquen runden das Portfolio an.
Lebensfreude und Pioniergeist bestimmen auch den Alltag der örtlichen Genussmenschen: Überall in Florida revolutionieren Küchenchefs gastronomische Konzepte, wobei die Einflüsse der neuen mit denen der alten Welt verschmelzen. Das ist keineswegs eine ausschließlich elitäre Angelegenheit, denn allerorten poppen Food-Hallen auf, wo die Häppchen in aller Regel gleichermaßen köstlich wie preiswert sind. Müßig zu erwähnen, dass in den glitzernden Konsumwelten sowohl obszön preiswerte Schnäppchen wie auch bizarr teure Luxusartikel zu haben sind.
Weniger erfreulich ist der Umstand, dass die Küsten Floridas in weiten Teilen hoffnungslos zugebaut sind. Doch die Natur hat weiterhin ihre Freiräume. Ein Garant für ebenso aufregende wie preisgünstige Erlebnisse sind die rund 170 State Parks, die das „alte“ oder das „vergessene“ Florida für die Nachwelt konservieren. Ebenso wie der Nationalparks der Everglades müssen sie sich dabei vielerorts eines wachsenden Zivilisationsdrucks erwehren. Noch aber bieten sie von Norden bis Süden die Kulisse für erhabene Erlebnisse unter freiem Himmel, wo selbst hartgesottene Abenteurer auf ihre Kosten kommen.
Kurzum: Florida mag einst vor allem durch äußert angenehme Rahmenbedingungen auf sich aufmerksam gemacht haben. Mittlerweile jedoch ist die dynamische Entwicklung in allen touristischen Segmenten viel interessanter. Dies alles macht den Staat zu einem spannenden Terrain für einen Roadtrip. Der kann im Winter durch den weniger vollen Norden und im Sommer durch den temporär preiswerteren Süden führen. Umgekehrt aber macht es natürlich genauso viel Spaß. Weil über Florida in den zurückliegenden Jahrzehnten viel geschrieben worden ist, widmet sich dieses Buch fast durchweg dem weniger Offensichtlichen. Oft geht es um die Geschichte hinter der Geschichte. Nicht selten aber werden diese mit Geheimtipps angereichert.
Ralf Johnen,boardingcompleted.me
INHALTSVERZEICHNIS
WILLKOMMEN IN FLORIDA
TOP TEN DER SEHENSWÜRDIGKEITEN
KURIOSES & BESONDERHEITEN
MIAMI UND DER SÜDOSTEN
1.Lincoln Road Mall: coolste Fußgängerzone des Kontinents
2.New World Center: mit gut gefülltem Picknickkorb ins Konzert
3.Wynwood Walls: warum Miami dank der Subkultur plötzlich ernst genommen wird
4.Churchill’s Pub: Punkrock in Südflorida
5.Cubaocho: wie ein junger Flüchtling die kubanische Moderne rettete
6.Lebenselixier ohne Zusatzstoffe: Cuba Tobacco Cigar Factory
7.Key Biscayne Eco Adventure: wo Welten aufeinandertreffen
8.Bonnet House in Fort Lauderdale: letzte Insel der Wildnis
9.Sawgrass Mills: Power-Shopping am Rande der Everglades
10.Florida Panthers: Wildkatzen auf Kufen
11.Worth Avenue in Palm Beach: Geburtsort mit Grabstein
12.Green’s Pharmacy: wo Celebrities zum Fußvolk werden
ORLANDO UND DER NORDOSTEN
13.Winter Park: Rückzugsort in der Kapitale der Kunstwelten
14.Lake Osceola in Orlando: verwunschener Dschungel in der Stadtwüste
15.Leu Gardens: vom Industriekapitän zum König der Kamelien
16.Kennedy Space Center: schwereloser Lunch mit einem Astronauten
17.Ron Jon Surf Shop: Wahlheimat der Wellenreiter
18.St. Augustine: Sehnsucht nach Geschichte und Tradition
19.Villa Zorayda: Geburtsort der Fantasiearchitektur
20.St. Augustine Distillery: Überbleibsel aus Floridas Eiszeit…
21.Kingsley Plantation: unorthodoxe Geschichte der Sklaverei in Florida
22.Palace Saloon: ruppig aus Tradition
23.White Springs: zugeknöpfte Badegäste der ersten Stunde
DER NORDWESTEN UND DER PANHANDLE
24.Wakulla Springs: Gruselfilmkulisse mit gutmütigen Bewohnern
25.Apalachicola: angebliche Austern-Hauptstadt der Welt
26.St. Joseph Peninsula: fragiler Rückzugsort im Golf von Mexiko
27.Panama City Beach: Pappmaché-Monster an der Redneck-Riviera
28.Cedar Key: malerisches Marschland und Wirkungsstätte eines Bleistiftbarons
29.Crystal River: Welthauptstadt der Rundschwanzseekühe
DIE WESTKÜSTE
30.Riverwalk in Tampa: Wiederentdeckung des Fußgängers
31.Ybor City: Rückkehr der Zigarrendreher
32.Pinellas Trail: mit Muskelkraft durch den Sunshine State
33.Clearwater Marine Aquarium: Hollywoodkarriere einer verletzten Delfindame
34.Chihuly Collection: schwelgerische Skulpturen aus Glas
35.The Ringling: sagenhaftes Imperium eines Zirkusdirektors
36.Myakka River State Park: Schaulaufen der Schlangenhalsvögel und Silberreiher
37.„Shelling“ auf Sanibel: mit gesenktem Haupt zum Glück
38.Cabbage Key: Paradies für Cheeseburger und Anekdoten
39.Matlacha Island: Künstlerkolonie mit Widersprüchen
40.Fort Myers: von Edisons Erfinderstube zu Fords Garage
41.Die Fifth Avenue in Naples: Millionäre auf dem Präsentierteller
42.Ten Thousand Islands: per Flüsterboot zu den Pelikanen
DIE FLORIDA KEYS
43.Key Largo: die „African Queen“ ist im falschen Film
44.Turtle Hospital in Marathon: Reha für Schildkröten
45.Robbie’s Marina: Scarface und die Salzwasserkrokodile
46.Bahia Honda State Park: Zug über das Meer
47.The Green Parrot: wo Hemingway von Elvis verprügelt wurde
48.Little White House: kleiner Bau mit großer Geschichte
49.Latitudes: echter Sonnenuntergang auf einer künstlichen Insel
50.Key Lime Bike Tours: Seemannsgarn im Sattel
ANHANG: UMWELTFREUNDLICH UND NACHHALTIG DURCH FLORIDA
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Bildnachweis
In den Monaten vor der Veröffentlichung dieses Buchs mussten Lokale und Besucherattraktionen immer wieder aufgrund der Corona-Pandemie ihre Öffnungszeiten einschränken oder zeitweise komplett schließen. Die in diesem Band angegeben Öffnungszeiten wurden gewissenhaft nach dem letzten bekannten Stand recherchiert – mit weiteren Änderungen ist jedoch nach der Pandemie zu rechnen, weshalb wir Lesern empfehlen, während des Aufenthalts in Florida Öffnungszeiten anhand der hier aufgeführten Internetseiten selbst zu überprüfen.
Täglich wiederkehrendes Schauspiel: Sonnenuntergang auf Anna Maria Island
WILLKOMMEN IN FLORIDA!
Florida! Ist das nicht dieses kulturlose Rentnerparadies, wo man auf dem Weg zu einem überteuerten Vergnügungspark ständig im Stau endet? An dieses Vorurteil muss ich zurückdenken, als ich bei den Recherchen für dieses Buch in einem kleinen, aber durchaus auffälligen Auto durch Palm Beach fahre. Ich habe mir einen Gimlet im Hotel The Breakers gegönnt, einem dieser neomediterranen Paläste aus der euphorischen Gründerzeit Floridas, wo jederzeit die Charaktere aus der Serie „Mad Men“ an der Bar sitzen könnten.
Als ich zurück in Richtung Hotel fahre, ist es dunkel, aber noch früh am Abend. Dann stehe ich tatsächlich im Stau. Als ich die Ursache erkenne, werde ich nervös: Ein Streifenwagen, dessen Personal hektisch mit den Armen rudert. Das ist kein gutes Zeichen in den USA. Vor mir werden alle Wagen von der Straße in eine Einfahrt gelotst. „Jetzt haben sie dich“, denke ich mir schuldbewusst. Das mit dem Cocktail war keine gute Idee.
Nach einer Rechtskurve aber weicht die von Jetlag beflügelte Paranoia der Realität: Ich werde mir erst langsam und dann plötzlich der Tatsache bewusst, dass ich mich auf einem dieser Milliardärsanwesen befinde, die ich am selben Tag im gleißenden Sonnenlicht aus dem Auto beäugt hatte. Wie sich herausstellt, ist der Auflauf einer jener Wohltätigkeitsveranstaltungen geschuldet, die man als in Palm Beach lebender Tycoon an Freitagabenden halt so organisiert. Ich bin beruhigt, doch leider gibt es kein Zurück: Schon reißt ein livrierter Dienstbote mit sichtbarer Geringschätzung die Tür meines Kleinwagens auf, um mir eine Marke in die Hand zu drücken, mit der ich das Gefährt am Ende des Abends wieder auslösen kann. Mit einer Kladde in der Hand fragt er mich nach einer Banalität. „Your name, Sir?“
Ich stammele, dass es sich hier offensichtlich um ein Missverständnis handele und ich nur ein harmloser Tourist aus Europa sei. Warum ich dann nicht einfach weitergefahren sei, möchte der Typ wissen. Eine berechtigte Frage. „Wahrscheinlich“, sage ich kleinlaut, „bin ich einfach überfordert mit den Gepflogenheiten Ihrer schönen Stadt“. Sein Wissensdurst ist abrupt gestillt. Mit ein paar abfälligen Handbewegungen dirigiert er mich zum Hinterausgang. Soll ich doch sehen, wo ich bleibe. Später in dieser tropischen Nacht denke ich lachend an die Situation zurück: So etwas kann dir auch nur in Florida passieren.
Jachtparade in Fort Lauderdale
Monster und Manatis
Dieser Vorfall hat seine Spuren hinterlassen. Daher will ich meinen Augen ein paar Tage darauf zunächst keinen Glauben schenken. Doch nach einer kurzen Inspektion steht fest: Es hat tatsächlich gefroren in der Januarnacht vor meinen Besuch in Wakulla Springs. Bibbernd kratze ich die Scheiben frei. Gegen 9 Uhr stehe ich im Besucherzentrum des State Parks und blicke auf ein Filmplakat. Ich sehe ein Monster, das mir in meiner Kindheit üble Träume beschert hat: „Der Schrecken des Amazonas“. Der Trash-Klassiker wurde nicht in Brasilien gedreht, sondern hier, im Norden Floridas. Mein mulmiges Gefühl weicht erst, als ich wenig später zum ersten Mal in meinem Leben Manatis sehe, die immer so gutmütig dreinblickenden Rundschwanzseekühe, deren Anblick einen Trip in den Sunshine State wert ist.
So wie im Übrigen auch die Küstenlandschaft, die nur ein paar Kilometer weiter ihren Lauf nimmt. „Forgotten Coast“ nennen die Einheimischen diesen Teil des Sunshine State. Hier unterhalten sich die Menschen in einer fremdartigen Sprache, die nur rudimentär an Englisch erinnert. Die Ketten und Konzerne, die Amerika sonst beherrschen, sucht man vergebens. Zum Mittag kommen Austern aus dem Golf und kühles Bier auf den Tisch. Und die Strände auf den Barriereinseln sind von unverschämter Schönheit. Kenner sagen: Je weiter man in Floridas Norden vordringt, umso besser lernt man den wahren Süden der USA kennen. Und der ist träge, altmodisch – und entsetzlich charmant.
Meilensteine auf dem Weg zur Metropole
Miami indes kann mit Betulichkeit nicht viel anfangen. Die Stadt ist heute rastloser denn je. Rundum die City ragen immer neue Wolkenkratzer in den Himmel. Von Frank O. Gehry über Cesar Pelli bis zu Herzog & de Meuron dürfen hier die renommiertesten (und teuersten) Architekten der Welt ihre Visionen verwirklichen. Sogar Parkhäuser laufen förmlich über vor guten Ideen. Und South Beach, das gerade das erste, an Turbulenzen reiche Jahrhundert seiner Existenz vollendet hat, strahlt schöner und heller als je zuvor.
Die Stadt, so viel ist auf den ersten Blick klar, ist immer noch jung. Dennoch beansprucht Miami im 21. Jahrhundert eine Führungsrolle. Offiziell beschränkt sich die Zahl der Einwohner auf nur 445.000. Der Großraum aber zählt rund sechs Millionen Menschen. Genug für den Status einer veritablen Metropole – und vielleicht auch zur Rechtfertigung jenes inoffiziellen Titels, den sich Miami schon jetzt verliehen hat: Die „Hauptstadt beider Amerikas“, wo Nord- und Lateinamerikaner zusammenfinden. Für eine leuchtende Zukunft.
Diese Ambitionen Miamis waren mir auch vor meinem jüngsten Besuch nicht fremd. Wohl aber habe ich nicht schlecht gestaunt, als mir beim Frühstück ein ortsansässiger Argentinier vom jüngsten Hype berichtet hat: Wynwood. Hier haben sich bis vor wenigen Jahren kaum Einheimische und schon gar keine Touristen hin getraut. Nun aber habe er South Beach verlassen, um fortan dort zu leben. Weil sich in den Lagerhallen auf der anderen Seite der Biscayne Bay mehr als 70 Galerien niedergelassen haben und weil Street-Art und Subkultur ein weniger oberflächliches Lebensgefühl zulassen. In Wynwood fühlt sich Miami ein wenig an wie Berlin.
Perfekt mit dem Fahrrad: Key West
Karibische Küche und kubanische Kultur
Aber das ist nur eine von vielen Entwicklungen: So ist in Downtown mit dem Perez Art Museum ein Ausstellungshaus entstanden, in dem kühne Gegenwartskunst gezeigt wird. Und nur ein paar Blocks weiter entzückt Little Havana mit ungekünstelter Lebensfreude.
Florida aber müht sich nicht nur erfolgreich, das Leben mit mehr Kultur zu füllen. Auch in kulinarischer Hinsicht zahlt sich der immer neue Ehrgeiz aus. Die bisweilen ideenlose amerikanische Küche geht nunmehr bei hoher Produktqualität immer häufiger eine Allianz mit den frischen und würzigen Gerichten aus Lateinamerika und der Karibik ein. Sogar beim Bier können Feinschmecker aus Zentraleuropa inzwischen nur anerkennend Beifall spenden: Gegen die Handwerkskunst und Experimentierfreude der Mikrobrauerei wirkt das heimische Pils schnell ideenlos. Kurioserweise imitieren die Amerikaner besonders gerne ein Bier, das daheim als regionales Produkt geschützt ist: Kölsch.
All diese Entwicklungen machen einen Urlaub in Florida zu einer Entdeckungsreise. Gleichzeitig ändern sie nichts daran, dass meine persönlichen Lieblingsflecken Orte der Stagnation sind: Die 175 State Parks, die sich in allen Teilen des Sunshine State befinden, sind großartig. Hier ist Florida noch so, wie es vor 150 Jahren war. Unberührt, fragil, ein klein wenig unkalkulierbar und von erhabener Schönheit.
Plädoyer für den Roadtrip
Zweifellos ist es machbar, Florida von einer festen Ausgangsbasis aus zu erleben. Wer aber den Sunshine State verstehen und in seiner ganzen Pracht erleben möchte, sollte eine klassisch amerikanische Reiseform in Erwägung ziehen: den Roadtrip. Hin zu den breiten Stränden im Nordosten und zu den verschlafenen Dörfern im Panhandle, hinein in das Paralleluniversum der Vergnügungsparks Orlandos, weiter über den Overseas Highway bis nach Key West, auf zu den wunderbaren Inseln an der Golfküste und schließlich ins pulsierende Miami. Wer all dies auf sich einwirken lässt, wird nie wieder behaupten, Florida sei ein kulturloses Rentnerparadies.
DER SEHENSWÜRDIGKEITEN IN FLORIDA
1Der Art-déco-Distrikt in Miami Beach: Einzigartig und von erhabener Schönheit: Die mehr als 1000 Art-déco-Bauten in South Beach sind Floridas kulturelles Erbe. Auch gelten die Hotels und Villen mit ihren Stromlinienformen und ihren tropischen Ornamenten gemeinsam mit den Wolkenkratzern und den sogenannten Prairiehäusern von Frank Lloyd Wright als maßgeblicher Beitrag zu einer eigenständigen amerikanischen Architektur. Ebenso bunt und schillernd ist das Publikum – besonders in der Dämmerung. visittheusa.de/destination/miami
2Key West: Auch heute noch scheint Key West weit weg vom Rest der USA. Die Karibikinsel ist tropisch und betont tolerant. An den Hausfassaden wachsen Bougainvilleas, und die Bürgersteige des Koralleneilands werden von Palmen gesäumt. Ernest Hemingway nutzte dies schon vor knapp 100 Jahren, um seine partyfreudigen Gäste in der familieneigenen Villa mit Salzwasserpool zu unterhalten. Heute aber muss Key West aufpassen, dass es nicht vom Massentourismus überrannt wird. Weil Amerikaner vorzugsweise im teuren Winter kommen, geht es im schwülheißen Sommer beschaulicher zu.
visittheusa.de/destination/florida-keys-und-key-west
3Little Havana: Das kubanische Einwandererviertel von Miami ist keine Schönheit. Aber die Herzlichkeit und Lebensfreude der Menschen ist ansteckend: Sie frittieren leckere Empanadas, sie pressen einen erfrischenden Saft aus Zuckerrohr, sie drehen dicke Zigarren (wenn auch wegen des Handelsembargos mit Tabak aus der Dominikanischen Republik), sie tanzen Salsa und mixen schon mittags Mojitos – und wenn sie gerade nichts zu tun haben, treffen sie sich zum Domino-Spielen unter schattigen Bäumen.
www.miamiandbeaches.de/stadtviertel/little-havana
4Die Forgotten Coast: Florida wird oft auf seinen schillernden Süden reduziert. Zu Unrecht, vor allem wenn man das Flair der Südstaaten mag. Denn im Sunshine State gilt das ungeschriebene Gesetz: Je weiter nördlich man ist, umso mehr macht sich der Einfluss von „The South“ bemerkbar. Besonders gut ist das im Küstenabschnitt des Panhandle zu sehen. In charmanten Städtchen wie Apalachicola reihen sich Südstaatenvillen mit Veranden aneinander. Doch auch herrliche Inselwelten, feine Sandstrände, frische Meeresfrüchte und eine gewisse Trägheit des Alltags wissen zu gefallen.
floridasforgottencoast.com
5Cedar Key: Das abgeschiedene Eiland am Rande des Panhandle kommt bis heute ohne Trubel und Massentourismus aus. Zwar ist Cedar Key über eine Brücke mit dem Festland verbunden. Doch wahrscheinlich ist die im Golf von Mexiko gelegene Insel schlicht zu weit entfernt von den anderen Hotspots Floridas, um die Massen für einen Besuch zu begeistern. So bleibt Cedar Key ein herrlich ruhiger Flecken, wo man noch Entdeckungen machen kann. Vor allem mit dem Kanu, denn auf heute unbewohnten Nachbarinseln locken allerlei Relikte der Vergangenheit. visitflorida.com/places-to-go/north-central/cedar-key/
6Palm Beach : Florida wird in weiten Teilen durch Barriere-Inseln geschützt. Auf einem dieser Eilande liegt Palm Beach, das nicht nur einen sehr verlockenden Namen, sondern auch eine spezielle Aura besitzt. Nirgendwo leuchtet das Wasser des Atlantiks in satterem Blau, was an einer Stromschnelle des Golfstroms liegt, die wiederum durch die Nähe zu den Bahamas entsteht. Und, vermutlich bemerkenswerter: Nirgendwo in den USA leben mehr Tycoons, Milliardäre uns Celebrities aus dem Show-Business, worunter bekanntlich der 45. Präsident der USA. Doch wer die Augen offenhält, kann hier viel mehr entdecken. visittheusa.de/destination/palm-beach
7Everglades: Die wasserreichen Landschaften und Mangrovenwälder des Nationalparks bilden ein einzigartiges Biotop für viele seltene Pflanzen- und Tierarten. Dabei handelt es sich nicht etwa um einen Sumpf, sondern um ein flaches, sehr breites und ausgesprochen langsam fließendes Gewässer, das von den Lasten der nahen Zivilisation bedroht wird. Daher ist in den Everglades unbedingt ein nachhaltiger Tourismus angesagt. Doch das ist kein Problem, denn nichts macht mehr Freude, als mit dem Kanu durch Flora und Fauna zu paddeln.nps.gov/ever/learn/nature/plants.htm
8Sanibel Island: Das über eine Brücke mit dem Festland verbundene Sanibel ist die vielleicht schönste bewohnte Insel der Golfküste: Wunderbare Strände, eine ausgeprägte Radfahrkultur, kaum Einzelhandelsketten und ein entspanntes Lebensgefühl. Trotz der paradiesischen Verhältnisse laufen viele Menschen hier mit gesenktem Haupt über den Strand. Doch das liegt nicht etwa daran, dass Bewohner und Besucher depressiv wären. Nein, sie alle frönen lediglich dem „shelling“. Das heißt: es wimmelt hier vor leidenschaftlichen Muschelsuchern.
sanibel-captiva.org
9Augustine: Die älteste ununterbrochen bewohnte Stadt des Landes? Dieses Prädikat macht im Land der Superlative einiges her. St. Augustine beansprucht den Ehrentitel für sich, seit die USA sich mehr und mehr von der anglozentrischen Geschichtslesung lösen. Tatsächlich wurde die Küstenstadt 1565 von spanischen Kolonialisten gegründet. Ein für Amerika biblisches Alter, das sich in Form von Befestigungsanlagen und stilisierten historischen Bauten im Stadtbild niederschlägt. Darüber hinaus aber weiß das Städtchen auch mit autofreien Zonen, schönen Stränden und einem freundlichen Vibe zu gefallen. visittheusa.de/destination/st-augustine-und-ponte-vedra
10The Ringling Estate in Sarasota: Florida besitzt weder Kultur noch Geschichte. So lautet ein gängiges Vorurteil. Doch wer das Anwesen von John Ringling besucht, wird schnell eines Besseren belehrt. Als Besitzer eines Zirkus-Imperiums hat der Mann im frühen 20. Jahrhundert seinen ganzen Kontinent begeistert und dabei enormen Reichtum angehäuft. Von seinem Vermögen hat er sich ein Anwesen an der Golfküste bei Sarasota gegönnt, das aus der venezianisch geprägten Märchenvilla Ca‘ d’Zan, einem aus Italien importierten Theater und einer gewaltigen Sammlung hochwertiger Kunstwerke besteht. ringling.org
AUS FLORIDA
Design District, Miami: Shopping gehört nicht nur für Amerikaner, sondern auch für deutsche Besucher zu den bevorzugten Freizeitbeschäftigungen. Was das betrifft, setzt der Design District in Miami neue Maßstäbe: In einem bis vor Kurzem ziemlich heruntergekommenen Viertel nördlich von Downtown haben sich zunächst Künstler, Designer und ein paar Akademien niedergelassen. Ihnen sind binnen kürzester Zeit die Luxus-Boutiquen mit den schillerndsten Namen gefolgt. Zwischen einigen Galerien haben nun Bulgari, Rolex, Dior und Konsorten ihre Flagship-Stores errichtet – frei nach dem Motto: „The show must go on“. Ein Musterbeispiel für den Turbokapitalismus, der in diesem Fall ein wenig anstößig wirkt, denn nur ein paar Blocks weiter beginnt mit Little Haiti eines der ärmsten Viertel Miamis.
Design District Miami: zwischen N Miami und NE 2nd Avenue und NE 38nd und 41st Street
Themenparks: Universal Studios Orlando: Unabhängig von den persönlichen Präferenzen, sind nach dem Klima und den Stränden die vielen Themenparks der wohl größte Publikumsmagnet Floridas. Fans von Disneyland und Konsorten finden immer wieder neue Gründe, ihre geliebten Etablissements aufzusuchen. Skeptiker grummeln derweil, dass die Parks sehr teuer sind und man eines dort mit Sicherheit nicht erlebe: Überraschungen. Wer eher zu letzterer Sichtweise neigt, könnte jedoch zum Einstieg die Universal Studios in Orlando ausprobieren, denn die Lebenswelt des Harry Potter hat dem Park eine märchenhafte Komponente verliehen. Auch hat der smarte Zauberlehrling Gesellschaft von einem eher plumpen Gegenspieler: Der grobschlächtige Homer Simpson darf in Orlando Hydranten umfahren und sich an seinem geliebten Duff-Bier laben.
Universal Orlando Resort, 6000 Universal Boulevard, universalorlando.com
Nostalgie: die Eisenbahn nach Key West: Als der steinreiche Industrielle Henry Flagler (1830 bis 1913) im Jahr 1883 erstmals ein paar Winterwochen in Florida verbringt, ist ihm sofort klar, dass die Zukunft des Staates im Tourismus liegt. Flagler war mit Öl zu enormem Reichtum gekommen, den er unter anderem zum Erwerb einiger vorhandener Eisenbahnlinien einsetzt. Sie dienen als Basis für ein eigenes Unternehmen, der Florida East Coast Railway. Mit ihr verfolgt Flagler große Pläne: 1885 liegen bereits Gleise bis nach St. Augustine, bald ist auch West Palm Beach erschlossen. An vielen Orten lässt Flagler riesige Luxushotels bauen, wo Reiche aus dem kalten Norden fortan ihre Winter verbringen – und ein Vermögen dafür bezahlen. Einige sind bis heute zu bewundern. Als 1896 die Biscayne Bay und damit das heutige Miami erreicht ist, hat Flagler immer noch nicht genug: 1905 gibt er den Bau einer Serie von 42 Brücken in Auftrag, die bis nach Key West führen. Das monumentale Projekt gelingt, doch es ist nicht von langer Dauer. Ein Hurrikan zerstört 1935 viele Brücken. Diese werden zwar wieder aufgebaut, doch die Zeichen der Zeit haben sich dahingehend gewandelt, dass fortan Autos darauf verkehren. Flaglers Vision jedoch sollte Bestand haben: 2019 haben 131 Millionen Menschen Florida besucht. Lediglich Kalifornien ist ein noch größeres Sehnsuchtsziel.
flaglermuseum.us/history/florida-east-coast-railway
Die State Parks: Die Strahlkraft der amerikanischen Nationalparks ist enorm. In Florida gilt das vor allem für die Everglades (die beiden anderen sind zu vernachlässigen). Doch der Erfolg des Ehrentitels droht die betreffenden Gebiete in Zeiten des Massentourismus zu erdrücken, was auch für den Lebensraum im Süden Floridas gilt. Gut zu wissen also, dass Florida zusätzlich über 175 State Parks verfügt. Die Schutzlandschaften konservieren den Ursprungszustand der zum Teil hinreißend schönen Landschaften für die Nachwelt – und das keineswegs nur an der Küste. Spuren der Zivilisation sind dabei nur spärlich vorhanden. So werden die State Parks zu einem herrlichen Ziel für Individualisten, die sich in den Weiten austoben können, aber auch für Familien, die das Leben in der unberührten Natur genießen. Dabei ist der Besuch der hinreißend schönen Naturreservate auch noch kostengünstig: Der Eintritt für alle Insassen eines Autos kostet meist zwischen sechs und acht Dollar. Wer richtig Spaß daran gefunden hat, kann für 120 Dollar ein Jahresfamilienticket für alle Parks kaufen. Schöner und preiswerter geht Urlaub kaum.
floridastateparks.org
Glamourös: das Hotel The Breakers in Palm Beach
1.Lincoln Road Mall: coolste Fußgängerzone des Kontinents
2.New World Center: mit gut gefülltem Picknickkorb ins Konzert
3.Wynwood Walls: warum Miami dank der Subkultur plötzlich ernst genommen wird
4.Churchill’s Pub: Punkrock in Südflorida
5.Cubaocho: wie ein junger Flüchtling die kubanische Moderne rettete
6.Lebenselixier ohne Zusatzstoffe: Cuba Tobacco Cigar Factory
7.Key Biscayne Eco Adventure: wo Welten aufeinandertreffen
8.Bonnet House in Fort Lauderdale: letzte Insel der Wildnis
9.Sawgrass Mills: Power-Shopping am Rande der Everglades
10.Florida Panthers: Wildkatzen auf Kufen
11.Worth Avenue in Palm Beach: Geburtsort mit Grabstein
12.Green’s Pharmacy: wo Celebrities zum Fußvolk werden
South Beach Miami beherbergt mit dem Art-déco-Viertel das schönste architektonische Gesamtkunstwerk Nordamerikas. Hinzu kommt mit der Lincoln Road Mall die eleganteste Fußgängerzone des Kontinents. Die Einkaufsstraße setzt immer noch architektonische Akzente. Hier wird sogar ein Parkhaus zur Sehenswürdigkeit.