Flucht über die Meere - Renate du Vinage - E-Book

Flucht über die Meere E-Book

Renate du Vinage

4,9

Beschreibung

Die "Flucht über die Meere" besitzt auch in der heutigen Zeit noch immer eine tragische Aktualität. Schon im 17. Jahrhundert begann eine Massenflucht von zahlreichen Menschen aus Frankreich, die wegen ihres protestantischen Glaubens grausam verfolgt wurden. Eine kleine Gruppe von Hugenotten flüchtete sogar bis in den Indischen Ozean. Nach einer gefahrvollen Seereise von mehr als neun Monaten entdeckten die acht Männer auf der unbewohnten Insel Rodrigues ein wahres Paradies auf Erden. Fern von aller Zivilisation lebten sie dort völlig auf sich gestellt und mussten alles, was sie brauchten, mit ihren eigenen Händen anfertigen. In einem lieblichen, grünen Tal errichteten sie ihre Hütten. Die üppige, urtümliche Natur bot ihnen in Hülle und Fülle alles, was sie zum Leben brauchten. Nachdem zwei Jahre vergangen waren, sehnten sich die einsamen Männer danach, wieder in der Gesellschaft von anderen Menschen, vor allem von Frauen, zu leben. Darum bauten sie ohne besondere Kenntnisse mit den einfachen Mitteln, die ihnen zur Verfügung standen, ein Boot, um die Überfahrt zu der 653 Kilometer entfernten Insel Mauritius zu wagen. Doch ihre Hoffnungen, die sie auf diese Insel gesetzt hatten, wurden schwer enttäuscht. François Leguat, der Anführer der Gruppe, kehrte nach acht Jahren wieder nach Europa zurück. Noch ganz erfüllt von den gemeinsamen interessanten Erlebnissen schrieb er einen ausführlichen Bericht über ihre "Reisen und Abenteuer …". In London wurden sie 1708 als Buch veröffentlicht. Es erschien auf Französisch, Englisch, Holländisch und Deutsch und fand viele interessierte Leser. Leguat war ein gebildeter Mann, der die exotischen Länder, die er auf seinen Reisen kennen gelernt hatte, mit wachem Interesse beobachtet hatte. In seinem Werk beschrieb er die Sitten und Bräuche fremder Völker, bisher unbekannte Pflanzen und Tiere, die inzwischen zum Teil ausgestorben sind. Sein Buch enthält in Wort und Bild den ersten Bericht, der jemals über Rodrigues erschienen ist. Er hatte die Insel noch unberührt von Menschenhand kennengelernt und schildert sie in ihrem paradiesischen Zustand. Das umfangreiche Werk von François Leguat wird in diesem Buch in einer stark gekürzten Fassung nacherzählt, ergänzt durch historische Ereignisse und geographische Beschreibungen. Besuchen Sie die Homepage der Autorin: renate-du-vinage.de

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Inhalt

Dramatische Fluchten

Reisevorbereitungen

Die abenteuerliche Fahrt über die Meere

Das Kap der Guten Hoffnung

Auf der Suche nach der Insel »Eden«

Die Ankunft im Paradies

Die Besiedlung der Insel Rodrigues

Sehnsucht nach Veränderung

Der doppelte Abschied von Rodrigues

Mauritius, Insel der Hoffnung

Die Verbannung auf eine Felseninsel

Die Befreiung

Eine Heimreise mit Hindernissen

Die Rückkehr nach Europa

Abenteuerroman oder Tatsachenbericht?

Robinsonaden

Nachwort und Dank

Anhang

Anmerkungen

Zeitplan

Literaturverzeichnis

Verzeichnis der Abbildungen

Herkunftsverzeichnis der Abbildungen

Personenregister

An den zaudernden Käufer

Wenn Seemannsgarn und Seemannslied

von Schiffbruch, Kälte, Meuterei,

vergrabenem Gold im Sumpfgebiet,

Verbannung und Freibeuterei,

wenn all die Abenteuerei,

erzählt auf ganz die alte Art,

noch Interesse findet bei

der Jugend unserer Gegenwart,

so greift nur zu, so soll es sein.

(Robert Louis Stevenson: Die Schatzinsel)

»Teuer ist das Vaterland,

teurer ist die Gewissensfreiheit.«

Motto der Hugenotten

1. Dramatische Fluchten

Die Wellen des Indischen Ozeans schlugen mit gewaltiger Wucht auf das Deck der kleinen Fregatte. Hilflos war sie den Naturgewalten ausgesetzt. Doch das Gottvertrauen der zehn Hugenottenflüchtlinge an Bord konnte durch nichts erschüttert werden. Sie glaubten fest daran, dass sie eine unbewohnte Insel entdecken würden, auf der sie sicher vor den Verfolgungen in ihrer Heimat leben und in Frieden ihren Glauben ausüben könnten.

Dieses Buch erzählt von ihrem Schicksal.

Zu allen Zeiten flüchteten Menschen auf der Welt vor Krieg und Zerstörung, vor Naturkatastrophen und Epidemien, aber auch aus wirtschaftlichen, politischen oder religiösen Gründen.

Aus Frankreich flohen viele Hugenotten vor den Drangsalierungen und Verfolgungen durch die katholischen Machthaber. Seit dem Beginn der Reformation waren zahlreiche Franzosen zu der neuen protestantischen Religionslehre des Reformators Jean Calvin konvertiert. Im 16. Jahrhundert gehörten von 20 Millionen Einwohnern Frankreichs 1,2 Millionen der reformierten Religion an. Seit etwa 1560 ist der Begriff Hugenotten gebräuchlich für französische Protestanten.

Weil sich die Anhänger Calvins im katholischen Frankreich nur heimlich im Schutze der Dunkelheit zur Andacht treffen konnten, soll sie ein Mönch in seiner Predigt spöttisch »Hugenotten« genannt haben. Er bezog sich dabei auf den ehemaligen französischen König Hugues Capet (941-996); der einer Sage nach als Gespenst in der Stadt Tours an der Loire umgehen soll. Deshalb bezeichnete er die reformierten Christen als die »Kinder« dieses Königs, als die kleinen Hugos. Durch die Verkleinerungsform des Namens wurde aus Hugues »Huguenot« (wie zum Beispiel aus einem kleinen Pierre ein Pierrot wird). In katholischen Kreisen hielt man die verhassten Protestanten für lichtscheue Elemente, die sich nur heimlich in der Nacht versammelten und angeblich Verschwörungen gegen den Staat und die katholische Kirche vorbereiteten. Der ursprüngliche Spottname wurde mit der Zeit ein gebräuchlicher Name für die Anhänger der neuen Religionslehre.

Durch die Spaltung der Religion entstanden in Frankreich so gewaltige Konflikte, sodass in den Jahren von 1562-1598 acht Religionskriege zwischen Katholiken und Protestanten stattfanden. Die Verfolgung von Andersgläubigen in Frankreich fand 1572 ihren Höhepunkt in der Bartholomäusnacht, in der 10.000 Hugenotten in Paris durch die Katholiken ermordet wurden.

Am 30. April 1589 erließ König Henri IV das »Edikt von Nantes«, in dem er den Reformierten die freie Ausübung ihrer Religion zusicherte. Nach der Ermordung des ihnen wohlgesinnten Königs Henri IV im Jahr 1610 verschlechterte sich die Situation der Hugenotten immer mehr. Der französische König Louis XIV gehörte, wie schon seine Eltern, der katholischen Religion an und hob am 18. Oktober 1685 das tolerante Edikt seines Vorfahrens durch das Edikt von Fontainebleau auf. Seiner Meinung nach musste eine Nation nur einer einzigen Religion angehören, nämlich der seines Königs, nach dem Motto: »Ein König, ein Gesetz, ein Glaube.« Der König erließ neue Gesetze, die den Hugenotten alle Rechte nahmen. Ihre Schulen und Akademien wurden geschlossen, Positionen in offiziellen Ämtern verboten. Die Drangsalierungen der reformierten Christen verschärften sich. Sie sollten durch drakonische Maßnahmen zur Konvertierung zum Katholizismus gezwungen werden. Männer, die nicht bereit waren, ihrem Glauben abzuschwören, wurden zur Sklaverei oder zur Zwangsarbeit auf den Galeeren verbannt, Frauen in Klöster verschleppt, ihre Kinder in speziellen katholischen Schulen erzogen. Von den 760 reformierten Gotteshäusern wurden 700 zerstört.

Bereits 1681, vier Jahre vor dem Widerruf des Edikts von Nantes, begannen die Verfolgungen der Hugenotten und Repressalien durch die sogenannten »Dragonaden«. Eine große Anzahl von Dragonern1 wurde in die Häuser der Andersgläubigen einquartiert, um alle Familienmitglieder zu quälen und zu schikanieren. Sie sollten die Menschen auf diese grausame Art und Weise zwingen, sich wieder zum Katholizismus zu bekehren. Ein Zeitgenosse berichtete über diese üblen Zustände:

»Sie (die Dragoner) versäumten keine Art von Unmenschlichkeit und verschonten weder Stand, Geschlecht noch Alter. Sie zerstörten Häuser, zerschlugen die schönsten Möbel, ermordeten, schlugen die ehrwürdigsten Alten, schleiften die edelsten Frauen in die Kirchen; sie stellten unschuldige Personen wie die schlimmsten Verbrecher an den Pranger oder hängten sie an den Füßen auf …«2

Diese Gefahren für ihre Frauen und Kinder bewogen einige besorgte Familienväter aus Angst vor einem derartigen schrecklichen Schicksal, schweren Herzens ihrem Glauben abzuschwören. Die Neu-Konvertierten wurden oft keine gläubigen Katholiken, sondern blieben im Geheimen ihrem alten Glauben treu und wurden deshalb misstrauisch betrachtet.

Eine große Anzahl von Hugenotten flüchtete trotz strengster Verbote und größter Gefahr für Leib und Leben, oft gemeinsam mit ihren Pastoren, aus ihrer Heimat. Innerhalb von wenigen Monaten verließen 170.000 Hugenotten Frankreich. Das Land verlor dadurch eine große Anzahl von tüchtigen, arbeitsamen Menschen. Sie fanden in einigen europäischen Ländern Aufnahme und Hilfe. Sogar im fernen Nordamerika und in Südafrika. Die längste Reise, die jemals von hugenottischen Glaubensflüchtlingen unternommen wurde, begann im Jahr 1690. Sie führte eine Gruppe von Hugenotten bis zu der kleinen, unbewohnten Insel Rodrigues im Indischen Ozean.

Zur Zeit des Königs Louis XIV gehörten noch erstaunlich viele Marineoffiziere der protestantischen Religion an. Sie mussten sich nach dem Widerruf des Edikts von Nantes entweder zum Katholizismus bekehren oder sie verloren ihren hohen Rang. Einer der wenigen Hugenotten, der in Frankreich nicht konvertieren musste, war Abraham du Quesne. Er war einer der angesehensten Marineoffiziere unter Louis XIV. In 38 Seeschlachten hatte er Siege für Frankreich errungen und stand deshalb unter dem besonderen Schutz des Königs. Der hatte ihm 1681 für seine Verdienste den Titel Marquis verliehen und ihm das Schloss Le Bouchet in Savoyen geschenkt. Aber trotz seiner militärischen Erfolge erhielt Abraham du Quesne nie den Rang eines Admirals. Der Grund dafür war, dass er seiner Religion nicht abschwören wollte. Der König soll sein Bedauern darüber geäußert haben, dass er für diesen Mann von Wert nicht mehr tun konnte. Der entgegnete: »Als ich die Feinde Ihrer Majestät bekämpfte, habe ich die Frage nach der Religion nie gestellt. Mir reichte Ihr Befehl.«

1. Abrahm Duquesne, Gemälde

Seine vier Söhne hatten den Beruf ihres Vaters ergriffen und waren von ihm ausgebildet worden. Der älteste Sohn Henri, 1652 geboren, begann seine Ausbildung mit vierzehn Jahren, erhielt mit 23 Jahren das Kapitänspatent der königlichen Marine. Er nahm erfolgreich an den Seeschlachten seines Vaters teil. Außerdem betraute ihn der König mit diplomatischen Missionen. Seine Karriere fand nach dem Widerruf des Edikts von Nantes bald ein Ende. Denn Hugenotten durften nur in einer höheren Position bleiben, wenn sie ihrem Glauben abschwörten. Doch Henri blieb stark. Er zögerte nicht einen Moment. Seinen Glauben wollte er auf keinen Fall für seine Karriere opfern. Der französische König versuchte ihn und seine Brüder durch Repressalien zum Konvertieren zu zwingen. Nur die Brüder Jacob und Isaak konvertierten zum Katholizismus. Henri Duquesne verlor seinen Rang als Kapitän und musste befürchten, wegen seiner Treue zum reformierten Glauben verfolgt zu werden. Da er keinen Posten mehr bekam, der seiner Qualifikation entsprach, begann Henri in der Schweiz zu recherchieren, um einen sicheren Wohnsitz zu finden. Er erfuhr, dass der Schlossherr Jean Baptiste Tavernier sein großes Anwesen verkaufen wollte. Daraufhin verließ Henri Duquesne am 2. Januar 1685 mit seiner Ehefrau und drei katholischen Dienstboten Frankreich. Der König war verärgert und verfügte, dass er und seine Familie nie mehr nach Frankreich zurückkehren darf.

In der Schweiz lernte Henri Duquesne den Baron Tavernier kennen. Auch er war als gläubiger Hugenotte 1687 aus Frankreich geflüchtet. Er galt als der angesehenste Diamantenhändler seiner Zeit. Zwischen 1638 und 1668 hatte er auf sechs großen Reisen nahezu ganz Asien bereist und mehrere Bücher darüber verfasst, die in viele Sprachen übersetzt wurden. Tavernier gilt als der Klassiker unter den Forschungsreisenden. Aus Indien brachte er eine große Anzahl von Diamanten mit, die berühmtesten waren »der Koh-i-Nor« und der »Hope« Diamant. Unter Taverniers Kunden befanden sich fast alle Könighäuser Europas. Er selbst lebte in großem Luxus und gab das Geld mit vollen Händen aus. Nachdem er dann auch noch von einem unehrlichen Cousin um die große Summe von 220.000 Pfund betrogen worden war, sah er sich gezwungen, 1687 sein Schloss in Aubonne im Kanton Waadt und den damit verbundenen Adelstitel Baron an Henri Duquesne zu verkaufen.

Der Vater Abraham du Quesne wollte seinem Heimatland treu bleiben. Mit seinen 76 Jahren fühlte er sich zu alt, um in einem fremden Land noch einmal neu zu beginnen. Bevor seine beiden Söhne ihre Heimat verließen, mussten sie ihrem Vater schwören, niemals gegen Frankreich zu kämpfen. Er kannte auch ihre Pläne, eine protestantische Kolonie auf einer Insel im Indischen Ozean zu gründen. Damit war er einverstanden, bat aber seine Söhne mit der Verwirklichung dieses Projekts, bis nach seinem Tod zu warten. Seinen König, dem er sein Leben lang treu gedient hatte, wollte er nicht gegen sich und seine Familie aufbringen.

Abraham du Quesne verstarb plötzlich in der Nacht zum 2. Februar 1688 an einer Herzattacke. Seine Witwe wurde vom König wegen ihrer Religionszugehörigkeit zum »falschen« Glauben unter Druck gesetzt. Sie konvertierte, um in Frankreich bleiben zu dürfen und ihren Besitz behalten zu können. (Sie war schon vor ihrer Heirat katholisch gewesen.) Der Körper ihres Gemahls fand in seinem Anwesen in »Le Bouchet« seine letzte Ruhestätte. Aber er hatte verfügt, dass sein Herz in einer Urne verwahrt werden sollte, um an einem anderen Ort bestattet zu werden. Denn er wollte auch nach dem Tod seinen Söhnen wenigstens auf diese Art nahe bleiben und sie in die Freiheit ihres gemeinsamen Glaubens begleiten. Sie sollten sein Herz in ihrer geplanten protestantischen Kolonie bestatten. Falls das nicht möglich wäre, sollte sein Herz am Wohnsitz seiner Söhne seine letzte Ruhe finden.

Henri Duquesne war bekannt, dass eine große Anzahl der Hugenotten, die in die Niederlande geflüchtet waren, in großer Armut lebten. Um den grausamen Verfolgungen zu entgehen und Zuflucht in einem ihnen wohlgesinnten Staat zu suchen, mussten die Emigranten oft alles, was sie besaßen zurück lassen. Sie hatten weder genügend Geld zum Leben, noch Arbeit oder ein Stück Land zum Bearbeiten. Darum wollte er jetzt seinen lang gehegten Plan verwirklichen und seinen mittellosen Glaubensgenossen helfen.

In der Schweiz lebte Henri Duquesne zu weit entfernt vom Meer, um seine Pläne verwirklichen zu können. Darum reiste er im Sommer 1689 mit seiner Ehefrau Francine und seinen Brüdern Abraham und Jacob nach Amsterdam und begann zwei geräumige Schiffe für die Reise in den Indischen Ozean auszurüsten. Die Überfahrt sollte für die Hugenottenflüchtlinge kostenlos sein. Er plante, auf der Insel Bourbon, der heutigen Insel La Réunion, eine protestantische Kolonie zu gründen. Allerdings kannte Henri Duquesne die Insel seiner Wahl nicht, aber er hatte Informationen bei portugiesischen Seefahrern eingeholt, die ihn von den Vorzügen dieser Insel überzeugt hatten. Sie priesen sie als »das Gelobte Land«, ein »Paradies auf Erden«, als »einen Garten Eden«. Das gesunde Klima, die Fruchtbarkeit von Flora und Fauna hatte ihnen außergewöhnlich gut gefallen. Sie beteuerten, die Flüchtlinge könnten dort in Frieden leben, denn die Insel sei unbewohnt, was sich später jedoch als Irrtum erweisen sollte.

Auch eine andere Information schien nicht bis in die Schweiz zu Henri Duquesne durchgedrungen zu sein. Er war in die Niederlande gereist, ohne zu wissen, dass sich dieses Land seit einem Jahr im Krieg mit Frankreich befand, nämlich im »Pfälzischen Erbfolgekrieg«.

Weil Kurfürst Karl II. von der Pfalz nach seinem Tod (1685) keine Erben hinterlassen hatte, wollte König Louis XIV die Situation ausnützen, um die Pfalz für Frankreich in Besitz zu nehmen. Obwohl Karls Schwester, die berühmte Liselotte von der Pfalz, bei der Eheschließung mit dem Herzog von Orléans, dem Bruder des französischen Königs, schriftlich auf ihr Erbe verzichtet hatte, kümmerte das Ludwig XIV. überhaupt nicht. Für ihn galt die Ehefrau seines Bruders als die rechtmäßige Erbin ihres Heimatlandes. In ihrem Namen meldete er Frankreichs Ansprüche auf die Pfalz an. Als ihnen nicht stattgegeben wurde, ließ er seine Truppen im September 1688 in die Pfalz einmarschieren.

Ein Krieg ohne Kriegserklärung begann, der in der Pfalz während der neun Jahre seiner Dauer gewaltige Zerstörungen anrichtete. Die Niederlande waren Bündnispartner der »Augsburger Liga« und kämpften gemeinsam mit Deutschen, Engländern und Schweden gegen die Franzosen. Häufig fanden Seeschlachten auch im Ärmelkanal statt. Das war kein guter Zeitpunkt, um niederländische Schiffe, noch dazu mit Hugenottenflüchtlingen aus Frankreich, von Amsterdam auf eine Seereise durch die feindliche Gewässer zu schicken

2. Reisevorbereitungen

Henri Duquesne hatte sich als ein gut ausgebildeter Kapitän in vielen Seeschlachten bewährt. Seine ausgezeichneten nautischen Kenntnisse befähigten ihn, auch als privater Unternehmer, Schiffe auf eine weite Reise zu führen. Großzügig und voller Idealismus war der wohlhabende Aristokrat bereit, die Kosten für die Ausrüstung der Schiffe und die Überfahrt der Glaubensflüchtlinge zu übernehmen. Seine Ehefrau Francine, die ihn von Anfang an in seinen Plänen unterstützt hatte, spendete dafür ihre Mitgift in Höhe von 50.000 Livres.3 Auch seine Brüder Abraham und Jacob und einige Freunde halfen ihm bei seinem Vorhaben. Mit den Chefs der Generalstaaten, dem Parlament der Niederlande, und den Direktoren der »Niederländischen Ostindien Kompanie«4 schlossen sie am 26. Juli 1689 einen Vertrag. Der enthielt die Genehmigung für Henri Duquesne, auf eigene Kosten eine Flotte auszurüsten und die Leitung dieses Projekts zu übernehmen. Außerdem begrüßte die »Niederländische Ostindien Kompanie« die Vorschläge des Marquis, weil sie hoffte, dadurch ihren kommerziellen Bereich um einen neuen Handelsplatz im Indischen Ozean erweitern zu können.

An die 50.000 Hugenotten, die aus Frankreich geflüchtet waren, hatten in den Niederlanden bereitwillig Aufnahme gefunden. Das Land galt bereits seit längerer Zeit als ein Ort der Freiheit für Emigranten aller Art. Neben vielen Adligen und vermögenden Geschäftsleuten befanden sich unter ihnen auch viele mittellose Glaubensflüchtlinge, denen Privilegien und Kredite gewährt wurden. Da diese Gruppe noch ständig anwuchs, war sie inzwischen für die Niederlande sowohl zu einem menschlichen als auch zu einem finanziellen Problem geworden. Darum unterstützte das Parlament des Landes die Initiative von Henri Duquesne finanziell mit einer Bürgschaft.

Es ist erstaunlich, dass Henri Duquesne zu diesem Zeitpunkt noch immer nichts über den »Pfälzischen Erbfolgekrieg« erfahren hatte und die Reise weiter vorbereitete.

Um seine Pläne bekannt zu machen, verfasste er eine Broschüre mit dem Titel:

»Recueil de quelques memoires servans d’instruction pour l’ Etablissement de l’Ile d’Eden«, (»Sammlung von einigen Berichten, die als Instruktion für die Niederlassung auf der Insel Eden dienen sollen.«)

»Avertissement«(Mitteilung)

»In unserer Heimat wurden wir verfolgt und wie Feinde unseres Landes behandelt. Ob wir jemals nach Frankreich zurückkehren können und ob dann dort unser Glaube toleriert wird, ist nicht sicher. Darum sind schon viele Emigranten in protestantische Länder ausgewandert, wie nach Deutschland, den Niederlanden, Amerika und Südafrika. Es gibt auf der Welt noch andere Orte, die es verdienten, von uns aufgesucht zu werden. Wir wollen eine Kolonie in einem Land gründen, wo wir als gute Christen leben und in Frieden unserem Glauben dienen können. Wir erwarten nicht, ein bewohntes Land zu finden, in dem bereits die Felder und Weinberge kultiviert sind, sondern wir suchen einen Ort, wo das Klima uns einen angenehmen Aufenthalt verspricht, in dem wir gut leben und arbeiten können.«

Im weiteren Verlauf der Broschüre berichteten die Veranstalter in verschiedenen Kapiteln, dass sie eine Expedition zu einer weit entfernten Insel planen, die sie als ein irdisches Paradies beschreiben. Sie preisen das gesunde, angenehm warme Klima, in dem Kranke bald geheilt werden würden. Auf der angestrebten Insel gibt es Ebenen und Berge, Flüsse und Seen mit zahlreichen Fischen, gutes klares Trinkwasser, viele Bäume, die man zum Teil in Europa nicht kennt. Sie rühmen die unvergleichliche üppige Vegetation. Früchte wie Ananas, Bananen, Orangen, Zitronen, Feigen und auch Zuckerrohr würden auf dieser Insel prächtig gedeihen. Auch Pflanzen aus Europa wie Getreide und Wein, können von dem günstigen Klima profitieren. Auf der Insel gibt es zahlreiche Tiere, die zur Nahrung dienen könnten, aber keine, die dem Menschen gefährlich werden könnten.

Henri Duquesne gab ihrem Reiseziel bewusst den verführerischen Namen »die Insel Eden«, denn erstens hört der sich sehr verlockend an, und zweitens wollte er vermeiden, dass der wahre Name der angestrebten Insel Bourbon (das heutige La Réunion) in diesem frühen Stadium der Planung schon bekannt werden würde, um zu verhindern, dass andere Gruppen versuchen könnten, sich auf dieser Insel anzusiedeln.

»Wir planen, auf der Insel eine protestantische Republik zu gründen, als deren Chef Henri Duquesne vorgesehen ist. Sie soll von einem Senat regiert werden, der durch Vernunft, nicht durch Autorität überzeugen soll. Wir suchen zwölf der weisesten und bedächtigsten Männer für diese Ämter aus: zu ihnen sollen ein Kanzler, ein Kapitän, ein Schatzmeister, ein Landvermesser, ein Seefahrer, Pastoren, ein Sekretär und ein Bibliothekar gehören. Es sind noch sechs Plätze in unserem Rat zu besetzen. Wer die Absicht hat, sich mit uns zu vereinen, sollte sich bald bei uns melden. Wer befürchtet, dass die Entfernung zu dieser Insel zu groß sei, können wir beruhigen. Wir treffen alle Vorsichtsmaßnahmen, um Glück und Erfolg zu haben. Die Reise über das Meer gibt uns den Vorteil, je weiter wir uns entfernen, desto mehr können wir beruhigt sein, dass wir nicht mehr verfolgt werden. Wir rechnen mit einer Reisezeit von vier Monaten. Sie sollte am besten im Frühling beginnen, dann könnten wir im Herbst die Insel erreichen. Ein Jeder kann eine vernünftige Menge von Sachen mitnehmen, ohne dass es extra berechnet wird. Die Einschiffung wird in Holland stattfinden. Wer die Absicht hat, auf die vorgeschlagene Insel mitzukommen, sollte sich in nächster Zeit nach Amsterdam begeben und sich bei dem genannten Herren melden, Wir wollen mit dieser Schrift unsere Glaubensbrüder überzeugen, die die Absicht haben, mit uns zu kommen. Gott sei unser Anführer und Beschützer«5

Henri Duquesne weisst darauf hin, dass der ersten Ankündigung später noch mehrere Berichte folgen, in denen alle Einzelheiten der Besiedlung genau vorgestellt werden. Es geht unter anderem um die Landverteilung, die bereits im Voraus möglich ist. Jeder zukünftige Siedler, der sich für einen Kauf entschließt, kann auf der Stelle einige Morgen Land für je fünf Livres erwerben. Wenn man sich allerdings erst nach der Ankunft zum Kauf entschließen würde, könnte der Preis erheblich höher ausfallen. Der Bericht handelt außerdem von der Errichtung eines Krankenhauses, um die Fürsorge für Arme, Witwen, Waisen und ältere Menschen. In einem weiteren Nachtrag werden noch einmal die Vorteile und die Schönheiten der Insel ausführlich gepriesen.

In dem letzten Bericht heißt es auf einmal im Gegensatz zu den vorherigen Ankündigungen, dass jeder nach seinen Mitteln zu der Reise beisteuern und die Menschen unterstützen sollte, die dazu nicht in der Lage sind. Diese müssten sich verpflichten, später durch ihre Arbeit und Fleiß den Betrag zu verdienen, und die Vorauszahlung mit 5% Zinsen zurück erstatten. Wenn sich alle gegenseitig helfen würden, könnte ihnen gelingen, eine glückliche Niederlassung zu gründen. Die Passage auf dem Schiff kostet für jede Person von über zwölf Jahren 100 Livres. Kinder zahlten weniger, die unter sechs Jahren reisen umsonst. Wer eine komfortablere Kabine und besseren Proviant bekommen möchte, müsste zusätzlich zu den Reisekosten noch 100 bis 200 Livres mehr bezahlen.

Das hört sich nicht mehr so christlich und sozial an wie am Anfang der Broschüre. Jetzt war anstatt von freier Überfahrt von Reisekosten und von einer Zweiklassengesellschaft die Rede. Das passte eigentlich nicht zu einer Glaubensgemeinschaft, die gemeinsam in der Fremde eine protestantische Kolonie gründen wollte. Allem Anschein nach war es für den Marquis selbstverständlich, dass es Klassenunterschiede gibt. Aber diese Maßnahmen bewährten sich nicht. Henri Duquesne nahm enttäuschend wenig Geld von den Emigranten ein. Er hatte sich finanziell übernommen und musste, um die Schiffe weiter ausstatten zu können, eine Hypothek auf sein Schloss in der Schweiz aufnehmen.

Die Broschüre wurde 1689 in Amsterdam hergestellt und überall an die Hugenottenflüchtlinge verteilt, damit sie diese Gelegenheit nutzen konnten, um weit entfernt von Frankreich ein besseres Leben in Frieden zu führen.

Die Resonanz auf die Broschüre war erstaunlich gut. Sie veranlasste eine große Anzahl von Hugenotten, dem verlockenden Angebot zu folgen. Männer, Frauen und Kinder, ganze Familien trafen in Amsterdam ein, waren bereit für das große Abenteuer. Sie freuten sich, die Reise in eine bessere Zukunft anzutreten, in der sie frei von Verfolgungen in Frieden leben könnten. Daraufhin trieben die Organisatoren die Ausrüstung der beiden Schiffe mit großem Eifer voran. Weil die Gelder von Henri Duquesne nicht mehr ausreichten, um die notwendigen Vorräte für die Reise anzuschaffen, unterstützten die Direktoren der »Niederländischen Ostindien Kompanie« das Unternehmen mit 5000 Gulden.

Unter den Glaubensflüchtlingen, die aus Frankreich in die Niederlande geflohen waren, befand sich auch der französische Edelmann François Leguat. Er stammte aus einer französischen Adelsfamilie, sein Vorfahr war Pierre Le Guat de la Fougère aus Bresse in Burgund. Leguat hatte bisher in seiner französischen Heimatstadt Bresse seinen Unterhalt als Rechtsanwalt verdient. Obwohl er nicht der älteste Sohn der Familie war, erbte er nach dem Tod seines Vaters 1664 dessen Landgut Sauzey im Dorf Brey im Süden von Saint-Jean-des-Aventures. Außerdem erhielt er die Nutznießung des familiären Besitzes in Saint-Jean-des-Aventures unter der Bedingung, für seinen älteren behinderten Bruders Matthieu die Verantwortung zu übernehmen und für ihn zu sorgen.

1671 war Leguat geadelt worden und lebte in Wohlstand und Frieden, bis eines Tages plötzlich Dragoner in sein Haus eindrangen und mit großer Grausamkeit alles verwüsteten und ihn beraubten. Weil er zum reformierten Glauben Calvins übergetreten war, sollte er mit diesen Maßnahmen gezwungen werden, sich wieder zum katholischen Glauben zu bekennen. In seiner Umgebung wurden die französisch-reformierten Gotteshäuser zerstört und die letzten noch verbliebenen Pastoren bedroht. Trotz strenger Verbote begab sich im Jahr 1687 und 1688 eine große Anzahl der protestantischen Einwohner aus der Gegend um Bresse auf die Flucht. François Leguat fiel die Entscheidung schwer, er zögerte, seine Heimat zu verlassen. Aber nachdem er vier Jahre lang ständig Leid erdulden musste, fasste er, 1689 den Entschluss, in die Niederlande zu flüchten. Er wollte nicht länger in einem Königreich leben, in dem er und seine Glaubensbrüder so grausam verfolgt wurden.

Als François Leguat sein Heimatland verließ, musste er seine Angehörigen, seine Ländereien, sein Haus und alles, was er besaß, zurücklassen. Sein gesamtes Hab und Gut überließ er seiner Schwester Suzanne und ihrem Ehemann Jérémie Perret. Ihm war bewusst, dass er die Menschen, die ihm nahe standen, wahrscheinlich nie wiedersehen würde. Ihn plagten noch einige Zweifel, ob er in dem fremden Land genügend Hilfe und Sicherheit finden würde. Doch er hoffte, dass er trotz seines fortgeschrittenen Alters von über 50 Jahren einen Ort finden würde, in dem er Frieden leben konnte.

Nachdem François Leguat die Flucht in die Niederlande gelungen war, genoss er erleichtert und zufrieden die Freiheit, die er nach dem Widerruf des Edikts von Nantes vier Jahre lang in seiner Heimat entbehren musste. Schon wenige Tage nach seiner Ankunft am 6. August 1689 erfuhr er von den Plänen Henri Duquesnes und stellte sich ihm als Interessent an dem Projekt vor. Leguat wurde freundlich empfangen, wurde zum Major ernannt und erhielt das Kommando über das größere der beiden Schiffe mit dem Namen »La Droite« (»Die Rechte«).

Mit der Zeit tauchten dann doch noch einige Zweifel bei dem Fünfzigjährigen auf. Würde er, der noch nie zuvor an Bord eines Schiffes gewesen war, in seinem fortgeschrittenen Alter die Seereise gut überstehen? Oder vielleicht während der langen Fahrt über die Ozeane ein Opfer der Seekrankheit werden, sich ständig übergeben, vor Schwäche an der Reling zusammenbrechen und ertrinken? Würde er in dem fremden Land genügend Sicherheit und Hilfe finden? Wäre er der Erste, der in fremder Erde begraben würde, weil er in seinem Alter vieles nicht mehr vertragen könnte? Sein Herz war schwer. In den Nächten lag er wach und dachte sehnsüchtig an seine Heimat und seine Familie, die er verlassen hatte. Doch mit der Zeit legten sich seine Befürchtungen. Jetzt war François Leguat entschlossen, gemeinsam mit den anderen Emigranten die beschwerliche Reise über das Meer zu wagen und ein neues Leben zu beginnen.

Später berichtete er in seinen Erinnerungen:

»Die Beschreibung, die über die Insel Eden erschienen war, machte auf mich einen so guten Eindruck, dass ich versucht war, wenn ich alles so gut vorfinden würde, wie Duquesne berichtet hatte, dorthin zu fahren. Ich war entschlossen, dort meine Tage zu verbringen, weit weg von all den Nöten und Beschwernissen dieser Welt. Die Leichtigkeit, die es mir möglich machte, dieser Kolonie beizutreten, vereint mit der Ruhe und Schönheit, von der ich hoffte, mich auf dieser paradiesischen Insel erfreuen zu können, ließ alle Bedenken verschwinden, die mich sonst hätten hindern können.« …6

Nachdem Alles für die Seereise erforderliche an Bord der Schiffe gebracht worden war und auch schon Flüchtlinge sich mit ihren Habseligkeiten auf den beiden Schiffen einquartiert hatten, warteten die Seeleute nur noch auf einen günstigen Wind, um die Segel zu setzen. Da erhielten die Organisatoren der Reise die Nachricht, dass der französische König Louis XIV von ihrem Unternehmen erfahren hatte und strikt dagegen war, die Fahrt dieser Schiffe aus den Niederlanden, dem Land seines Kriegsgegners, noch dazu mit Hugenottenflüchtlingen aus Frankreich, zu zulassen. Um zu verhindern, dass sich Hugenotten auf der französischen Insel Bourbon niederlassen könnten, erließ der König am 14. Januar 1690 den Befehl, mit einem Geschwader von sieben Kriegsschiffen in See zu stechen. Befehlshaber der Flotte war Kapitän Abraham Duquesne-Guitton, ausgerechnet ein katholischer Cousin ersten Grades von Henri Duquesne. Der hatte inzwischen auch erfahren, dass die Landung seiner Expedition auf der Insel Bourbon gegebenenfalls mit Waffengewalt verhindert werden sollte.

Die Ungewissheit über das Schicksal, das die kleine Flotte erwartete und die berechtigte Furcht vor den französischen Kriegsschiffen, waren starke Motive für Henri Duquesne, die Expedition abzusagen. Er hatte Bedenken, die armen Menschen, unter ihnen viele Frauen und Kinder, denen es ohnehin schon schlecht genug ging, den Gefahren einer solchen Reise auszusetzen. Hinzu kam noch, dass gerade ein außergewöhnlich hartes Winterwetter herrschte. Schweren Herzens gab Duquesne seinen Plan auf. Er wollte den Schwur, den er seinem Vater geleistet hatte, niemals gegen Frankreich zu kämpfen, um keinen Preis brechen.

In hugenottischen Flüchtlingskreisen waren schon Beispiele bekannt, dass Schiffsreisen für sie sehr gefährlich werden konnten. Jedes Schiff, das die Soldaten im Dienst des französischen Königs im Verdacht hatten, Hugenotten an Bord zu befördern, wurde rücksichtslos durchsucht. Meistens versteckten sich die Flüchtlinge unter Deck zwischen Warenballen oder in leeren Tonnen. Dort mussten sie viele Tage ausharren, immer in der Furcht, entdeckt zu werden. Denn die Soldaten stachen bei der Durchsuchung der Schiffe mit ihren Säbeln in die vermuteten Verstecke. Manchmal nahmen auch gesinnungslose Kapitäne Geld von den Flüchtlingen für die Überfahrt und lieferten sie dann an die französischen Behörden aus.

Als die Seereise abgesagt wurde, war die Enttäuschung der Flüchtlinge groß. Traurig verließen sie die Schiffe. Jetzt mussten sie wieder nach einen neuen Ort suchen, in dem sie Unterkunft finden und in Frieden ihre Religion ausüben konnten.

Da die Aussicht auf eine protestantische Kolonie in weite Ferne gerückt war, ließ Henri Duquesne die Urne mit dem Herzen seines Vaters in einer Nische des protestantischen Tempels in seinem Schweizer Wohnsitz in Aubonne bestatten. Davor steht auf einer schwarzem Marmorplatte in goldenen Lettern: » …hier ruht das Herz eines Helden, der niemals besiegt wurde …«. außerdem werden unter anderem seine Treue zu seinem König, seine weisen Ratschläge und sein unerschütterlicher Mut in seinen Seeschlachten gerühmt. Aber auf der Grabplatte wird aber auch die Frage aufgeworfen, warum für Ruyter ein großartiges Mausoleum errichtet wurde, aber keines für den, der ihn besiegt hatte? Die diplomatische Erklärung lautet:

»Der Respekt für den König, dessen Macht weit reicht verhindert, darauf zu antworten.«7

(Admiral Ruyter der höchste Befehlshaber der niederländischen Marine, war durch einige Siege zum Nationalhelden seines Landes geworden. Obwohl er 38 Seeschlachten gegen Abraham Duquesne verloren hatte.)

Abraham Duquesne gehört zu den berühmtesten Söhnen seiner Heimatstadt Dieppe. Auf der »Place Nationale« ließ die Stadt ihm zu Ehren am 22. September 1844 ein Denkmal mit seiner Statue aufstellen.8 Außerdem wird im »Musée de la Marine« in Paris eine Büste des berühmten Marineoffiziers ausgestellt, die einst als Gallionsfigur an einem Linienschiff über die Meere fuhr.

2. Abraham Duquesne als Gallionsfigur an einem Linienschiff

Henri Duquesne begann, eines seiner beiden Schiffe abzurüsten. Die »Niederländische Ostindien Kompanie« kaufte ihm das andere mit der gesamten Ausstattung ab. Da er jetzt wieder zu Geld gekommen war, gab Duquesne seinen Plan doch noch nicht völlig auf. Die schlechten Erfahrungen hatten ihn gelehrt, vorsichtiger zu sein. Er beschloss, erst nur eine kleine Fregatte anzuschaffen, um dieses Schiff auf eine Erkundungsreise zu verschiedenen Inseln zu senden. Neben der Mannschaft war noch Platz für fünfundzwanzig Passagiere. Unter den wartenden Hugenotten wählte Henri Duquesne die kräftigsten und tüchtigsten Männer für die Reise aus. Sie sollten auskundschaften, ob sich auch andere Inseln für eine Besiedlung durch eine Hugenotten-Kolonie eignen würden. Falls ihre Berichte positiv ausfallen sollten, wollte Henri Duquesne versuchen, die beiden großen Schiffe wieder für die zurückgebliebenen hugenottischen Familien auszurüsten und mit ihnen dorthin zu segeln.

Von nun an wurde mit großem Eifer daran gearbeitet, das kleine Schiff in kürzester Zeit für die lange Reise auszustatten und seetüchtig zu machen. Eigentlich hatte die Fregatte weder den Zuschnitt noch die ausreichende Größe, um eine Fahrt über die Weite der Meere zu bewältigen. Wegen ihrer Leichtigkeit und Geschwindigkeit erhielt sie den Namen »L’Hirondelle« (»Die Schwalbe«). Sie war mit sechs Geschützen ausgerüstet. Die Besatzung bestand aus zehn Matrosen unter dem Kommando von Kapitän Antoine Valleau, der von der französischen Insel Ré stammte. Sie liegt im Atlantik gegenüber von La Rochelle, einer Hochburg des Calvinismus. Die hugenottische Bevölkerung der Insel litt unter den Verfolgungen durch die Dragoner des Königs. Viele flüchteten, unter ihnen auch Antoine Valleau

Kapitän Valleau war mit seinem französischen Schiff von Schiffen der niederländischen Marine gefangen genommen worden. So lange der Krieg andauerte, war es ihm nicht möglich, nach Frankreich zurück zu kehren. In Amsterdam lernte er Henri Duquesne kennen, der ihn für die Fahrt zu den Inseln im Indischen Ozean als Kapitän engagierte. Steuermann der Fregatte war Pierre Thomas, Schiffsarzt François Clas. Weder Henri Dusquesne, noch sein Bruder Abraham planten, an der Seereise teilzunehmen. Sie wollten erst, wenn sie günstige Nachrichten von der in Besitz genommenen Insel erhalten hätten, nach zwei Jahren mit den übrigen Flüchtlingen folgen.

Vor dem Start erhielt Kapitän Valleau von Henri Duquesne noch einige Regeln für die Reise:

Auf der Route sollten die Reisenden auch andere Inseln erforschen, die vielleicht für eine Besiedlung in Frage kämen, wie zum Beispiel die Inseln »Martin Vas« und »Tristan da Cunha« in der Nähe vom Kap der Guten Hoffnung.

Wenn sie am Kap der Guten Hoffnung landen, sollten sie außerdem erkunden, ob es möglich wäre, sichere Nachrichten über die Insel Eden und über die Absichten der französischen Eskadron zu erfahren, von der es hieß, dass sie schon auf dem Meer dorthin unterwegs sei.

Sie sollten im Namen des Marquis Duquesne von der Insel in den Maskarenen Besitz ergreifen. Er war dazu von den Generalstaaten und der Ostindischen Kompanie autorisiert worden im Fall, dass die Insel nicht von Franzosen bewohnt wäre.

Sie sollten erkunden, ob man sie ohne Risiko betreten könnte, wenn nicht, dann sollen sie weiterreisen bis zu der Insel Diego-Ruys, die unsere Franzosen Rodrigues nennen.

Sie sollten beurteilen, ob vorauszusehen wäre, dass auf dieser Insel das Notwendigste vorhanden sei, um sich dort als Kolonie niederzulassen und ob das Weiterbestehen der Menschen, die dort leben möchten, gesichert sei. In diesem Fall sollten sie im Namen des Marquis, der von den Generalstaaten dazu bevollmächtigt war, diese Insel in Besitz nehmen.

Nach dem Abladen der notwendigen Sachen, die für die Einrichtung derjenigen bestimmt sind, die man in dieser neuen Welt lassen wird, sollte das Schiff zurück geschickt werden.

Schließlich sollte ein ausführlicher Bericht über die Insel erstattet werden, auf der die Reisenden dann bis zur Ankunft der übrigen Kolonie leben werden. Sie würden nicht länger als zwei Jahre auf sich warten lassen. Dann würden sie von der Insel »Eden« Besitz ergreifen und unter der Protektion der Herren von der Ostindischen Compagnie stehen.

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Eine lange Reise von Europa bis in den Indischen Ozean war im 17. Jahrhundert noch immer ein großes Wagnis. Es bedeutete eine große Hilfe für die Sicherheit der Schiffe, dass der Kompass schon erfunden war.10 Er konnte die bisherige Methode der Navigation anhand von Sternen, Meerestiefe und Strömungen ergänzen.

Am 6. Juni 1690, dem Tag der geplanten Abreise hatten fünfzehn der Männer, die für die Fahrt ausgewählt waren, ihre Meinung geändert. Aus Furcht vor einer ungewissen Zukunft hatte sie der Mut zu dem Abenteuer verlassen und sie traten von dem Unternehmen zurück, sodass sich die Gruppe auf zehn Hugenotten reduzierte. Fest entschlossen, diese Reise anzutreten waren:

François Leguat, ein Edelmann und Anwalt aus Bresse in Burgund. Mit 52 Jahren war er der Älteste der Gruppe und sollte ihr Anführer werden. Er war feinfühlig, tief religiös, vielseitig gebildet und war sehr interessiert, die fremdartigen Tiere und Pflanzen kennen zu lernen, die ihm auf dieser Reise in unbekannte Welten begegnen würden.