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Band 3 der erfolgreiche Fantasyreihe ab 9 Jahren: - Wundeschöne Illustrationen - Spannende Wendungen - Viel Witz - Maximaler Lesesspaß Seit Lukas den Flüsterwald entdeckt hat, ist sein Leben ein einziges Abenteuer. Gemeinsam mit seiner Mitschülerin Ella und seinen neuen Freunden - einer mutigen Elfe und einem wissbegierigen Menok - taucht er immer tiefer in die Geheimnisse des Waldes ein. Diesmal lassen sie sich sogar auf eine Zeitreise ein, um in der Vergangenheit nach dem Schlüssel für einen magischen Fluch zu suchen. Doch die Sache hat einen Haken ... Die Abenteuerreihe mit Suchtfaktor für alle Fans von Narnia und den Spiderwick-Geheimnissen!
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Seitenzahl: 184
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Über das Buch
Seit Lukas das Portal in den Flüsterwald entdeckt hat, ist sein Leben ein einziges Abenteuer. Gemeinsam mit seiner Mitschülerin Ella und seinen neuen Freunden – einer Elfe und einem wissbegierigen Menok – taucht er immer tiefer in die Geheimnisse des Waldes ein. Diesmal lassen sie sich sogar auf eine Zeitreise ein, um in der Vergangenheit nach dem Schlüssel für einen magischen Fluch zu suchen. Doch die Sache hat einen Haken …
Die Fantasyreihe mit Suchtfaktor!
Lukas (Mensch)
*Leseratte und Abenteurer
*muss sich in einer neuen Stadt zurechtfinden
*seine Familie hat keine Ahnung vom Flüsterwald oder von Magie
Ella (Mensch)
*lässt sich von niemandem aufhalten
*liebt ihren Großvater über alles
*hat viel in der Theater-AG gelernt
Felicitas (Elfe)
*zaubert gerne (was nicht immer klappt wie geplant)
*fühlt sich im Internat einsam und unternimmt deshalb öfter (verbotenerweise) Streifzüge
Punchy (Katze)
*heißt mit vollem Namen: Pedora Ulinde Naftet von Chibalka
*Aufpasserin von Felicitas
*hat Nerven aus Stahl
Rani (Menok)
*Nachwuchsautor, forscht über Menschen
*spielt für sein Leben gerne und ist schokoladensüchtig
Prolog
Der nächtliche Ausflug
Die Theater-AG
Das Versprechen
Zeitmagie
1981
Die Bibliotheksbrücke
Feuer in Winterstein
Die Falle
Der Schattenzwilling
Das Rettungsmanöver
Die fehlenden Seiten
Angriff der Schemen
Hilfe für Janetta
Ranis heldenhafte Abenteuer
Von Angesicht zu Angesicht
Janettas Geheimnis
Mission erfüllt
Ein abgelenkter Menok
Die dunklen Jahre
Im Elfenpalast
Ganz besonderer Tee
Das Wiedersehen
Schwarzes Feuer
Die Inschrift
Der Plan des Professors
Der Weg zum Herzen
Das Herz des Waldes
Der Preis der Macht
Elfenlicht und Schattenflammen
Ein Schluck Freiheit
Im Angesicht des Feindes
Was damals wirklich geschah
Kriegsrat
Muffins und Kakao
Epilog
»Das muss es sein.« Mit leuchtenden Augen starrte Doktor Archibald von Thun auf den Tiegel.
In der steinernen Schale befand sich ein blaues Pulver, so fein wie Sand. Ein Glitzern ging davon aus, als handele es sich um Abertausende Kristalle, die Magie verströmten.
»Das will ich auch hoffen«, kommentierte Franklin und deutete auf die Beule an seiner Stirn. »Gestern haben Sie das Pulver in die Luft geworfen und dann ist es explodiert.«
Archibald lächelte verschmitzt. »Es ist doch nur eine kleine Beule.«
»Ihr Gehilfe zu sein, ist nicht leicht.«
»Irgendwann werden wir gemeinsam darüber lachen. Wenn ich ein Professor bin und du … immer noch mein Assistent.« Er meinte es natürlich nur spaßig, wusste jedoch, dass es Franklin ärgerte.
Dieser verdrehte prompt die Augen. »Ich werde eines Tages ebenfalls Professor sein.«
»Zweifellos. Vorausgesetzt, das neue Flüsterpulver explodiert nicht.«
»Ein schrecklicher Name.« Franklin trat vor das Fenster des Labors.
Die Dunkelheit war längst heraufgezogen, die übrigen Gebäude der Universität lagen verlassen auf dem Gelände. Weit entfernt im Hintergrund ragten die Baumwipfel des nahen Waldes empor.
»Aber ich sage dir doch, als ich eine frühe Version fertigstellte – Pulver mit einem leichten Gelbstich –, da hörte ich so ein Raunen. Also passt es doch.«
»Vermutlich Ihre überstrapazierten Nerven, Doktor«, merkte Franklin an. »Hier flüstert gar nichts.«
»Nun denn.« Archibald griff beherzt in die Schale und warf eine Handvoll des blauen Pulvers in die Luft.
Wie Sternenstaub rieselte es herab, umhüllte zuerst ihn und dann Franklin in einer dichten Wolke. Glücklicherweise, ohne zu explodieren.
Sein Assistent begann sofort zu husten. »Ich bin allergisch.«
»Auf was denn?«
»Natürlich auf etwas, was im Pulver enthalten ist.«
»Letzte Woche dachtest du das auch, aber am Ende war es nur die scharfe Chilischote in deinem Essen.«
»Was hatte die auch darin zu suchen«, murrte Franklin.
Er wollte seinen Assistenten gerade wieder beruhigen, da erschien das Licht. Die Bäume des nahen Waldes glühten auf.
»Was ist, warum schauen Sie mich so an?« Franklin wirkte verunsichert. »Hat das Pulver Ihren Verstand womöglich vernebelt? Oder meine Haare verfärbt?« Er betastete ängstlich seinen dichten Schopf brauner Haare.
»Der Wald.«
Zuerst starrte der Assistent ihn nur verwirrt an, dann fuhr er herum. »Er leuchtet!«
»Ich wusste es«, hauchte Archibald. »Das Flüsterpulver funktioniert.«
Und die abenteuerliche Reise von Archibald von Thun begann.
Der ferne Anblick des kleinen Städtchens Winterstein brachte etwas in Lukas zum Klingen. In der Dunkelheit schimmerten die Straßenlaternen wie goldene Farbkleckse auf einer schwarzgrauen Leinwand. Die Tatsache, dass er hoch über den Gebäuden dahinflog, bereitete ihm aber gleichzeitig ein flaues Gefühl im Magen. Was, wenn das Flugpulver plötzlich seine Wirkung verlor? Er würde herabstürzen und von der Kirchturmspitze aufgespießt werden.
»Alles in Ordnung?!«, rief Ella. Ihre blonden Haare wirbelten im Wind.
»Bestens«, krächzte Lukas.
»Wir sind gleich da. Keine Sorge, das Flugpulver wirkt noch mindestens eine Stunde.« Sie wurde langsamer, bis sie beide auf gleicher Höhe waren.
»Woher weißt du das?«
Ohne das blonde Haar wäre Ella fast unsichtbar gewesen. Genau wie er selbst. Sie trugen beide schwarze Kleidung, um am Himmel nicht aufzufallen. Wenn ein Bewohner von Winterstein hinaufschaute, hätte es ihn bestimmt schockiert, zwei fliegende Kinder zu sehen.
»Ich habe das getestet«, erklärte sie. »Zuerst mit einer Waage verschiedene Portionsbeutel gewogen und mich dann damit bestreut. Wir haben beide 100 Gramm Flugpulver benutzt, das wirkt etwa eineinhalb Stunden. Außer es regnet.«
Im Fall von Regen wäre wohl alles in wenigen Sekunden abgewaschen und ihr Flug würde in einem abrupten Absturz enden. Zum Glück war der Himmel wolkenfrei.
Endlich tauchte unter ihnen die Schule auf.
»Wenigstens war von dem Flugpulver noch genug da«, sagte Lukas. »Sonst hätten wir jetzt wirklich ein Problem.«
Der geheime Arbeitsraum des Professors hinter der Bücherregaltür in Lukas’ Zimmer enthielt zahlreiche Tränke und Pulver. Das Wichtigste von allen war allerdings ausgegangen – das Flüsterpulver. Nur dank diesem konnten Ella und Lukas den Flüsterwald betreten und erkennen, wie er wirklich war: jede Nacht hell erleuchtet und voller magischem Leben.
»Wenn diese Warks das Pulver nicht verboten hätten, wäre das alles kein Problem«, murrte Ella. »Dann hätten Rani, Felicitas und Punchy uns einfach welches bringen können.«
Bei dem Gedanken an sein Zusammentreffen mit der Ordnungsmacht des Flüsterwalds – den echsenähnlichen Warks – schlug Lukas’ Herz schneller. Sie waren gnadenlos und hatten etwas gegen Menschen. Irgendwie verständlich, immerhin war es ein Mensch gewesen, der vor vielen Jahren weite Teile des Waldes abgebrannt hatte.
»Wenigstens hat dein Großvater das Rezept notiert«, rief Lukas und deutete auf seinen Rucksack. »Mit den Zutaten können wir selber welches herstellen.«
Es hatte mehrere Tage gedauert, alles Nötige zusammenzusuchen. Besonders schwierig war es gewesen, an Bernstein heranzukommen. Lukas’ Mutter wäre beinahe das Dinkelbrötchen aus dem Mund gefallen, als er sie beim Frühstück über verschiedene Kräuter ausfragte und freiwillig anbot, mit zum Dienstagsmarkt zu gehen.
Was jetzt noch fehlte, war simpel: ein Mörser, ein Stößel und ein Bunsenbrenner. Es gab exakt einen Ort, an dem sie so etwas finden konnten. Das Chemielabor der Schule.
»Jetzt tiefer!«, rief Ella.
Sie schwebten auf das Fenster zu, das hoffentlich noch immer offen stand. Nach der letzten Stunde hatten sie extra gewartet, bis die Reinigungskraft fertig gewesen war. Mit der Ausrede, etwas vergessen zu haben, war Lukas in das Labor geeilt und hatte eines der Fenster geöffnet.
»Hoffentlich hat das niemand mehr überprüft«, flüsterte er.
»Sonst müssen wir kreativ werden«, sagte Ella mit einem verschmitzten Lächeln.
Glücklicherweise musste Lukas nicht herausfinden, was sie damit meinte. Das Fenster ließ sich mühelos aufdrücken. Sie schwebten in den Raum und Lukas atmete auf, als seine Füße wieder festen Boden berührten.
Wie besprochen betätigte Ella den Schalter für die elektrischen Rollläden und ließ sie herab. Lukas holte alles Nötige aus dem Schrank. Schnell breitete er alles auf der weißen Arbeitsplatte aus und schloss den Bunsenbrenner an.
Als er das kleine Rädchen drehte, geschah nichts.
»Du musst erst die Gasleitung öffnen. Dazu braucht man aber einen Schlüssel.« Ella deutete auf einen Tisch neben dem Pult. »Schließ den Brenner besser dort an. Das ist die Extraleitung der Lehrer, da gibt es bloß einen Kippschalter. Der funktioniert ohne Schlüssel.«
Lukas eilte zu dem Tisch, dessen Oberfläche mit einer Schicht aus Porzellan überzogen war.
Das Mondlicht schimmerte durch die Ritzen der Rollläden und tauchte das Chemielabor in ein Spiel aus Silberlicht und Schatten.
Endlich flammte der Bunsenbrenner auf.
Verschwörerisch beugte sich Ella über den Mörser. »Also gut, du liest vor, ich zerstoße die Zutaten.«
Lukas kramte das Buch aus seinem Rucksack und schlug die entsprechende Seite auf. »Dein Großvater hat wirklich eine furchtbare Schrift.« Stockend begann er zu lesen.
Nachdem alles vermessen und zerstoßen war, nahm Ella den Metallgreifer, hob die Schale in die Höhe und hielt sie über den Bunsenbrenner. Die Flamme tanzte unter dem Porzellan.
»Schau«, hauchte Ella.
»Es wird tatsächlich zu Pulver«, staunte Lukas.
Nach exakt drei Minuten stellte Ella die Schale wieder auf den Tisch. »Versuchen wir es?«
»Auf jeden Fall.« Lukas spürte ein Prickeln in seinen Fingern.
Ella holte aus und warf das Pulver in die Luft.
Rums!
Es explodierte in einer Rauchwolke.
Verdutzt sahen sie einander an. Ellas Haare waren schwarz vor Ruß. Lukas blickte entsetzt in den Spiegel und erkannte, dass seine sich grün eingefärbt hatten.
»Ella!«
»Wieso schreist du mich an? Du hast das Rezept vorgelesen!« Sie nahm das Buch. »Wir hätten nur eine Lavendelblüte benötigt.« Seufzend schlug sie es zu. »Versuchen wir es noch einmal.«
»Und meine Haare?«
»Die musst du bestimmt nur waschen, dann verschwindet der Effekt. Sei froh, dass sie sich nicht in Gänseblümchen verwandelt haben.« Sie kicherte.
In Gedanken sah sich Lukas am nächsten Tag am Frühstückstisch erscheinen, den Kopf voller Radieschen oder Löwenzahn. Was würde seine Mutter dazu sagen?
Beim zweiten Versuch waren sie eindeutig näher am Ziel, denn er sah blaue Lichter tanzen. Das mochte andererseits auch daran liegen, dass der Knall ihn umgeworfen hatte.
»Wieso hast du es nur auf mich geworfen?«, fragte er anklagend.
»Um dir im Notfall helfen zu können natürlich«, erwiderte Ella zuckersüß. »Im Flugzeug zieht man auch immer zuerst sich selbst die Maske auf.«
Auf kleiner Flamme köchelnd sah er dem dritten Versuch entgegen.
Wieder flirrte das Pulver. Der bekannte Glitzereffekt umwölkte Lukas. Als er durch die Schlitze des Rollladens nach draußen spähte, sah er das leuchtende Blau des Flüsterwaldes in der Ferne.
»Es hat funktioniert!«
Ella warf einen Blick auf die Uhr. »Siehst du und wir haben sogar noch fünfzehn Minuten für den Rückflug.«
Zufrieden reinigten sie die Geräte unter dem Wasserhahn und verstauten alles wieder im Schrank. Was blieb, war ein durchdringender Lavendelgeruch, der sich hoffentlich schnell verflüchtigen würde.
Sie zogen das Fenster hinter sich zu und stiegen hinauf in den Nachthimmel über Winterstein.
In den nächsten Tagen wollten sie alles vorbereiten, um für das nächste Abenteuer im Flüsterwald gewappnet zu sein. Doch zuvor musste Lukas die schlimmste Herausforderung seiner bisherigen Schullaufbahn meistern: die Theater-AG.
Immerhin, sein Haar war nicht mehr grün. Trotzdem entwickelte sich der nächste Tag zu einer Tortur.
»Stützen«, rief Herr Peters. »Du musst deine Stimme stützen.«
Der Leiter der Theater-AG war in seiner Freizeit selbst Schauspieler und hatte bereits in mehreren Stücken der Stadt Winterstein mitgespielt. Bedauerlicherweise wollte er diese Leidenschaft auf all seine Schüler übertragen.
Lukas hatte Herrn Peters klargemacht, dass es sich hier um eine Strafarbeit handelte und seine eigentliche Leidenschaft sich erstens in Grenzen hielt und zweitens eher mit Computern zu tun hatte. Da musste man keine Stimmen stützen, nur mit dem Zehnfingersystem auf Tastaturen einhämmern.
Doch der Lehrer hatte ihm nur die Schulter getätschelt und erklärt, dass Lukas bis zum Ende des Schuljahres – inklusive der Theateraufführung – Teil dieser AG war. Die Noten gab es erst ganz zum Schluss.
Seitdem vollführten sie Sprachübungen, Dehnübungen und lasen Dialoge aus einem kleinen gelben Buch ab. Die Hälfte der Worte verstand Lukas nicht, was vermutlich der Grund für das dicke Lexikon war, das in Griffweite lag. Sie waren dazu angehalten, darin nachzuschlagen, wenn etwas unklar sein sollte. Und das war eine Menge.
Herr Peters wollte in der kommenden Stunde Probeszenen spielen lassen, um sie alle einzuschätzen. Bedauerlicherweise gelang es Marina, einem Mädchen aus der Parallelklasse, die Rolle des Baumes zu ergattern. Sie musste lediglich ihre Arme in die Höhe halten, sich leicht hin und her bewegen und dazu pfeifende Geräusche machen. Lukas war neidisch.
»Ganz hervorragend, Ella.« Herr Peters glich einer gespannten Sprungfeder, den Rücken durchgestreckt und die Augen mit klarem Fokus. »Haltung annehmen, Kopf leicht in die Höhe gerichtet. Du bist die Herrin des Hauses.«
Lukas stöhnte auf, was die Aufmerksamkeit des Lehrers direkt auf ihn lenkte. »Ja?«
»Nichts«, wiegelte er ab.
»Und dabei dachte ich gerade, du willst für die nächste Rolle deinen Hut in den Ring werfen.«
Der Blick wurde so durchdringend, dass Lukas schließlich zögerlich nickte. »Absolut.«
Schnell suchte er in dem kleinen Büchlein nach der richtigen Passage. Die Schrift war winzig. So viel Text!
»Haltung annehmen, Schultern gerade«, verlangte Herr Peters. »Versenke deinen Geist in der Rolle. Nimm das Ich deiner Figur an. Erarbeite dir eine Vorgeschichte, die dich an diesen Punkt im Leben des Charakters führt. Stimme stützen.«
Die Worte bildeten in Lukas’ Geist ein Knäuel. Dass er keine Ahnung davon hatte, um welche Figur es sich handelte, machte das Ganze nicht besser. Gab es da nicht einen Dieb? Und den Edelmann?
»Verbeugen«, verlangte Herr Peters. »Ausgezeichnet, das bekommst du hin. Und es sind ja nur wenige Sätze.« Er wandte sich Ella zu. »Contessa, Ihr neuer Butler.«
Panisch sah Lukas sich um. Da musste ein Irrtum vorliegen. Doch Ellas breites Grinsen verriet alles. Er hatte die Rolle ihres Bediensteten ergattert.
»Ich trinke meinen Tee mit einem Tropfen Milch«, flötete sie, während Herr Peters sich darum bemühte, Alexander in die Diebesrolle zu formen.
»Ich werde ihn verschütten, dann musst du mich entlassen.«
»Das gäbe aber eine schlechte Note.«
Lukas’ Frust wuchs. Eigentlich hatte er Direktor Arnold gemocht. Zumindest bis dieser ihn wegen des kleinen Vorfalls im Informatikunterricht zur Theater-AG verdonnert hatte. Bloß weil Lukas Kontakt mit Micha hatte aufnehmen wollen, von dem er in den letzten Wochen kaum etwas gehört hatte. Nur kurze Chat-Nachrichten. Er war wohl mit seinen neuen Freunden beschäftigt.
»So schlimm ist es doch auch nicht«, sagte Ella besorgt. »Es wird dir Spaß machen.«
Sie hatte keine Ahnung, woran er gerade tatsächlich dachte.
»Und ich bin eine gute Hausherrin. Eine Contessa. Eine echte Lady. Meinen Angestellten geht es gut.«
»Stand da in diesem Büchlein nicht etwas davon, dass beim Abendessen jemand stirbt? Ist das ein Krimi?«
»Keine Sorge«, Ella winkte ab. »Du kannst gar nicht sterben.«
»Warum?«
»Der Mörder ist immer der Butler.« Sie kicherte.
Ihre gute Laune färbte auf Lukas ab und sofort fühlte er sich etwas besser. Immerhin würde er bald seine Flüsterwald-Freunde wiedersehen. Sobald sie dem Professor geholfen hatten, würde dieser endlich das Baumhaus verlassen können, das aktuell sein Gefängnis war. Durch eine gemeine Intrige des dunklen Magiers war Ellas Großvater dort gelandet.
Bis Herr Peters alle Rollen besetzt hatte, war die Stunde vorbei und er kündete für nächste Woche an, die erste Szene zu proben.
Ella hatte angeboten, den Aufräumdienst zu übernehmen, und Lukas blieb mit ihr alleine zurück.
»Es ist wirklich nett, dass du deiner Freundin hilfst, Lukas«, sagte Herr Peters beim Hinausgehen. »Aus dir machen wir noch einen richtigen Schauspieler.«
Damit fiel die Tür ins Schloss.
Vorsichtshalber warteten sie ein paar Sekunden, dann eilten Ella und Lukas durch eine schmale Tür an der Bühne vorbei in den Requisitenraum. Hier waren die Verkleidungen, Masken und Perücken untergebracht.
Um dem Professor zu helfen, mussten sie mit einer magischen Standuhr in der Zeit zurückreisen. Genauer: in die 1980er-Jahre. Da heutige Kleidung dort auffiel, benötigten sie Ersatz.
»Wenigstens brauchen wir keine Perücken.« Lukas deutete auf ein Regal voll damit.
»Das sagst du. Die hatten damals alle Schnurrbärte und buschige Locken.«
»Wirklich?«
»Ich habe zu Hause das Fotoalbum meiner Eltern durchblättert. Wir müssen wirklich viel beachten, um keinen Fehler zu machen.«
Lukas schüttelte den Kopf. »Ich ziehe trotzdem keine Perücke an.«
»Wir sind ja auch noch Kinder, da fallen wir nicht so auf wie Erwachsene.«
Sie pickte sich aus dem Stapel für die Mädchen ein paar Dinge heraus, Lukas aus dem der Jungs. So schlimm war das Ergebnis gar nicht. Die Hosen hatten einen leichten Schlag am unteren Ende und das T-Shirt war einfarbig, hatte aber einen andersfarbigen Streifen an Kragen und Ärmel. Die Turnschuhe waren weiß und ähnelten fast den modernen Sneakers, die Lukas besaß. Sogar einen gemütlichen Hoodie gab es.
Ella kramte in einem der Kartons und förderte zwei Walkie-Talkies zutage. »Damit können wir uns unterhalten, wenn wir mal getrennt werden.«
»Wow.« Lukas nahm eines der Geräte entgegen und betrachtete es.
Das Gehäuse bestand aus gelbem Plastik, die Antenne konnte man herausziehen. Zwei Schalter saßen an der linken Seite. Auf der Rückseite gab es einen Haken, mit dem man das Gerät am Gürtel befestigen konnte.
Da seine Eltern sich standhaft weigerten, ihm ein Smartphone zu kaufen, wäre das vielleicht sogar etwas, das man dauerhaft verwenden konnte. Gab es heutzutage überhaupt noch Walkie-Talkies? Er musste das unbedingt prüfen.
Sie stopften alles in ihre Rucksäcke.
»Damit wären wir ausgerüstet«, sagte Ella. »Und sobald wir fertig sind, bringen wir alles wieder zurück.«
Wie versprochen räumten sie noch auf, schlossen ab und liefen dann nach Hause. Bevor die Reise begann, war einiges vorzubereiten. Sie mussten in den Geschichtsbüchern nachschlagen, wie es in der damaligen Zeit in Winterstein ausgesehen hatte. Bei Frau Stein in der Bibliothek wurden sie fündig.
Auf Schwarz-Weiß-Bildern war die Stadt abgebildet, wie sie damals ausgesehen hatte. Der große Brand, der gewütet hatte. Der freie Bereich, wo viel später der neue Marktplatz gebaut worden war. Die Gebäude der Universität (die sich bis heute nicht verändert hatten). Lukas konnte sich nur schwer vorstellen, dass sie bald durch das alte Winterstein streifen würden, um den jungen Professor zu finden.
Eines Abends stieg er mit Ella auf den geheimen Speicher hinauf und sie fanden einen Zettel von Felicitas. Sie hatte ihre Recherchen zur Zeitmagie beendet. Am kommenden Abend wollten sie sich alle im Baumhaus im Flüsterwald treffen.
»Perfekt«, freute sich Ella. »Dann bleibt uns nur noch eine Sache zu erledigen.«
»Ach ja?«, fragte Lukas. »Und das wäre?«
»Wir prüfen, ob unser Plan im Baumhaus funktioniert hat«, sagte sie.
Lukas nickte freudig. »Schließlich haben wir es versprochen.«
Er war gespannt darauf, was sie erwartete.
»Du verbringst wirklich viel Zeit mit Ella«, kommentierte seine Mutter und trug dabei wieder dieses seltsame Lächeln auf ihrem Gesicht.
Lukas verdrehte die Augen. »Wir sind eben Freunde.«
Sie stellte ihm den Wäschekorb mit seiner frischen Kleidung neben den Schrank. »Auf jeden Fall ist dein Zimmer viel sauberer als vorher.«
»Was meinst du denn damit?! Ich bin immer ordentlich.«
»Bezogen auf deine Bücher, mein Schatz.« Sie tätschelte ihm den Kopf. »Aber wenn wir von deinen Hosen oder T-Shirts sprechen, die findet man überall. Dabei fällt mir ein: Aus irgendeinem Grund fehlen zwei deiner Hoodies.«
Lukas schluckte. Bei den letzten Abenteuern im Flüsterwald hatten diese ziemlich gelitten. Seine Mutter hätte wohl die ein oder andere Frage gestellt, wenn sie blutverschmierte, von Krallen zerfetzte Hoodies im Wäschekorb entdeckt hätte.
»Die sind bestimmt … irgendwo.« Er wedelte mit der Hand. »Kannst du jetzt gehen? Ich will noch lesen.«
Seine Mutter blickte mit gerunzelter Stirn auf den Bildband aus den 1980er-Jahren. »Zuerst die Sache mit den Kräutern, dann unser Fotobuch, jetzt das. Woher kommt dieses plötzliche Interesse?«
»Reine Neugierde.«
»So, so.« Sie ging hinaus, vermutlich um über die verschwundenen Hoodies nachzudenken. Bisher hatte Lukas diese einfach in einer Tüte im Studierzimmer versteckt. Er würde Felicitas fragen, ob man magisch etwas gegen Blut und Stoffrisse machen konnte.
Nun galt es zu warten.
Lukas verbrachte die Stunden vor der Dämmerung damit, Brote und Kekse zu futtern. Sein Rucksack lag fertig gepackt bereit. Nur Ella fehlte noch.
Um acht huschte er hinunter und öffnete die Haustür einen Spalt, damit sie hineinschlüpfen konnte. Kurz darauf verkündete er seinen Eltern, aufgrund von abrupt auftretender Übermüdung schon jetzt schlafen zu gehen. Im Zimmer legte er zufrieden den Riegel vor. »Bereit?«
Ella grinste. »Immer!«
Wie stets kribbelten seine Finger voller Vorfreude, als er vor das Bücherregal trat. Eines der Bücher verbarg den Mechanismus, man konnte daran ziehen oder es hineindrücken, dann öffnete sich die verborgene Tür. Lukas zog.
Mit einem Klacken setzten sich Hebel und Zahnräder in Gang, ein Teil des Regals klappte auf.
Gemeinsam stiegen Ella und er die Treppenstufen hinauf. Die Glühbirnen an den Seiten leuchteten automatisch auf, sobald jemand die Treppe betrat. Oben angekommen, erwartete sie der vertraute Anblick des Studierzimmers.
Die Tiegel mit Pulver und Fläschchen voller Flüssigkeiten standen auf den Regalen, Bücher lagen aufgeschlagen auf dem Tisch, das Pendel der Standuhr schwang sachte hin und her. Durch die Fenster konnte man in der Ferne die dunkle Silhouette des Flüsterwaldes erkennen. Von außen waren sie nicht zu sehen, der gesamte Bereich unter dem Dach war magisch verborgen.
Ella nahm eins der Fläschchen, in die sie das Flüsterpulver abgefüllt hatten. Auf diese Art konnten sie es stets bei sich tragen, in praktischen Portionen. Sie entkorkte es und schüttete das Pulver über ihr blondes Haar. Lukas tat es ihr gleich.
Als er erneut zum Wald blickte, erstrahlte dieser in hellem Licht. Jetzt konnte er die magischen Wesen des Waldes sehen, die zwischen den Stämmen hin und her huschten.
»Ich aktiviere das Portal«, verkündete Ella.
Sie trat an die magische Standuhr und stellte die Zeiger auf fünf vor zwölf.
Lukas packte noch Fläschchen mit dem abgepackten Pulver und ein paar Tränke ein.
In der Standuhr baute sich die Verbindung zu dem Gegenstück im Baumhaus auf, das Felicitas, Punchy und Rani hoch in den Wipfeln eines Baumes errichtet hatten.
Das Pendel verschwand und an seine Stelle trat ein Leuchten. Damit war der magische Durchgang geöffnet. Ella sprang sofort hinein und Lukas folgte ihr. Für ein paar Sekunden fühlte er sich wie eine Ameise, die einen Abfluss hinuntergespült wurde. Doch das Gefühl verging und schon stolperte er aus dem Portal.
Nur um mit einem gänzlich unerwarteten Anblick konfrontiert zu werden.
»Ich weiß nicht, ob unser Plan tatsächlich eine so gute Idee war«, sagte Lukas.
Ella hüpfte beiseite, als eine der Babykatzen auf ihre Schulter sprang und nach ihrem Haar griff. »Lass das.«
Das gesamte Baumhaus war voller Katzen. Kleine und große, gescheckte und einfarbige.
Dazwischen stand Rani. Der Menok, der äußerlich einer Mischung aus Biber und Hamster glich, schien kurz vor der Explosion zu stehen. Was vermutlich daran lag, dass eine Babykatze ihn ableckte.
»Sag ihr, sie soll damit aufhören!«, forderte er.