Flüsterwald - Eine neue Bedrohung. Der letzte Funken Magie (Flüsterwald, Bd. II - 4) - Andreas Suchanek - E-Book

Flüsterwald - Eine neue Bedrohung. Der letzte Funken Magie (Flüsterwald, Bd. II - 4) E-Book

Andreas Suchanek

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Beschreibung

Das große Staffelfinale der beliebten Abenteuerreihe – mit Farbschnitt in der ersten Auflage und Gewinnspiel! Der bösen Zauberin ist es gelungen, sämtliche Flüsterwälder zu versteinern. Einzig der Flüsterwald in Deutschland ist noch übrig geblieben. Doch nun ist die Zauberin eingetroffen, um auch hier die Magie abzuziehen. Lukas, Ella und ihre Freunde aus dem Flüsterwald stehen vor der größten Herausforderung ihres Lebens: Schaffen sie es rechtzeitig, die Zauberin aufzuhalten und den letzten Funken Magie zu retten? Spannende Wendungen, viel Witz und maximaler Lesespaß: der mitreißende 4. Band der II. Staffel!

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Das große Staffelfinale der beliebten Abenteuerreihe – mit Farbschnitt in der ersten Auflage und Gewinnspiel!

Der bösen Zauberin ist es gelungen, sämtliche Flüsterwälder zu versteinern. Einzig der Flüsterwald in Deutschland ist noch übrig geblieben. Doch nun ist die Zauberin eingetroffen, um auch hier die Magie abzuziehen. Lukas, Ella und ihre Freunde aus dem Flüsterwald stehen vor der größten Herausforderung ihres Lebens: Schaffen sie es rechtzeitig, die Zauberin aufzuhalten und den letzten Funken Magie zu retten?

Spannende Wendungen, viel Witz und maximaler Lesespaß: der mitreißende 4. Band der II. Staffel!

Lukas (Mensch)

*Leseratte und Abenteurer

*muss sich in einer neuen Stadt zurechtfinden

*seine Familie hat keine Ahnung vom Flüsterwald oder von Magie

Ella (Mensch)

*Lässt sich von niemandem aufhalten

*Liebt ihren Großvater über alles

*hat viel in der Theater-AG gelernt

Felicitas (Elfe)

*zaubert gerne (was nicht immer klappt wie geplant)

*fühlt sich im Internat einsam und unternimmt deshalb öfter (verbotenerweise) Streifzüge

Rani (Menok)

*Nachwuchsautor, forscht über Menschen

*spielt für sein Leben gerne und ist schokoladensüchtig

Punchy (Katze)

*heißt mit vollem Namen: Pedora Ulinde Naftet von Chibalka

*Aufpasserin von Felicitas

*hat Nerven aus Stahl

Inhalt

Prolog

Der Hilferuf

Beschützer, versammelt euch!

Verteidiger der Herzburg

Ajala

Am Giftmüllsee

Flucht in die Tiefe

Menschen!

Attacke der Angreiferkatzen

Die Meerjaner

Die Geschichte der Zauberin

Der Elfenstaub-Trick

Atempause

Jacub

Der alte Pfad

Ellas Idee

Die Magie der Freude

Im Nebel des Waldes

Die vergessene Ruine

Der Unterwasserriss

Traumstaub

Reines Wasser

Rückkehr zur Herzburg

Der letzte Funken Magie

Das Gefängnis

Die Maske fällt

Schatten gegen Licht

Die Heimkehr

Die Wasserglaszitadelle

Ein Blick in die Zukunft

Handwerker-Attacke

Epilog

Prolog

Der Wind im Flüsterwald hatte aufgefrischt, die Äste der Bäume wogten hin und her. Ringsum verschwand die Magie. Die Schöpfungsapparatur befand sich im Wald und sog die Magie unaufhörlich auf.

Überall plätscherte es, als die Angreiferkatzen aus den Katzenlinien sprangen. Sie waren über die unterirdische Wasserverbindung der alten Pfade hierhergekommen, um ihren Auftrag zu vollenden.

Zottelfell grinste zufrieden. Der Plan mochte unterwegs Rückschläge erlitten haben, aber am Ende fügte sich alles zusammen. Das Spiel um den letzten Funken Magie war fast gewonnen.

Nur ein Ort leistete noch Widerstand: die Herzburg. Hier lebte die letzte Waldseele, die noch existierte, und zögerte das Unvermeidliche hinaus. Dennoch würden nach und nach alle Wesen des Flüsterwalds versteinern, ihrer Magie beraubt. Am Ende würde nichts übrig bleiben – bis auf ein paar Ruinen und Nebel.

»Und da sage noch einer, ich wäre nicht gründlich.« Zottelfell schnurrte zufrieden.

Immer mehr Katzen tauchten um ihn herum auf.

Die Luft zitterte und Zottelfell blickte nach oben. Weit über ihnen schwebte ein riesiger Felsbrocken, auf dem irgendein Flüstervolk lebte. Er konnte ihre Magie bis hierher spüren. Doch wenn die Schöpfungsapparatur weiter die Magie abzog, würde der Felsbrocken vom Himmel herabstürzen.

Unweigerlich musste er an die Himmelsstädte mit den Marktplätzen darauf denken. Diese besaßen eine Sicherung, die sie langsam zu Boden schweben ließ. Zu schade, dass es sich bei dem Felsen der Zauberschwingen nicht genauso verhielt.

»Das wird einen ziemlichen Knall geben«, dachte Zottelfell grimmig.

Die Erde würde bersten, eine Druckwelle entstehen. Er korrigierte in Gedanken seine erste Einschätzung: Vom Flüsterwald würden noch nicht einmal mehr Ruinen bleiben. Die Wucht der Druckwelle würde durch die Straßen fegen und alles in Schutt und Asche legen. Er liebte das Chaos.

Ein vielstimmiges Maunzen verkündete, dass die Angreiferkatzen vollständig angekommen waren. Sie waren in Katzen verwandelte Wesen, die ihre Sprache vergessen hatten, und wussten nicht einmal mehr, wer sie in Wahrheit waren.

Meerjaner nämlich.

»Heute bringen wir zu Ende, was vor langer Zeit begonnen hat.«

Die Worte entschlüpften Zottelfell und er blickte sich schnell um, um sicherzugehen, dass ihn niemand gehört hatte. Gut, er stand allein auf einem etwas erhöhten Felsen. Die Katzen, die sich rundherum versammelt hatten, leckten sich das Fell und schärften ihre Krallen. Einige schauten sehnsüchtig in die Richtung, wo sich der See befand, der zum Reich der Meerjaner führte.

Es wurde Zeit.

Zottelfell brüllte: »Auf zur Herzburg!«

Und die Angreiferkatzen setzten sich in Bewegung.

Der Hilferuf

Lukas

Die Freunde standen im Thronsaal der Herzburg, während im gesamten Flüsterwald immer mehr Chaos ausbrach. Das Herz des Waldes projizierte ein flimmerndes Bild in die Luft, das die Zustände außerhalb der Herzburg zeigte. Entsetzt blickten Lukas, Ella, Rani, Punchy und Felicitas sowie die Beschützer des australischen Flüsterwalds auf die Szenen, die sich vor ihren Augen entfalteten: Angreiferkatzen hatten den Flüsterwald erreicht. Gleichzeitig versteinerten immer mehr Wesen; die Schöpfungsapparatur arbeitete daran, sämtliche Magie aufzusaugen. Und hoch oben in der Luft erzitterte der gewaltige Felsen, auf dem das Volk der Zauberschwingen lebte, und drohte auf sie alle herabzustürzen.

Lukas wurde bei dem Anblick wütend. Gemeinsam mit Ella, Zoe, Noah, Felicitas, Rani, Punchy und Dundi war es ihm zuletzt gelungen, der bösen Zauberin im australischen Flüsterwald die Apparatur zu entwenden. In Wahrheit war jedoch genau das der Plan der Zauberin gewesen. Sie wollte, dass sie die Schöpfungsapparatur hierherbrachten. Dadurch war Ellas Großvater versteinert worden und die Freunde nur knapp einer Versteinerung entgangen. Bald würde es sämtliche Wesen des Flüsterwalds treffen. Und am Ende konnte die Zauberin auch ihnen die Kräfte stehlen, sie zu Stein werden lassen.

»Ich habe einen Hilferuf an Felinde von Siebenstern gesandt«, flüsterte die violette Kugel aus Magie, mit der das Herz des Waldes sich manifestierte. »Sie wird weitere Unterstützung holen und vor die Herzburg teleportieren.«

Was auf lange Sicht natürlich nicht half. Die Schöpfungsapparatur würde jeden einzelnen Verteidiger einfach in eine steinerne Statue verwandeln. Und ganz am Ende würde der Felsen der Zauberschwingen auf sie herabfallen.

»Wir müssen etwas tun.« Ella stand neben Lukas, das Gesicht kreidebleich.

Lukas hätte gerne ein paar aufmunternde Worte gesagt, doch ihm wollten einfach keine einfallen. Bisher hatten sie jedes Mal einen Weg gefunden, der sie aus dem Schlamassel herausführte. Eine mögliche Lösung für das Problem.

Rani hatte seine kleinen Menok-Ohren nach unten geklappt und blickte mit großen Augen auf den glühenden Felsen, der sich in dem flimmernden Bild vor ihnen abzeichnete. »Das ist nicht lustig.« Gefangen in einem aktuellen Humor-Schub, fand der Menok schlicht alles witzig. Hier versagte wohl selbst das.

Felicitas hatte sich eng an ihre Aufpasserin, die Katze Punchy, gedrückt und strich ihr über das Fell. Ihre Nähe gab ihr Kraft und in diesem Augenblick beneidete Lukas sie darum.

»Würdest du es schaffen, mit deiner Magie den Felsen der Zauberschwingen in der Luft zu halten?«, fragte Ella an Zoe gewandt.

Die Beschützerin des australischen Regenwaldes war in der Lage, Sturmmagie zu wirken. Sie trug Jeans und ein ärmelloses Top. An ihrem Hals hing die Kette mit den verschiedenfarbigen Holzkugeln, über die sie mit den anderen Beschützern kommunizieren konnte. »Ich kann zwar ein oder zwei Menschen mithilfe von Windmagie fliegen lassen, aber der Felsen hat zu viel Gewicht.« Die Worte fielen Zoe schwer, das sah Lukas ihr an.

Das Mädchen war selbst wie ein Sturm: stark und wuchtig, dazu bereit, jederzeit loszutoben. Ganz anders als ihr Bruder Noah.

Der Junge, durch dessen Adern das Blut der Ureinwohner des australischen Kontinents floss, stand neben ihr. Er steckte in Jeans und T-Shirt, das mit Schnüren am Kragen versehen war. Die Holzperlen, die zur Kommunikation dienten, trug er an einem Lederarmband am linken Handgelenk. »Es gibt immer eine Lösung.« Er war gelassen und in sich ruhend, wie ein Stein im Wasser, ließ sich von all dem Chaos ringsum nicht verunsichern. »Wenn unsere Magie nicht ausreicht, benötigen wir eben Unterstützung.«

Zoe nahm seinen Blick auf. »Die anderen?«

Noah nickte. »Die Zauberin hat Ella und mir berichtet, dass sie die Beschützer der Wälder bis ganz zum Schluss aufheben will. Das könnte bedeuten, dass unsere Freunde von der Versteinerung bisher verschont worden sind.«

»Oh ja, lasst uns die anderen Beschützer rufen!« Dundi hopste aufgeregt auf und ab, wobei sein regenbogenfarbiger Bauch leuchtete.

Das australische Gürteltier war ein magisches Wesen mit allerlei Fähigkeiten. Unter anderem konnte er einfach durch festes Material spazieren. Er und Rani verstanden sich blendend.

»Ihr wollt die anderen Beschützer hierherholen?«, schaltete sich Felicitas ein. »Aber wie?«

Kurz herrschte Stille im Thronsaal, als alle in Nachdenken versanken.

»Den Kontakt herzustellen, ist nicht schwer«, sagte Zoe. »Wir können sie über die Perlen rufen. Die Frage ist nur, wie sie zu uns gelangen. Die Blinzelbahnverbindung zu den anderen Wäldern ist ja versiegelt.«

»Das können wir erledigen!«, rief Ella.

Sie selbst verfügte über Blinzelmagie und konnte damit die Passage zu den fernen Wäldern öffnen. Lukas wiederum vermochte es, Siegel zu erschaffen und aufzulösen – sogar Kraftfelder konnte er aufbauen oder Risse in bestehenden erwirken. Er fand das ziemlich cool und hatte beschlossen, seine Fähigkeit zu Hause viel öfter auszuprobieren.

»Die Blinzelbahnverbindungen sind noch da, das wissen wir«, sagte Ella. »Andernfalls hätte die Zauberin sie ja gar nicht versiegeln müssen.«

Das Herz waberte zustimmend auf. »Erst wenn die Wälder vergehen, verschwinden auch diese Verbindungen. Sie sind wie Adern, die die Flüsterwälder durchziehen und Magie an alle Orte transportieren. Und natürlich ermöglichen sie das Reisen.«

Sie hatten festgestellt, dass diese Verbindungen in jedem Wald anders aussahen, sich anders anfühlten. Im Katzenwald gab es keine Blinzelbahn, dort waren es Katzenlinien. Im australischen Flüsterwald befanden sich Traumzeitpfade: Man musste schlafen, um von einem zum anderen Ort zu wechseln.

»Könnt ihr über eure Perlen feststellen, wie viele andere Beschützer erreichbar sind?«, fragte Lukas.

Noah verneinte. »Wir können an alle einen Notruf aussenden. Aber einige werden zu dieser Zeit in der Schule sein, weil bei ihnen Tag ist. Oder sie sind gerade mit ihrer Familie irgendwo im Urlaub. Wieder andere kommen vielleicht gar nicht mehr rechtzeitig zu einer der Verbindungen, weil sie weiter entfernt liegt.«

»Wir müssen es einfach probieren«, sagte Zoe. »Während sich die Verteidiger vor der Burg sammeln, holen wir Unterstützung bei den Beschützern. Und dann müssen wir uns dringend überlegen, wie wir die Zauberin endgültig aufhalten können.«

Lukas musste zugeben, dass Zoes positives Denken sich auf ihn übertrug. Wenn es ihnen gelang, die Herzburg zu sichern, konnten sie eine Atempause erringen und währenddessen herausfinden, wie sie die böse Zauberin aufhalten konnten. Immerhin wussten sie endlich, dass sie eine Meerjanerin war.

»Das ist ein guter Plan«, stimmte das Herz des Waldes zu. »Die ersten Elfen treffen bereits vor der Burg ein. Trotzdem solltet ihr euch beeilen.«

Gemeinsam rannten sie aus dem Thronsaal und hinunter zur Blinzelbahnverbindung, die sich im Keller der Burg befand. Rani saß auf Lukas’ Schulter und zwirbelte an seinen Haaren herum – vermutlich zauberte er ihm wieder ein paar Zöpfchen. Felicitas surrte durch die Luft, Punchy glitt auf Samtpfoten dahin.

Sie stellten die Bahn auf ihr Ziel ein, bedachten sie mit dankenden Worten und blinzelten sich zu dem Knoten für die fernen Wälder. Bis vor wenigen Wochen hatte Lukas nicht einmal gewusst, dass es mehr als einen Flüsterwald gab. Doch wie sich herausstellte, gab es noch viele weitere zu entdecken.

»Wir senden den Notruf aus«, verkündete Zoe.

Beide Geschwister berührten eine bestimmte Perle, die leicht rot eingefärbt war. Da sie nicht sprachen, bekam Lukas darüber hinaus nichts weiter davon mit. Ella hielt allerdings die Augen geschlossen, als würde sie hinaus in die Verbindungen lauschen.

»Noch kannst du niemanden herblinzeln«, erklärte Noah. »Wenn wir eine Rückmeldung über die Perlen bekommen, muss Lukas erst das Siegel öffnen. Vorher kann niemand über die Blinzelbahn hierherreisen.«

»Ich weiß«, sagte Ella. »Aber du hast gesagt, meine Magie wird sich weiterentwickeln, wenn ich sie oft einsetze. Wie bei Lukas. Deshalb erfühle ich sie, so oft ich kann.«

Noah wirkte beeindruckt. »Guter Plan!«

»Da!«, rief Zoe. »Ich habe kurz etwas gespürt, ein Aufblitzen. Aber es kam nur schwach durch. Verdammt, ich konnte nicht richtig wahrnehmen, woher.«

Die Zauberin hatte wirklich ganze Arbeit darin geleistet, die Flüsterwälder der Länder untereinander zu isolieren. Einzeln stellten sie keine Gefahr dar, nur gemeinsam konnten sie sich ihr widersetzen.

»Soll ich einfach anfangen, Siegel zu öffnen?«, überlegte Lukas laut.

»Das sind zu viele«, sagte Noah, nachdem er kurz darüber nachgedacht hatte. »Und es könnte passieren, dass du eines öffnest und es sich dann bereits wieder schließt, bevor einer unserer Freunde dort ankommt. Wir müssen zuerst wissen, woher die Antwort kam.«

Zoe hielt ihr Halsband mit beiden Händen umschlossen. Auch sie schien auf etwas Unhörbares zu lauschen. »Da war es wieder. Dieses Mal habe ich es.« Ein Grinsen legte sich auf ihr Gesicht. »Es ist Jacub.«

Noah wandte sich sofort Lukas zu. »Er ist Beschützer des tschechischen Flüsterwalds.«

Ella und Lukas ergriffen sich an der Hand. Ella spürte hinaus und tastete sich voran zum tschechischen Flüsterwald, Lukas ließ seinen Geist über das Siegel gleiten.

»Ich kann es vor mir sehen«, erklärte er.

Es war stets ein seltsames Gefühl. Sein Körper stand noch immer in der unterirdischen Halle beim Blinzelknoten für die fernen Wälder. Doch um ihn herum breitete sich etwas anderes aus. Unzählige Wege, die zu fernen Flüsterwäldern führten, wie Häuser in einer Stadt. Der heimische Wald war eines davon, aber es gab so viele mehr da draußen. Und jedes sah völlig anders aus. In der Ferne konnte er den Uluru, den roten Felsen, ausmachen, dort waren sie bereits gewesen, er war das Symbol für Australien.

Der tschechische Flüsterwald sah aus wie eine steinerne Brücke, die auf mehreren Säulen ruhte. Darunter schwappte Wasser. Lukas ertastete das Siegel und öffnete es. Er konnte gar nicht richtig sagen, wie er es tat. Magie beruhte auf Gefühl, zumindest seine. So hatte er auch im Kampf gegen den dunklen Magier das Siegel geschlossen gehalten, dass zum Schattenwald führte.

Ein leuchtender Riss tat sich auf.

Kurz darauf blitzte das Bild eines Jungen vor ihm auf. Der erste Beschützer war auf dem Weg.

Und Lukas war sich sicher, dass weitere folgen würden.

Beschützer, versammelt euch!

Lukas

Der Junge purzelte aus der Blinzelverbindung.

»Jacub!« Noah half ihm auf und zog ihn in eine Umarmung.

»Hey Leute, ihr habt mir voll Angst gemacht.« Er grüßte reihum. »Was ist passiert? Und wieso ist der tschechische Flüsterwald plötzlich aus Stein?«

Noah übernahm es, Lukas, Ella, Felicitas, Punchy und Rani vorzustellen. Er erklärte kurz, was geschehen war, beschränkte sich aber auf das Wesentliche, um keine Zeit zu verlieren.

Jacub war ein schlaksiger Junge mit hellbraunem Wuschelhaar. Er trug eine Brille, Pullover, weite Jeans und Chucks. Das Spannendste aber war die schmale Umhängetasche aus festem Stoff. Es war Rani, der sofort auf diese zueilte. »Da drinnen ist Magie.«

»Stimmt.« Jacub grinste über das ganze Gesicht. »Du bist ja knuffig.«

»Ich bin vor allem witzig«, erklärte der Menok. »Aber das merkst du noch.«

Bevor Jacub erklären konnte, was in der Tasche oder gar seine magische Fähigkeit war, zuckte Zoe zusammen. »Ich habe ein weiteres Signal empfangen. Es kommt aus … Indien.«

»Das ist Ajala«, erklärte Noah.

Lukas und Ella ergriffen sich erneut an den Händen. Die Umgebung verschwand und kurz darauf erblickte Lukas ein schwebendes Symbol in der Luft. Es bestand aus geschwungenen Linien und Punkten.

»Das Om-Zeichen«, murmelte Ella. »Es symbolisiert den Übergang zwischen Wachbewusstsein, Träumen und tiefem Schlaf. Die Verbundenheit des Seins.«

»Können wir auf jeden Fall gebrauchen«, flüsterte Lukas.

Er öffnete das Siegel.

Kurz darauf kam ein Mädchen aus der Blinzelbahnverbindung gesprungen, rollte sich ab und kam auf die Beine. »Wie habt ihr das geschafft? Seit Tagen versuche ich, dieses verdammte Siegel zu öffnen und Hilfe zu holen!«

Ajala strich ihr schwarzes Haar glatt, das bis zur Hüfte ging. Sie trug bestickte Kleidung und besaß sanfte Augen. »Wo sind wir hier?«

Dieses Mal gab Zoe eine kurze Zusammenfassung und ergänzte, über welche Fähigkeiten Lukas und Ella verfügten. Dadurch erfuhr Ajala, wie das Siegel geöffnet worden war.

Danach warteten sie. Gerade, als sie aufgeben wollten, gab es ein weiteres Signal.

»Das ist David«, erklärte Noah, wobei er das ›a‹ im Namen wie ein ›ä‹ aussprach. »Er kommt aus Amerika.«

Wieder begaben sich Lukas und Ella gedanklich zum Siegel. Dahinter erhob sich die Freiheitsstatue, die Lukas von zahlreichen Postkarten und aus Filmen kannte.

Kaum war das Siegel geöffnet, schoss David heraus. Er kam auf der Plattform an, riss die Arme in die Höhe und blickte sich mit wildem Blick um, als würde er angegriffen.

»Wir sind es!«, rief Noah schnell. »Alles ist gut.«

David ließ die Arme sinken. Die Panik in seinen Augen legte sich. Er trug kurze Hosen und einen Hoodie, seine Beine wiesen zahlreiche Schrammen auf. Das rotblonde Haar wirkte, als sei er damit in einer Flugzeugturbine gelandet. Seine Statur war eher bullig. »Noah? Zoe?« Er blinzelte. »Ajala?«

»Was ist passiert, David?«, fragte das indische Mädchen.

»Ich habe versucht, sie aufzuhalten. Aber es hat nichts genützt, unsere Waldseele ist versteinert. Und dann haben sie mich bis gestern gejagt. Habe mich versteckt. Als euer Notruf kam, bin ich zur Verbindung für die fernen Wälder gesprintet.« Er rieb sich die Augen. »Es waren riesige Katzen. Sie haben meine Fähigkeit gegen mich verwendet, es war eine Falle. Ich wurde magisch dazu gezwungen, mich in eine Maus zu verwandeln.«

Noah keuchte entsetzt auf. »Das ist ja übel. Aber du konntest entkommen.«

»Ich verwandle mich nie wieder in eine Maus.« David verschränkte die Arme und blickte zu Boden.

Lukas sah den Beschützer des amerikanischen Waldes staunend an. Anscheinend konnte David sich in Tiere verwandeln. Lukas selbst hatte bereits zweimal eine Tierverwandlung am eigenen Leib erfahren. Einmal mithilfe von magischen Krallen, die Ella und ihn zu Pantherkatzen hatten werden lassen. Ein anderes Mal ausgelöst durch einen Wandeltrank, mit eher negativen Folgen. Nur knapp war es Ella und ihm gelungen, sich wieder in Menschen zurückzuverwandeln. Sie hatten erfahren, dass es genau jener Wandeltrank war, den auch die böse Zauberin eingesetzt hatte, um die Meerjaner in Katzen zu verwandeln. Sie wurden aggressiv, verlernten das Sprechen und vergaßen, wer sie einmal gewesen waren.

Erneut war Lukas beeindruckt von der Magie im Flüsterwald, die dafür sorgte, dass sie sich alle untereinander verständigen konnten. Jeder sprach einfach in seiner eigenen Sprache und dennoch konnten sie sich alle gegenseitig verstehen. Zumindest, solange es noch Magie gab.

Nachdem Zoe noch eine Weile mithilfe ihrer Kontaktperlen gelauscht hatte, schüttelte sie den Kopf. »Ich glaube nicht, dass sich in den nächsten Minuten noch jemand meldet. Wir dürfen nicht länger warten.«

Noah nickte und setzte die anderen zügig über die Ereignisse der vergangenen Tage ins Bild: Von der Unterbrechung der Blinzelbahnverbindungen zwischen den Flüsterwäldern, der gestohlenen Schöpfungsapparatur und dem Abzug der Magie, den Versteinerungen sowie schließlich der Identität der Zauberin – oder zumindest ihrer Zugehörigkeit zu den Meerjanern.

»Alles oder nichts also«, sagte Ajala. »Dann sollten wir uns dieser Gefahr gemeinsam stellen. Wir kämpfen um das Schicksal aller Flüsterwälder.«

»Aber kämpfen allein reicht nicht«, meldete sich Ella zu Wort. »Selbst wenn es uns gelingen sollte, die Zauberin aufzuhalten – wie bekommen wir die gestohlene Magie zurück? Wie verwandeln wir die Katzen wieder in Meerjaner? Außerdem haben Noah und ich die Zauberin gesehen, als sie ihren giftigen Nebel entfernt hat. Sie schwimmt in irgendeinem brackigen Wasser, das ist total eklig. Sie sah nicht gesund aus.«

»Du schlägst jetzt aber nicht vor, dass wir sie heilen und sie dann die letzte Magie stehlen lassen, oder?«, fragte David. »Ich habe noch eine Rechnung mit den Katzen offen.«

»Sie sind nicht böse«, schaltete Punchy sich ein. »Es sind nicht einmal Katzen, vergiss das nicht. Der Trank hat sie in ihrem Wesen verändert.«

Jacub schnippte mit dem Finger. »Hier kann ich vielleicht helfen.« Auf den fragenden Blick von Lukas hin erklärte er: »Ich bin Spezialist für Zaubertränke. Es reicht, wenn ich sie berühre, und sofort kann ich sie reproduzieren oder ein Gegenmittel entwickeln.« Er tätschelte seine Tasche. »Da sind ein paar Basistränke drin, die ich immer dabeihabe.«

»Cool«, sagte Lukas.

Möglicherweise konnte ihnen Jacubs Fähigkeit wirklich weiterhelfen. Immerhin war es ein Trank gewesen, der die Meerjaner verändert hatte. Leider hatten Zottelfell und seine Angreiferkatzen ihnen die einzige Phiole mit dem Wandeltrank entwendet, die hinter dem geheimen Regal im Studierzimmer des Professors verborgen gewesen war. Doch sollte Jacub noch einmal den Wandeltrank in die Finger bekommen, könnten sie daraus ein Gegenmittel herstellen. Lukas speicherte den Gedanken für später ab.

Jetzt mussten sie sich zuerst um die unmittelbare Gefahr kümmern und irgendwie verhindern, dass auch die letzte Waldseele und der letzte Flüsterwald versteinerten. Und dafür benötigten sie eine starke Verteidigung und vor allem eine gute Strategie.

»Wisst ihr noch, was merkwürdig war, als wir bei euch im australischen Flüsterwald waren?«, sagte Lukas. »Um uns vor den Katzen zu retten, haben wir Zuflucht in eurem Hauptquartier unten auf dem Grund des Sees gesucht. Im Wasser schwammen alle möglichen magischen Fische herum, aber kein einziger von ihnen war versteinert. Ich hatte mich damals gefragt, ob der Magieentzug unter Wasser schlechter wirkt, doch jetzt ist es mir klar geworden. Die Zauberin hat die Meerjaner natürlich nicht versteinert. Unter Wasser ist alles noch wie zuvor.«

»Du willst hinabtauchen, um in der Stadt der Meerjaner nach Antworten zu suchen«, schloss Ella sofort. »Wenn du Pech hast, wirst du sofort angegriffen.«

»Das Risiko müssen wir eingehen.« Lukas zuckte mit den Schultern. »Oder hast du eine bessere Idee?«

Ella schüttelte den Kopf und schließlich mussten auch die anderen Lukas recht geben. Die Herzburg zu verteidigen, würde allein nicht ausreichen. Es brachte ihnen etwas Aufschub, doch das war es auch schon. Sie könnten noch so viele Flüsterwaldwesen zur Verteidigung herbeirufen, irgendwann hätte die Schöpfungsapparatur die letzte Magie aufgesaugt und sie hätten den Angreiferkatzen nichts mehr entgegenzusetzen. Es musste einen anderen Weg geben, um die böse Zauberin aufzuhalten. Ein Ausflug zu dem Ort, von dem sie stammte, wo alles begonnen hatte, brachte sie hoffentlich auf eine Lösung.

Sie beschlossen, sich in zwei Gruppen aufzuteilen. Eine sollte den Flüsterwaldwesen zur Seite stehen, die die Herzburg verteidigten. Die andere Gruppe würde hinabtauchen zu den Meerjanern und nach Informationen suchen, die ihnen helfen konnten, die Zauberin zu besiegen.

Ella würde gemeinsam mit Noah, Zoe, Felicitas, Punchy, Ajala und David die Herzburg verteidigen. Gerade Noah mit seinen Blitzen und David mit seiner Fähigkeit, sich in Tiere zu verwandeln, konnten dort eine Menge bewirken.