Frauenrollen - Ulrike Kroneck - E-Book

Frauenrollen E-Book

Ulrike Kroneck

4,9

  • Herausgeber: mvg
  • Kategorie: Ratgeber
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2007
Beschreibung

Mit dem Blick aus der Mitte des Frauenalltags  wird ein Panoptikum von Frauentypen entworfen. Welche Frauentypen bevölkern unseren Alltag in den Medien?

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Seitenzahl: 149

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Ulrike Kroneck

Frauenrollen

Ulrike Kroneck

Frauenrollen

Zur Situation der Frau heute

Aus der Reihe Frau im Dialog, herausgegeben von Ulrike Kroneck und Ulrike von Essen

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Für Fragen und Anregungen:[email protected]

Nachdruck 2013 © 2007 by mvg Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH Nymphenburger Straße 86 D-80636 München Tel.: 089 651285-0 Fax: 089 652096

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Umschlaggestaltung: Morian & Bayer-Eynck, Coesfeld Umschlagabbildung: Bettina Kumpe, Braunschweig Redaktion: Ulrike von Essen, Buxtehude Satz: J. Echter, Redline GmbH Druck: Books on Demand GmbH, Norderstedt

ISBN Print 978-3-86882-354-7 ISBN E-Book (PDF) 978-3-86415-108-8

Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter

www.mvg-verlag.de

Beachten Sie auch unsere weiteren Verlage unterwww.muenchner-verlagsgruppe.de

INHALT

Vorwort

1. DIE NEUEN WEIBCHEN

Reduziertes Rollenrepertoire

Selbstbewusst und unemanzipiert

Diktat der Entblößung

Die Weibchenrolle – keine ironische Inszenierung

Alt sein verboten

2. MEDIENINSZENIERUNG

Superweibchen und ihre Inszenierung

Welche Aspekte von Frauen werden gezeigt?

Wenig Platz für eigenständige Frauen

3. FRAUENBILDER

Frauen sollen schön sein

Die sexy Frau – Lockvogel der Werbung

Andere Frauenbilder in der Werbung

Werbeklischees und Körpersprache

4. BILDER WERDEN GEMACHT

Innere Bilder von uns selbst

Wir alle spielen Rollen

5. IST NUR DIE MUTTER EINE „WAHRE“ FRAU?

Hauptrolle: Mutter

Gegenrolle: die „egoistische“ und kinderlose Frau

Zurück zur Familie und an den Herd?

6. FRAUEN KÖNNEN KINDER KRIEGEN

Frauen wollen Kinder

Junge Menschen wollen Kinder

Warum immer mehr junge Menschen auf Kinder verzichten

Die Rede von der Mütterlichkeit

7. BERUFSTÄTIGE FRAUEN UND MÜTTER

Zwei Drittel der Mütter sind erwerbstätig

Frauen sind heute häufiger berufstätig als früher

Frauen arbeiten (gern) Teilzeit

8. DAS BILDUNGSNIVEAU STEIGT – FRAUEN KOMMEN TROTZDEM NICHT WEITER

Berufswahl – alte Rollenbilder bleiben stabil

Universitäten – die geschlechtsspezifische Studienwahl

Frauen machen gute Abschlüsse – aber dann?

Oben wird die Luft für Frauen immer dünner!

Frauen arbeiten viel für wenig Geld

9. DIE REDE VON DER GLEICHBERECHTIGTEN FRAU

Der Weg zur formalen Gleichberechtigung der Frauen

Wer um Gleichstellung kämpft, hat für andere Dinge nicht viel Zeit

10. WARUM MACHEN FRAUEN NICHT ALL DAS, WAS SIE DÜRFEN UND KÖNNEN?

Gibt es eine „gläserne Decke“?

11. VON „GEMACHTEN“ FRAUEN UND MÄNNERN

Frauen sind anders, weil sie anders erzogen und sozialisiert wurden

Was ist „gender“? Von Geschlecht und Sexus

12. SIND FRAUEN VON NATUR AUS ANDERS?

Wem dient die Wissenschaft?

„Der Frauen Natur und Recht“ – Hedwig Dohm

Dr. Heinz Graupners „Frauenspiegel“

1950er Jahre-Weibchen

Moderne Hirn-Wissenschaft: „olle Kamellen“ oder neue Einsichten?

13. WAS KÖNNEN WIR TUN?

„Alte“ oder „neue“ Frauenbewegung“?

Wir sind selbst verantwortlich

Anmerkungen

Literatur

VORWORT

Meine Mutter ist heute 84, sie ist eine regional recht bekannte Galionsfigur der „alten“ Frauenbewegung. 1974 begannen wir gemeinsam zu studieren: Ich war bei den Linken, den Maoisten, meine Mutter erkämpfte sich via Immaturenprüfung ihre Zulassung zum Studium.

Ich saß mit dem „Kommunistischen Studentenverband“ in der Kneipe und las „Lenin und der imperialistische Krieg“. Meine Mutter ging zur gleichen Zeit entschieden auf unseren damaligen türkischen Mieter zu: „In meinem Haus und in meinem Garten werden keine Kinder geschlagen.“ Sie nahm auch später die Tochter dieses Mieters unter ihre Fittiche – der nach Ansicht ihrer Brüder nicht der schlechteste Mann ausgesucht worden war, denn dieser schlug sie nur bisweilen – und vertrat die Ansicht, dass Frauen grundsätzlich nicht geschlagen werden dürfen!

Ich war schon damals ein wenig beschämt. Mit meinen 20 Jahren hielt ich meine Mutter zwar entschieden für zu mütterlich in ihrem Blick auf das Kleine, Rührende, das sie bekümmerte. Ich hatte mit den selbstsicheren kommunistischen Schlauköpfen das Große im Visier, den Klassenkampf, und sah meine Mutter in ihrer Sentimentalität im zwar ehrenwerten, aber doch unnützen Tun versinken. Zumindest in Hinsicht auf die grundlegende Veränderung der Welt, die ich für die Voraussetzung jeglicher Maßnahmen hielt, die den Menschen weiterhelfen könnten. Aber ich fühlte mich doch irgendwie unwohl und spürte, dass es ein wenig vermessen von mir mit meinen 20 Jahren war, darüber bestimmen zu wollen, wie die ganze Welt sich zu ordnen habe, und darüber zu urteilen, welche Dinge auf diesem Weg klein und unwichtig und welche Dinge groß und bedeutend seien.

Meine Mutter hat damals spontan aus ihrem grundlegenden Gerechtigkeitssinn gehandelt und hat sich nicht darum geschert, was irgendwelche normensetzenden politischen „Vorbeter“ sagten.

Damals aber waren die Linken der Meinung, dass es sich beim schlagenden Türken um seine von uns zu respektierenden kulturellen Eigenheiten handelte. Oder – wenn sie dieses Verhalten denn kritisierten – erstellten sie eine Prioritätenliste, was zuerst revolutioniert werden müsse und was in zweiter Linie zu folgen habe. In zweiter Linie – könne man sich auch um die Frauen kümmern!

Meine Mutter ließ all das nicht gelten und maß – und misst noch heute – das, was sie sieht und erfährt, an dem, was ihrer Meinung nach zur Würde eines jeden Menschen gehört: Freiheit und körperliche Unversehrtheit. Ob Unrecht in ihrem Garten oder in Bosnien geschieht.

An diese Szene in unserem Garten erinnere ich mich heute – im Jahr 2007. Vielleicht liegt es daran, dass sich einige Stimmen erheben und fragen, ob wir eine „neue“ Frauenbewegung brauchen. Darunter auch jüngere Frauen, deren Eltern wie ich bereits im Genuss der Errungenschaften der so genannten „alten Frauenbewegung“ aufgewachsen sind. Es sind Frauen, die mit einer gewissen Nonchalance, aber selbstbewusst die rechtliche Gleichberechtigung der Frauen in Deutschland hingenommen haben, als sei es das Selbstverständlichste der Welt. Im Grunde habe ich das auch getan. Meine Mutter kämpfte in den 1970ern gemeinsam mit anderen Frauen für mich, ohne dass ich ihr das damals gedankt habe. Ich habe alles, was diese „alte Frauenbewegung“ erreicht hat, ebenfalls als große Selbstverständlichkeit betrachtet. Ohne mich groß durchboxen zu müssen, konnte ich als Frau meinen beruflichen Weg gehen. Ich habe mich daran gewöhnt, dass Frauen die gleichen Rechte haben – dass ich als Frau emanzipiert sein kann.

Vielleicht liegt es aber auch an meinem Alter, dass ich mich so lebhaft an diese Szene im Garten erinnere – mit dem 50. Lebensjahr wird der Mensch offenbar sensibler für historische Dimensionen und hat einen anderen Blick auf die Zeit, die vergangen ist. Es ist erst 30 Jahre her, dass diese selbstverständlich gewordenen Rechte und auch Lebensmuster so allgemein verbreitet sind in Deutschland und im westlichen Europa. Frauen haben heute – das sollten wir nicht vergessen – im Vergleich zu früher großartige Bedingungen und Möglichkeiten sich und ihre Person zu entfalten.

Heute – so scheint es – haben wir zusätzlich zur rechtlichen Gleichberechtigung nun auch die völlige „weibliche“ Gleichberechtigung. Denn seit etlichen Jahren vermehrten sich nach und nach – so sieht es aus – die Bilder von den hingebungsvollen, erotischen, „weiblichen“ Frauen. Das Bild der modernen, emanzipierten Frau scheint sich heute endgültig um eine früher völlig vernachlässigte Seite komplettiert zu haben. Es gibt sie nicht mehr, die „humorlosen“ Frauen, die körperlosen „Emanzen“, die kämpften und nie zufrieden waren und die ununterbrochen meckerten, sondern die Frauen sind „weiblicher“ geworden, zeigen ihre schönen Körper. Frauen scheinen endlich erotisch und emanzipiert zugleich sein zu können. Das sieht zunächst aus wie ein später Erfolg der 68er Revolution – der sexuellen Revolution!?

Im Lauf der Jahre hat mich ein immer stärkeres Unwohlsein beschlichen. Ich finde es zunehmend unerträglicher, täglich von Paris Hilton und Verona Pooth, Zickenkriegen und selbsternannten Ludern auch in meiner „seriösen“ Tageszeitung lesen zu müssen. Mich packt die kalte Wut, wenn in einer Situation, in der in dieser Gesellschaft die Arbeitsplätze rar werden, die merkwürdige Diskussion aufkommt, dass Frauen in ihrer Mutterrolle aufgehen und ganz ihre „Natur“ und ihre „Bestimmung“ leben sollen. Ich denke, Frauen müssen sich in Acht nehmen vor diesen medialen Rollenvorbildern und den Zuweisungen, wie „Frau“ heute zu sein hat.

Ich möchte – auch mit dem Blick meiner kämpferischen, emanzipierten und sozial engagierten Mutter – zurückschauen auf das, was Frauen durchgesetzt haben, und als Tochter aufmerksam das bewahren und erweitern, was sie mir überlassen will. Damit die Enkeltöchter ihrer Generation morgen nicht plötzlich feststellen müssen, dass sie um ihre mütterliche Mitgift gebracht wurden.

Ulrike Kroneck

Buer-Sehlingdorf im Juni 2007

1. DIE NEUEN WEIBCHEN

Reduziertes Rollenrepertoire

Die „neuen Weibchen“ springen uns regelrecht an. Überall, auf Plakaten und Zeitschriften, in der Werbung und auch in Fernsehfilmen wird sie uns präsentiert: nackte Frauenhaut.

Welche Zeitschrift wir auch aufschlagen, welche Fernsehzeitung wir auch befragen, um unser Programm zusammenzustellen: Gestylte nackte Frauenkörper mit aufgeblasenen Brüsten verstellen uns den Blick. Es ist selbstverständlich geworden, dass auf meiner Fernsehzeitung alle 14 Tage irgendein prominenter Frauenbusen abgebildet ist, mit einem Gesicht, das austauschbar geworden ist, denn schließlich zählt ja fast nur, was sich unterhalb des Halses abspielt. Ist die Brust echt oder nicht, ist eine meiner ersten Fragen. Gesicht und Busen sind so genormt und ununterscheidbar geworden, dass ich mich meist mit Blick auf das Datum vergewissern muss, ob ich in der richtigen Woche suche.

Wir stoßen hier auf eine Weiblichkeit, die sich in einer Weise präsentiert – oder präsentieren lässt? –, die doch irgendwie befremdet. Diese Frauen sind aufreizend gekleidet, sie zeigen tiefe, bis zu den Brustwarzen reichende Dekolletés, sie lächeln kokett und herausfordernd von überdimensionalen Plakaten. Sie turnen durch Boulevardsendungen, interviewen im Glitzerkleidchen ebenfalls knapp bekleidete Mädchen, fragen nach Modetrends, den neusten Diäten, nach „wer mit wem und warum“.

Sie laufen vor unseren Augen hin und her wie vor einem großen Spiegel, in dem sie sich betrachten. Sie stellen sich in ihrer partiellen Nacktheit zur Schau. Sie blicken (vordergründig) selbstbewusst und selbstverliebt in das voyeuristische Stellvertreterauge des Kameramanns: Wir sehen Frauen, die ein unsichtbares Etikett mit sich herumzutragen scheinen: „Schaut her, wie schön ich bin, wie weiblich ich bin!“

Diese Frauen sind so in Szene gesetzt, als seien sie, was sie in der Zoologie als „Weibchen“ kennzeichnen würde. Sie zeigen die sekundären Merkmale ihres biologischen Geschlechts und sie stellen sie dem Publikum zur Schau: ihre Brüste und ihren Hintern.

Als Weibchen werden in der Zoologie die weiblichen Tiere aller vorkommenden Tierarten benannt. Wir unterscheiden die Weibchen von den Männchen, weil sie bei der Fortpflanzung eine andere Funktion haben. Der Begriff „Weibchen“ kennzeichnet in erster Linie die biologische Fähigkeit zur Fortpflanzung. Als Männchen bezeichnen wir das passende Gegenstück im biologischen Reproduktionsprozess. Weibchen und Männchen sind ein zusammengehöriges Begriffspaar, das die Fortpflanzungsweise einer Art kennzeichnet, die in zwei Geschlechter ausdifferenziert ist.

Warum nennen wir diese oben charakterisierten Frauen „Weibchen“? Warum bezeichnen wir diese Frauen nicht einfach als „weiblich“? Warum sträuben sich emanzipierten Frauen die Nackenhaare, wenn dieses Verhalten als moderne „Weiblichkeit“ hingestellt wird? Weiblichkeit ist mehr als die rein biologische Geschlechtsbestimmung. Wenn wir von Männlichkeit und Weiblichkeit sprechen, dann meinen wir nie nur die Fortpflanzungsfähigkeit (eigentlich denken wir heute daran erst in letzter Linie!), sondern sprechen immer auch von dem, was für uns sozial und kulturell zu Weiblichkeit und Männlichkeit gehört. Und darunter verstehen unterschiedliche Menschen sehr unterschiedliche Dinge. (Siehe Was ist „gender“? Von Geschlecht und Sexus, S. 116)

Weiblichkeit wird bei den Menschen also durch biologische und soziale Faktoren bestimmt, könnten wir vereinfacht sagen. Das Wort „Weib“ wird heute im Deutschen nicht mehr benutzt, hatte es doch zu viele negative Implikationen.

Heute kennt die deutsche Sprache nur alberne, keifende, heulende Weiber. Oder sie sind hysterisch, klatschsüchtig, falsch, gehässig und schlampig. „Benimm dich nicht wie ein altes Weib!“ fordert auf, nicht so ängstlich und zimperlich zu sein. Alte Weiber tratschen und klatschen. Jüngere Weiber sind eher liederlich und schlecht. Männer pfeifen schon mal anerkennend: „Ein tolles Weib“, wenn sie eine Frau interessant finden, aber meist finden wir alte, zittrige, verhutzelte und vertrocknete Weiblein. Nur wer heute noch ältere Bücher liest, findet Ausdrücke wie „ein kräftiges, gesundes, blühendes, schönes, üppiges, begehrenswertes, anmutiges, zartes Weib“1.

Frauen sind „weiblich“, und dieses Adjektiv beschreibt ihr biologisches Geschlecht, aber auch das, was – landläufig – unter Weiblichkeit verstanden wird. (Wenn Frauen fraulich genannt werden, dann meint man meist, sie seien „moppelig“!)

Mit „neuen Weibchen“ ist gemeint, was dieses Wort im Wortsinne meint: die Reduktion der Frauen auf die nackte Funktion ihrer Geschlechtlichkeit. Wie ein Banner tragen sie diese Geschlechtlichkeit vor sich her – oder aber werden so in Szene gesetzt – und scheinen darüber hinaus stolz zu sein auf diese Vereinseitigung ihrer Person auf die „biologische“ Präsentation.

Selbstbewusst und unemanzipiert

Ist Reichtum und Erfolg ein Zeichen weiblicher Emanzipation? Oft sind die in den Medien präsentierten Frauen erfolgreich, selbstbewusst und reich, sind „schön“ im Sinne des landläufigen Ideals. Sie können sich aus eigener Tasche eine Villa auf Mallorca kaufen, schreiben Bücher, die gedruckt werden, weil ihre Exfreunde auch schon hohe Auflagen erzielten, wie damals Naddel, Nadja Abd el Farrag („Ungelogen!“ – so der Titel), die als Freundin von Dieter Bohlen bekannt wurde. Sie haben Agenten, die für sie arbeiten, sie sind berühmt. Sie sind finanziell nicht angewiesen auf einen Mann.

Trotzdem basiert ihr momentaner, möglicherweise auch nur kurzfristiger Erfolg auf der Verkörperung der einen Rolle, die sie perfekt ausfüllen und für deren Verkörperung diese Frauen auch eingekauft werden: das Weibchen. Ob sie andere Qualifikationen haben, ob sie in der Lage sind auch anders aufzutreten, also eine andere Rolle zu übernehmen, steht dabei nicht zur Debatte. Sie geben sich nicht emanzipiert, denn emanzipiert heißt: befreit. Sie aber sind gefangen in der selbst gewählten sexistischen Ecke, in der sie posieren.

Verona Pooth kokettiert mit ihrer (angeblichen) Schlichtheit, wirbt mit mangelnden Grammatikkenntnissen („Hier werden Sie geholfen!“). Mit Sicherheit ist diese Frau nicht dumm, bedient jedoch gekonnt das Klischee „schön, aber blöd“. Sie punktet mit ihrer Figur, ihren Brüsten, mit – wie sie selbst sicher sagen würde – „ihrer Weiblichkeit“. Sie setzt aufs Weibchen, und darauf zu setzen ist wohl die lukrativste Karte für Frauen in der Werbeöffentlichkeit.

Wiener Opernball 2007

Redakteure, die sich als politische Fachleute verstehen, platzieren das ausdruckslose Gesicht der Paris Hilton auf der ersten Seite der Neuen Osnabrücker Zeitung. Die politische Aussage dieser Nachricht ist gleich null. Alle männlichen und weiblichen JournalistInnen sagen dieser Frau durch die Bank mit herablassendem Vergnügen Dummheit exorbitanten Ausmaßes nach. Warum aber zeigen sie uns immer und immer wieder ihre Bilder? Offenbar ist das Interesse der ZeitungsmacherInnen an diesen Personen doch noch größer als ihr Zynismus: Denn „sex sells“!

Britney Spears wird aus dem Taxi steigend abgelichtet und uns mit der Mutmaßung „mit oder ohne Höschen“ präsentiert. Warum?

Natürlich ist das nicht über Nacht gekommen. Oder doch?

Diktat der Entblößung

Die Bilder entblößter Frauen haben sich so langsam in unseren Alltag geschlichen, dass wir sie fast für selbstverständlich halten. Sie scheinen zu unserer Gegenwart dazuzugehören, signalisieren uns, dass wir fortschrittlich und frei sind. Diese Bilder sind so normal geworden, dass, wenn wir uns mokierten, wir uns für unnormal hielten, für altmodisch und verklemmt. Wir sind durch die permanente Infiltration mit nackten Körperteilen immun geworden dagegen, dass mit diesen Bildern mehr transportiert wird als ein angeblich „erotischer“ Frauenkörper, dass es möglicherweise nicht um Freiheit geht, jedenfalls nicht um die Freiheit der Frauen.

Weibchen machen Schule

2003 schrieb die Schulleiterin der Gesamtschule in Sehnde einen Brief an die Eltern, über den in der überregionalen Öffentlichkeit von BILD bis RTL ein Streit entbrannte. Sie bat nämlich die Eltern, dafür zu sorgen, dass die Schülerinnen so angezogen zum Unterricht erscheinen, dass ein konzentrierter Unterricht möglich würde. Bauch- und rückenfreie T-Shirts oder sehr kurze Röcke und Shorts seien in der Schule nicht angebracht. Während der Elternrat die Empfehlung der Schulleitung unterstützte, wurde öffentlich um die Frage gestritten, ob es sich hier um einen prüden Angriff auf die Freiheit handelte oder den berechtigten Schutz der anderen und der Schülerinnen selbst vor modisch verordneter Nacktpräsentation.

Zwar ist der Trend „bauchfrei“ fast wieder vorbei, aber die Mode diktiert zurzeit eine „sehr körpernahe“ Kleidung. Damit wir (oder die Männer?) alle sehen, wie es darunter aussieht! Wer in den Mode-Ketten für Jugendliche, wie beispielsweise Hennes & Mauritz, Unterwäsche für ganz junge Mädchen sucht, hat meist einen String-Tanga in der Hand! Vieles, was heute Mode ist, verdiente das Etikett „Flittchen-Mode“ (EMMA 1/2007, S. 145).

Vor allem alte Herren, die ja in der Regel in den Leitungsgremien von Sportverbänden sitzen, versprechen sich etwas von leicht bekleideten Frauen:

„Laut den Bekleidungsvorschriften des Internationalen Volleyballverbands dürfen Frauen beim Beachvolleyball zwar zwischen Ein- oder Zweiteilern wählen, aber Schlabber-Look ist verboten. Stoff für die Beine ist nicht nur völlig untersagt, der Stoffrest muss darüber hinaus an der Hüfte in ‚ansteigendem Winkel‘ geschnitten sein – in Zentimetern gesprochen darf der Bund der Hose nicht breiter als 7 cm sein … Beispiel: Bei der Hallen-WM1999 ist diese Kleiderregel, die leicht abgeändert auch für Indoorvolleyball gilt, eingeführt worden. Dort ist gegen fünf Teams wegen ‚zu weiter und ausgebeulter‘ Trikots eine Strafe von 3000 $ verhängt worden.“2

Durch die Verkleinerung der Hosen auf die Hälfte konnten die Einschaltziffern bei TV-Übertragungen verdoppelt werden.

Meine Schwiegereltern und die Nackten im Fernsehen

Vor einigen Jahren sah ich einmal mit meinen über 80-jährigen Schwiegereltern einen spannenden Thriller im Fernsehen. Als es zur Andeutung eines leidenschaftlichen Geschlechtsverkehrs zwischen dem Hauptdarsteller und der Hauptdarstellerin kam, erhoben sich beide tief empört und verließen den Raum mit den Worten: „Das reicht uns jetzt, immer Sex, immer Nackte. – Nichts können wir uns mehr ansehen, selbst bei ‚Ein Fall für zwei‘ liegen sie im Bett.“ Ich war amüsiert – aber seitdem erinnere ich mich immer wieder an diesen Auftritt, wenn ich in einem Film selbstverständliche Sexszenen sehe, die zur Handlung und zum Verständnis eines Themas oder einer Problematik nichts, aber auch gar nichts beitragen.

Wenn die Aufmerksamkeit also erst einmal geschärft ist und das Phänomen der uns umzingelnden Nacktheit ins Bewusstsein vorgedrungen ist, kann eigentlich kein Mensch, weder Mann noch Frau, ohne verwundertes Kopfschütteln die Darstellung weiblicher Körper, oder besser Körperteile, in den Medien wahrnehmen.

Es gab mal eine Zeit, in der das anders war. Ende der 1970er und Anfang der 1980er Jahre wären viele Frauen, die sich als emanzipierte Frauen verstanden, über diese Art der Darstellung empört gewesen. Heute scheinen wir bereit, die Entblößung der Frauen als „erotische“ Präsentation von Weiblichkeit anzusehen. Wird doch überall gezeigt, wie sexy, hübsch und gleichzeitig selbstbewusst die moderne junge Frau und die jungen Mädchen sich geben können. Welche aufmerksame ältere Frau erinnert sich nicht, dass in den 1980er Jahren immer wieder Eingaben wegen sexistischer Darstellung von Frauen beim Deutschen Werberat gemacht wurden? Initialzündung war der Prozess, den die Zeitschrift EMMA 1978 gegen den Stern anstrengte: EMMA ging gegen die Darstellung des schwarzen Werbemodels Grace Jones vor, die lächelnd und in Fußketten auf der Titelseite posierte, aufgenommen von Helmut Newton. Diese Aufnahme war dazu angetan eine einfache Assoziationsreihe in Gang zu setzen: dunkelhäutige Frau, gehalten wie ein wildes (= leidenschaftliches) Tier. Damit machte EMMA die Öffentlichkeit wachsamer und förderte die Bereitschaft, mehr darauf zu schauen, „was“ gezeigt wurde, welche Aussagen und Inhalte in einer bestimmten Art von Darstellung mittransportiert wurden. Damals wurde das Werben mit nackten Frauen, die wie ein Objekt einem beliebigen Produkt beigefügt wurden, schlicht und einfach beim Namen genannt: Sexismus in der Werbung.