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Die Energiewende wird nicht erst kommen, sie ist längst schon da. Doch liegt die Zukunft wirklich in großen Windparks und aufwendigen Solaranlagen? - Erfrischend undogmatisch zeigt der Querdenker Wolfgang Frey , dass um uns herum unzählige Energiequellen existieren, die wir nur anzapfen müssen. Vom Strom aus dem Wasserhahn bis zum kleinen Windrad auf dem Dachgiebel.
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Seitenzahl: 217
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Wolfgang Frey und Johanna Henkel-Waidhofer
Energiewende – verblüffend einfach
© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2012
Alle Rechte vorbehalten
www.herder.de
Umschlaggestaltung: Verlag Herder
Umschlagmotiv: ©Johannes Weitzel
ISBN (E-Book): 978-3-451-34640-8
ISBN (Buch): 978-3-451-30648-8
Heute ist schon übermorgen - Vorwort
1 Neu denken
2 Im Überfluss
3 Sonntag für Sonntag
4 Hauptsache nicht altmodisch
5 Soll und Haben
6 Können und Wollen
7 Sinn und Zweck
8 Millionen Mosaiksteine
9 Denken sanieren
10 Licht und Schatten
11 Persönliche Bilanz
12 Eine simple Rechnung
13 Zu Werke gehen
14 Viele falsche Fehler
15 Die Kraft der Region
16 Verstehen heißt beteiligen
17 Raum zur Entfaltung
18 Klein und daheim
19 Nah und Fern
20 Heute ist schon übermorgen
Fakten-ABC
Das andere Ich
Sie kennen mich wahrscheinlich nicht. Noch nicht. Aber Sie werden mich kennenlernen. Und Sie werden sehr oft an mich denken, wenn Sie dieses Buch gelesen haben. Weil ich Ihnen ein Licht aufsetzen kann. Auch im wahrsten Sinn des Wortes. Natürlich sind Sie informiert, natürlich wissen Sie, dass unser Strom nicht aus der Steckdose kommt. Alle reden von der Energiewende. Sie auch. Sie haben den Standby-Betrieb vieler Geräte reduziert, Sie können das Wort Effizienz unfallfrei aussprechen, Sie haben schon mal Infomaterial zur Nutzung regenerativer Energien durchgeblättert. Sie verfolgen die Debatte über die Notwendigkeit, viele breite Schneisen in die Natur zu schlagen, um immense Strommengen transportieren zu können, und darüber, dass der Netzausbau nicht schnell genug vorankommt, um den ursprünglichen Zeitplan der Energiewende zu halten. Und Sie sorgen sich ganz konkret um die Zukunft in unseren Breitengraden, wenn es immer neue Hitzerekorde gibt, wenn Sommergewitter nicht nur Bäume fällen, wenn der Sturm in Berlin Dächer von den Häusern holt. Sie sind auf der Suche nach Wegen, die jeder und jede mitgehen kann.
Ihnen kann geholfen werden. Hat Ihnen schon einmal jemand von den vielen fantastischen Chancen erzählt, die im Verborgenen blühen? Die Zeit ist überreif, die Zusammenhänge neu zu denken. Sie reichen von der Natur über die Produktion bis hin zum Verbrauch. Wichtige Teile der Energiewende sind regional zu schaffen, effektiv, kleinteilig, finanzierbar und undogmatisch. Ein Beispiel von vielen, eines, das große Wirkung entfalten könnte: Strommasten gibt es zu Zehntausenden in Deutschland. Schauen Sie sie sich einmal genauer an, diese christbaumähnlichen Konstruktionen aus Stahl mit den ausgefahrenen Armen und den flach auslaufenden Spitzen. Es lohnt sich, Vorstellungskraft zu mobilisieren: In der Phantasie sitzt plötzlich auf so einem Strommast ein kleines Windrad. Und produziert Strom. Ein Hirngespinst? Nein, schon Wirklichkeit. Unsere Versuchsanlage in Freiburg funktioniert. Sogar der Baukran nebenan trägt ein Rad. Es produziert die gesamte Energie, die der Kran verbraucht. Und auf dem Dach des Hauses im Freiburger Stadtteil Rieselfeld ist es genau so. Das Rad dort oben ist weithin sichtbar. Und für 2220 Waschgänge Jahr für Jahr liefert es den Strom.
Eine Gewissensfrage: Duschen oder Baden? Duschen natürlich! Niemals lau, manchmal sehr kalt. Weil Duschen eine bessere Energiebilanz aufweist als Baden. Eine allerdings, die – übliche Standards zugrunde gelegt – auch nicht überzeugen kann. Selbst wenn ich nicht dusche, etwa weil ich verreist bin, verbraucht der Standardboiler im Keller Energie im Gegenwert von fast zwei Mal Duschen. Und das täglich! Für mich ist das geradezu eine Systemfrage. Wenn es mehr Energie braucht, ein Angebot vorzuhalten, als dieses Angebot zu realisieren, dann müssen wir grundsätzlich über Sinn und Zweck des Angebots nachdenken. Warum laufen Waschmaschinen oder Geschirrspüler nicht längst dann, wenn ohnehin viel Strom im Netz ist? Oder die riesigen Regenwassermengen, die wir in unsere Kanalisation zwingen, wo sie dann aufwändigen, stromverbrauchenden Verfahren unterzogen werden. Und in jeder Trinkwasserleitung könnte eine Turbine arbeiten.
Fragen Sie sich, ob ich spinne? Oder zumindest worauf will ich hinaus? Auf die kleine Lösung für sehr viele kleine, größere und große Problemstellungen. Energie wird in meiner Welt kleinteilig dort erzeugt, wo Energie kleinteilig benötigt und verbraucht wird. Und zwar im großen Stil. Mit dem Windrad auf dem Dach, mit Solarzellen, die das Balkongeländer ersetzen, mit neuen Strommasten. Neue Ideen bekommen nicht nur die Chance, die sie verdienen, sondern sie werden auch umgesetzt, wenn sie gezeigt haben, dass sie funktionieren. Deshalb wäre es sinnvoll und sogar notwendig, jeden zu bauenden Strommast in der Republik, vom ersten Planungsschritt an, so auszulegen, dass er auch eine Windkraftanlage tragen kann.
Die riesigen Versorger mit ihren riesigen Gewinnerwartungen werden die Ab- und Umkehr im Alleingang nicht schaffen. Den Netzbetreibern, die immer nur nach dem Ausbau schreien, kann geholfen werden. Von uns. Von jedem, jeder Einzelnen. Licht aus in leeren Räumen, Ideen an. Mein Kopf jedenfalls ist voll davon. Wir müssen die Energiewende neu denken: von unten. Zu vieles ist von oben her entwickelt. Wir alle können das korrigieren. Lesen Sie dieses Buch, und Sie sehen unsere Welt mit anderen Augen. Versprochen.
Ihr
Wolfgang Frey
ICH FÜHLE MICH, als wäre ich als Architekt geboren. Mein Vater war Architekt, mein Onkel war Architekt, mein Urgroßvater war Baumeister. Ich erinnere mich, wie das konfektionierte Spielzeug im Kindergarten mich langweilte. Für meine Freunde und mich wurde es da erst richtig lustig, als mein Vater heimlich einen Anhänger voller kleiner Holzbrettreste in den Hof unseres Kindergartens gekippt hatte. Wir haben gebaut und gebaut und gebaut.
Was das mit der Energiewende zu tun hat? Es hat mit mir zu tun. Ich will Sie davon überzeugen, mir zu folgen in eine Welt, in der unendlich viele Kleinigkeiten neu gedacht werden, weil wir sie gemeinsam anders betrachten. Als ich in die Schule kommen sollte, wurde ich – ich bin heute noch nicht groß und breit – ein Jahr zurückgestellt. Ich hatte ein Haus gezeichnet, das nicht den Vorstellungen jener Pädagogen entsprach, die meine Reife testen sollten. Es war kein Kinderbild, es war eine perspektivische Skizze. Ich war nicht über die Maßen gescheit – das bin ich auch heute noch nicht –, aber die unzähligen Stunden im Zeichensaal des Architekturbüros meines Vaters hatten mich gelehrt, ein Haus mehrdimensional zu sehen. Und natürlich habe ich das damals auch so gezeichnet. Es hat mich lange beschäftigt, dass ich später eingeschult worden bin. Aber irgendwann habe ich begriffen, dass es damals nicht darum ging, etwas besser oder schlechter zu machen. Ich war einfach mit meiner Skizze zu weit weg von der Erwartungshaltung meines Gegenübers. Nicht schlecht, wenn ein Architekt diese Erkenntnis verinnerlicht.
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