Freiheit für Tibet - Dalai Lama - E-Book

Freiheit für Tibet E-Book

Dalai Lama

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Beschreibung

Die Welt blickt auf Tibet. Bilder von Demonstrationen in Lhasa, weinenden Mönchen und Massenverhaftungen bewegen die Weltöffentlichkeit. Dem Dalai Lama, Oberhaupt der Tibeter, kommt eine Schlüsselrolle in dem Konflikt mit China zu. Seine politische Grundposition lautet: Es kann nur eine friedliche und vertrauensvolle Koexistenz geben, und diese ist mit Gewalt nicht zu erreichen.
Der Band vereint alle wichtigen Texte des Dalai Lama zum Tibet-Konflikt – darunter seine Rede vor dem Straßburger EU-Parlament und der 5-Punkte-Plan für eine Aussöhnung mit China. Präzise erläutert er seine „Politik des mittleren Weges“, die zwar die chinesische Herrschaft über Tibet akzeptiert, aber nur, wenn seinem Land der Status einer autonomen Region zukommt. In einem ergreifenden Appell bittet der Friedensnobelpreisträger die Weltöffentlichkeit um Hilfe für das tibetische Volk. Eine tiefgründige Meditation über „Buddhismus und Demokratie“ verbindet die Idee von politischer Verantwortung des Einzelnen mit einer Lebensform, in deren Mitte die Spiritualität steht.

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Seitenzahl: 91

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Inhaltsverzeichnis
 
Botschaft an alle Tibeter
 
Appell an die Weltöffentlichkeit
 
Appell an das chinesische Volk
 
Botschaft zum 49. Jahrestag des friedlichen Tibetaufstandes
 
Rede vor dem Europäischen Parlament in Straßburg
 
Der Fünf-Punkte-Friedensplan
 
Wie wir uns als Menschen dem Weltfrieden nähern können
Menschliche Probleme durch Änderung unserer Einstellung lösen
Mitgefühl als Pfeiler des Weltfriedens
Weltreligionen für den Weltfrieden
Individueller Einsatz zur Gestaltung der Institutionen
 
Buddhismus und Demokratie
 
Prominente Stimmen zum Tibet-Konflikt
 
Copyright
Botschaft an alle Tibeter
Ich entbiete allen Tibetern in Tibet meine herzlichsten Grüße und möchte hier einige meiner Überlegungen mit ihnen teilen:
1. Seit dem 10. März dieses Jahres sind wir Zeuge von Protesten und Demonstrationen in fast allen Teilen Tibets geworden. Sogar in einigen Städten Chinas protestierten Studenten – all das ist der Ausbruch der seit langem angestauten äußeren und inneren Qualen der Tibeter und ihres Gefühls tiefer Verbitterung aufgrund der Unterdrückung der Rechte des tibetischen Volks, dem Mangel an religiöser Freiheit und des Versuchs, die Wahrheit bei jeder nur möglichen Gelegenheit zu entstellen. Dazu gehört zum Beispiel die Aussage, die Tibeter blickten auf die Kommunistische Partei Chinas wie auf einen »Lebenden Buddha«. Dies ist eine ultralinke Behauptung, die von Han-Chauvinismus zeugt. Ich bin tief betrübt und besorgt über den Einsatz von Waffen und Gewalt bei der Unterdrückung der friedlich vorgebrachten Sehnsüchte des tibetischen Volkes, die Unruhen in ganz Tibet zur Folge hatten mit zahlreichen Toten, vielen weiteren Opfern, Festnahmen und Verletzungen. Eine solche Unterdrückung und solches Leid sind so verhängnisvoll und tragisch, dass es jeden mitfühlenden Menschen zu Tränen rührt. Angesichts dieser tragischen Ereignisse fühle ich mich gänzlich hilflos.
2. Ich bete für alle Tibeter und auch für alle Chinesen, die in der jetzigen Krisenzeit ihr Leben verloren haben.
3. Die jüngsten Proteste in ganz Tibet widerlegen nicht nur die Propaganda der Volksrepublik China, dass, abgesehen von einigen wenigen »Reaktionären« die Mehrheit der Tibeter zufrieden sei und ein Leben in Wohlstand führe, sondern führt sie ad absurdum. Diese Proteste haben ganz klar gezeigt, dass die Tibeter in den drei Provinzen Tibets, U-Tsang, Kham und Amdo, dieselben Hoffnungen und Sehnsüchte hegen. Diese Proteste sind eine Botschaft an die Welt, dass das Tibet-Problem nicht länger vernachlässigt werden darf. Diese Proteste zeigen, wie dringend notwendig es ist, das Problem auf dem Wege der »Wahrheitsfindung durch Fakten« zu lösen. Der Mut und die Entschlossenheit jener Tibeter, die um der höheren Interessen des tibetischen Volkes willen ihrem bitteren Schmerz und ihrer Hoffnung Ausdruck verliehen und dabei alles aufs Spiel setzten, verdienen große Bewunderung, was die Weltgemeinschaft auch anerkannte und die Beweggründe dieser Tibeter unterstützte.
4. Ich schätze ganz besonders das Verhalten von vielen tibetischen Regierungsangestellten und führenden Mitgliedern der Kommunistischen Partei, die, ohne ihre tibetische Identität aufzugeben, mit Entschlossenheit und Vernunft in der gegenwärtigen Krise das Richtige getan haben. Für die Zukunft bitte ich daher alle tibetischen Parteikader und Regierungsangestellten, nicht immer nur auf ihren persönlichen Vorteil zu achten, sondern sich für die Wahrung der eigentlichen Interessen Tibets einzusetzen. Sie sollten ihren Vorgesetzten in der Partei die tatsächlichen Gefühle des tibetischen Volkes vermitteln und versuchen, dem tibetischen Volk eine unvoreingenommene Führung zu geben.
5. Präsidenten, Ministerpräsidenten, Außenminister, Nobelpreisträger, Parlamentarier und besorgte Bürger aus allen Teilen der Welt wandten sich mit klaren und deutlichen Worten an die chinesische Führung, von ihrem gegenwärtigen harten Vorgehen gegen das tibetische Volk Abstand zu nehmen. Sie alle legten der chinesischen Regierung nahe, einen Weg einzuschlagen, auf dem eine für beide Seiten nutzbringende Lösung gefunden werden könnte. Wir sollten uns nun eine Möglichkeit dafür schaffen, dass ihre Bemühungen positive Ergebnisse hervorbringen können. Ich bin mir dessen bewusst, dass Ihr Euch in jeder Hinsicht herausgefordert fühlt, aber es ist wichtig, dass wir an unserer gewaltfreien Praxis festhalten.
6. Die chinesische Regierung hat falsche Anschuldigungen gegen mich und die Tibetische Zentralverwaltung erhoben: wir hätten die jüngsten Ereignisse in Tibet angestiftet und gelenkt. Derartige Vorwürfe entbehren jeglichen Wahrheitsgehaltes. Ich habe wiederholt vorgeschlagen, ein unabhängiges und renommiertes internationales Gremium solle eine vollständige Untersuchung der Angelegenheit vornehmen. Ich bin überzeugt, dass ein solches unabhängiges Gremium die Wahrheit aufdecken wird. Wenn die Volksrepublik China auch nur die geringste Grundlage für ihre Anschuldigungen hat und Beweise dafür beibringen kann, dann möge sie diese vor der Welt offen legen. Es reicht nicht, bloße Behauptungen aufzustellen.
7. Um der Zukunft Tibets willen habe ich beschlossen, eine Lösung innerhalb des Rahmens der Volksrepublik China zu finden. Seit 1974 setze ich mich unermüdlich für den beiderseits vorteilhaften Mittleren Weg ein. Das weiß die ganze Welt. Der Vorschlag des Mittleren Weges bedeutet, dass alle Tibeter einer gleichen Verwaltung unterstehen, die eine substantielle nationale regionale Autonomie genießt mit allem, was damit zusammenhängt, also mit Selbstverwaltung und voller Entscheidungsbefugnis, ausgenommen in Angelegenheiten der Außenpolitik und der nationalen Verteidigung. Ich habe aber auch von Anfang an gesagt, dass die Tibeter in Tibet das Recht haben, die endgültige Entscheidung über die Zukunft Tibets zu treffen.
8. Die Austragung der Olympischen Spiele in diesem Jahr ist etwas, worauf das 1,2 Milliarden zählende chinesische Volk sehr stolz ist. Von Anfang an habe ich mich für die Austragung der Spiele in Peking eingesetzt. Meine Position in dieser Hinsicht bleibt unverändert. Ich meine, dass die Tibeter die Spiele nicht behindern sollten. Einerseits ist es das legitime Recht eines jeden Tibeters, für seine Freiheit und seine Rechte zu kämpfen. Andererseits wäre es zwecklos und würde niemandem nützen, wenn wir etwas täten, was die Chinesen mit Hass erfüllte. Im Gegenteil, wir müssen Vertrauen und Achtung in unseren Herzen hegen, um eine harmonische Gesellschaft zu schaffen – denn eine solche Gesellschaft kann nicht auf der Basis von Gewalt und Einschüchterung erbaut werden.
9. Unser Kampf gilt nur einigen wenigen in der Führungsspitze der Volksrepublik China, aber nicht dem chinesischen Volk. Daher sollten wir versuchen, niemals Missverständnisse entstehen zu lassen oder etwas zu tun, was das chinesische Volk verletzen könnte. Selbst in dieser schwierigen Lage haben uns viele chinesische Intellektuelle, Schriftsteller und Rechtsanwälte in China selbst und in anderen Teilen der Welt ihrer Sympathie versichert und ihre Solidarität mit uns bekundet. Sie gaben Erklärungen ab, verfassten Artikel und sicherten uns ihre Unterstützung zu. Das ist einfach überwältigend. Ich habe kürzlich, am 28. März, einen Appell an das chinesische Volk auf der ganzen Welt gerichtet, von dem ich hoffe, dass Ihr ihn hören und lesen werdet.
10. Wenn die gegenwärtige Lage in Tibet anhält, dann mache ich mir sehr große Sorgen, dass die chinesische Regierung mit noch mehr Gewalt vorgehen und die Unterdrückung des tibetischen Volkes verstärken wird. Angesichts meiner moralischen Verpflichtung und meiner Verantwortung gegenüber dem tibetischen Volk habe ich die zuständigen Führer der Volksrepublik China aufgefordert, ihre Unterdrückungspolitik in allen Teilen Tibets unverzüglich einzustellen und ihre bewaffneten Polizeieinheiten und Truppen abzuziehen. Wenn dies Gehör fände, würde ich die Tibeter bitten, von allen weiteren Protesten Abstand zu nehmen.
11. Ich möchte meine tibetischen Landsleute, die außerhalb Tibets in Freiheit leben, bitten, außerordentliche Umsicht walten zu lassen, wenn sie ihre Empfindungen über die Entwicklung in Tibet zum Ausdruck bringen. Wir sollten uns auf keine Aktivitäten einlassen, die auch nur entfernt als gewalttätig interpretiert werden könnten. Selbst in einer so provokanten Situation wie dieser dürfen wir nicht zulassen, dass unsere kostbarsten und sorgsam gehüteten Werte kompromittiert werden. Ich bin fest davon überzeugt, dass unser gewaltfreier Weg zum Erfolg führen wird. Wir sollten uns bemühen zu verstehen, woher die beispiellose Sympathie und Unterstützung für unsere Sache rührt.
12. Da Tibet derzeit praktisch abgeriegelt ist und man internationalen Medien keinen Zugang gewährt, hege ich Zweifel, ob meine Botschaft die Tibeter in Tibet erreichen wird. Aber ich hoffe, dass sie durch die Medien und durch Mundpropaganda einen Großteil von Euch erreichen wird.
13. Zum Schluss möchte ich noch ein weiteres Mal alle Tibeter dazu aufrufen, Gewaltlosigkeit zu üben und auf keinen Fall von diesem Weg abzuweichen, wie ernst die Lage auch sein möge.
6.April 2008
Appell an die Weltöffentlichkeit
Ich möchte alle führenden Politiker auf der ganzen Welt, die Mitglieder der Parlamente und Nichtregierungsorganisationen und alle anderen Menschen, die ihre Besorgnis angesichts der jüngsten tragischen Ereignisse in Tibet Ausdruck verliehen haben, meiner Anerkennung und meines Dankes versichern. Zudem bin ich ihnen dankbar für ihre Bemühungen, die chinesische Führung zu einem gemäßigten Umgang mit den friedlich Protestierenden und zur Aufnahme eines konstruktiven Dialogs zur Lösung des Problems zu bewegen.
Ich denke, die jüngsten Demonstrationen und Proteste sind Ausdruck der tief verwurzelten Verbitterung des tibetischen Volkes – nicht nur in der so genannten Autonomen Region Tibet, sondern auch in außerhalb liegenden traditionell tibetischen Gebieten, die heute Teil der chinesischen Provinzen Qinghai, Gansu, Sichuan und Yunnan sind. Überall dort gibt es große tibetische Volksgruppen.
Zuverlässige Quellen berichten, dass die chinesische Führung in jenen traditionell tibetischen Gebieten große Truppenverbände zusammengezogen hat. Diese gehen nicht nur hart gegen die Protestierenden vor, sondern riegeln auch alle Gebiete ab, in denen es zu Protesten kam.
Daher bitte ich Sie, sich weiterhin dafür einzusetzen, dass die gewaltsame Niederschlagung der Proteste ein Ende findet, dass alle Verhafteten freigelassen werden und den Verletzten eine angemessene medizinische Versorgung zuteil wird. Ganz besonders besorgt sind wir über das Fehlen von Möglichkeiten zur medizinischen Behandlung, denn viele verletzte Tibeter wagen sich nicht in die chinesisch geführten Krankenhäuser und Kliniken.
Darüber hinaus möchte ich Sie bitten, für die Entsendung einer unabhängigen, internationalen Untersuchungskommission einzutreten, die den Unruhen und den ihnen zugrundeliegenden Ursachen nachgeht. Auch sollten Medien und internationale Hilfsorganisationen Zutritt zu den betroffenen Gebieten erhalten. Ihre Anwesenheit wird nicht nur dem tibetischen Volk ein Gefühl von Sicherheit geben, sondern auch einen mäßigenden Einfluss auf die chinesische Führung ausüben.
 
 
2. April 2008
Appell an das chinesische Volk
Ich möchte meinen chinesischen Brüdern und Schwestern überall auf der Welt, besonders aber jenen, die in der Volksrepublik China leben, meine herzlichsten Grüße übermitteln. Angesichts der jüngsten Entwicklungen in Tibet will ich Ihnen meine Gedanken in Bezug auf die Beziehungen zwischen dem tibetischen und dem chinesischen Volk darlegen und an Sie alle einen persönlichen Aufruf richten.
Der Verlust so vieler Leben während der jüngsten tragischen Ereignisse in Tibet hat mich tieftraurig gestimmt. Ich bin mir darüber im Klaren, dass auch Chinesen getötet wurden. Ich fühle mit den Opfern und ihren Familien und schließe sie in meine Gebete ein. Der jüngste Aufstand hat den Ernst der Situation in Tibet ans Licht gebracht und damit die Tatsache, dass wir dringend einer friedlichen, für beide Seiten vorteilhaften Lösung durch den Dialog bedürfen. Auch nach diesen Ereignissen habe ich die chinesische Führung von meinem unveränderten Willen zur Zusammenarbeit unterrichtet, um Frieden und Stabilität wiederherzustellen.