Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Zerrt Ihr Hund wie wild an der Leine, wenn Sie draußen anderen Hunden begegnen? Bellt er wie ein Wahnsinniger an Zaun oder Fenster, wenn andere Hunde an Ihrem Grundstück vorbeigehen? Haben Sie ein schlechtes Gefühl bei Hundebegegnungen? Ist es vielleicht sogar schon zu Zwischenfällen mit anderen Hunden gekommen? Auch Ihr Hund kann lernen, sich in Anwesenheit anderer ruhig zu benehmen! Hier erfahren Sie, wie Sie mit freundlichen und effektiven, ausschließlich straffreien Techniken, Tipps und Tricks schnell und sicher zu einem stressfreieren Miteinander finden. Aus dem Inhalt: Aggression von angstbedingter Reaktivität unterscheiden lernen Subtile Signale der Körpersprache erkennen und deuten Schritt-für-Schritt Trainingspläne befolgen Aus verschiedenen Techniken, die für Sie passendsten wählen Was tun im Worst-Case-Szenario einer Beißerei Präventivmaßnahmen im Alltag Mit ergänzenden Therapien für mehr Entspannung sorgen Profitieren Sie von der langjährigen Erfahrung der Hundetrainerin Nicole Wilde speziell mit ängstlichen, reaktiven und aggressiven Hunden und ihrer ebenso wirkungsvollen wie empathischen Herangehensweise.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 323
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Titel der amerikanischen Originalausgabe: Help for your dog-reactive dog.
The positive, gentle way to curb dog-dog reactivity & aggression
© 2022 Nicole Wilde, Phantom Publishing, Santa Clarita, CA, USA
© 2024 für die deutsche Ausgabe:
KYNOS VERLAG Dr. Dieter Fleig GmbH
Konrad-Zuse-Straße 3, D-54552 Nerdlen/Daun
Telefon: 06592 957389-0
www.kynos-verlag.de
Übersetzt aus dem Englischen von Cäcilie Föhrenbach
Grafik & Layout: Kynos Verlag
eBook (epub) Ausgabe der Printversion 2024
ISBN der gedruckten Ausgabe: 978-3-95464-309-7
eBook (epub)-ISBN: 978-3-95464-338-7
Bildnachweis:
Alle Fotos: Wilde, Nicole außer:
Adobe Stock: S. 29: Rita Kochmarjova/stock.adobe.com; S. 30: Alexandr/stock.adobe.com; S. 42: CandyRetriever/stock.adobe.com; S. 43: Iván Moreno/stock.adobe.com; S. 92: Kzenon/stock.adobe.com; S. 105 li.: Milan/stock.adobe.com, re.: farbkombinat/stock.adobe.com; S. 107: Galaxy_love_design/stock.adobe.com; S. 132: ksuksa/stock.adobe.com; S. 140: OlgaOvcharenko/stock.adobe.com; S. 166: Luetjemedia/stock.adobe.com; S. 200: Justyna/stock.adobe.com
Krauß, Katja: Titelfoto
Lambert, Christen: S. 170
Rau, Gisela: S. 10, 50
Alle Illustrationen: O’Moore, Denise außer:
Wilde, C.C.: S. 215
Mit dem Kauf dieses Buches unterstützen Sie die Kynos Stiftung
Hunde helfen Menschen. www.kynos-stiftung.de
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt.
Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne schriftliche Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Haftungsausschluss: Die Benutzung dieses Buches und die Umsetzung der darin enthaltenen Informationen erfolgt ausdrücklich auf eigenes Risiko. Der Verlag und auch der Autor können für etwaige Unfälle und Schäden jeder Art, die sich bei der Umsetzung von im Buch beschriebenen Vorgehensweisen ergeben, aus keinem Rechtsgrund eine Haftung übernehmen. Rechts- und Schadenersatzansprüche sind ausgeschlossen. Das Werk inklusive aller Inhalte wurde unter größter Sorgfalt erarbeitet. Dennoch können Druckfehler und Falschinformationen nicht vollständig ausgeschlossen werden. Der Verlag und auch der Autor übernehmen keine Haftung für die Aktualität, Richtigkeit und Vollständigkeit der Inhalte des Buches, ebenso nicht für Druckfehler. Es kann keine juristische Verantwortung sowie Haftung in irgendeiner Form für fehlerhafte Angaben und daraus entstandene Folgen vom Verlag bzw. Autor übernommen werden. Für die Inhalte von den in diesem Buch abgedruckten Internetseiten sind ausschließlich die Betreiber der jeweiligen Internetseiten verantwortlich.
Abdeckung
Titelblatt
Urheberrechte
Inhaltsverzeichnis
Über die Autorin
Einleitung
Teil I
Überblick
Kapitel 1: Was man nicht tun sollte
Kapitel 2: Aggression versus Reaktivität
Kapitel 3: Mögliche Ursachen
Kapitel 4: Körpersprache
Kapitel 5: Die Auslöser identifizieren
Teil II
Grundlagenprogramm
Kapitel 6: Grundlagenprogramm
Kapitel 7: Management in der Zwischenzeit
Kapitel 8: Ernährung
Kapitel 9: Bewegung
Kapitel 10: Mentale Beschäftigung
Kapitel 11: Führungsqualitäten
Teil III
Die Fähigkeiten
Kapitel 12: Ein paar Schlüsselbegriffe
Kapitel 13: Trainingsausrüstung
Kapitel 14: Der Walk Away
Kapitel 15: Aufmerksamkeit
Kapitel 16: Berührung
Kapitel 17: „Weiter“
Teil IV
Verhaltensmodifikation
Kapitel 18: Der Prozess der Verhaltensmodifikation
Kapitel 19: Emotionsumkehr
Kapitel 20: Das Gelernte in der Praxis anwenden
Teil V
Andere Szenarien und Überlegungen
Kapitel 21: Reaktivität zu Hause
Kapitel 22: Reaktivität im Auto
Kapitel 23: Tierarztbesuche
Kapitel 24: Begegnungen mit freilaufenden Hunden
Kapitel 25: Wie man einen Hundekampf beendet
Kapitel 26: Zusammenarbeit mit einem Experten
Kapitel 27: Gruppenunterricht
Teil VI
Ergänzende Hilfsmittel und Therapien
Kapitel 28: Ergänzende Hilfsmittel und Therapien
Kapitel 29: Bachblüten
Kapitel 30: Body Wraps
Kapitel 31: TTouch®
Kapitel 32: Beruhigungs-Pheromone für Hunde (DAP)
Kapitel 33: Der unsichtbare Freund
Kapitel 34: Nachlese
Danksagung
Service: Literatur, Bezugsquellen und Ansprechpartner
Über den Herausgeber
Nicole Wilde ist international anerkannte Autorin, Referentin, zertifizierte Hundetrainerin und Expertin für Hundeverhalten. Sie hat elf Bücher verfasst, von denen etliche auch ins Deutsche übersetzt wurden. Sie ist als Beraterin für mehrere Hundetrainings- und Tierschutzorganisationen in den USA tätig, unter anderem für die Victoria Stilwell Academy und das Companion Animal Sciences Institute. Sie schreibt regelmäßig Beiträge für Hundefachzeitschriften und Blogs und tritt in der Radiosendung „Dog Talk“ auf.
Sie hat Hunderten von Hunden, darunter vielen aus dem Tierschutz, zur Lösung ihrer Verhaltensprobleme und damit in vielen Fällen zu einem neuen Zuhause verholfen. Ihr besonderes Interesse galt dabei stets Wölfen und Wolfshunden, mit denen sie über zwanzig Jahre lang erfolgreich gearbeitet hat.
Mit ihrem Mann und ihren Hunden lebt sie in der Nähe von Los Angeles, USA.
Mehr über Nicole Wilde erfahren Sie auf ihrer Internetseite www.nicolewilde.com, auf ihrer Facebookseite www.facebook.com/NicoleWildeAuthor oder in ihrem Blog Wilde About Dogs.
Stellen Sie sich vor, Sie gehen in einem Park vor Ort einen schönen Weg entlang spazieren. Die Sonne scheint, die Vögel singen und Ihr haariger Begleiter trottet neben Ihnen her. Plötzlich sehen Sie einen Hund auf sich zukommen! Es gibt keine Möglichkeit zum Ausweichen. Ihre Muskeln spannen sich an und Sie ziehen automatisch die Leine straffer. Als der Hund und sein Besitzer näherkommen, versteift sich auch der Körper Ihres Hundes. Seine Augen werden zu Laserstrahlen und er fängt an, in Richtung des anderen Hundes zu ziehen. In dem Bemühen, ihn zu bändigen, ermahnen Sie ihn: „Hör auf damit! Komm mit!“ Aber das Ziehen wird nur noch intensiver. Gerade als die beiden an Ihnen vorbeiziehen, explodiert Ihr Hund in einem Wirbel von Hecheln und Bellen und macht den Eindruck, als wolle er den anderen Hund in Stücke reißen. Kommt Ihnen das bekannt vor?
Menschen, deren Hunde mit anderen Hunden verträglich sind, haben keine Vorstellung davon, wie stressig es sein kann, einen Hund zu haben, der nicht hundefreundlich ist. Das Verhalten eines „hundesensiblen“ Hundes schlägt sich in allem nieder, vom einfachen Spaziergang über die Teilnahme an einem Hundeschulkurs bis hin zum Camping oder dem Aufenthalt an allen möglichen Orten, an denen Hunde anwesend sein könnten. Auch wenn Sie Ihren Hund lieben, kann sein Verhalten frustrierend und peinlich sein und Sie mitunter echt auf die Palme bringen!
Vielleicht ist Ihr Hund allen anderen Hunden gegenüber unfreundlich. Oder vielleicht hat er zu Hause einen Hundekumpel, betrachtet aber fremde Hunde als Feind. Vielleicht ist er bei einigen Hunden, denen er begegnet, entspannt, wird aber bei anderen zu einem rasenden Irren. Vielleicht machen Sie sich sogar Sorgen, dass etwas mit ihm nicht stimmt, vor allem, wenn sein Vorgänger nicht das gleiche Problem gezeigt hat. Ist Ihr Hund vielleicht einfach ein böser Hund? Sollten Sie eine Zukunft für den Hund ohne ihre Person in Betracht ziehen? Nein, nein und nochmals nein! Hunde haben genauso wie Menschen emotionale Probleme im Gepäck. Egal ob Sie Ihren Hund von einem Züchter gekauft, aus einem Tierheim oder einer Auffangstation adoptiert oder aus einem anderen Zuhause übernommen haben – es kann viele Gründe für sein Verhalten geben. Bedenken Sie, dass Ihr Hund Ihnen durch sein Verhalten nicht absichtlich das Leben schwermachen möchte. Er kann wirklich nichts dafür, und es ist auch für ihn kein Vergnügen, sich so zu fühlen, wie er es tut. Die gute Nachricht ist: Unabhängig von der Vorgeschichte Ihres Hundes oder den Gründen für sein Verhalten gegenüber anderen Hunden lässt sich sein Verhalten ändern.
Bevor ich Ihnen beschreibe, was Sie in diesem Buch finden werden, möchte ich Ihnen sagen, was Sie nicht finden werden: Bestrafungen und harte körperliche Zurechtweisungen, die Ihren Hund einschüchtern sollen. Unsere Hundegefährten verdienen es, mit Freundlichkeit und Respekt behandelt zu werden. Außerdem ist die überwiegende Mehrheit dessen, was als „Hundeaggression“ bezeichnet wird, in Wirklichkeit eine angstbasierte Reaktivität. Eine harte körperliche Zurechtweisung, wenn ein Hund ein scheinbar aggressives Verhalten an den Tag legt, könnte sein momentanes Verhalten durchaus unterbrechen. Genauso, als würden Sie mir eine Ohrfeige geben, wenn ich nervös an meinen Nägeln kaue, damit ich sofort damit aufhöre. Die eigentliche Ursache für das Verhalten würde dadurch nicht behoben. Die Angst und Frustration, die Ihr Hund verspüren würde, wenn er beim Anblick eines anderen Hundes hart korrigiert würde, könnte eine noch schlimmere Assoziation hervorrufen. Diese könnte dazu führen, dass das Verhalten noch schlimmer und möglicherweise sogar das Vertrauensverhältnis zwischen Ihnen beiden beschädigt wird.
Auf den folgenden Seiten finden Sie konkrete, direkt umsetzbare Informationen. Im ersten Teil des Buchs werden wir untersuchen, was echte Aggression ist und wie man sie von der weitaus häufigeren angstbedingten Reaktivität unterscheiden kann. Sie werden mögliche Gründe für das Verhalten Ihres Hundes entdecken und lernen, die Auslöser für seine Reaktionen genau zu identifizieren. Darüber hinaus werden Sie die Fähigkeit erlangen, selbst die subtilste Körpersprache zu erkennen, die Ihnen Hinweise darauf geben kann, wie sich Ihr Hund fühlt, bevor er eine ausgewachsene Reaktion an den Tag legt. Das Verstehen der Körpersprache Ihres Hundes ist nicht nur der Schlüssel für eine Verhaltensänderung gegenüber anderen Hunden, sondern hilft Ihnen auch zu verstehen, wie es ihm im Alltag geht.
Im zweiten Teil werden die vier Säulen des Grundlagenprogramms erläutert: Ernährung, Bewegung, mentale Stimulation und Führung. Stellen Sie sich das Programm wie das Betriebssystem Ihres Computers vor, das unbemerkt im Hintergrund läuft und die Software arbeiten lässt. In diesem Abschnitt finden Sie Empfehlungen, die weit über die Standardempfehlungen wie „Ernähren Sie sich gesund“ oder „Sorgen Sie für ausreichende Bewegung“ hinausgehen. Pro Säule gibt es Nuancen, die einen großen Unterschied ausmachen können. Ebenfalls in diesem Abschnitt wird ein solides Management behandelt. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass Ihr Hund außerhalb kontrollierter Trainingseinheiten nicht auf eine Art und Weise mit anderen Hunden in Kontakt kommt, die ihn versehentlich über seine Reaktions-Schwelle bringen könnte, den Kipp-Punkt, an dem er zu reagieren beginnt. Ein sorgfältiges Management stellt sicher, dass Ihre Bemühungen nicht durch zufällige Begegnungen konterkariert werden. Insgesamt wird das Grundlagenprogramm nicht nur der allgemeinen Gesundheit und dem Wohlbefinden Ihres Hundes zugutekommen, sondern Sie werden auch in Ihren Bemühungen, sein Verhalten zu ändern, mehr Erfolg haben.
Im dritten Teil fängt endlich der Spaß an! Damit werden Sie Ihrem Hund eine Vielzahl von Fähigkeiten beibringen, die es ihm ermöglichen, auf Aufforderung aufmerksam zu sein, ruhig an anderen Hunden vorbeizugehen, alternatives Verhalten für Ziehen und Bellen an den Tag zu legen oder Ihnen situationsabhängig und wunschgemäß zu folgen. Sie werden auch lernen, welche Ausrüstung nützlich ist und welche vermieden werden sollte. Bei den Übungen in diesem Abschnitt handelt es sich übrigens nicht um die üblichen Gehorsamskommandos wie Sitz, Platz oder Bleib. Wahrscheinlich haben Sie die meisten dieser Kommandos noch nie eingeübt, weder in einer Hundeschule noch alleine. Eine bestimmte Fähigkeit wird meines Wissens nie in einer Hundeschule trainiert. Es handelt sich dabei um eine Technik, die ich aus dem Hundesport adaptiert habe, um die Reaktivität von Hunden in den Griff zu bekommen. Und sie funktioniert erstaunlich gut! Eine Vielzahl an Techniken aus Ihrem Trainingswerkzeugkasten wird es Ihnen ermöglichen, in verschiedenen Situationen kompetent und selbstbewusst zu agieren.
Teil vier enthält die Quintessenz der Verhaltensmodifikation. Da Sie von Ihrem Hund nicht erwarten können, dass er Ihnen Aufmerksamkeit schenkt oder etwas tun kann, solange er übermäßig erregt ist, lernen zunächst Sie einmal, wie Sie seine zugrunde liegende emotionale Reaktion beim Anblick eines anderen Hundes ändern können. Sobald dies gelungen ist, können Sie die wertvollen dieser erlernten Fähigkeiten implementieren. Sie werden auch lernen, wie Sie ein Verhaltensprotokoll erstellen und wann Sie das Ganze je nach Verhalten Ihres Hundes wie anpassen müssen.
Obwohl schon die vorangegangenen Abschnitte Ihnen dabei eine ausreichende Hilfe sind, das Verhalten Ihres Hundes beim Spazierengehen zu ändern, ist es tatsächlich so, dass Verhalten jeden Tag und rund um die Uhr stattfindet. Situationen, in denen Ihr Hund vom Wohnzimmerfenster bellend vorübergehende Hunde beobachtet, können Ihre Fortschritte zurücksetzen. Aus diesem Grund befasst sich Teil fünf damit, wie man häufige Probleme löst, z. B. das Bellen im Auto eindämmt oder sicherstellt, dass Tierarztbesuche reibungslos verlaufen. Aber auch, was zu tun ist, wenn man nicht angeleinten oder streunenden Hunden begegnet und wie man im schlimmsten Fall einen Streit schlichten kann. Außerdem geht es um Gruppenschulungen und darum, was es bei einer Entscheidung für einen professionellen Verhaltensspezialisten zu beachten gilt.
Zu guter Letzt folgt der sechste Teil. Hier finden Sie ergänzende Hilfsmittel und Therapien, die ganz allgemein hilfreich sind. Einige davon sind Ihnen vielleicht bekannt, andere höchstwahrscheinlich nicht. Bei keiner davon werden Ihrem Hund Medikamente verabreicht oder etwas getan, das ihm schaden könnte. Allen gemeinsam ist, dass es sich um sanfte, nicht invasive Methoden handelt, durch die Ihr Hund sich insgesamt entspannter fühlt, was ihm bei Begegnungen mit anderen Hunden helfen wird. Außerdem finden Sie eine zusätzliche Technik namens „Der unsichtbare Freund“, die Ihre Spaziergänge entscheidend verändern kann.
Seien Sie versichert, dass ich als professionelle Trainerin mit mehr als dreißig Jahren Erfahrung und als Hundemutter eines inzwischen wohlerzogenen Hundes, der, als er aus dem Tierheim zu mir kam, sehr reaktiv war, die Fragen kenne, die Ihnen beim Lesen dieses Buches durch den Kopf gehen werden. Ich habe darauf geachtet, dass ich in jedem Kapitel nicht nur allgemeine Fragen anspreche, sondern auch viele Alternativen und Lösungen für den Fall anbiete, dass die vorgeschriebenen Techniken für Ihren Hund nicht in jeder Situation funktionieren. Vielleicht sind Sie versucht, die ersten Abschnitte zu überspringen und direkt zu den Kapiteln mit den Anleitungen überzugehen. Ich bin sicher, ich würde es machen! Aber bitte – tun Sie das nicht. Eine Fülle äußerst wichtiger Informationen führt zu diesen Kapiteln hin, und diese Informationen werden auf den Erfolg Ihrer Bemühungen einen erheblichen Einfluss haben. Am besten lesen Sie die Kapitel der Reihe nach durch. Setzen Sie die Änderungen nach und nach um. Auf diese Weise werden Sie nicht nur Ihren Hund besser verstehen und sein Verhalten besser kontrollieren können, sondern auch ein solides Grundgerüst für ein erfolgreiches Programm zur Verhaltensänderung legen.
Bevor wir uns darauf konzentrieren, wie Sie das Verhalten Ihres Hundes gegenüber anderen Hunden verbessern können, sollten Sie erfahren, was Sie nicht tun sollten. Im Folgenden finden Sie daher einige Dinge, die Sie vermeiden sollten.
Bill geht jeden Morgen mit seinem Akita Inu namens „Kuma“ (japanisch für Bär) im Park spazieren. Kuma sieht einem Bären auch durchaus ähnlich! Der braun-weiße Hund ist groß, imposant und anderen Hunden gegenüber ausgesprochen unfreundlich. Bill ist sich dessen sehr wohl bewusst und äußerst wachsam. Kuma ist in der Öffentlichkeit immer angeleint, und die beiden vermeiden es, anderen zu nahe zu kommen. Wenn eine Person, die mit einem Hund spazieren geht, sich zu nähern beginnt, ruft Bill ihr zu, dass sein Hund nicht freundlich ist. Wie schön wäre es, wenn alle Hundebesitzer so verantwortungsbewusst wären! Rick, ein weiterer Stammgast im Park, hat einen sehr sozialen Labrador Retriever und seine eigene Meinung darüber, was Bill tun sollte. „Es ist seine Schuld, dass Kuma so ist“, behauptet Rick süffisant. „Er muss einfach mit dem Hund direkt zu anderen Hunden gehen, damit er sich an sie gewöhnt.“ Ähm … nein. Das muss er nicht. Das würde nicht nur Aggressionen bei Kuma auslösen und andere Hunde in Gefahr bringen, sondern auch nichts dazu beitragen, Kuma klarzumachen, dass andere Hunde eine gute Sache sind. Es gibt zwar manche Situationen, in denen die emotionale Reaktion eines Hundes durch Gewöhnung verbessert werden kann (indem man ihn wiederholt etwas aussetzt, vor dem er Angst hat oder das ihm unangenehm ist), aber das hier gehört eindeutig nicht dazu. Einen Hund, der Artgenossen gegenüber überschießend oder aggressiv reagiert, in die Nähe anderer Hunde zwingen zu wollen, ist niemals eine gute Idee.
Sie werden mit Ihrem Hund wahrscheinlich auch nicht geradeaus und direkt auf andere Hunde zugehen. Aber allein schon zu geringer Abstand könnte im Körper Ihres Hundes schon eine Überflutung mit Adrenalin und anderen Stresshormonen verursachen. Leider können einige dieser Hormonspiegel einige Tage lang erhöht bleiben, was dazu führen kann, dass Ihr Hund während der nächsten Spaziergänge noch reaktiver sein wird. Um Ihrem Hund den meisten Erfolg zuzugestehen, sollten Sie andere Hunde tunlichst meiden – es sei denn, Sie arbeiten grade aktiv an der Verhaltensänderung. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen Sie möglicherweise Ihren Lebensstil anpassen. Nehmen wir an, Sie gehen normalerweise morgens vor der Arbeit im Park spazieren. Wenn der Park jedoch voller anderer Menschen ist, die mit ihren Hunden spazieren gehen, und Sie den Abstand, bei dem Ihr Hund nicht reagiert, nicht ohne weiteres einhalten können, sollten Sie den Ort wechseln.
Mit Ihrem Hund an einen anderen Ort zu fahren oder eine andere Strecke zu gehen, mag im Moment noch etwas umständlich anmuten. Aber lassen Sie mich erklären, wie wichtig es ist, dies zu tun: Stellen Sie sich vor, Sie haben Angst vor Bienen. Wann immer Sie einer begegnen, werden Sie nervös und schlagen nach ihr, um sie zu vertreiben. Durch Ihre Angst und das Schlagen wird Ihr Körper mit Adrenalin geflutet und Sie werden noch wütender. (Die Biene ist auch nicht gerade begeistert.) Und doch müssen Sie auf Ihrem täglichen Weg zur Arbeit aus nächster Nähe an einem Bienenstock vorbeigehen. Würden Sie, während Sie an einem Programm zur Lösung Ihrer negativen Gefühle gegenüber Bienen arbeiten, lieber weiterhin denselben Weg zur Arbeit nehmen oder Ihren Weg so verändern, dass Sie in der Zwischenzeit nicht auf Bienen treffen müssen? Ganz genau. Eine kurzfristige Änderung Ihrer täglichen Routine erfordert vielleicht etwas mehr Zeit und Mühe. Sie wird aber einen großen Einfluss auf Ihre Fähigkeit haben, das Verhalten Ihres Hundes dauerhaft zu ändern.
Beim Hundetraining oder für eine Verhaltensänderung ist es niemals erforderlich, körperliche Gewalt auszuüben. Dieses Konzept wird in den Abschnitten über Führung und Trainingshilfsmittel weiter erörtert. An dieser Stelle reicht es aus, zu sagen, dass das „Korrigieren“ eines Hundes durch Ruckeln, Schocken, Rollen auf dem Rücken, Schütteln oder jede andere Form von körperlicher Gewalt nicht nur unnötig ist, sondern auch Ihrem Hund und Ihrer Beziehung zu ihm schaden kann. Es könnte auch gefährlich für Sie selbst werden. Während in der Zeit der traditionellen militärischen Ausbildung die Anwendung von Gewalt weit verbreitet war, wenden moderne, aufgeklärte Hundetrainer heutzutage stattdessen gewaltfreie Techniken an. Sie meiden Drohungen, Einschüchterung und Zwang. Das bedeutet nicht, dass Hunde tun dürfen, was sie wollen oder dass es keine Konsequenzen für ihre Handlungen gibt. Aber eine harte Erziehungsmaßnahme, insbesondere, wenn ein Hund einen anderen Hund sieht, könnte das Problem sogar noch verschlimmern, da der Hund Schmerzen und Angst mit dem Auftauchen anderer Hunde assoziieren könnte. Das Ziel besteht vielmehr darin, mit unseren Hunden klar zu kommunizieren, ihnen beizubringen, was von ihnen erwartet wird, sie mit allmählichen, erreichbaren Schritten auf ein Ziel hin zu belohnen und als Team zusammenzuarbeiten, in dem beide Partner einander mit Respekt behandeln.
Hundetraining sollte kein Willenskampf sein, sondern ein sich ständig weiterentwickelnder Tanz aus Kommunikation und Kooperation.
Hundewiesen sind wunderbare Orte, um sich auszutoben und Kontakte zu knüpfen – jedenfalls für Menschen. Für viele Hunde sieht das ganz anders aus. Wenn Ihr Hund sich in Gesellschaft anderer Hunde nicht wohl fühlt, ist die Hundewiese kein guter Ort für ihn. Sie halten Hundewiesen nicht für so schlimm? Hier sind nur ein paar Aussagen, die ich auf unserer Hundewiese gehört habe, als ich für ein Seminar gefilmt habe:
„Ich habe ihn gestern aus dem Tierheim geholt. Jetzt wollte ich mal sehen, wie er mit anderen Hunden zurechtkommt.“ Dies bezog sich übrigens auf einen 60 Kilo schweren Bullmastiff.
„Er muss sich erst an andere Hunde gewöhnen.“ Bei dem fraglichen Hund handelte es sich um einen sieben Kilo schweren Terrier, der unter einer Bank hinter den Beinen seines Besitzers kauerte und zitterte. Einen Hund, der Angst vor anderen Hunden hat, immer wieder auszusetzen, ist nicht zielführend, sondern grausam und macht alles nur noch schlimmer.
„Die müssen das einfach unter sich ausmachen.“ Dieser Satz lässt mich mit den Zähnen knirschen. Ich habe ihn schon sagen gehört, während die betreffenden Hunde in einen Kampf verwickelt waren. Wenn man es zulässt, dass sich Hunde streiten, ist das keine Lösung. Es ist sogar sehr wahrscheinlich, dass es nicht nur physisch, sondern auch emotional für einen oder beide Hunde schlimmer wird. Ein einziger Hundekampf oder -angriff kann einen Hund traumatisieren und seine Reaktivität gegenüber anderen Hunden verstärken. Es kann sogar ein Problem entstehen, wo vorher keines war, denn der Hund beginnt dann, seine Gefühle auf andere Hunde, denen er begegnet, zu übertragen. Außerdem gibt man Hunden mit Kämpfen und Auseinandersetzungen die Möglichkeit, unerwünschte Verhaltensweisen zu üben, die für den Sieger belohnend sein können. Ein Verhalten, das belohnt wird, wird mit größerer Wahrscheinlichkeit wieder gezeigt. Es ist somit eine Situation, in der man nur verlieren kann.
Die meisten öffentlichen Hundewiesen ähneln dem Wilden Westen. Ein Haufen nicht geprüfter Hunde mit unterschiedlichem Temperament, die zusammengewürfelt werden. Man nehme die Erregung, die sich aufbaut, wenn die Hunde um die Wette rennen, kombiniere sie mit dem laserartigen Fokus von Hundetyrannen und den Emotionen ihrer Opfer, mische sie mit mangelnder Aufsicht und füge dem Ganzen noch hinzu, dass es keine Unterbrechung der Action gibt. Was kommt dabei heraus? Ein Rezept für eine Katastrophe! Die meisten Hundehalter sind zwar gutmütig, aber leider keine Experten, was das Lesen der Hunde-Körpersprache anbelangt oder das Verständnis für ihr Verhalten. Aus kleinen Verstößen können sich blitzschnell Auseinandersetzungen entwickeln. Selbst Hunde können manchmal die Körpersprache anderer Hunde falsch deuten, vor allem von Hunden anderer Rassen oder von solchen, die einen anderen Spielstil pflegen als sie selbst. Da kann ein gut gemeintes Spielmanöver auch mal ganz leicht als Beleidigung aufgefasst werden. Auch wenn es Ihrem Hund noch nie passiert ist, kann ich Ihnen mit hundertprozentiger Sicherheit sagen, dass es auf öffentlichen Hundewiesen mit erschreckender Regelmäßigkeit zu ernsthaften Kämpfen kommt. Tragischerweise gab es auf meiner örtlichen Hundewiese bereits zwei tödliche Zwischenfälle aufgrund von Hundekämpfen.
Weniger dramatisch ist, dass Hunde körperliche, emotionale und psychologische Schäden davontragen können. Stellen Sie sich einen Besuch auf einer typischen Hundewiese aus der Sicht einer Australian-Shepherd-Hündin namens Flash vor: Flash fühlt sich unter Hunden unwohl und kann je nach Verhalten eines anderen Hundes ängstlich oder bissig sein. Als sie den Park betritt, stürmt eine Hundemeute auf sie zu, um sie unter die Lupe zu nehmen. Sie erstarrt erschrocken und überwältigt, als die ganze Bande näherkommt, um sie genauer zu beschnuppern. Adrenalin schießt durch ihren Körper und ihre Stresshormonproduktion läuft auf Hochtouren. Flash ist in höchster Alarmbereitschaft, nachdem sie gerade mal eine Minute im Park war.
Sobald sich die Schnüffelparty beruhigt hat, bewegt sich Flash vorsichtig und hält sich in einem Randbereich auf, in dem weniger Hunde sind. Als sie das Gras beschnuppert, kommt der Boxer Bailey und läuft direkt auf sie zu. Sein Körper ist angespannt und seine Absichten scheinen nicht freundlich zu sein. Flash gerät in Panik und schnappt nach Bailey, um ihn zu vertreiben. Ihre Besitzerin bemerkt nur, dass sie nach einem anderen Hund geschnappt hat und tadelt sie. Jetzt ist Flash noch mehr angespannt. In den nächsten zehn Minuten knurrt und schnappt Flash abwehrend nach verschiedenen anderen Hunden und wird bei jeder Begegnung ängstlicher und reaktiver, bis ihre Hormone einen verzweifelten „Holt mich hier raus“-Tanz aufführen. Ihre Besitzerin, der ihr scheinbar aggressives Verhalten peinlich ist, schleppt sie schließlich von der Wiese und murmelt: „Ich weiß nicht, warum du dich nicht einfach mit anderen Hunden vertragen kannst.“
Die arme Flash ist kein Einzelfall. Auf Hundewiesen kommt es aus den unterschiedlichsten Gründen immer wieder zu Scharmützeln: Hunde, die ihre Besitzer bewachen, ein Hund, der einen anderen bedrohlich anstarrt, ein Hund, der einen anderen unerbittlich angreift, Hunde, die nicht wissen, wie man höflich miteinander spielt und ein Hund, der einem Zweierpaar beim Spielen dazwischenfunkt. Es gibt noch viele weitere Varianten. Das Filmmaterial für mein Seminar zur Analyse von Spielverhalten (siehe Anhang) wurde fast ausschließlich auf Hundewiesen gefilmt, und leider war jede dieser Verhaltensweisen dort deutlich zu sehen. Die Quintessenz? Wenn Sie mit Ihrem Hund auf eine Hundewiese gehen möchten, um sich zu bewegen, sollten Sie ihn nur dann mitnehmen, wenn keine anderen Hunde anwesend sind. Wenn Sie jemanden kennen, der einen anderen Hund hat, mit dem sich Ihr Hund zufällig gut versteht, treffen Sie sich außerhalb der Öffnungszeiten auf der Freilauffläche, wenn sonst niemand da ist (oder noch besser, vereinbaren Sie Spieltermine an einem anderen Ort). Abgesehen von diesen beiden Szenarien sind Hundewiesen das Risiko nicht wert.
Vielleicht fragen Sie sich, ob Ihr Hund nach erfolgreichen Verhaltensänderungen, wie sie in diesem Buch beschrieben werden, überhaupt noch mit anderen Hunden spielen kann. Da ich weder Sie noch Ihren Hund persönlich kenne, habe ich darauf ehrlich gesagt keine Antwort. Es könnte ja etwas passieren. Jedoch ist es das Ziel dieses Buches, Ihrem Hund die Fähigkeit zu vermitteln, entspannter zu sein, wenn Sie mit ihm auf der Straße oder in ähnlichen Situationen mit anderen Hunden spazierengehen, sodass er nicht mehr bellt und andere stressbedingte Verhaltensweisen an den Tag legt. Wenn Sie es schaffen, dass Ihr Hund andere Hunde besser akzeptiert und Sie ihn schrittweise an sorgfältig ausgewählte Spielkameraden heranführen können, ermöglichen Sie ihm, irgendwann Hundefreunde haben zu können.
Und nun lassen Sie uns erst einmal weiter in Teil I eintauchen. Sie werden lernen, das hyperaktive Verhalten Ihres Hundes besser verstehen zu lernen.
Um ein Verhaltensproblem richtig anpacken zu können, müssen wir es zunächst zutreffend erkennen. Aggression und Reaktivität sind zwei verschiedene Dinge, und doch wird Letzteres oft fälschlicherweise für Ersteres gehalten. Unter der allgemeinen Bedeutung des Wortes „Aggression“ versteht man, dass jemand absichtlich vorhat, Schaden anzurichten. Wenn wir von Hundeverhalten sprechen, so kann der Begriff jedoch verwirrend sein. Ich habe schon gehört, wie Hundebesitzer fälschlicherweise alles Mögliche als „Aggression“ bezeichnet haben – angefangen von einem Hund, der sie anspringt über Knurren beim Spiel mit einem anderen Hund bis hin zum Zwicken eines Welpen. Tatsächlich ist nichts davon ein Beispiel für aggressives Verhalten.
Was die meisten Menschen als Aggression bezeichnen, wenn sie das Verhalten eines Hundes anderen Hunden gegenüber beschreiben, würde man eher als angstbasierte Reaktivität bezeichnen. Wenn sich ein Hund auf einen anderen Hund stürzt und knurrt, so mag das den Eindruck erwecken, dass er ihn angreifen möchte. Doch hinter diesem Verhalten steckt ein Gefühl der Angst oder des Unbehagens in Gegenwart des anderen Hundes. Die Körpersprache und die Lautäußerungen sollen ausdrücken: „Hey, du Angsthase, zwing mich nicht, hierher zu kommen! Geh weiter!“ Sein Ziel ist, den Abstand zwischen sich und dem anderen Hund zu vergrößern, und aus Sicht des Hundes funktioniert das auch! Wir Menschen wissen, dass ein Hund, der an uns vorbeigeführt wird, ohnehin schnell aus dem Blickfeld verschwunden wäre, aber Ihr Hund sieht das anders. Für ihn hat seine Angeberei den anderen Hund veranlasst, sich zu entfernen. Das bedeutet, dass sein Verhalten eine Verstärkung erfährt, und im Lauf der Zeit werden die Körpersprache und die Lautäußerungen Ihres Hundes vielleicht sogar noch intensiver. Das bedeutet allerdings noch nicht, dass Ihr Hund aggressiv ist.
Selbst ein Hund, der nach der Hand eines Kindes schnappt, das ihn am Kopf tätschelt, sollte nicht automatisch als aggressiv eingestuft werden. Der Hund hat schlicht auf etwas reagiert hat, das ihn erschreckt hat. Wichtig ist, dass wir keine voreiligen Schlüsse ziehen, wenn es um das Verhalten eines Hundes geht. Denn sobald wir einen Hund als „aggressiv“ oder „gefährlich“ einstufen, neigen wir dazu, alles, was er tut, durch diesen Filter zu sehen. Das wiederum könnte dazu führen, dass wir seine Handlungen falsch deuten und falsch einschätzen und daher auf eine Weise reagieren, die das Verhalten verschlimmert oder sogar in einer Tragödie für den Hund enden könnte.
Ein angstreaktiver Hund braucht nicht unseren Ärger und unsere Frustration, sondern unser Mitgefühl und Verständnis.
Natürlich gibt es auch echte Aggression. Ein kleiner Prozentsatz der Hunde ist gegenüber anderen Hunden ausgesprochen aggressiv und wirklich gefährlich. In diese Kategorie fallen zum Beispiel Hunde, die sich von der Leine losgerissen haben und mit vollem Karacho auf einen Hund auf der anderen Straßenseite losgerannt sind und diesen verletzt oder getötet haben. In einem solchen Fall hatte der Angreifer sicherlich die Möglichkeit, dem anderen Hund auszuweichen oder eine Bellsalve loszulassen, um ihn zu vertreiben. Aber stattdessen hat er sich fürs Weiterrennen und Angreifen entschieden. Ein wirklich aggressiver Hund erlebt keinen inneren Konflikt. Seine einzige Absicht ist es, Gewalt auszuüben – Punkt. Glücklicherweise machen wirklich aggressive Hunde nur einen sehr kleinen Prozentsatz der Hunde aus, die gemeinhin als „hundeaggressiv“ bezeichnet werden. Ich möchte wiederholen, dass die überwiegende Mehrheit lediglich eine angstbedingte Reaktivität zeigt.
Wenn Sie fürchten, dass Ihr Hund in die Kategorie der wirklich gefährlichen Hunde gehört, sollten Sie wie folgt vorgehen: Als erstes wenden Sie sich unverzüglich an einen professionellen Verhaltensspezialisten. Auch wenn dieses Buch sehr informativ ist und Ihnen dabei helfen wird, das Verhalten Ihres Hundes besser zu verstehen, sollten Sie nicht versuchen, ein Problem wie schwere Aggression alleine in den Griff bekommen zu wollen. Sofern der Spezialist sich darauf einlässt, arbeiten Sie gemeinsam die Trainingspläne durch, wie sie in diesem Buch beschrieben werden. Als zweites lesen Sie im Kapitel über Hilfsmittel nach, wie Sie Ihren Hund an einen Maulkorb gewöhnen können und beginnen Sie sofort damit. Einem wirklich aggressiven Hund sollte ein Maulkorb angelegt werden, wenn er sich in der Öffentlichkeit aufhält, um die Sicherheit anderer Hunde, Menschen sowie die eigene zu gewährleisten. Und drittens sollten Sie Ihren Hund, insbesondere dann, wenn das aggressive Verhalten plötzlich aufgetreten ist, zu einer gründlichen körperlichen Untersuchung und für ein großes Blutbild zum Tierarzt bringen. Jeder Hund – falls er krank ist, Schmerzen hat oder bei ihm ein physiologisches Ungleichgewicht vorliegt – kann sich aggressiv verhalten, auch wenn er von Natur aus nicht aggressiv ist
Im Vergleich zu echter Aggression mag angstbedingte Reaktivität nicht so schlimm erscheinen, aber im Normalfall „verwächst“ sie sich auch nicht von alleine. Sofern eine angstbasierte Reaktivität unbehandelt bleibt, kann es sogar noch schwieriger werden, das Problem in den Griff zu bekommen. Die gute Nachricht für Sie ist, dass Sie bereits auf dem besten Weg sind, das Verhalten Ihres Hundes zu ändern, noch ehe es dazu kommt. Im nächsten Kapitel werden wir einige der Gründe untersuchen, warum Ihr Hund genauso auf andere Hunde reagiert, wie er es tut.
Unabhängig von den Gründen, warum Ihr Hund auf andere Hunde reagiert, möchten Sie bestimmt nur erreichen, dass sich sein Verhalten ändert. Allerdings könnte die Erkenntnis über mögliche Ursachen seines Verhaltens dazu beitragen, dass Sie Ihren Hund besser verstehen, was wiederum Ihre Einstellung ihm gegenüber beeinflussen kann.
Nachfolgend nun einige mögliche Ursachen für eine Reaktivität des einen Hundes einem anderen Hund gegenüber:
Die Rasse kann eine Rolle dabei spielen, wie ein Hund auf andere Hunde reagiert. Eine Studie aus dem Jahr 2008 ergab, dass „mehr als 20 % der Akitas, Jack Russell Terrier und Pit Bull Terrier schwere Aggressionen gegenüber fremden Hunden zeigten. Golden Retriever, Labrador Retriever, Berner Sennenhunde, Brittany Spaniels, Windhunde und Whippets waren sowohl gegenüber Menschen als auch gegenüber Hunden am wenigsten aggressiv.“1
Man sollte jedoch niemals eine ganze Rasse als aggressiv einstufen, und zwar weder bezogen auf Menschen noch auf andere Hunde. Innerhalb jeder Hunderasse gibt es bestimmte Zuchtlinien, die ein breites Verhaltensspektrum sowie Variationen im Temperament der einzelnen Tiere begründen. Abgesehen davon, dass ein Hund etwa eine genetische Veranlagung für eine niedrige Frustrations- und Reaktionstoleranzschwelle hat, hat er vielleicht auch schon früh von seinen Eltern hundefeindliches Verhalten vorgelebt bekommen. Die gute Nachricht ist: Selbst wenn die Reaktivität Ihres Hundes genetisch bedingt ist, lässt sich dennoch in hohem Maße etwas daran ändern.
Jeder Hund hat einen genetischen Bauplan, aber mit Wissen, Liebe und Geduld können wir als Architekten in Bezug auf eine Veränderung fungieren.
Mangelnde frühe Sozialisierung sowie unzureichende kontinuierliche Sozialisierung sind häufige Gründe dafür, dass sich Hunde in der Nähe anderer Hunde unwohl fühlen. Die meisten Besitzer wissen, wie wichtig es ist, Welpen schon früh an andere Hunde heranzuführen, aber gleichzeitig werden sie von ihrem Tierarzt davor gewarnt, ihren Welpen in die Nähe anderer Hunde zu lassen, solange die Impfungen noch nicht abgeschlossen sind. In der Regel erhält ein Welpe seine letzte Impfung im Alter von vier Monaten. Aus verhaltenstherapeutischer Sicht liegt der optimale Zeitraum für die Sozialisierung, in dem Welpen mit neuen Menschen, Hunden und Orten bekannt gemacht werden sollten, damit sie später weniger Angst vor ihnen haben, bei einem Alter von vier bis zwölf Wochen. Somit ist klar, wo das Dilemma liegt.
Ich würde niemandem empfehlen, den Rat seines Tierarztes zu ignorieren. Es gibt echte Gefahren in Gestalt von Parvo, Staupe und anderen Krankheiten. Ebenfalls Fakt ist jedoch, dass viele nicht sozialisierte Hunde aufgrund von Verhaltensauffälligkeiten abgegeben oder sogar eingeschläfert werden. Gefahrlose Möglichkeiten, junge Welpen an andere Hunde zu gewöhnen, sind zum Beispiel das Mitnehmen an Orte, an denen sich andere Hunde normalerweise nicht aufhalten oder indem man sie zu einem Freund oder Nachbarn bringt, der einen welpenfreundlichen, nicht-territorialen, gesunden Hund hat.
Das Beste, was einem Welpen passieren kann, ist Zeit, die er mit einer gut sozialisierten erwachsenen Hündin verbringt. Die erwachsene Hündin erträgt das Kraulen, Maulen und die allgemeine Aufdringlichkeit des Welpen nur eine bestimmte Zeit lang und weist ihn dann in seine Schranken. Dadurch lernt der Welpe Manieren, was sehr wichtig ist. Während manche Hunde das unausstehliche Verhalten eines Jungtieres noch tolerieren mögen, so verlieren Welpen schließlich ihren „Welpenschutz“, und ein unkontrollierter Mangel an Manieren könnte später zu Problemen führen.
Obwohl viele Besitzer ihre Welpen gut sozialisieren, wird häufig weniger darauf geachtet, dass der Hund auch beim Heranwachsen gut sozialisiert wird. Selbst ein Hund, der schon früh mit vielen anderen Hunden in Kontakt kam, kann wieder weniger umgänglich werden, wenn er nicht weiterhin mit fremden Hunden in Kontakt kommt. Diese Desozialisierung kann durch eine Änderung des Lebensstils ausgelöst werden, etwa wenn die Familie in eine ländlichere Gegend umzieht, oder, was noch häufiger vorkommt, wenn weniger Zeit für die Beschäftigung des Hundes mit anderen Hunden aufgewendet wird.
Die Adoleszenz beginnt bei Hunden etwa im Alter von fünf bis sechs Monaten und dauert je nach Rasse und Individuum etwa achtzehn Monate bis drei Jahre. Obwohl die Adoleszenz an sich keine Ursache für Reaktivität ist, bemerken die Besitzer in dieser Entwicklungsphase häufig erste Verhaltensänderungen. Wenn ein junger Welpe einem anderen Hund begegnet und sich ängstlich oder unwohl fühlt, rennt er vielleicht weg, versteckt sich hinter seinem Besitzer oder hinter etwas anderem, das gerade zur Hand ist, oder, wenn er angeleint ist, versucht er, sich so weit wie möglich zu entfernen. Sobald der Welpe jedoch das Jugendalter erreicht hat, wird er möglicherweise zum Angriff übergehen, um den anderen Hund zum Rückzug zu bewegen. Bellen scheint zu funktionieren, denn der andere Hund zieht sich zurück. Bellen verstärkt den Effekt noch. Und damit wird wieder das Verhalten verstärkt.
In meiner langjährigen Arbeit mit Hunden habe ich die am meisten ausgeprägten Verhaltensänderungen oft im Alter von zehn Monaten und dann wieder mit eineinhalb Jahren festgestellt. Wenn Sie einen Hund im Teenageralter haben, der besorgniserregendes Verhalten zu zeigen beginnt, brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen; Ihr Hund braucht höchstwahrscheinlich nur ein wenig sanfte Führung. Wie das geht, erklärt Ihnen dieses Buch.
Einige Hunderassen sind von Natur aus räuberischer als andere. In der freien Wildbahn ist die Verhaltensabfolge beim Jagen: Suchen – Anpirschen – Hetzen – Packen – Töten. Mit der Domestizierung wurden einige Teile dieser Kette abgeschwächt, aber nicht vollständig eliminiert. Hütehunderassen zum Beispiel pirschen sich an und hetzen, aber sie packen und töten normalerweise nicht. Die meisten Terrier hingegen führen, wenn sie die Gelegenheit dazu haben und eine glücklose Maus finden, gerne die gesamte Sequenz durch. Aber unabhängig von der Rasse ist sich jeder Hundebesitzer sicher bewusst, dass der Raubtierinstinkt in seinem Hund lebendig ist. Meine Herzenshündin Sierra hat sich dank ihres unglaublich ausgeprägten Beutetriebs den Spitznamen „Mamas Räuber“ (Mommy‘s Little Predator) verdient. Sie liegt auf dem Absatz vor unserer Hintertür und wartet mit unendlicher Geduld darauf, dass eine Eidechse, eine Maus oder ein anderes kleines Viech auftaucht. Ich habe schon beobachtet, wie sie eine Eidechse dreißig Minuten lang still und leise beobachtet hat, ohne auch nur einen Muskel zu bewegen, um dann in Aktion zu treten, wenn die arme Eidechse sich gerade davonmachen wollte.
Nur weil ein Hund Vögel, Kaninchen oder sogar Katzen jagt, bedeutet das nicht automatisch, dass sein Beutetrieb auch durch kleinere Hunde ausgelöst wird. Wenn Hunde jedoch Elemente des Beutegreiferverhaltens gegenüber Hunden zeigen, die kleiner sind als sie selbst, wird dieses Verhalten manchmal als „Beuteaggression“ eingestuft. Meiner Meinung nach ist dies eine fehlerhafte Bezeichnung, da bei der Beutejagd keine Aggression im Spiel ist. Raubtierverhaltensmuster sind in der DNA aller Hunde verankert, auch wenn sie bei den Jagd- und Hütehunderassen stärker ausgeprägt sind. Hinzu kommt, dass einige Tiere einfach einen stärkeren Beutetrieb haben als andere. Das soll nicht heißen, dass Beuteverhalten nicht verändert oder gesteuert werden kann. Aber bei einem stark ausgeprägten Instinkt kann es zur Herausforderung werden, diesen zu bekämpfen.
Vor Jahren hatte ich eine Deutsche Schäferhündin namens Soko. Als Welpe war Soko freundlich zu Menschen und anderen Hunden. Doch eines Tages riss sich ein großer weißer Hund im Park von der Leine los. Er rannte auf Soko zu, warf sie zu Boden und stellte sich bedrohlich über sie. Obwohl sie keinen körperlichen Schaden erlitt, ist ihr das psychologische Trauma geblieben. Von diesem Zeitpunkt an reagierte Soko auf jeden großen weißen Hund, dem sie begegnete. Es hat viel Zeit und Mühe gekostet, ihr bei der Überwindung dieses Traumas zu helfen.
Viele Hunde werden durch ähnliche Vorfälle traumatisiert, egal, ob sie tatsächlich verletzt wurden oder nicht. Das unterscheidet sich nicht so sehr von der menschlichen Psychologie. Ich habe eine Freundin, die durch ein Erlebnis mit einem Pferd traumatisiert wurde, auf dem sie reiten lernte, als sie noch jung war. Das Pferd drehte sich ständig um und versuchte, sie ins Bein zu beißen, warf sie schließlich bockend ab und trat sie fast nieder. Danach schlug die Vorliebe meiner Freundin für Pferde in Angst um. Bei einem Hund kann ein Trauma durch einen anderen Hund Angst auslösen, die zu einer angstbasierten Reaktivität führt. Diese Reaktion kann sich auf Hunde der gleichen Rasse, Farbe, Größe oder des gleichen Geschlechts wie der Angreifer beschränken oder sich auf die meisten oder alle anderen Hunde erstrecken.
Manche Hunde, die gegenüber anderen Hunden reaktiv zu sein scheinen, verhalten sich nur an der Leine so. Dieses Verhalten wird gemeinhin als Leinenaggression oder Leinenfrustration bezeichnet. Diese Hunde sind meistens absolut in Ordnung, wenn sie unangeleint mit anderen Hunden zusammen sind und können sogar fröhlich mit ihnen spielen. Aber wehe, wenn sie angeleint sind – dann schlägt ihr Verhalten sofort in Reaktivität um.
Um Leinenfrustration zu verstehen, stellen Sie sich bitte einmal vor, welche Frustration Sie empfinden, wenn Sie im Stau feststecken. Sie wollen Ihr Ziel erreichen, und vielleicht haben Sie es sogar eilig, dorthin zu kommen. Aber die Autos vor Ihnen halten Sie zurück. Frustration an der Leine hat eine ähnliche Dynamik. Ein Hund weiß nicht, was eine Leine ist; er versteht nur, dass er mit dieser daran gehindert wird, dorthin zu gelangen, wohin er möchte, nämlich zu einem anderen Hund. Bei manchen Hunden geht die Erregung so weit, dass sie sogar eine umgeleitete Aggression an den Tag legen, sich umdrehen und in die Hand beißen, die die Leine hält.
Viele Hunde mit Leinenfrustration haben eine geringe Frustrationstoleranz, vor allem, wenn ihnen nie beigebracht wurde, dass sie ihren Willen nicht immer durchsetzen können. Sie können bei Menschen und anderen Hunden körperlich aufdringlich sein, haben Schwierigkeiten bei Impulskontrollübungen wie dem Sitzenbleiben und Warten, bis sie zum Fressen losgelassen werden und werden unruhig, wenn sie keine Aufmerksamkeit erhalten, wenn sie diese gerade wollen. Wenn ein leicht frustrierter Hund am Ende der Leine daran gehindert wird, dorthin zu gelangen, wo er hinmöchte, kann dies also zu reaktivem Verhalten führen.