Friesenkinder - Sandra Dünschede - E-Book

Friesenkinder E-Book

Sandra Dünschede

4,4

Beschreibung

Vor der KZ-Gedenkstätte im nordfriesischen Ladelund wird die Leiche eines iranischen Arztes gefunden. Alle Hinweise deuten auf einen Mord mit fremdenfeindlichem Tatmotiv hin und schnell findet Kommissar Thamsen erste Verdächtige in der rechten Szene. Dann wird jedoch ein Neugeborenes aus dem Husumer Krankenhaus entführt und zwischen den beiden Fällen scheint es einen Zusammenhang zu geben. Kommissar Thamsen nimmt zusammen mit seinen Freunden Tom, Haie und Marlene die Ermittlungen in die Hand …

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 358

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
4,4 (18 Bewertungen)
12
2
4
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.

Beliebtheit



Sammlungen



Sandra Dünschede

Friesenkinder

Kriminalroman

Zum Buch

Ihr Kinderlein kommet Ein Jogger findet vor der KZ-Gedenkstätte in Ladelund die Leiche eines iranischen Arztes. Alle Hinweise deuten darauf hin, dass der Täter aus der rechten Szene kommt. Schnell findet Kommissar Thamsen auch erste Verdächtige. Doch dann erschüttert ein weiteres Verbrechen Nordfriesland: Ein Neugeborenes verschwindet spurlos aus dem Husumer Krankenhaus. Nicht nur Thamsen ist schockiert, sondern auch seine Freunde Tom, Haie und Marlene. Marlene hat selbst gerade entbunden und liegt mit der Mutter des verschwundenen Babys in einem Zimmer. Wie selbstverständlich mischen sich die drei Freunde in die Ermittlungen ein. Eine Spur führt sie in die Praxis des ermordeten Arztes. Hat der braune Terror in Nordfriesland Einzug gehalten? Wurde der ausländische Arzt von Mitgliedern der rechten Szene umgebracht? Gibt es eine Verbindung zwischen dem Mord und der Entführung des Babys? Die Suche nach der Wahrheit führt in einen Sumpf von Hass und Gewalt …

Sandra Dünschede, geboren 1972 in Niebüll/Nordfriesland, erlernte zunächst den Beruf der Bankkauffrau und arbeitete etliche Jahre in diesem Bereich. Im Jahr 2000 entschied sie sich zu einem Studium der Germanistik und Allgemeinen Sprachwissenschaft. Kurz darauf begann sie mit dem Schreiben, vornehmlich von Kurzgeschichten und Kurzkrimis. 2006 erschien ihr erster Kriminalroman „Deichgrab“. Seitdem lebt sie als freie Autorin in Hamburg.

Impressum

Personen und Handlung sind frei erfunden.

Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen

sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

Immer informiert

Spannung pur – mit unserem Newsletter informieren wir Sie

regelmäßig über Wissenswertes aus unserer Bücherwelt.

Gefällt mir!

     

Facebook: @Gmeiner.Verlag

Instagram: @gmeinerverlag

Twitter: @GmeinerVerlag

Besuchen Sie uns im Internet:

www.gmeiner-verlag.de

© 2013 – Gmeiner-Verlag GmbH

Im Ehnried 5, 88605 Meßkirch

Telefon 0 75 75 / 20 95 - 0

[email protected]

Alle Rechte vorbehalten

Lektorat: Claudia Senghaas, Kirchardt

Herstellung/E-Book: Mirjam Hecht

Umschlaggestaltung: U.O.R.G. Lutz Eberle, Stuttgart

unter Verwendung eines Fotos von: © mafied / photocase.com und Lutz Eberle

ISBN 978-3-8392-4116-5

Widmung

För Ida,

boorn in Hamburg, schast du alltiet weten,

wo du tohörst.

Vun Harten willkamen lütte Deern bi uns

im Norden.

Zitat

›Lasset die Kindlein zu mir kommen und wehret ihnen nicht, denn solcher ist das Reich Gottes.‹

Markus 10,14

1.

»Es geht los.« Marlene rüttelte Tom heftig am Arm. Der war sofort hellwach. Bereits seit mehreren Tagen waren die beiden in Alarmbereitschaft. Immerhin war der eigentliche Termin schon seit einer Woche überschritten. Tom sprang aus dem Bett und dabei beinahe gleichzeitig in seine Jeans, die direkt davor lag. Nur zwei Minuten und er war fertig. Marlene stand, bereits angezogen, mit der kleinen Reisetasche in der Hand in der Schlafzimmertür. Sie wirkte, im Gegensatz zu Tom, wesentlich entspannter. Erstaunlich, wenn man bedachte, was ihr bevorstand. Tom nahm ihr die Tasche ab und hechtete die Treppe hinunter. »Meinst du denn, wir schaffen es noch nach Husum?« Ihm wurde speiübel bei dem Gedanken daran, sie könnten nicht rechtzeitig in Husum sein. Und Marlenes »Ich hoffe doch« beruhigte ihn keineswegs. Er stellte die Tasche auf die Rücksitzbank, half ihr auf den Beifahrersitz und rannte um das Fahrzeug herum, um hinter dem Steuer Platz zu nehmen. Kaum saß er hinter dem Lenkrad, gab er auch schon Gas. Zum Glück waren um diese Uhrzeit so gut wie keine anderen Autos auf der Straße. Mit pochendem Herzen und schweißnassen Händen lenkte Tom den Wagen über die B5 Richtung Husum. Aus dem Augenwinkel sah er, wie sich Marlenes Gesicht vor Schmerzen mehr und mehr verzerrte, und trat noch kräftiger aufs Gas. Was, wenn sie es nicht schafften? Nur das nicht, flehte er innerlich. Was sollte er tun? Alles, was er in dem vorbereitenden Kurs gelernt hatte, schien wie weggeblasen. Ein Blackout. Er konnte sich nicht einmal mehr an das Gesicht der Hebamme erinnern, die ihnen die Maßnahmen erklärt hatte. Panik ergriff ihn. Er versuchte, Marlenes Stöhnen zu ignorieren, und gab einfach nur Gas.

Knapp eine halbe Stunde später erreichten sie die Husumer Klinik. Obwohl das für diese Strecke eine enorm gute Zeit war, erschien Tom die Fahrt wie eine Ewigkeit. Kopflos stürzte er in die Aufnahme. »Meine Frau bekommt ein Kind! Wir brauchen Hilfe!« Die ältere Schwester hinter dem Tresen grinste. Sie erlebte solch einen aufgescheuchten angehenden Vater wohl nicht das erste Mal. Langsam legte sie die Zeitschrift, in der sie gerade geblättert hatte, zur Seite und erhob sich. »Na, dann nehmen Sie sich mal da drüben einen AOK-Chopper und bringen Ihre Frau erst einmal rein. Oder wollen Sie, dass sie ihr Kind da draußen im Stehen bekommt?« Sie deutete mit einem Kopfnicken hinüber zum Eingang. Siedend heiß fiel Tom ein, dass er Marlene total vergessen hatte. Er griff einen der Rollstühle und hastete wieder hinaus. Marlene hatte sich inzwischen selbst aus dem Auto gewälzt und stützte sich an der Beifahrertür ab. Sie lächelte trotz der Schmerzen, als sie Tom derart aufgeregt mit dem Rollstuhl auf sich zurasen sah.

»Hast du dich nett unterhalten?«, fragte sie, doch Tom nahm ihre spitze Bemerkung nicht wahr. Er packte Marlene am Arm, drückte sie in den Rollstuhl und schob sofort los.

Marlene wollte ihn noch an die Tasche erinnern, doch da kam bereits die nächste Wehe, stärker als jene zuvor, und sie schrie vor Schmerz auf.

»Oh Gott, oh Gott«, stammelte Tom, während er den Rollstuhl immer schneller auf den Empfangstresen zuschob. Die Schwester war mittlerweile aufgestanden und verschaffte sich einen Überblick über die Lage. Die Wehen kamen in immer kürzeren Abständen, was für sie allerdings keinen Grund zur Eile bot. Sie drückte Tom die Aufnahmepapiere in die Hand, bedachte Marlene mit einem »Das wird schon, Kindchen« und nahm dann den Telefonhörer in die Hand, um in der gynäkologischen Abteilung anzurufen.

Das junge Mädchen, das wenig später in der Aufnahme erschien, machte nicht unbedingt einen kompetenten Eindruck. »Meine Kollegin bringt Ihre Frau nun auf Station«, erklärte die Frau vom Tresen, während das Mädchen bereits Marlene in Richtung Aufzug schob.

Kollegin? Tom runzelte die Stirn. Das war ja wohl ganz offensichtlich eine Auszubildende. Was, wenn sie mit dem Mädchen im Aufzug stecken blieben? Er hatte ohnehin eine Phobie gegen Fahrstühle. Aber die Vorstellung, mit seiner gebärenden Frau und diesem hilflos wirkenden Wesen zusammen während der Geburt in dieser engen Kabine eingesperrt zu sein, schürte zusätzliche Ängste. Schweiß stand ihm auf der Stirn, alles in ihm sträubte sich dagegen, in den Aufzug zu steigen. Doch da schrie Marlene erneut auf, sodass es ihm durch Mark und Bein fuhr. Er sprang in den Aufzug, und kurz darauf schlossen sich die Türen zu dem Gefängnis.

Die junge Schwester grinste ihn an, während er krampfhaft Halt an dem Rollstuhl suchte. Die macht sich doch wohl nicht lustig, schoss es ihm durch den Kopf, doch im selben Moment gab es einen Ruck und der Fahrstuhl hielt an. Das Mädchen grinste immer noch, während Tom tausend Tode starb und Marlene aufgrund einer erneuten Wehe aufschrie.

»Familie Meissner!« Auf dem Gang der gynäkologischen Abteilung stand Frau Maas, Marlenes Hebamme. »Gehts los?«

Was für eine dämliche Frage, dachte Tom. Das sieht man ja wohl. Doch trotz alledem war er froh, die leicht rundliche Frau mit dem roten Gesicht zu sehen. Er nickte.

»Gut, dann gehe ich mal mit Ihrer Frau an den Wehenschreiber und kurz die Herztöne überprüfen. Sie können inzwischen schon Ihre Badehose anziehen, Herr Meissner. Es bleibt doch bei der Wassergeburt, oder?«

Badehose? An die hatte Tom in der Aufregung gar nicht gedacht. Hatte Marlene ihm eine in die Reisetasche gepackt?

»Marlene, wo ist denn meine Badehose?«

»Was weiß ich, wo deine Scheißbadehose ist!«, presste Marlene zwischen zwei Wehen hervor. Sie hatte unerträgliche Schmerzen, beinahe kam es ihr vor, als wenn ihr Unterleib in Stücke gerissen würde, und Tom fragte sie allen Ernstes, wo seine verdammte Badehose war? Hatte er keine anderen Sorgen?

»Das macht nichts«, beruhigte Frau Maas die Gemüter. »Das kommt öfter vor. Eileen gibt Ihnen eine Leihbadehose.«

Wieder grinste das junge Mädchen Tom an. »Na, dann wollen wir mal schauen, was wir Modisches für Sie haben.«

Die dunkle Badehose mit dem kuriosen pinken Muster, die sie aus einem Schrank im Schwesternzimmer hervorkramte, hatte allerdings so überhaupt keinen modischen Chic, aber in diesem Fall musste sie reichen. Tom konnte sich ja schlecht nackt vor den Schwestern zu Marlene in die Badewanne setzen, um sie bei der Geburt zu unterstützen. Mit der Badehose in der Hand, machte er sich auf zur Toilette, um sich umzuziehen.

Als er zurückkam, war Hektik ausgebrochen. Tom spürte sofort, dass etwas nicht in Ordnung war, denn die Hebamme telefonierte, wild gestikulierend, im Schwesternzimmer, während er Marlene im Kreißsaal schreien hörte. Angst überkam ihn. Eine Geburt barg immer Risiken, das hatten sie gewusst, aber die Vorfreude auf sein Kind hatte ihn diese Gefahr vergessen lassen. Mit wenigen großen Schritten war er bei Marlene. Die junge Schwester hielt ihre Hand. Ihr Grinsen war verschwunden.

»Die Herztöne sind schlecht. Wir müssen das Baby sofort holen.«

2.

Der Morgen war bereits angebrochen, doch dies war einer dieser zahlreichen dunklen Tage im Norden, an denen es kaum richtig hell wurde. Der Himmel war wolkenverhangen und über den Wiesen waberte ein undurchdringlicher Nebelschleier, der jedes Geräusch verschluckte und die Welt lautlos machte.

Marten Hansen liebte dieses graue, düstere Wetter. Für ihn war es unverständlich, wie anderen Menschen diese Stimmung derart aufs Gemüt schlagen konnte, dass sie in Depressionen verfielen. Sahen sie denn nicht diese grandiosen Formationen, die feinen Schattierungen von Grau, dieses Kunstwerk der Natur? Er liebte es, durch diese geisterhafte Landschaft zu laufen und nichts als den eigenen Atem zu hören. Die Stille und Einsamkeit waren für ihn eine Wohltat für die Seele. Und noch etwas kam ihm in dieser grauen Jahreszeit entgegen. Niemand sah ihn.

Er lief zwar nun schon gut ein Jahr, aber sein Übergewicht sah man ihm nach wie vor deutlich an. Und oftmals begegnete er Leuten, die ihn mitleidig angrinsten. Doch er wollte kein Mitleid, er wollte einzig und allein schlank werden. Daher lief er – und besonders gern im Nebel, wenn ihn niemand dabei beobachten konnte. Er bog von der Dorfstraße in die Raiffeisenstraße ab, von wo es hinaus in die Felder ging. An der KZ-Gedenkstelle verlangsamte er sein Tempo. Er fand es unangebracht, hechelnd an dieser Erinnerungsstätte vorbeizurennen, und hielt jeden Morgen einen kurzen Moment inne.

Ganz begreifen würde er diese grausamen Verbrechen wahrscheinlich niemals, aber er wollte sie auch nicht vergessen. Er hatte das Dokumentenhaus passiert und lief nun in Richtung des ehemaligen Panzergrabens. Dieser Ort erinnerte an die einstige Zwangsarbeit im KZ Ladelund. Tausende Kriegsgefangene und Lagerhäftlinge hatten auf ›Befehl des Führers‹ 1944 die deutsche Nordseeküste von der niederländischen Grenze bis nach Dänemark mit Schanzgräben gesichert. Sieben Tage die Woche à zwölf Stunden arbeiteten sie bei Kälte, Wind und Dauerregen. Mit primitivstem Gerät mussten sie den schweren und nassen Boden bewegen, um den sogenannten Friesenwall zu errichten, wobei viele der Menschen starben.

Marten hatte die Stato erreicht und bog nun auf den Fußweg Richtung Grenzstraße ab. Direkt auf der gegenüberliegenden Straßenseite befand sich das ehemalige Lagergelände. Die Baracken waren längst abgerissen. Heute wurde die Fläche wieder landwirtschaftlich genutzt. Doch am Rande des Areals erinnerten ein großer Gedenkstein und eine Stahlskulptur, die heute im dichten Nebel kaum zu erkennen waren, an die Geschehnisse von 1944. Und trotzdem fiel Marten sofort auf, dass an dem vertrauten Bild etwas nicht stimmte. Direkt vor dem Findling zeichnete sich in den grauen Schwaden eine dunkle Erhebung ab. Langsam überquerte er die Straße und näherte sich durch das nasse Gras. Die Feuchtigkeit durchdrang seine Schuhe und schließlich auch die Socken. Doch Marten nahm das gar nicht wahr. Er fixierte den Punkt direkt vor dem Gedenkstein, während er einen Fuß vor den anderen setzte.

Die Würde des Menschen ist unantastbar.

Der Nebel lichtete sich. Marten schluckte. Sein Mund war ganz trocken. Er blinzelte, doch das Bild vor ihm im feuchten Gras blieb gleich. Nur wenige Schritte vor ihm lag der reglose Körper eines Mannes.

»Moin, Chef«, begrüßte Gunter Sönksen Dirk Thamsen, als dieser den Gemeinschaftsraum der Polizeidienststelle in Niebüll betrat. »Auch einen Kaffee?«

Thamsen nickte. Es war früh, sehr früh, und ohne eine ausreichende Dosis Koffein war er zu dieser Tageszeit eigentlich gar nicht zu gebrauchen. Seit er vor circa drei Jahren die Leitung der Dienststelle übernommen hatte, war sein Kaffeekonsum drastisch gestiegen. Als Vorgesetzter wollte er mit gutem Beispiel vorangehen und möglichst immer als Erster im Büro sein. Das war in der Regel auch, trotzdem er alleinerziehend war, kein Problem, denn die Kinder waren mittlerweile so groß, dass sie allein zur Schule gingen, und vor sieben Uhr ließen sich die anderen Mitarbeiter ohnehin selten blicken. Ausgenommen war natürlich der diensthabende Schichtleiter mit den Kollegen, aber die zählten für Thamsen nicht.

Außerdem hätte er gar nicht gewusst, wie er seine Arbeit bewältigen sollte, wenn er nicht so früh im Büro wäre. Der ganze Papierkram nahm eine Menge Zeit in Anspruch. Das war er gewohnt. Bereits vor seiner Zeit als Dienststellenleiter hatte das Schreiben von Berichten viel Raum in seinem täglichen Arbeitsablauf eingenommen. Hinzu kamen nun jedoch die Mitarbeitergespräche, Beurteilungen und natürlich Meetings mit seinen Vorgesetzten sowie auch offizielle Veranstaltungen. Er war nur froh, dass Timo und Anne aus dem Gröbsten raus waren. Ansonsten hätte er nicht gewusst, wie er das alles unter einen Hut hätte bringen sollen. Obwohl es schon eine Zeit lang brauchte, bis sich alles eingespielt hatte. Am Anfang war es nicht leicht für ihn gewesen. Er besaß ja keine Vorstellung davon, welche Aufgaben sein ehemaliger Chef Rudolf Lange ihm hinterlassen hatte. Dirks Eindruck war damals, sein Vorgesetzter hätte im Gegensatz zu ihm ein relativ entspanntes Leben. Doch mittlerweile wusste er besser als jeder andere, dem war ganz und gar nicht so. Von allen Seiten bekam er Druck und verlor manchmal das eigentliche Ziel seiner Arbeit aus den Augen. Doch meist nur kurz, denn damit er nicht vergaß, dass der Sinn seiner Arbeit die Bekämpfung jeglichen Verbrechens war, übernahm er selbst nach wie vor die Leitung des einen oder anderen Falls. Das bedeutete natürlich zusätzliche Arbeit, holte ihn aber oftmals auf den Boden der Tatsachen zurück und ließ ihn den Bezug zur Arbeit seiner Mitarbeiter nicht verlieren. Die zollten ihm dafür gehörig Respekt, was Thamsen wiederum bestätigte, den richtigen Weg eingeschlagen zu haben.

Er stieß die Tür zu seinem Büro mit dem Fuß auf und knipste das Licht mit der Schulter an. Dann stellte er den Kaffeebecher auf seinem Schreibtisch ab und schaltete den Computer ein. Er hatte gerade die ersten Zeilen eines Berichtes gelesen, als sein Telefon klingelte.

»Da ist ein Anruf aus Husum«, hörte er Gunter Sönksen sagen.

»Und?« Es war schließlich nichts Ungewöhnliches, wenn sie ein Telefonat aus der Polizeidirektion erhielten.

»Kripo.«

Das wiederum war nicht alltäglich, denn die Kollegen von der Kriminalpolizei riefen in der Regel nur an, wenn es im Niebüller Zuständigkeitsbereich eine Leiche gab. Was relativ selten vorkam. Aber wenn der Leichenfund über die 110 reinkam, dann erfuhren die Husumer meist vor ihm, was in seinem Bereich passiert war.

»Moin, Dirk«, begrüßte ihn Lorenz Meister von der Kripo.

»Moin, na, was gibt’s?«, fragte Thamsen ohne Umschweife. Wenn es tatsächlich einen Leichenfund gab, war jede Minute kostbar.

»Wir haben einen Anruf aus Ladelund. Ein Jogger hat eine Leiche vor dem Gedenkstein der KZ-Stätte gefunden. Kannst du das übernehmen?«

Er wusste, warum die Kollegen ihn persönlich baten. Immerhin war eine Leiche an solch einem geschichtsträchtigen Ort ziemlich heikel. Das würde auf jeden Fall für ordentlichen Wirbel in der Presse sorgen. Ohne Frage war der Fall allein deshalb Chefsache.

»Klar. Mach mich sofort auf den Weg.«

Als Thamsen etwa 20 Minuten später mit drei weiteren Kollegen in Ladelund eintraf, hatte sich bereits eine Schar Schaulustiger versammelt. Sämtliche Bewohner Ladelunds schienen sich zur Unglücksstelle aufgemacht zu haben. Immer wieder fragte er sich, was die Menschen an solch grässlichen Orten derart magisch anzuziehen schien. Es war ihm bisher jedoch in seiner gesamten Dienstzeit nicht gelungen, eine Antwort darauf zu finden. Er wies zwei der Kollegen direkt an, den Fundort zu sichern und entsprechend abzusperren.

»Du scheuchst die Geier schon mal zurück«, zischte er dem dritten Mitarbeiter zu, straffte die Schultern und ging auf die Menschen zu, die dicht gedrängt vor der Gedenkstätte standen.

»Darf ich bitte mal?« Die Leute machten kaum Platz. Jeder wollte den besten Blick auf den grausigen Fund erhaschen und vor allem wissen, wer der Tote war. Zum Glück hatte sich noch keiner getraut, die Leiche anzufassen. Oder doch? Woher wusste man sonst, dass er tot war? Und wer hatte überhaupt die Polizei verständigt? Thamsen verschaffte sich Platz mithilfe der Ellenbogen.

Endlich lichtete sich die Menge und gab den Blick auf den Toten frei. Der lag direkt vor dem Gedenkstein der KZ-Gedenkstelle. Nackt, und auf den bleichen Rücken hatte der Täter mit Blut ein Hakenkreuz gemalt. Jedenfalls nahm er an, dass es sich bei der rötlichen Schmiererei um Blut handelte. Makaberer geht es kaum, schoss es Thamsen durch den Kopf, als er die Inschrift auf dem Mahnmal las.

›Die Würde des Menschen ist unantastbar.‹

Wenige Meter entfernt, bei der Stahlskulptur, stand ein korpulenter Mann in Sportdress. Das Bild wirkte skurril. Die strichmännchenhaften Skulpturen und daneben der dicke Mann. Er stützte sich an der Plastik ab. Offensichtlich hatte der Fund ihn mitgenommen.

»Haben Sie den Toten gefunden?«, rief er dem Mann zu und erwartete eigentlich, dass dieser zu ihm hinüberkam. Doch der Jogger schien wie festgewachsen an dem Konstrukt und nickte lediglich.

»Haben Sie etwas verändert, den Toten berührt?« Wieder gab es keine akustische Antwort, sondern lediglich eine verneinende Kopfbewegung. Thamsen blickte auf den leblosen Körper hinunter. Auf den ersten Blick konnte man eigentlich gar nichts sagen, denn der Mann lag auf dem Bauch, mit dem Gesicht im feuchten Gras. Lediglich, dass es ein Mann war, konnte man an der Körperstatur erkennen. Sonst aber nichts. Wieso war der Jogger so überzeugt gewesen, dass der Mann tot war, überlegte Dirk Thamsen, während er aus seiner Jackentasche ein paar Latexhandschuhe zog.

Langsam kniete er sich neben den Mann und tastete zunächst nach der Halsschlagader. Doch er konnte keinen Puls ertasten und durch die dünnen Gummihandschuhe fühlte er die eisige Kälte, die von dem Körper ausging. Vermutlich lag der Mann bereits eine ganze Weile hier, und selbst wenn er noch gelebt hatte, war er mittlerweile derart unterkühlt, dass sein Herz allein deswegen aufgehört hatte zu schlagen. Thamsen fasste den Leichnam an der Schulter und richtete dessen Oberkörper ein wenig auf, um in das Gesicht des Toten blicken zu können.

»Auch das noch«, murmelte er.

3.

Das Freizeichen erklang bereits zum zehnten Mal, doch am anderen Ende der Leitung meldete sich niemand.

»Seltsam«, befand Haie und legte langsam den Hörer auf. Tom hatte doch versprochen, ihm Bescheid zu geben, wenn es so weit war. Ob etwas nicht in Ordnung war? Unschlüssig stand er vor dem kleinen braunen Schränkchen und blickte auf das Telefon hinab. Und wenn er in der Klinik anrief?

Ach was. Haie schüttelte seinen Kopf. Er benahm sich ja schlimmer als ein werdender Vater. Die beiden würden sich schon melden. Schließlich sollte er der Patenonkel werden und würde daher sicherlich als einer der Ersten von der Geburt erfahren.

Er ging hinüber in die Küche und stellte die Kaffeemaschine an. Röchelnd und gurgelnd setzte sich das Gerät in Gang. Wasser und Kaffeepulver hatte er wie immer bereits am Vorabend eingefüllt.

Im Radio liefen gerade die Verkehrshinweise, die Nachrichten hatte er nur knapp verpasst. Aber für Haie gab es momentan sowieso nichts Interessanteres als den Nachwuchs seiner Freunde. Er freute sich beinahe genauso, als wenn er selbst Vater werden würde.

Ihm und seiner Exfrau Elke war dieses Glück leider verwehrt geblieben. Wie sehr hatte er sich damals ein Kind gewünscht, doch irgendwie hatte es nicht klappen wollen. Heute glaubte er, es habe seinen Grund gehabt, dass sie kinderlos geblieben waren. Und vielleicht war es sogar besser so. Die Kaffeemaschine pfiff aus dem letzten Loch. Ein abschließendes Gurgeln und der Kaffee war fertig. Er nahm sich eine Tasse, den Rest goss er in eine Thermoskanne für sein zweites Frühstück auf der Arbeit. Dann schmierte er sich ein Brot und belegte sich zwei weitere Schnitten zum Mitnehmen. Früher hatte Elke das immer für ihn gemacht. Aber das war lang her. Seit ihrer Trennung lebte er allein und versorgte sich selbst. Was ihm mehr oder weniger gut gelang.

Er griff nach einer bunten Blechdose und öffnete sie. Mit leichtem Entsetzen stellte er fest, dass er keinen Würfelzucker für seinen Kaffee mehr hatte. Aber das ließ sich leicht beheben. Er würde vor der Arbeit einfach kurz beim SPAR-Markt anhalten und welchen kaufen. Das war zwar ein kleiner Umweg, aber da Haie immer zeitig auf den Beinen war, konnte er diesen locker in Kauf nehmen.

Der kleine Supermarkt lag direkt an der Dorfstraße und war um diese Tageszeit stark frequentiert. Viele Berufstätige besorgten wie Haie auf dem Weg zur Arbeit schnell noch ein paar Kleinigkeiten oder ihr Frühstück. Zusätzlich verstopften zahlreiche Schüler die Gänge, insbesondere die direkt vor der Kasse, wo sich die Süßigkeiten befanden. Haie zwängte sich durch zwei riesige Tornister hindurch und griff nach einer Packung Würfelzucker.

»Moin, Haie«, wurde er von einem älteren Herrn mit Pudelmütze begrüßt. »Bannig kolt worn, was?«

Haie nickte dem Mann zu. Er kannte Oke Hansen seit seiner Schulzeit. Wie er selbst, war der Kfz-Meister aus dem Dorf nie weggekommen. Was allerdings keinen der beiden störte. Schließlich waren sie nicht die Einzigen, die ihr gesamtes Leben in Risum-Lindholm verbracht hatten. Eine Reihe Leute lebte hier seit ihrer Geburt. Und warum auch nicht? Dieser kleine Ort in Nordfriesland war immerhin einer der schönsten Plätze der Welt. Das bestätigten nicht nur die zahlreichen Touristen, die jährlich zu Besuch kamen. »Ja, is de Ostwind«, begründete Haie die Kälte, während sie zusammen zur Kasse gingen und sich an eine lange Schlange anstellten.

»Mann, hier is doch sonst nicht so viel los«, kommentierte Oke Hansen die Warteschlange und streckte seinen Kopf in die Höhe, um besser sehen zu können, was die Kassiererin aufhielt. Das konnte Haie allerdings sagen, ohne sich dafür den Hals zu verrenken.

»Helene klatscht bestimmt wieder, oder?«, fragte er den alten Schulfreund, als dieser kopfschüttelnd wieder eine normale Körperhaltung neben ihm einnahm.

»Na klor.«

Es dauerte eine halbe Ewigkeit, bis sie endlich an der Reihe waren. Scheinbar gab es so sensationelle Neuigkeiten im Dorf, und die Kaufmannsfrau sah es natürlich als ihre Pflicht an, jeden darüber zu informieren.

»Hett jem all hört?«, fragte sie die beiden, während sie den Preis von Haies Würfelzucker in die Kasse eintippte.

»Watt?«, hakte Oke Hansen ein. Wahrscheinlich hatte er die Hoffnung, Helene würde dadurch schneller zum Punkt kommen. Doch seine deutlich zum Ausdruck gebrachte Unwissenheit ließ die Frau hinter der Kasse geradezu triumphieren. Und dieses Gefühl wollte sie selbstverständlich auskosten.

»Nicht?«

»Watt, nich?« Oke Hansen verstand nicht.

»Na, jem hett noch nicht das Neueste hört?«

»Anscheinend nicht«, schaltete sich nun Haie ein, dem dieses Wortpingpong auf die Nerven ging.

Die Kaufmannsfrau kniff ihre Augen zu engen Schlitzen zusammen und warf ihre Stirn in Falten. Fast machte es den Anschein, als überlegte sie, ob die beiden würdig waren, ihre exklusiven Nachrichten zu hören, aber Haie wusste nur zu gut, sie würde mit den Neuigkeiten nie und nimmer hinter dem Berg halten können und letztlich nur noch einmal ihre Überlegenheit aufgrund des Wissensvorsprungs auskosten.

»In Ladelund haben sie ’ne Leiche entdeckt«, platzte es auch schon aus ihr heraus.

»Echt?«, fragte Oke Hansen. Es hatte zwar in der Umgebung schon den einen oder anderen Mord gegeben, aber natürlich kam so etwas in dieser doch eher friedlichen Gegend selten vor. Dementsprechend groß war nun das Interesse an solch einer Neuigkeit.

Helene vom SPAR-Markt nickte emsig, um ihre Aussage zu bestätigen. »Und wisst ihr, wo?«

Haie und Oke Hansen schüttelten beinahe gleichzeitig ihre Köpfe.

»Man soll das ja nicht glauben. Aber der Tote lag wohl vor dem Stein von der KZ-Gedenkstätte.« Helene stemmte entrüstet ihre Hände in die Hüften. »Is das nich makaber?«

»Weiß man denn, wer das is?« Haie interessierte zunächst nur der Tote. Auf Helenes Gesicht machte sich Enttäuschung breit. Anscheinend hatte sie mit diesem jähen Ende ihres Triumphes nicht gerechnet, denn auf diese Frage hatte sie keine Antwort.

4.

Der Leichenwagen stand schon bereit, doch Thamsen wartete noch auf den Gerichtsmediziner. Oftmals hatte es sich als sinnvoll erwiesen, wenn Dr. Becker aus Kiel sich die Leiche direkt vor Ort anschaute. Dem geschulten Auge des Mediziners fiel so manches Detail auf, das durchaus wichtig für die Ermittlungen sein konnte. Ein Allgemeinmediziner konnte meistens nur den Tod feststellen und vielleicht noch etwas über die Todesursache sagen. Doch der Gerichtsmediziner war dafür ausgebildet, Hinweise auf den Tathergang zu erkennen. Bereits winzige Informationen in Bezug auf den Fundort der Leiche konnten wichtige Erkenntnisse für die Aufklärung des Falls bringen. Daher hatte Thamsen ihn angerufen und nach Ladelund gebeten. Das war mittlerweile gut eine Stunde her, und da Dr. Becker versprochen hatte, sich sofort auf den Weg zu machen, erwartete er den Mediziner eigentlich jede Minute.

Es wurde auch Zeit, denn langsam wurden ihm die starrenden Blicke der Schaulustigen zuwider. Dicht gedrängt standen sie hinter dem Absperrband, das seine Mitarbeiter nur wenige Meter vom Fundort gespannt hatten, und verfolgten jede seiner Bewegungen. Leider war es nicht möglich gewesen, die Gegend weiträumiger abzusperren, da sich die Gedenkstätte gleich neben der Straße befand und sie schließlich nicht den kompletten Verkehr lahmlegen konnten. Seine Mitarbeiter mussten ohnehin eingreifen, da die gaffenden Leute mittlerweile bereits auf dem Asphalt standen. Und auch ein immer wieder betontes »Hier gibt es nichts zu sehen« hatte die Menschen nicht dazu bewegen können, den schaurigen Ort zu verlassen. Zumal die Aussage natürlich nicht stimmte, denn jeder konnte den Leichnam gut sehen, der nach wie vor an exakt der gleichen Stelle lag.

Thamsen hatte, nachdem er sich den Toten angeschaut hatte, ansonsten nichts mehr berührt, sondern sofort Dr. Becker und die Kollegen von der Spurensicherung angerufen. Er musste schon etliche Leichenfunde in seiner Laufbahn bearbeiten und wusste daher, es war besser, in solchen Fällen die Experten hinzuzuholen. Er hatte in der Zwischenzeit den Jogger befragt, der die Leiche gefunden hatte.

»Haben Sie jemanden gesehen oder ist ein Auto vorbeigefahren?«

Der rundliche Mann im Sportdress vermochte nur stumm den Kopf zu schütteln. Der Schreck über seine scheußliche Entdeckung steckte ihm noch in den Gliedern und lähmte ganz offensichtlich auch seine Zunge.

»Ist Ihnen irgendetwas aufgefallen?«

Wider Erwarten hatte der Jogger genickt und in Thamsen für einen kurzen Moment Hoffnung aufkeimen lassen.

»Und was?«

Er war langsam, aber sicher ungeduldig geworden. Diesem Typen musste man wirklich jedes Wort aus der Nase ziehen.

»Der Tote da.«

Das war nicht die Antwort, die Dirk hatte hören wollen. Dass dem Mann die Leiche vor dem Gedenkstein aufgefallen war, wusste er schon. Oder war dem Jogger entfallen, weshalb er die Polizei gerufen hatte? Hoffentlich erinnerte er sich wenigstens an seinen Namen und seine Anschrift. Thamsen hatte einen seiner Mitarbeiter zu sich gewinkt.

»Mein Kollege nimmt dann Ihre Personalien auf. Vielen Dank.«

Endlich sah er den roten Golf von Dr. Becker am Straßenrand halten. Der Mediziner stieg aus und kämpfte sich durch die Schaulustigen, die ihr Interesse für den Moment auf den Neuankömmling verlagert hatten.

»Moin, Dirk«, begrüßte er Thamsen, als er sich unter dem Absperrband hindurchbückte. »Spusi kommt auch gleich. Hab’ die Jungs gerade überholt.«

Er trat neben den Kommissar und schaute auf den Leichnam hinunter. »Und was hast du Schönes für mich?«

Thamsen fand die Frage angesichts des Toten zwar reichlich unpassend, aber dies war nun einmal Dr. Beckers Art. Er sah jeden Tag Leichen und hatte daher ein ganz anderes Verhältnis zu toten Menschen. Vielleicht wurde man so, wenn man tagein, tagaus Leichen obduzierte und der Tod quasi der Arbeitgeber war. Wahrscheinlich diente es auch als eine Art Selbstschutz, denn wenn man all diese Schicksale zu dicht an sich ranließ, dann ging man daran irgendwann wohl selbst kaputt. Thamsen jedenfalls stellte sich die Arbeit des Gerichtsmediziners nicht einfach vor und vermutete, Dr. Becker wurde wahrscheinlich von den grausigen Bildern oftmals bis in seine Träume verfolgt.

Ohne eine Antwort abzuwarten, stellte Dr. Becker seine Tasche in das feuchte Gras und beugte sich zu dem Toten hinab. Ähnlich wie Thamsen zuvor, fasste er den Mann an der Schulter und drehte ihn leicht zur Seite.

»Ach du Scheiße!«

Thamsen nickte lediglich, als der Gerichtsmediziner zu ihm aufschaute. Schlimm genug, dass irgendjemand diesen Mann ausgerechnet an der Gedenkstelle umgebracht hatte, wenn er ihn denn tatsächlich hier getötet hatte. Das konnte man zum jetzigen Zeitpunkt ja noch nicht sagen. Aber zumindest hatte der Täter die Leiche an dieser Stelle abgelegt. Hier, an der KZ-Gedenkstelle. Und zwar nicht irgendeine Leiche, sondern einen südländisch aussehenden Mann, der, zumindest seinem Äußeren nach zu urteilen, Ausländer war.

Etwas später als üblich erreichte Haie die kleine Grundschule, die seit dem Wiederaufbau nach einem Brand vor gut drei Jahren quasi wie neu wirkte und an der er seit etlichen Jahren als Hausmeister tätig war. Sein Einkauf hatte durch die Neuigkeiten von dem Toten in Ladelund länger gedauert, als er gerechnet hatte. Die ersten Kinder spielten schon auf dem Schulhof und der Wagen des Direktors stand auch bereits auf dem Parkplatz.

Haie schloss sein neongelbes Mountainbike an den Fahrradständer hinter der Schule an und ging durch den kleinen Verbindungsgang hinüber in die Turnhalle. Zum Glück hatte er den Boden gestern Nachmittag bereits aufgewischt, sodass er nun vor Unterrichtsbeginn lediglich das Licht und die Heizung anstellen musste. Anschließend ging er die Treppe hinauf in den ersten Stock, in dem er sich einen kleinen Raum eingerichtet hatte. Er packte sein Frühstück aus und wechselte die Kleidung. All dies geschah ganz automatisch, denn in Gedanken war Haie mit dem Leichenfund in Ladelund beschäftigt. Wer war der Tote? Hatte man ihn ermordet? Leitete Dirk die Ermittlungen?

Er kannte den Kommissar seit etlichen Jahren. Dirk Thamsen hatte damals in dem Mordfall von Marlenes bester Freundin Heike ermittelt. Seitdem hatten die drei ihn hin und wieder bei seiner Arbeit unterstützt und dadurch war mittlerweile zwischen ihnen eine Freundschaft entstanden. Beinahe so eng wie zwischen Tom, Haie und Marlene, die sich zwar schon länger, aber auch noch nicht ewig kannten. Der Intensität ihrer Freundschaft tat das jedoch keinen Abbruch und auch die Beziehung der drei Freunde zu dem Kommissar konnte man als eng bezeichnen. Ob er ihn einfach mal anrief und sich nach dem Toten erkundigte? Haie blickte auf seine Uhr. Dirk war sicherlich noch in Ladelund. Ein Leichenfund bedeutete immer eine Menge Arbeit für ihn. Wenngleich er natürlich nicht alles selbst machte. Schließlich hatte er als Dienststellenleiter auch noch andere Aufgaben und für Zeugenbefragungen und Tatortsicherung seine Mitarbeiter. Aber Haie kannte den Freund. Er wollte immer sichergehen, dass nichts übersehen wurde, und konnte oftmals nur schwer delegieren.

Er beschloss, erst einmal den Schulhof zu fegen und gegen Mittag in der Dienststelle anzurufen.

»Hast du Haie schon erreicht?«

»Nein, nur deine Mutter«, antwortete Tom, der, mit einem Kaffeebecher in der Hand, das Krankenzimmer betrat. Erschöpft ließ er sich auf den Stuhl neben Marlenes Bett plumpsen und nahm einen großen Schluck.

»Sie will doch nicht etwa gleich vorbeikommen, oder?« Marlene kannte ihre Mutter. In den letzten Tagen hatte sie beinahe stündlich angerufen und sich nach Marlenes Zustand erkundigt. Gesine Liebig war wahnsinnig aufgeregt und hatte die Geburt ihres Enkels kaum erwarten können.

»Ich konnte sie gerade noch davon abhalten.«

Marlene versuchte, sich ein Stück weiter aufzurichten, und spürte einen Stich im Unterleib. Der Schnitt schmerzte höllisch. Außerdem hatte sie das Gefühl, als würden ihre Brüste gleich explodieren. Sie musste unbedingt den Kleinen stillen, aber der schlief seltsamerweise tief und fest.

»Atmet er?«

Tom stand auf und bückte sich vorsichtig über das kleine Bettchen. Es dauerte eine Weile, dann nickte er. »Soll ich ihn wecken?«

»Ich weiß nicht.«

Alles war so neu und fremd, Marlene fühlte sich ein wenig hilflos. Niklas’ Geburt schien der Anfang eines völlig unbekannten Lebens zu sein.

Tom nahm seinen Sohn behutsam aus dem Bettchen und legte ihn Marlene in den Arm. Ein wohliger Schauer rann über seinen Rücken, als er die beiden ansah. Marlene und Niklas. Seine Familie, die wichtigsten Menschen für ihn auf der ganzen Welt. Er seufzte glücklich.

Ihr trautes Beisammensein wurde jedoch jäh unterbrochen, als sich die Tür öffnete und die Schwester erschien.

»So, Frau Meissner. Nun bekommen Sie ein wenig Gesellschaft«, kündigte die Schwester im weißen Kittel an. Marlene war keine Privatpatientin und hatte daher auch keinen Anspruch auf ein Einzelzimmer. Tom hatte ihr immer wieder dazu geraten, sich bei ihm mitzuversichern, insbesondere, nachdem sie geheiratet hatten. Er als selbstständiger Unternehmensberater war seit Jahren privat versichert und kannte die Vorteile nur zu gut. Keine Wartezeiten, Chefarztbehandlung, Einzelzimmer. Doch Marlene hatte unabhängig bleiben wollen. Sie war durch ihren Teilzeitjob beim Nordfriisk-Instituut gesetzlich krankenversichert und hatte das auch nicht ändern wollen, nachdem sie schwanger geworden war. Obwohl es dann ja sowieso vorbei gewesen war mit ihrer Unabhängigkeit. Jedenfalls sah Tom es so, und er ärgerte sich gerade in diesem Augenblick, dass Marlene nicht auf ihn gehört hatte. Denn nun wurde ein weiteres Krankenbett in den Raum geschoben, in dem eine blasse junge Frau lag. Unter der Bettdecke zeichnete sich eine kaum wahrnehmbare Wölbung ab.

»Und wann ist es bei Ihnen so weit?«, erkundigte sich Tom.

»Oh, Frau Kuipers hat schon entbunden«, stellte die Schwester richtig. »Nur im Gegensatz zu Ihrem Wonneproppen macht uns der Kleine ein wenig Sorgen. Daher päppeln wir ihn auf der Neugeborenenstation auf.«

Sie sagte das, als sei es das Normalste von der Welt, doch Marlenes Bettnachbarin war die Sorge um das Baby deutlich anzusehen.

Marlene drückte Niklas ein wenig fester an sich, während sie sich lächelnd an Frau Kuipers wandte. »Na, da hat er es aber gut getroffen. Sonderbehandlung von Schwester Luise. Da brauchen Sie sich wirklich keine Sorgen zu machen.«

»Dirk, hier sind die Akten, die du angefordert hast.«

Gunter Sönksen versuchte vergeblich, einen Platz für den Stapel grauer Pappordner in seiner Hand auf Thamsens Schreibtisch zu finden. »Gib her!«

Dirk wischte mit seinem Arm die Fotos vor sich zur Seite und platzierte die Mappen direkt vor sich.

»Ganz schön viele«, kommentierte er den Stapel. »Wusste gar nicht, dass wir so viele Vorfälle hatten in den letzten zwei Jahren. Eigentlich ein Wunder, dass der Verfassungsschutz noch nicht aufmerksam geworden ist.«

»Meinst du wirklich, die Neonazis haben etwas mit dem Mord zu tun? Das sind doch alles kleine Fische.«

Scheinbar hielt er den Ermittlungsansatz seines Chefs für falsch, wagte aber nicht, ihm dies zu sagen. Doch Thamsen verstand sehr wohl die Botschaft zwischen den Zeilen.

»Was meinst du denn, wo wir ansetzen sollten?« Der Mitarbeiter zuckte mit den Schultern.

»Glaubst du nicht, der Täter hat die Leiche absichtlich dort abgelegt?«

Mittlerweile wussten sie, dass die KZ-Gedenkstätte nicht der Tatort war. Dr. Becker vermochte bereits bei der ersten kurzen Untersuchung vor Ort zu sagen, dass der Tote erstochen worden war. Wann und womit, hatte er nicht bestimmen können, nur, dass der Fundort auf keinen Fall der Tatort gewesen war.

»Viel zu wenig Blut hier«, hatte er seine Feststellung begründet. »Der Mann ist quasi abgeschlachtet worden. Über 20 Einstiche. Das muss eine Riesensauerei gewesen sein.«

Außerdem hatte einer von Thamsens Mitarbeitern den Toten erkannt. Angeblich handelte es sich bei dem Opfer um einen Frauenarzt aus Leck. Die Frau des Polizisten war bei Dr. Merizadi in Behandlung. Natürlich musste die Leiche noch offiziell identifiziert werden, aber Thamsen nahm an, dass dies nur eine Pro-forma-Sache war.

Nach diesen ersten Ergebnissen hatte Thamsen einfach eins und eins zusammengezählt. Ein ausländischer Mann, ermordet und die Leiche mit einem Hakenkreuz beschmiert, demonstrativ auf dem ehemaligen Lagergelände drapiert, vor dem Gedenkstein. Also, wenn der Täter damit nicht ein Zeichen hatte setzen wollen, wusste er auch nicht.

»Na ja«, lenkte Gunter Sönksen nun ein, »auffällig ist das schon. Aber bisher war die Gruppe ja eher friedlich. Ein paar Schmierereien, Drohungen und nächtliche Ruhestörungen durch das Grölen von Naziparolen. Tätliche Übergriffe hat es so gut wie keine gegeben.«

Thamsen wunderte sich, dass sein Mitarbeiter sich derart gut auskannte in den Fällen und ihn ganz offensichtlich von seinem Verdacht abzubringen versuchte. Doch er ließ die Dinge auf sich beruhen.

»Dann geh’ du nun erst mal Mittag machen. Nachher kommen die Kollegen aus Husum zur Besprechung, da will ich dich dabeihaben.«

Gunter Sönksen verließ ohne ein weiteres Wort das Büro und verstärkte damit noch einmal Thamsens seltsames Bauchgefühl. Irgendwie benahm der Mitarbeiter sich komisch. Vielleicht aber hatte er auch nur einen schlechten Tag oder private Probleme? Er nahm sich vor, in der nächsten Besprechung nachzufragen, wenn dieses merkwürdige Verhalten bis dahin anhielt.

Thamsen nahm die erste Akte vom Stapel, lehnte sich in seinem Stuhl ein wenig zurück und schlug den Deckel auf. Die Fotografie eines jungen Mannes mit kahlem Schädel und grob geschnittenem Gesicht sprang ihm förmlich entgegen. Die Miene des Mannes verriet nichts über seine Haltung, aber aus seinen Augen blitzte der blanke Hass. Hass gegen alles, was gegen seine Ideologie sprach. Hass vor allem gegen Ausländer. Was ging in diesem Menschen vor? Wie konnte er ein Individuum wie Hitler, einen Irren, einen Massenmörder, verehren und nach den Prinzipien dieses Mannes leben wollen?

Das Klingeln seines Telefons unterbrach seine Grübeleien.

»Dirk? Hier ist Haie.«

»Gibt es was Neues von Tom und Marlene?« Thamsen ging davon aus, der Freund rief ihn deswegen an.

»Nee, und bei dir?«

Einen Augenblick überlegte er, was Haie damit meinte, dann aber wurde ihm klar, der Freund hatte bereits von der Leiche in Ladelund gehört und meldete sich wahrscheinlich deshalb bei ihm.

»Sag mal, kennst du einen Dr. Merizadi aus Leck?« Schon oft hatte Dirk von den Kenntnissen und Kontakten des Hausmeisters profitiert. Haie lebte seit seiner Geburt in Risum-Lindholm und kannte daher so gut wie jeden in der Umgebung. Aber diesmal musste der Freund ihn enttäuschen.

»Nee, ist das der Tote? Hört sich irgendwie ausländisch an.«

Genau diese Tatsache machte den Fall auch derart heikel. Ein iranischer Arzt tot vor der KZ-Gedenkstelle. Thamsen sah die Schlagzeilen im Nordfriesland Tageblatt bereits vor sich. Und bestimmt würde der Fall auch überregional Interesse wecken. Wieso der Freund das Opfer nicht kannte, wunderte ihn zwar, war aber irgendwie auch verständlich. Immerhin war Dr. Merizadi Gynäkologe, aber vielleicht kannte die Freundin ihn?

»Was ist denn nun mit Marlene?«, wechselte er daher das Thema. Ganz zum Leidwesen des Freundes, der sich eigentlich mehr Informationen von seinem Anruf versprochen hatte. Er wusste ja, Dirk durfte nicht über Details des Falls mit ihm sprechen, aber vielleicht konnte er helfen, auch wenn er den Toten nicht kannte.

»Ich hab’ sie vorhin nicht erreicht, aber ruf sie gleich noch mal an.« Er hatte dieselbe Idee wie Thamsen. »Vielleicht kennt sie diesen Arzt.«

Gut eine Stunde später saß Thamsen im Besprechungszimmer und trommelte mit den Fingern auf die Tischplatte vor ihm. Die Besprechung war für 14:00 Uhr angesetzt. Es war bereits fünf nach und von den Husumer Kollegen noch nichts zu sehen.

»Wenigstens anrufen könnten die«, knurrte er leise vor sich hin.

Die Zusammenarbeit mit der Kripo gestaltete sich von jeher problematisch. Seit er denken konnte, gab es Probleme. Die feinen Beamten glaubten, sie seien etwas Besseres, jedenfalls kam ihr Verhalten bei ihm so an. Stets gaben sie sich besonders wichtig und spielten die Arbeit der anderen herunter. Anders ließ sich zum Beispiel auch die jetzige Situation nicht erklären. ›Wir haben schließlich auch noch andere Dinge zu tun.‹

Endlich öffnete sich die Tür und die beiden Husumer Kommissare betraten breit lächelnd den Raum. Nicht mal eine Entschuldigung war ihnen ihre Verspätung wert, zu sehr waren sie damit beschäftigt, ihren Auftritt zu inszenieren und das Zepter an sich zu reißen.

»So, Dirk, dann schieß mal los«, forderte der Ältere der beiden ihn auf, als wenn er derjenige wäre, auf den man gewartet hatte. Thamsen schluckte einmal kräftig, ehe er den Beamer startete und die Fotos vom Fundort an die Leinwand warf.

»Der Tote heißt Dr. Farhaad Merizadi und …«

»Das ist eine Katastrophe, Dirk«, unterbrach ihn der Husumer Kollege bereits nach den ersten Worten.

»Ein Ausländer an einer jüdischen Gedenkstätte!« Er schaute Thamsen an, als sei der für den Fund verantwortlich.

»Dr. Merizadi ist Deutscher. Er hat die deutsche Staatsbürgerschaft …«, Dirk schaute kurz auf seine Notizen, »bereits 1990 angenommen.«

»Das ist doch völlig irrelevant!«, fuhr ihn nun Lorenz Meister, der andere Beamte, an. »Das sieht doch ein Blinder mit Krückstock, dass das ein Ausländer ist. So sieht doch kein Deutscher aus.«

Thamsen spürte, wie ihm langsam, aber sicher der Hals zuschwoll. Am liebsten hätte er den anderen gefragt, wie denn seiner Meinung nach ein Deutscher auszusehen hatte. Eine Staatsbürgerschaft konnte man doch nicht am Aussehen festmachen. Aber seine private Meinung musste er für den Augenblick in den Hintergrund drängen, denn insgeheim wusste er, der Ausweis des Mannes spielte in diesem Fall tatsächlich keine Rolle.

»Bisher gibt es keine Zeugen, aber zwei Kollegen sind noch in Ladelund und befragen Anwohner«, fuhr Thamsen daher in seinen Ausführungen fort.

»Und was versprecht ihr euch davon? Der Fundort ist doch nicht der Tatort, oder? Was also sollte ein Zeuge gesehen haben?« Der ältere Beamte blätterte in den vorbereiteten Unterlagen herum.

»Zum Beispiel, wer die Leiche wann dort abgelegt hat«, antwortete Dirk gereizt. Er wusste selbst, wie gering die Chance war, dass irgendjemand eine Beobachtung gemacht hatte. Die Gedenkstätte lag etwas außerhalb des Dorfes. Zudem hatte der Täter die Leiche nachts dort drapiert und da war es an diesem Ort nicht nur stockfinster, sondern in der letzten Nacht zusätzlich äußerst neblig gewesen. Aber irgendwo mussten sie ansetzen.

»Wer hat denn die Familie benachrichtigt?«, fragte Lorenz Meister, der ihn am Morgen gebeten hatte, persönlich den Fall zu übernehmen.

Ansgar Rolfs räusperte sich. Der Mitarbeiter war noch nicht lang im Team und dies war sein erster Kontakt mit der Husumer Kripo. Thamsen nickte ihm aufmunternd zu. Er hielt große Stücke auf den jungen Kollegen, der fleißig war und über ein außergewöhnliches Kombinationstalent verfügte. »Also, ich habe die Witwe aufgesucht«, meldete sich Ansgar Rolfs mit dünner Stimme zu Wort.

»Ja und?« Der Kripobeamte beugte sich ein Stück vor.

»Die Frau ist zusammengebrochen, ich musste einen Arzt holen. Wir können sie erst später befragen. Man hat ihr ein starkes Beruhigungsmittel gespritzt. Die Leiche wurde daher von der Schwiegermutter identifiziert.«

Der Husumer stieß ein verächtliches Zischen durch die Zähne. Thamsen konnte sich denken, was der Mann dachte. Am liebsten hätte er ihm die Meinung über sein unmögliches Verhalten gegeigt, aber das war, wie er wusste, nicht besonders sinnvoll. Früher hatte er kein Blatt vor den Mund genommen, aber da war es dann auch sein Vorgesetzter gewesen, der das hatte ausbaden und sich die Beschwerden über Thamsens unkooperative Art hatte anhören müssen. Nun war er leider selbst Chef und wusste, es war besser, jeglichen Streit und alle Diskussionen über das despektierliche Verhalten der Husumer zu vermeiden.

»Ich fahr später selbst raus und befrage sie«, versuchte er daher, die Wogen zu glätten.

5.

Nesrim Merizadi lag auf dem Sofa und lauschte dem leisen Gemurmel, das sie aus scheinbar weiter Ferne wahrnahm.

Es war die Stimme ihrer Mutter, aber sie konnte nicht genau verstehen, was sie sagte. Sie öffnete langsam die Augen. Obwohl im Wohnzimmer nur die kleine Stehlampe brannte, schmerzten ihre Augen von deren Schein. Sie versuchte zu schlucken, doch ihr Mund war zu trocken. Sie räusperte sich. Sofort war ihre Mutter an ihrer Seite.

»Kind, wie geht es dir?« Sie strich Nesrim über das lange dunkle Haar.