Kofferfund - Sandra Dünschede - E-Book

Kofferfund E-Book

Sandra Dünschede

4,5

Beschreibung

Nachdem ein herrenloser Koffer im Zentralen Fundbüro in Hamburg-Altona abgegeben wurde, stinkt es dort gewaltig. Der Grund ist schnell ermittelt - beim Öffnen des Koffers stoßen die Mitarbeiter auf den Torso einer männlichen Leiche. Wer ist der Tote? Wie kommt er in den Koffer und wo ist der Rest der Leiche? Peer Nielsen und sein Team von der Hamburger Mordkommission stehen vor einem Rätsel. Erst als einige Tage später in mehreren Altkleider-Containern plötzlich die restlichen Leichenteile auftauchen, kommt endlich Bewegung in den Fall …

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Seitenzahl: 256

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Sandra Dünschede

Kofferfund

Kriminalroman

Impressum

Bisherige Veröffentlichungen im Gmeiner-Verlag: Friesenmilch (2016), Knochentanz (2015), Friesenschrei (2015), Friesenlüge (2014), Friesenkinder (2013), Nordfeuer (2012), Todeswatt (2010), Friesenrache (2009), Solomord (2008), Nordmord (2007), Deichgrab (2006)

Personen und Handlung sind frei erfunden.

Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen

sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

Besuchen Sie uns im Internet:

www.gmeiner-verlag.de

© 2016 – Gmeiner-Verlag GmbH

Im Ehnried 5, 88605 Meßkirch

Telefon 0 75 75 / 20 95 - 0

[email protected]

Alle Rechte vorbehalten

1. Auflage 2016

Lektorat: Claudia Senghaas, Kirchardt

Herstellung: Julia Franze

E-Book: Mirjam Hecht

Umschlaggestaltung: U.O.R.G. Lutz Eberle, Stuttgart

unter Verwendung eines Fotos von: © powell83 / Fotolia.com

ISBN 978-3-8392-5094-5

Widmung

Für Tanja,

die ab und zu ein wenig mehr an sich denken sollte.

Verlier dein Ziel nicht aus den Augen! Du schaffst das, denn du bist brillant in dem, was du tust.

§ 965 BGB Anzeigepflicht des Finders

(1) Wer eine verlorene Sache findet und an sich nimmt, hat dem Verlierer oder dem Eigentümer oder einem sonstigen Empfangsberechtigten unverzüglich Anzeige zu machen.

(2) Kennt der Finder die Empfangsberechtigten nicht oder ist ihm ihr Aufenthalt unbekannt, so hat er den Fund und die Umstände, welche für die Ermittlung der Empfangsberechtigten erheblich sein können, unverzüglich der zuständigen Behörde anzuzeigen. Ist die Sache nicht mehr als zehn Euro wert, so bedarf es der Anzeige nicht.

1.Kapitel

Marco Renz zog die rechte Augenbraue hoch. Heute war wirklich nicht sein Tag. Besser, er wäre gar nicht erst aufgestanden, denn bereits beim Frühstück hatte es wieder Streit zwischen ihm und Nadine gegeben. Schon seit Längerem hatten er und seine Freundin massive Beziehungsprobleme, und er fragte sich, warum sie überhaupt noch zusammen waren. Ihre ständigen Nörgeleien, immer machte sie Stress – liebte sie ihn überhaupt? Er bezweifelte das.

Doch einen weiteren Fehltag hatte er sich auf der Arbeit unmöglich leisten können. Sein Chef hatte ihn ohnehin schon auf dem Kieker. Diese schwachsinnige Fehlersuche in dieser blöden Exceltabelle, die er ihm aufgetragen hatte, bewies das für Marco mehr als deutlich.

Aber auch nach stundenlangem Checken der Einträge mit den entsprechenden Erfassungsnummern der Fundstücke konnte er den Fehler nicht finden. Gut, Marco bemühte sich auch nicht sonderlich. Konnte sich sowieso kaum konzentrieren, denn der Streit von heute Morgen blockierte immer noch jeden anderen Gedanken.

»Du bist so ein Schwein!«, hatte Nadine ihn angeschrien. »Überall liegen deine stinkenden Socken und dreckigen Unterhosen herum!«

Nun ja, der Ordentlichste war er nicht, aber konnte er etwas dafür? Seine Mutter hatte ihm einfach nicht beigebracht, wie man Ordnung hielt. Sie war selbst mit sich und dem Leben überfordert gewesen, daher hatte es bei Marco zu Hause weitaus schlimmer als in der gemeinsamen Wohnung mit Nadine ausgesehen. Woher also sollte er diese Fähigkeit haben, geschweige denn erkennen, dass er ein Chaos veranstaltete? Ihm fielen die von Nadine angeprangerten Schlampereien nicht einmal auf.

Wahrscheinlich war auch er es, der den Fehler in dieser Datei verursacht hatte. Er stöhnte und blickte zu der sich öffnenden Tür, von der nun rumpelnde Geräusche zu hören waren.

Dort mühte sich ein älterer Mann mit einem Fahrradanhänger ab. »Entschuldigung, aber den können Sie nicht hier reinbringen!«, rief Marco ihm von seinem Platz aus zu.

»Dann müssen Sie mir helfen, dieser Koffer ist dermaßen schwer.« Der Kerl zeigte auf das Gepäckstück auf dem Anhänger. »Habe ich kaum da raufgewuchtet bekommen.«

Marco atmete geräuschvoll aus. Er hatte wenig Lust auf ein neues Fundstück. »Wo haben Sie den denn her?«

»Gefunden.«

»Und dann nehmen Sie den einfach mit?« Marco wusste, wie sensibel die Leute heutzutage auf herrenlose Koffer reagierten. Verständlicherweise. Und er wollte das Teil ehrlich gesagt auch nicht hier haben. Bedeutete nur eine Menge Arbeit für ihn.

Der ältere Mann schob den Anhänger weiter in den Raum.

»Der lag beim Altonaer Balkon.«

»Hm.« Marco musterte erst den Mann, dann den Koffer. Er musste zugeben, als Attentäter würde er dort auch keine Kofferbombe deponieren. Schon gar nicht in der Größe und mit einem solch auffälligen Muster.

»Haben Sie denn hineingeschaut?«

Der Mann schüttelte den Kopf. »Ist abgeschlossen.«

Naja, dachte Marco, das ist ja eigentlich kein Hindernis. So ein Kofferschloss ließ sich doch leicht knacken. Das wusste er aus eigener Erfahrung.

»Gut, dann stellen Sie ihn dort hin.« Marco wies mit einem Kopfnicken in eine Ecke. Der Mann blickte ihn fragend an, machte sich dann aber daran, den Koffer abzuladen. Marco beobachtete ihn dabei, machte jedoch keine Anstalten, ihm zu helfen. Gehörte weder zu seinem Job, noch hatte er Lust dazu.

Der andere zerrte den Koffer an den zugewiesenen Platz. Marco nickte. »Gut. Danke!«

»Ist das alles?«

»Wieso?«

»Na, müssen Sie nicht meine Personalien aufnehmen?« Der Mann kam näher und baute sich vor seinem Schreibtisch auf. »Wegen Finderlohn und so?«

»Ach ja. Geben Sie mir Ihren Ausweis. Ich mache eine Kopie.«

Mit argwöhnischem Blick reichte sein Gegenüber ihm einen Personalausweis. Marco erhob sich widerwillig und bewegte sich langsam zum Kopiergerät. Warum mussten die Leute auch ständig irgendwelche Sachen verlieren? Und gerade einen Koffer? Das fiel einem doch auf.

Wenn der Eigentümer das Teil wenigstens am Bahnhof stehen gelassen hätte. Dann müsste er sich jetzt nicht kümmern, denn dort gab es ein eigenes Fundbüro. Aber so hatte er die Arbeit an der Backe.

Er gab den Ausweis an den Mann zurück, der ihn erwartungsvoll anblickte.

»Das ist dann alles«, raunzte Marco ihn an und setzte sich wieder auf seinen Platz. Sein Handy, das neben der Tastatur lag, blinkte, und sofort machte sein Herz einen Sprung. Sicherlich eine Nachricht von Nadine. Bestimmt wollte sie sich entschuldigen.

»Gut, dann auf Wiedersehen«, verabschiedete Marco mit einer scheuchenden Handbewegung den Mann, der etwas unschlüssig im Raum stand. Er wollte endlich in Ruhe die Mitteilung lesen. Außerdem stanken ihm dieser Kerl und dieser Koffer gewaltig – im wahrsten Sinne des Wortes.

2. Kapitel

Es war nicht mehr ganz so früh am Morgen, als Peer Nielsen zum Endspurt im Altonaer Volkspark ansetzte, aber er hatte letztes Wochenende an der Polizeishow in der Hamburger Sporthalle teilgenommen und konnte deshalb ruhig mal ein wenig später im Büro aufschlagen, hatte er sich heute gedacht, als sein Wecker wie gewöhnlich um 6.30 Uhr klingelte. Ohnehin war momentan wenig los, das musste er ausnutzen, wenn die Verbrecher in Hamburg einmal Pause machten.

Er bog um die letzte Kurve des Waldweges und konnte bereits seinen Wagen sehen, als in der Tasche seiner Laufweste sein Handy vibrierte. Er zog noch einmal das Tempo an, ehe er schließlich das Auto erreichte und sein Telefon herausholte.

»Hauptkommissar Nielsen«, nahm er, ohne aufs Display zu achten, keuchend das Gespräch an, während er sich auf der Motorhaube abstützte.

»Ja, Chef, wir haben einen Leichenfund – wobei …«, sein Mitarbeiter Boateng am anderen Ende der Leitung stockte plötzlich.

Peer runzelte die Stirn. »Wo?«

»Im Fundbüro.«

»Im Fundbüro?«, schmunzelte Nielsen. Das musste ein Scherz sein, oder?

»Nein, die Angestellten dort haben in einem Koffer einen Torso entdeckt.«

»Okay, ich komme.«

Eilig rannte er um den Kombi herum, öffnete die Heckklappe und nahm ein Handtuch heraus, mit dem er sich zunächst flüchtig den Schweiß von seinem kahl rasierten Kopf abwischte. Er schlüpfte aus seinem Laufdress und trocknete sich gründlich ab. Einer Mutter mit Kinderwagen, die an dem Parkplatz vorbeispazierte, fielen beinahe die Augen aus dem Kopf. Peer grüßte freundlich, woraufhin die Frau eilig weiterhastete.

Er sprühte Deo unter seine Achseln und zog sich seine Ersatzklamotten an, die er für solche Fälle immer im Wagen liegen hatte. Keine zehn Minuten später fuhr er beim Zentralen Fundbüro in der Bahrenfelder Straße vor.

Die beiden Männer, die den Koffer geöffnet und den Torso gefunden hatten, waren beinahe genauso blass wie das Leichenteil. Dies lag sicherlich nicht zuletzt an dem bestialischen Gestank, der von dem Fundstück ausging, dachte Peer und versuchte selbst, möglichst flach zu atmen.

Sein Mitarbeiter Boateng, der ihn über den Fund informiert hatte, stand neben dem Koffer und inspizierte den Inhalt.

»Ist auf jeden Fall ein Mann«, war seine erste Feststellung. Nielsen nickte, während er nähertrat. Der Oberkörper wies mehrere Stichwunden auf und lag passgenau in dem Hartschalenkoffer. Kopf und Arme sowie der Unterkörper waren abgetrennt worden, sodass der Torso in dem Gepäckstück Platz fand. »Sieht recht fachmännisch aus«, kommentierte er die Zerstückelung. »Aber das soll Dr. Choui beurteilen. Hast du schon in der Rechtsmedizin Bescheid gegeben?«

Michael Boateng nickte. »Die schicken gleich jemanden, um den Koffer abzuholen.«

»Wie ist denn der überhaupt hier gelandet?«, richtete sich Nielsen nun an die beiden Bleichgesichter.

»Der ist abgegeben worden. Vor zwei Tagen. Von so einem Typ«, würgte einer der Mitarbeiter hervor.

»Aha«, entgegnete Peer. War ja eigentlich nicht so ungewöhnlich, schließlich war dies hier das zentrale Fundbüro.

»Und wieso haben Sie den Inhalt nicht sofort geprüft?« So ein Kofferfund war nicht ohne. Da konnten sich schließlich Sprengstoff oder andere prekäre Dinge – wie dieser Fund zeigte – drin befinden.

Als Antwort erhielt er ein Schulterzucken.

»Und wieso haben Sie ihn heute – zwei Tage später geöffnet?«

»Na, weil es mittlerweile im ganzen Gebäude stinkt«, meldete sich nun der andere Mann zu Wort. »Hat eine Zeit gedauert, bis wir die Quelle des Gestanks lokalisieren konnten, und dann mussten wir das Ding auch noch aufbrechen.«

Da war jemand anscheinend sehr sorgfältig gewesen. Und das, obwohl doch jeder wusste, wie einfach solch ein Schloss zu knacken war. »Wo hat der Finder den Koffer denn entdeckt?«

Wieder zuckte der zuständige Mitarbeiter mit den Schultern. »Das weiß ich nicht mehr so genau.«

»Aber da gibt es ja bestimmt einen Eintrag«, mischte sich nun Boateng ein. »Jedes Fundstück wird doch registriert, oder?«

Nun kehrte langsam Farbe in das Gesicht des Angesprochenen zurück. »Schon, aber, naja …«

»Was Marco, sag bloß, du hast den Koffer nicht erfasst?« Der andere Mann stemmte die Hände in die Hüften. »Wie oft habe ich dir gesagt, dass du sorgfältiger arbeiten musst. Wir können uns keine Fehler mehr leisten – und du am allerwenigsten! Nun siehst du, was dabei rauskommt.«

Peer hatte den Eindruck, dass es hier weitaus mehr Probleme als diese Kofferleiche gab, doch das ging ihn im Prinzip nichts an.

»Und gab es noch weitere Kofferfunde in der letzten Zeit?« Irgendwo musste sich ja noch der Rest der Leiche befinden.

»Nicht, soviel ich weiß, oder, Marco?« Der Mann, der anscheinend der Vorgesetzte des anderen war, blickte seinen Mitarbeiter forschend an.

»Nein, aber ich habe eine Kopie gemacht.«

»Eine Kopie?«, horchte Nielsen auf.

Ohne eine Antwort, hastete der junge Mann zu einem Schreibtisch und durchwühlte mit fahrigen Bewegungen einen Stapel Papiere. »Hier«, rief er euphorisch und kam mit einem Zettel in der Hand auf Peer zugerannt. »Das ist der Personalausweis von dem Typen, der den Koffer abgegeben hat.«

3. Kapitel

»Peter Köster«, las Boateng zum wiederholten Male den Namen von der Ausweiskopie ab, die Marco Renz ihnen gegeben hatte, während sie zu der angegebenen Adresse in der Königstraße fuhren.

Das Wohnhaus wirkte ein wenig heruntergekommen, aber Peer vermutete, dass auch hier die Mieten mittlerweile ordentlich angezogen hatten, wie beinahe überall in der Stadt. Bezahlbarer Wohnraum war in Hamburg mehr als knapp, wie er durch die Suche seines Freundes nach einer größeren Wohnung wusste. Sören und seine Frau erwarteten Nachwuchs und hätten gerne ein Zimmer mehr, doch nun lag der Geburtstermin bereits in greifbarer Nähe, und eine neue Bleibe war noch nicht in Sicht. Zumal zunächst ein Einkommen wegfallen würde, was die Suche nicht einfacher machte.

Einmal war Peer zu einer Besichtigung mitgegangen. Unvorstellbar, was für eine Schlange aus Interessierten sich durch das schmale Treppenhaus bis zum vierten Stock formatiert hatte; und als er die heruntergekommene Wohnung gesehen hatte, war er mehr als empört über den exorbitanten Mietpreis gewesen. Nur gut, dass er nicht umziehen musste, hatte er gedacht.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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