From Here to the Great Unknown - Von hier ins Ungewisse - Lisa Marie Presley - E-Book

From Here to the Great Unknown - Von hier ins Ungewisse E-Book

Lisa Marie Presley

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Beschreibung

Lisa Marie Presley, Tochter der amerikanischen Musiklegende Elvis und aufgewachsen in Graceland, erzählt erstmals ihre ganze Lebensgeschichte. Eine einzigartige und ungeschönte Autobiografie, die von ihrer Tochter Riley Keough aufgeschrieben wurde.

Ende 2022 bat Lisa Marie Presley ihre Tochter Riley Keough, ihr bei der Fertigstellung ihre lang erwarteten Memoiren zu helfen. Nur einen Monat später verstarb Lisa Marie überraschend - und konnte ihre Geschichte, die sie in ihren eigenen Worten erzählen wollte, nicht mehr vollenden. Ihre Tochter Riley fürchtete, dass nun niemand die vielen Seiten dieser liebevollen, lebensfrohen und fürsorglichen Frau kennenlernen würde, um deren Tod sie nun trauerte.

Doch Riley erhielt die Tonbandaufnahmen, die ihre Mutter während der Arbeit an ihrem Buch aufgenommen hatte. Sie legte sich in ihr Bett und lauschte Lisa Maries Stimme, die eine Geschichte nach der anderen erzählte: wie sie als Kind in Graceland mit Golfwagen Unfälle baute, wie sie die grenzenlose Liebe ihres Vaters spürte und wie die beiden sich im ersten Stock des Anwesens vor der Welt zurückzogen. Darüber, wie sie schreiend aus dem Badezimmer gezerrt werden musste, in dem sie den leblosen Körper ihres Vaters gefunden hatte. Über ihr Leben in Los Angeles mit ihrer Mutter, die Reihe an Schulen, von denen sie wieder und wieder flog, wenn es Ärger gab. Über die einzigartige, lebenslange Bande zu Rileys Vater Danny Keough und über die Ehe mit Michael Jackson. Darüber, was es heißt, Mutter zu sein. Über den Schmerz, der sie nie verließ.

Riley wusste, dass sie der Welt die Memoiren ihrer Mutter, so herzzerreißend sie auch waren, nicht vorenthalten durfte. Dass die Welt ihre Mutter endlich kennenlernen musste.

Dieses außergewöhnliche Buch vereint die Stimmen von Lisa Marie und Riley in einem Gespräch zwischen Mutter und Tochter, das den Tod und den Schmerz überwindet. From Here to the Great Unknown – Von hier ins Ungewisse ist tief berührend, erschütternd und intim – das letzten Zeugnis des einzigen Kindes einer wahren Legende.

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Lisa Marie Presley, Tochter der amerikanischen Musiklegende Elvis und aufgewachsen in Graceland, erzählt erstmals ihre ganze Lebensgeschichte. Eine einzigartige und ungeschönte Autobiografie, die von ihrer Tochter Riley Keough aufgeschrieben wurde.

Ende 2022 bat Lisa Marie Presley ihre Tochter Riley, ihr bei der Fertigstellung ihrer lang erwarteten Memoiren zu helfen. Nur einen Monat später verstarb Lisa Marie überraschend – und konnte ihre Geschichte, die sie in ihren eigenen Worten erzählen wollte, nicht mehr vollenden. Riley fürchtete, dass nun niemand die vielen Seiten dieser liebevollen, lebensfrohen und fürsorglichen Frau kennenlernen würde, um deren Tod sie trauerte.

Doch Riley erhielt die Tonbandaufnahmen, die ihre Mutter während der Arbeit an ihrem Buch aufgenommen hatte. Sie legte sich in ihr Bett und lauschte Lisa Maries Stimme, die eine Geschichte nach der anderen erzählte: wie sie als Kind in Graceland mit Golfwagen Unfälle baute, wie sie die grenzenlose Liebe ihres Vaters spürte und wie die beiden sich im ersten Stock des Anwesens vor der Welt zurückzogen. Darüber, wie sie schreiend aus dem Badezimmer gezerrt werden musste, in dem sie den leblosen Körper ihres Vaters gefunden hatte. Über ihr Leben in Los Angeles mit ihrer Mutter, die Reihe an Schulen, von denen sie wieder und wieder flog, wenn es Ärger gab. Über die einzigartige, lebenslange Verbindung zu Rileys Vater Danny Keough und über die Ehe mit Michael Jackson. Darüber, was es heißt, Mutter zu sein. Über den Schmerz, der sie nie verließ.

Riley wusste, dass sie der Welt die Memoiren ihrer Mutter, so herzzerreißend sie auch waren, nicht vorenthalten durfte. Dass die Welt ihre Mutter endlich kennenlernen musste.

Dieses außergewöhnliche Buch vereint die Stimmen von Lisa Marie und Riley in einem Gespräch zwischen Mutter und Tochter, das den Tod und den Schmerz überwindet. From Here to the Great Unknown – Von hier ins Ungewisse ist tief berührend, erschütternd und intim – das letzte Zeugnis des einzigen Kindes einer wahren Legende.

Lisa Marie Presley, geboren 1968 in Memphis, wuchs als einziges Kind von Elvis und Priscilla Presley in Graceland auf. Als Sängerin und Songwriterin veröffentlichte sie im Lauf ihrer Karriere drei Studioalben: To Whom It May Concern, das mit Gold ausgezeichnet wurde, Now What und Storm & Grace. Lisa Marie Presley verstarb im Januar 2023.

Riley Keough wurde als Schauspielerin für den Emmy, den Golden Globe und den Independent Spirit Award nominiert. Bekannt wurde sie unter anderem für ihre Rollen in Under the Bridge, Daisy Jones & the Six und Zola. Sie wirkte als Co-Regisseurin an dem Film War Pony (2022) mit, der in Cannes mit der Caméra d’Or ausgezeichnet wurde, und gründete gemeinsam mit Gina Gammell die Produktionsfirma Felix Culpa. Sie ist Lisa Marie Presleys älteste Tochter und die alleinige Treuhänderin von Graceland.

www.penguin-verlag.de

LISA MARIE PRESLEY

RILEY KEOUGH

FROM HERE TO THE GREAT UNKNOWN – VON HIER INS UNGEWISSE

ERINNERUNGEN

Aus dem Amerikanischen von Sylvia Bieker und Henriette Zeltner-Shane

Die Originalausgabe erschien 2024 unter dem Titel From Here to the Great Unknown bei Random House.

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Der Verlag behält sich die Verwertung des urheberrechtlich geschützten Inhalts dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44 b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.

Copyright © der Originalausgabe 2024 by Norma Darling, Inc.

Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2024 Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München

Redaktion: Antje Steinhäuser

Umschlaggestaltung: Favoritbuero, München nach einer Vorlage von Caroline Teagle Johnson

Umschlagabbildung vorne: Frank Carroll, mit freundlicher Genehmigung der Graceland Archives

Umschlagabbildung hinten: aufgenommen in einem Fotoautomat in Neverland

Satz: satz-bau Leingärtner, Nabburg

ISBN 978-3-641-32566-4V002

www.penguin-verlag.de

bluebird

there’s a bluebird in my heart that

wants to get out

but I’m too tough for him,

I say, stay in there, I’m not going

to let anybody see

you.

there’s a bluebird in my heart that

wants to get out

but I pour whiskey on him and inhale

cigarette smoke

and the whores and the bartenders

and the grocery clerks

never know that

he’s

in there.

there’s a bluebird in my heart that

wants to get out

but I’m too tough for him,

I say,

stay down, do you want to mess

me up?

you want to screw up the

works?

you want to blow my book sales in

Europe?

there’s a bluebird in my heart that

wants to get out

but I’m too clever, I only let him out

at night sometimes

when everybody’s asleep.

I say, I know that you’re there,

so don’t be

sad.

then I put him back,

but he’s singing a little

in there, I haven’t quite let him

die

and we sleep together like

that

with our

secret pact

and it’s nice enough to

make a man

weep, but I don’t

weep, do

you?

– Charles Bukowski

der kleine blaue Vogel

in meinem Herzen sitzt ein kleiner blauer Vogel, der

nach draußen will

doch ich bin zu tough für ihn,

ich sage: du bleibst drin, ich will nicht

dass jemand dich

sieht.

in meinem Herzen sitzt ein kleiner blauer Vogel, der

nach draußen will

doch ich schütte Whiskey auf ihn, ziehe kräftig an der

Zigarette

und die Huren, Bartender

und Supermarktkassierer

ahnen nicht mal

dass

er da ist.

in meinem Herzen sitzt ein kleiner blauer Vogel, der

nach draußen will

doch ich bin zu tough für ihn,

ich sage:

unten bleiben, willst du mir alles

verderben?

willst du mir in meine Arbeit

pfuschen?

meine Verkaufszahlen in Europa

torpedieren?

in meinem Herzen sitzt ein kleiner blauer Vogel, der

nach draußen will

doch ich bin zu clever, lasse ihn nur manchmal

raus, bei Nacht

wenn alle schlafen.

Ich weiß schon, dass du da bist, sage ich

also sei nicht

traurig.

dann muss er wieder rein,

aber er singt da drin ein

bisschen, ich hab ihn nicht völlig

sterben lassen

und so schlafen wir

gemeinsam

insgeheim

verbündet

und das ist so schön, dass

man fast weinen

könnte, doch

ich weine nicht,

weint ihr etwa?

– Charles Bukowski

Lisa Maries Stimme hat diese Schrift.

* *

Rileys Stimme hat diese Schrift.

INHALT

Vorwort

EINS   Graceland, Obergeschoss

ZWEI   Er ist von uns gegangen

DREI   The Wall

VIER   There’s A Bluebird In My Heart

FÜNF   Mimi

SECHS   Zehn Jahre

SIEBEN   Im Tourbus von Nashville nach L.A.

ACHT   Ben Ben

NEUN   Der Meditationsgarten

Dank

Bildnachweis

Über die Autorinnen

VORWORT

In den Jahren vor ihrem Tod nahm meine Mutter Lisa Marie Presley eine Reihe von Tonbändern auf, die sie als Grundlage für ihre Autobiografie verwenden wollte. Sie hatte einen Vertrag für ein Buch abgeschlossen, denn sie wollte ihre Geschichte erzählen. Sie probierte unterschiedliche stilistische Ansätze, um herauszufinden, wie sie am besten über sich selbst schreiben konnte. Sie fand sich selbst nicht interessant, obwohl sie das natürlich war. Sie sprach nicht gern über sich selbst. Sie war unsicher. Sie wusste nicht, welchen Wert sie für die Öffentlichkeit hatte, außer Elvis’ Tochter zu sein. Sie war so sehr von Selbstkritik geplagt, dass ihr die Arbeit an dem Buch unglaublich schwerfiel.

Ich glaube nicht, dass sie grundsätzlich verstanden hat, inwiefern oder warum ihre Geschichte erzählenswert war.

Trotzdem spürte sie das brennende Verlangen, sie zu erzählen.

Als sie darüber äußerst frustriert war, sagte sie zu mir: »Pookie, ich weiß nicht mehr, wie ich mein Buch schreiben soll. Kannst du es nicht mit mir schreiben?«

»Natürlich«, sagte ich.

Die letzten zehn Jahre ihres Lebens waren so brutal hart, dass es ihr nur so möglich war, auf alles zurückzublicken. Sie fand, ich könnte eine umfassendere Sicht auf ihr Leben haben als sie selbst. Also willigte ich ein, ihr zu helfen, ohne mir viel dabei zu denken, und ich ging davon aus, dass wir über einen längeren Zeitraum gemeinsam an dem Buch schreiben würden.

Einen Monat später starb sie.

Tage, Wochen und Monate der Trauer vergingen. Dann bekam ich ihre Tonbandaufnahmen.

Ich war zu Hause, saß auf der Couch. Meine Tochter schlief. Ich fürchtete mich sehr, die Stimme meiner Mutter zu hören – die physische Verbindung zu den Stimmen geliebter Menschen ist tiefgreifend. Ich beschloss, mich ins Bett zu legen, denn mein Körper wurde vor lauter Kummer immer ganz schwer, das kannte ich schon.

Ich begann, dem zuzuhören, was sie sagte.

Das war unfassbar schmerzhaft, aber ich konnte nicht damit aufhören. Als wäre sie mit mir im Zimmer, als würde sie wahrhaft mit mir reden. Sofort fühlte ich mich wieder wie ein Kind und brach in Tränen aus.

Meine Mommy.

Der Klang ihrer Stimme.

Ich war wieder acht Jahre alt, wir fuhren in unserem Auto. Van Morrisons Brown Eyed Girl kam aus dem Radio und mein Dad fuhr rechts ran, damit wir aussteigen und am Straßenrand tanzen konnten.

Ich dachte an das wunderschöne Lächeln meiner Mom.

Ihr Lachen.

Ich dachte an meinen Dad, der versuchte, ihren leblosen Körper wiederzubeleben, als er sie fand.

Dann saß ich wieder in meinem Kindersitz im Auto und beobachtete Moms Gesicht im Rückspiegel, während sie einen Song von Aretha Franklin mitsang und unser Wagen mit offenen Fenstern den Pacific Coast Highway entlangraste.

Dann war ich im Krankenhaus, gleich nachdem mein kleiner Bruder auf die Welt gekommen war.

Erinnerungen prasselten auf mich ein, wie eine schnulzige Flashback-Montage in einem Kinofilm. Aber in der Realität.

Ich wollte Mom zurück.

Die ersten Abschnitte des Buches erzählt vor allem sie – in den Tonbandaufnahmen spricht sie ausführlich von ihrer Kindheit in Graceland, dem Tod ihres Vaters und den schrecklichen Folgen, von ihrer Beziehung zu ihrer Mutter, ihrer schwierigen Teenagerzeit. Sie redet offen und witzig über meinen Vater Danny Keough. Sie erzählt freimütig von ihrer Beziehung zu Michael Jackson. Sie ist schmerzhaft ehrlich, was ihre spätere Drogensucht und die Gefahren des Ruhms angeht. In den Aufnahmen gibt es auch Stellen, wo sie klingt, als wollte sie die ganze Welt in Schutt und Asche legen. Dann wiederum zeigt sie ihr ganzes Mitgefühl, ihre Empathie – diese Aufzeichnungen sind meine Mutter. All ihre unterschiedlichen Facetten, die wunderschönen und die kaputten, die durch ein frühes Trauma zusammengehalten wurden und am Ende ihres Lebens aufeinanderprallten.

Aber es gibt auch Dinge, über die sie in den Aufnahmen nicht spricht, Themen, zu denen sie nicht gekommen ist, vor allem was die spätere Phase ihres Lebens anbelangt. Wir haben uns immer fünfmal pro Woche gesehen, und bis ich fünfundzwanzig war, haben wir rund um die Uhr zusammengelebt. Gibt es in den Aufnahmen Lücken, fülle ich sie. Denn was sich für dieses Buch als größter Vorteil erweist, war gleichzeitig eine der größten Schwächen meiner Mutter: Sie war grundsätzlich nicht imstande, irgendetwas vor mir zu verbergen.

Indem ich ihre Geschichte erzähle, hoffe ich, meine Mutter in eine dreidimensionale, erfassbare Figur zu verwandeln, in die Frau, die wir kannten und so sehr geliebt haben. Ich bin zu der Erkenntnis gekommen, dass ihr brennendes Verlangen, ihre Geschichte zu erzählen, dem Bedürfnis entsprang, sowohl sich selbst zu verstehen als auch von anderen vollständig verstanden zu werden – zum ersten Mal in ihrem Leben. Ich möchte mit diesem Buch meine Mutter nicht nur ehren, sondern auch, und das ist mir bewusst, unter außergewöhnlichen Umständen eine zutiefst menschliche Geschichte erzählen.

Wer ihr je begegnet ist, erlebte eine Naturgewalt – Leidenschaft, Geborgenheit, Loyalität, Liebe und die tiefe Verbundenheit mit einer unglaublich starken spirituellen Kraft. Die spirituelle Kraft, die mein Großvater besaß, floss zweifellos auch in den Adern meiner Mutter. Wenn man mit ihr zusammen war, konnte man das spüren.

Mir ist klar, die Tonbandaufnahmen, die meine Mutter hinterlassen hat, sind ein Geschenk. So oft bleibt von einem geliebten Menschen nicht mehr als eine immer wieder gesicherte Sprachnachricht, ein kurzes Video auf dem Handy, ein paar Lieblingsfotos. Das Privileg, diese Tonbandaufnahmen zu besitzen, nehme ich sehr ernst. Ich wollte, dass dieses Buch so innig ist wie all die Stunden, die ich damit verbracht habe, ihr zuzuhören, wie die Nächte, in denen sie mit uns im Bett lag, während wir dem Heulen der Kojoten lauschten.

In seinem Gedicht Binsey-Pappeln (gefällt 1879) schreibt Gerard Manley Hopkins über gefällte Bäume: »After-comers cannot guess the beauty been« – Nachkommen können die verlorene Schönheit nicht ermessen.

Ich möchte, dass dieses Buch die »verlorene Schönheit« zeigt, die meine Mutter war.

EINSGRACELAND, OBERGESCHOSS

Ich hatte das Gefühl, mein Vater konnte das Wetter ändern.

Für mich war er ein Gott. Ein Auserwählter.

Er hatte diese Eigenschaft, dass man in seine Seele sehen konnte. War er mies gelaunt, war das Wetter draußen mies. Wenn es gewitterte, dann, weil er kurz davor war, zu explodieren. Damals habe ich geglaubt, dass er für ein Unwetter sorgen konnte.

Ihn glücklich machen, ihn zum Lachen bringen – das bedeutete mir alles. Wenn ich wusste, dass er etwas lustig fand, habe ich es so oft wie möglich wiederholt, um alles, aber auch alles aus der Sache rauszuholen. Um ihn zu unterhalten. Wenn wir Graceland verließen, riefen die Fans mit ihrem Südstaatenakzent immer: »Alvis! Alvis!« Einmal habe ich mich über jemanden lustig gemacht, und er fiel vor Lachen fast um. Er fand, das sei das Lustigste, was er je gehört habe.

Ein anderes Mal lag ich in meinem hamburgerförmigen Bett – einem riesigen, mit schwarzem und weißem Pelz bezogenen Bett, zu dem Stufen hinaufführten – und er saß neben mir in einem Sessel und ich sah ihn an und fragte: »Wie viel Geld hast du?« Lachend fiel er vom Sitz. Ich konnte mir nicht erklären, warum das so lustig war.

Ich fühlte mich super verbunden mit ihm. Unsere Nähe war viel größer, als ich es in der Vergangenheit je bei jemandem zugelassen habe.

Er liebte mich innig und war total treusorgend, eintausendprozentig für mich da, so gut er konnte, trotz alldem um ihn herum. Er gab mir so viel von sich, wie er nur konnte, mehr als er irgendjemand anderem geben konnte.

Und doch hatte ich auch Angst vor ihm. Er war intensiv, man wollte nicht, dass er wütend auf einen wurde. Hatte ich ihn mal verärgert oder er war sauer auf mich, fühlte es sich an, als ob alles zu Ende wäre. Damit konnte ich nicht umgehen.

Wenn er sich über mich aufregte, nahm ich das so persönlich, dass ich schlicht am Boden zerstört war. Ich wollte zu allem seine Zustimmung. Einmal habe ich mir das Knie aufgeschlagen, und er sagte: »Verdammt, warum tust du dir denn selbst weh?«

Das machte mich fertig.

Meine Mom war eine Air-Force-Tochter, weil ihr Vater Soldat war. Sie lernte meinen Vater mit vierzehn Jahren kennen und ihre Eltern erlaubten das. Es war eine andere Zeit.

Damals kamen Frauen mit Wehen ins Krankenhaus. Dort wurden sie in eine leichte Narkose versetzt und dann wachten sie mit einem Baby auf. Meine Mom ging also ins Krankenhaus, sah glamourös und schön aus, und als sie wieder zu sich kam, reichte man ihr ein Kind.

Meine Mutter erzählte mir mal, dass sie darüber nachgedacht hatte, sich vom Pferd fallen zu lassen, um eine Fehlgeburt herbeizuführen.

Sie wollte keine Schwangerschaftspfunde. Sie dachte, das würde ihr als Elvis’ Frau nicht gut zu Gesicht stehen. Es waren so viele Frauen hinter ihm her, und alle wunderschön. Sie wollte seine ungeteilte Aufmerksamkeit. Sie war so erschrocken darüber, schwanger zu sein, dass sie zunächst nur Äpfel und Eier aß und nicht viel zunahm. Ich ging ihr von Anfang an auf die Nerven und hatte immer das Gefühl, dass sie mich nicht wollte.

Ich glaube an vorgeburtliche Energie, also spürte ich vielleicht bereits ihre Vibes, als sie früh versuchte, mich loszuwerden. Schließlich entschied sie sich zwar, mich zu behalten, aber damals hatte sie keine großartigen Muttergefühle.

Wahrscheinlich ist es das, was mit mir nicht stimmt.

Als ich klein war, habe ich meiner Mutter oft beim Schminken zugesehen. In ihrem Badezimmer gab es zwei Waschbecken und dazwischen einen riesigen Frisiertisch. Meine Mutter hatte mehr Make-up, als sich ein kleines Mädchen erträumen konnte – von MAC und Kevyn Aucoin, Schubladen über Schubladen voller Pinsel und Lippenstifte, Lidschatten und die berühmteste Lippenfarbe von MAC: Spice. Sie umrandete ihren Mund – den Amorbogen genannten Lippenschwung, den sie so liebte und den wir alle von ihrem Vater geerbt haben – und schaute dabei in einen kleinen Spiegel auf dem Frisiertisch, und ich fand ihre Lippen einfach perfekt. Für mich war sie die schönste Frau der Welt.

Ich schaute sie an und fragte: »Wie alt bist du?« Es war das erste Mal, dass ich über ihr Alter nachdachte. Sie lachte und sagte: »Ich bin achtundzwanzig.« Wie jung das doch war.

Meine Mutter selbst fühlte sich prinzipiell kaputt, nicht liebenswert, nicht schön. Sie hatte das tiefsitzende Gefühl, wertlos zu sein, aber ich habe nie wirklich herausgefunden, warum. Mein ganzes Leben lang habe ich versucht, darauf eine Antwort zu finden. Meine Mutter war ein unglaublich komplizierter und äußerst missverstandener Mensch.

Meine Familie hat eine lange Geschichte von Frauen, die früh Mütter wurden – meine Urgroßmutter, meine Großmutter und meine Mutter, sie alle bekamen ihr erstes Kind in jungen Jahren, als sie selbst noch Babys waren.

Als ich heranwuchs, wünschte ich mir, ich hätte die Mutter meiner Mutter und die Mutter meiner Großmutter sein können. Denn ich begann zu erkennen, was all diesen jungen Müttern fehlte.

Mir wurde erzählt, meine Geburt sei gut verlaufen. Mein Vater war sehr nervös, alle waren nervös. Sie hatten viele Generalproben durchgeführt, um den schnellsten Weg zum Krankenhaus zu finden. Sie hatten ein paar Testläufe gemacht und alles war in Ordnung. Und dann fuhr Jerry Schilling, einer der ältesten Freunde meines Vaters, der an diesem Tag am Steuer saß, beinahe ins falsche Krankenhaus.

Einige Zeit später kam ich auf die Welt.

Meine Mom wollte für meinen Dad gut aussehen, also beschloss sie, sich falsche Wimpern anzukleben, bevor er uns besuchen kam. Aber sie war von den Medikamenten immer noch etwas verpeilt und klebte sie an den Spiegel statt an ihre Augenlider.

Später gab es eine Pressekonferenz – meine Mom und mein Dad traten aus dem Krankenhaus, winkten in alle Richtungen und jeder machte Fotos. Die Presse war also von Anfang an dabei, direkt vor der Tür, seit dem Tag meiner Geburt.

Dann brachten sie mich heim nach Graceland.

* *

Graceland wurde 1939 von Tom und Ruth Moore, einem Arzt und seiner Frau, erbaut. Das Grundstück war der Familie von Grace, einer Tante der Ehefrau, geschenkt worden, weshalb sie es nach ihr benannten. Elvis gefiel der Name so gut, dass er ihn behielt, als er 1957 für das große Herrenhaus und die gut fünf Hektar Land 102 000 Dollar bezahlte.

Zu der Zeit war die Gegend noch ländlich geprägt, fünf Meilen südlich von Memphis gab es nichts. Graceland gehörte bis 1969 noch nicht einmal zu der Stadt.

Im Mai 1957 zogen Elvis’ Mutter Gladys, sein Vater Vernon und seine Großmutter Minnie Mae dort ein – Elvis selbst kam etwas später, am 26. Juni 1957 (es musste noch etwas renoviert werden und er war mit Dreharbeiten für den Film Jailhouse Rock beschäftigt). Nach Elvis’ Zeit in der Armee zogen noch weitere Leute ein, darunter Charlie Hodge und Joe Esposito von der sogenannten Memphis-Mafia, Elvis’ Entourage, die von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang in Graceland an seiner Seite waren.

Das Zimmer von Elvis’ Großmutter lag im ersten Stock, aber nachdem Elvis’ Mutter gestorben war, zog Minnie Mae nach unten. Als Priscilla schwanger wurde, richteten sie und Elvis 1967 ein Kinderzimmer im Obergeschoss ein, dort also befand sich das Zimmer meiner Mutter.

Verglichen mit heutigen Anwesen wirkt Graceland nicht sonderlich großzügig – Besucher sind oft erstaunt, wie klein es ist. Doch als Elvis das Gebäude kaufte, war es nicht nur ein Herrenhaus, sondern repräsentierte so viel mehr als die bloße Größe des Gebäudes und des Grundstücks. Bis 1953 hatte die Familie Presley in bescheidenen Verhältnissen gelebt. Graceland stellte die physische Manifestation des unglaublichsten amerikanischen Traums dar, der wahr geworden war. Elvis war ein Kleinstadtjunge einer Kleinstadtfamilie, die in Armut lebte, aber er war größer als groß und auf wundersame Weise zu einer gottähnlichen Figur, dem größten Star des Planeten, geworden. Dennoch blieb er ein Südstaatenjunge, der seiner geliebten Momma einfach so ein großes altes Haus kaufen konnte.

Elvis war entschlossen, sein neues Zuhause zu einem opulenten Heim zu machen, und wenn man aus dem Süden kommt, zieht gleich die ganze Familie mit ein – die Tanten, die Cousinen und Cousins, einfach alle. Wenn man aus Armut stammt, hat man die Pflicht, alle mitzunehmen, und genau das hat Elvis gemacht.

Das Haus ist von einer hohen Steinmauer umgeben, hat die berühmten Tore mit den Noten und ein Wachtor auf der rechten Seite. Fährt man dann den kurvenreichen Weg hinauf, erheben sich vor einem die vier riesigen weißen Säulen am Portal des Hauses, die von zwei Löwenskulpturen bewacht werden.

Es riecht überall nach den Südstaaten, besonders im Sommer mit einer sanften Brise und Glühwürmchen in der Nacht. Wunderschöne Bäume stehen rund um das Haus: Magnolien, Ulmen, Weiden-Eichen, roter Ahorn, Pekan, Schwarzkirsche.

Kommt man durch die Vordertür ins Haus, befindet sich gleich rechts das Wohnzimmer mit seinen ikonischen blauen Buntglas-Pfauen, einem Fernseher und dem Flügel. Eine Treppe im Raum führt hinauf zu den Schlafzimmern von Elvis und meiner Mutter. Auf der linken Seite des Wohnzimmers befindet sich das Esszimmer mit schwarzem Marmorboden und bodenlangen Plüschvorhängen vor den Fenstern. Die Küche ist auf der gleichen Ebene, ebenso wie der berühmte Jungle Room mit flauschigem Teppichboden und Indoor-Wasserfall. Im unteren Stockwerk befindet sich das Billardzimmer mit aufgepolsterter Decke und Wänden. Wie der Jungle Room ein gutes Zimmer, um sich zu verstecken.

Hinter dem Haus befinden sich in Graceland die Pferdeställe, der Racquetball-Platz und neben Vernons Büro eine Schaukel, die mal meiner Mom gehörte.

Als Kinder sind mein Bruder Ben und ich in den Ferien immer nach Graceland gefahren. Am Ende eines jeden Tages, wenn die Besuchertouren endlich vorbei waren, machten wir es uns mit der Familie im Haus gemütlich, aßen groß zu Abend und tobten, sprangen auf den Sofas herum und spielten Billard. Auch wenn Graceland Besuchern offenstand, wenn wir dort waren, war es einfach unser Zuhause. Es ist irgendwie seltsam und unglaublich, die Geschichte der eigenen Familie für immer an dem Ort bewahrt zu sehen, an dem alles geschah.

Als ob all das Leben, das in diesem Haus gelebt wurde – all das Lachen, die Tränen, die Musik, der Herzschmerz, die Liebe –, immer noch und immer wieder gelebt wird, einmal die Treppe hinunter, in diesen vier Wänden.

Dort spüre ich meine Vorfahren.

* *

Offenbar gibt es mindestens sechs Orte auf der Erde – beispielsweise Hawaii und Jerusalem –, die wissenschaftlich belegt eine besonders anziehende Energie haben.

Graceland war auch so ein Ort.

Wenn man dort war, spürte man es. Man fühlte sich gut, wieder aufgeladen. Mein Dad war dort, um aufzutanken.

Das obere Stockwerk von Graceland bestand nur aus seiner Suite und meinem Zimmer, mehr nicht. Die Tür zum Obergeschoss war meist verschlossen, und außer uns beiden kam dort niemand hinein. Schon als Kind wusste ich, dass das etwas ganz Besonderes war – niemand, bis auf vielleicht eine Freundin, hatte solch einen persönlichen Zugang zu ihrem Zimmer.

Oben in Graceland. Nur mein Zimmer und sein Zimmer. Ein Allerheiligstes, um bei ihm zu sein.

Sein Schlafzimmer hatte riesige Doppeltüren aus schwarzem und goldfarbenem Vinyl, die in einen kleinen Flur führten, und gleich um die Ecke war mein Zimmer. Wenn ich hinaufkam, musste ich an seinem Schlafzimmer vorbei, um in meins zu gelangen. Waren die Vinyltüren geschlossen, bedeutete das, dass er schlief. Wenn sie offen waren und ich frech gewesen war, was oft der Fall war, musste ich mich vorbeischleichen. Aber immer, wenn die Türen offen standen, habe ich einen Blick in sein Zimmer geworfen, um zu sehen, was er gerade tat. Er sah entweder fern, unterhielt sich mit irgendwem oder er las.

Auf der anderen Seite des Grundstücks stand ein Haus, das mein Dad für meinen Großvater gekauft hatte. Mein Dad war ein Nachtmensch, und ab und zu weckte er mich auf, setzte mich in ein Golfcart und fuhr mit mir dorthin, um Vernon zu besuchen, dem das nie wirklich gelegen kam. Dann hielten wir uns dort ein oder zwei Stunden auf und fuhren zurück zum Haus.

Wenn Vernon da war, durfte ich mir nicht viel rausnehmen. Für mich war er eine eher autoritäre Figur. Ich stand ihm nicht nahe. Ich ging ihm tunlichst aus dem Weg. Ich wünschte, ich hätte eine andere Beziehung zu meinem Großvater gehabt. Wenn möglich, habe ich mich vor ihm versteckt.

Die nächtlichen Fahrten zu Vernon waren in Wirklichkeit bloß ein bisschen Zeit, die mein Dad mit mir allein verbringen wollte.

Mein Dad war sehr südstaatlerisch.

Niemand sagt »goddamn« wie ein Südstaatler, nämlich auf die richtige Art, mit richtigem Soul und der richtigen Betonung. Wenn es richtig ausgesprochen wird, ist es lustig. Ich habe das immer so gehört. Mein Vater und alle seine Jungs sprachen es auf dieselbe Weise aus.

Ich wollte in eine Tierhandlung, und eines Abends machte Dad Schluss mit der Arbeit und fuhr mich dorthin, zusammen mit seiner Entourage. Wir alle durften uns ein Haustier aussuchen. Ich entschied mich für einen lustigen, kleinen weißen Hund und mein Dad für einen Zwergspitz namens Edmund. Kurz danach, ich war in meinem Zimmer und man brachte Dad gerade und wie jeden Tag sein Frühstück ans Bett, hörte ich ein lautes »GODDAMN!«. Ich rannte zu ihm rüber und er meinte: »Dieser verdammte Hund hat gerade meinen Bacon gestohlen!« Edmund war auf sein Bett gesprungen, hatte sich ein Stück Speck stibitzt und war damit nach unten gerannt. Er war so verdammt sauer auf den Hund. Daraufhin wurde Edmund der Hund meiner Tante Delta.

Manchmal saß ich in meinem Zimmer und schaute Fernsehen, da hörte ich »GODDAMNIT!« und lief durch den Flur zu seinem Zimmer, um herauszufinden, was los war.

»GODDAMNIT, ich kann nicht niesen – ich muss niesen, aber ich kann nicht!«, sagte er und dann konnte er endlich niesen, daran erinnere ich mich noch.

In meinem Zimmer gab es zwei Schränke voller Stofftiere und eines Tages dachte ich, ich hätte darin etwas gesehen – vielleicht eine Maus oder eine Ratte oder so etwas –, und ich bekam es mit der Angst zu tun. Also bin ich losgerannt und habe meinen Dad geholt.

»Daddy, da ist was in meinem Zimmer!«

Mein Vater schnappte sich seinen Gummiknüppel und einen Spazierstock, ging in mein Zimmer und schloss hinter sich die Tür. Dann hörte ich bloß noch Geräusche von Schlägen und Hieben und wie mein Dad schrie: »Goddamn son of a bitch!« Er schlug auf die Plüschtiere ein und versuchte, dieses Ding zu treffen, was zur Hölle es auch war, aber es rannte immer wieder vor ihm davon. Schließlich tötete er es, aber niemand brachte es weg, und ich erinnere mich, dass es danach einen Monat lang in meinem Zimmer schlecht roch.

Ein anderes Mal, als ich in meinem Zimmer war, ertönte ein weiteres »Goddamn son of a bitch!«. Diesmal von der Vorderseite des Hauses. Dann ein lauter Schuss.

Ich rannte die Treppe hinunter und fand meinen Dad unter einem Baum in einem Liegestuhl sitzend. Eine Schlange war an dem Baum hinuntergeglitten und wollte ihn in den Fuß beißen, also hat er sie erschossen.

Er hat allen anderen Angst eingejagt. Niemand lachte, wenn er einen verärgerten Eindruck machte. Aber ich kannte ihn, deshalb fand ich das lustig. Er hatte einfach eine witzige Art von Wut an sich. Sodass ich ihn sogar noch mehr geliebt habe.

Ich hatte einmal schreckliche Ohrenschmerzen und mein Dad brachte mich in den frühen Morgenstunden zu Dr. Cantor. Vor lauter Schmerzen schrie ich wie am Spieß. Dr. Cantor nahm irgendein Gerät, um meine Ohren durchzuspülen, oder was auch immer er tat, und ich brüllte so laut, dass mein Vater es nicht mehr aushielt und den Raum verließ. Er wollte mich nicht allein lassen, aber er konnte auch nicht ertragen, was da vor sich ging. Er lehnte im Flur an der Wand und war kalkweiß im Gesicht. Nachdem Dr. Cantor meine Ohren behandelt und gereinigt hatte, hob mich mein Dad in seine Arme und trug mich hinaus.

Später mussten meine Mandeln entfernt werden. Auch da war mein Dad im Krankenhaus dabei. Ich erinnere mich, dass man mir Eiscreme zu essen gab – worüber sich natürlich kein Kind beschwert –, aber es tat weh, überhaupt irgendetwas zu essen, sodass ich jedes Mal beim Schlucken das Gesicht verzog. Dad saß neben meinem Bett und wartete nur darauf, dass ich schluckte, und dann fing er an zu lachen.

Er fand die Grimasse so lustig.

* *

Ihr Vater nannte sie Yisa. Er ersetzte alle Ls durch Ys, wenn er mit meiner Mutter sprach.

Als ich gestern meine Tochter Tupelo in den Schlaf wiegte, erwischte ich mich selbst dabei, wie ich sie »yitty-bitty« nannte, und sang ihr »Momma’s little baby loves shortnin’, shortnin’« vor, dann hielt ich inne und dachte: Dieses Lied habe ich nicht mehr gehört, seit ich ein kleines Kind war. Und in dem Augenblick wurde mir klar, dass all diese Sätze, die ich benutze, und das, was ich zu meiner Tochter sage, genau so sind, wie meine Mutter mit mir sprach. Sie hatte das von ihrem Dad übernommen. Aus den Südstaaten. Und all das ist in mir lebendig. Ich kann sie sagen hören: »Los, goddamn it, gib mir den Zucker!« Sie bemuttert meine Tochter durch mich.

Immer, wenn ich in den Süden fahre und den Memphis-Akzent höre, spüre ich eine Sehnsucht, eine Nostalgie nach etwas, das ich nie wirklich erlebt habe. Ich habe nie in Memphis gelebt. Aber etwas in mir hat dort gelebt.

Sobald die Tore geschlossen waren, war Graceland wie eine eigene Stadt, mit eigenem Rechtssystem. Mein Dad war der Polizeichef und jede Person hatte ihren Rang. Es gab ein paar Gesetze und Regeln, aber meistens nicht.

Das war Freiheit.

Mein Dad schenkte mir ein eigenes Golfcart. Es war hellblau und auf der Seite stand mein Name – eine Riesensache für mich.

Es gab viele dieser Carts. Meine Freundinnen und ich haben damit den Rasen aufgerissen, sind frontal zusammengestoßen oder haben versucht, sie zu »enthaupten«, indem wir gegen einen dicken Ast eines Baums gefahren sind. Den lieben langen Tag ein echtes demolition derby. Ich fuhr mit voller Geschwindigkeit durch einen Zaun und am nächsten Morgen sah es so aus, als wäre nichts passiert – der Zaun war wieder komplett repariert.

Hinterm Haus, auf der anderen Seite des Rasens, gab es einen Schuppen. Mein Dad machte dort Schießübungen mit seinen Gewehren und Pistolen, aber irgendwann wurde darin aus irgendeinem Grund Feuerwerk gelagert. Dad und seine Freunde schossen mit den Böllern aufeinander. Eines Tages zündete Dad einen Böller oben auf einer ganzen Schachtel davon an und alle explodierten gleichzeitig. Der ganze Schuppen ging in Flammen auf. Manchmal kann ich gar nicht glauben, dass dabei niemand umgekommen ist. Keine Ahnung, wie wir unbeschadet davongekommen sind, das weiß ich wirklich nicht. Vielleicht hat ein göttliches Wesen über uns gewacht, über das Anwesen, diesen Energiestrudel.

Im Untergeschoss gab es einen Raum mit stoffbespannten Wänden und einem Billardtisch sowie ein Gästezimmer, das für egal welchen Herumtreiber der Memphis-Mafia reserviert war. Charlie Hodge übernachtete dort. David Stanley ebenfalls. Dieser Bereich des Hauses besaß seinen ganz eigenen Energiestrudel. Dort gab es Zigaretten ohne Ende, unanständige Magazine, unanständige Spielkarten, unanständige Bücher. Ich war ganz versessen auf diese unanständigen Magazine.

Einmal warf mein Dad eine Stinkbombe die Treppe hinunter in dieses Zimmer und verriegelte dann die Tür, damit niemand herauskommen konnte. Was auch immer er gemacht hat, ich folgte seinem Beispiel. Ich habe mit meinen Freunden dort Billard gespielt, und dann haben wir das Licht ausgemacht, uns mit Billardkugeln beworfen und uns im Stockdunkeln mit Billardstöcken verprügelt. Oder wir spielten Verstecken. In diesem Zimmer war die Jagdsaison immer eröffnet. Das Land des großen Blödsinns.

Ich bin mit dem Golfcart Leuten über die Füße gefahren und habe mich aus dem Staub gemacht. Eines Tages raste ich mit dem Wagen durch den Garten, und jemand meinte zu mir, ich solle damit aufhören, und ich sagte: »Ich werde meinem Vater von Ihnen erzählen, sobald er aufwacht.« Ein anderes Mal meinte jemand, dass ich irgendetwas nicht dürfte, während ich auch wieder in dem Golfcart saß, und ich antwortete: »Ich werde meinem Vater sagen, dass Ihre Frau …« Ich wünschte, ich könnte mich erinnern, was ich damals sagte, dass seine Frau getan haben soll.

Ich war schon wild.

Joe Esposito war einer der wenigen Menschen in Graceland, die streng mit mir waren und mir nichts durchgehen ließen. Er hatte keine Angst vor meinem Dad und er hatte keine Angst vor mir. Er gehörte schlicht zu denen, die immer die Wahrheit aussprachen. Er sagte: »Der Rasen geht davon kaputt«, oder: »Hör auf, die Pferde und Pfauen mit dem Golfcart zu jagen!«

In Graceland gab es vier Köchinnen – zwei für den Tag und zwei für die Nacht –, um jederzeit jedem etwas zu essen zu machen. Und es gab ständig Leute zu bewirten – das Haus war immer voll und in der Küche herrschte reges Treiben –, also wurde ständig gekocht, und es duftete immer nach dem Alten Süden. Denn es gab Brathähnchen, Pommes frites, ausgebackene Hushpuppies mit Coleslaw und Grünzeug.

Eines Tages bat ich um einen Schokoladenkuchen und eine der Köchinnen sagte: »Nein, dein Vater ist krank, den kann er nicht essen«, und ich antwortete: »Ich sage meinem Daddy, dass du gefeuert bist.«

Da war ich vier.

* *

Wenn wir in Graceland waren, kochten viele Jahre lang Elvis’ ehemalige Köchinnen für uns. Meine Mom ließ sie immer alles kochen, was sie liebte, alles, was sie als Kind mit ihrem Dad gegessen hatte: Brathähnchen und Catfish, Hushpuppies mit grünem Chili, Bananenpudding. Wenn wir dorthin kamen, hielt das Personal immer unsere Golfcarts bereit und nach dem Dinner gingen wir raus und verwüsteten den Rasen – fast nie fuhren wir auf den Wegen.

Das war Familientradition.

Einmal kam Billy Idol zu Besuch und meine Mom war vollkommen begeistert deswegen. Sie war ein für die 1980er-Jahre typischer Hair-Metal-Fan, also waren Billy Idol, Guns N’ Roses und Pat Benatar ihre Teenager-Helden. Sie und Billy waren irgendwo auf dem Gelände unterwegs, aber plötzlich kam meine Mom atemlos ins Haus gestürmt.

»Ich habe gerade aus Versehen Billy Idol aus meinem Golfcart geschleudert«, sagte sie und lachte hysterisch.

* *

Da mein Dad den ganzen Tag schlief, wollte ich mich aus dem Staub machen. Zusammen mit zwei Freundinnen – es könnten Joe Espositos Töchter gewesen sein, aber auch meine Freundin Laura oder meine Cousine Deana. Ich wünschte, ich wüsste es noch.

Ich saß in einem niedlichen kleinen Outfit in meinem Golfcart, ganz vorne an der Kante des Sitzes, damit ich die Pedale erreichen konnte. Ich war im hinteren Teil von Graceland unterwegs und fuhr in Richtung der Trailer, in denen ein paar Familienmitglieder wohnten, als mich jemand anhielt.

»Er ist wach und will dich sehen.«

Verdammt, es ist erst zwei oder drei Uhr nachmittags, wieso ist er schon wach? Alles Mögliche, das ich je getan hatte, schoss mir durch den Kopf.

Was hat er entdeckt? Irgendjemand hat ihm etwas erzählt. Ich bringe denjenigen, der mich verraten hat, um.

»Wir stecken in großen Schwierigkeiten«, sagte ich zu meinen Freundinnen. »Ich weiß noch nicht, worum es geht, aber er will mich sofort sehen und das ist ein Problem.«

Ich fing an zu weinen, als ich zum Haus ging, und meine Freundinnen weinten gleich mit.

Wir gingen nach oben. Mein Vater saß auf seinem Bett an seinem üblichen Platz. Er saß immer an der gleichen Stelle, lehnte sich mit dem Rücken an eines der Kissen mit Armstützen und wippte mit dem Bein oder nickte mit dem Kopf. Er wiegte sich immer hin und her.

Er sagte, wir sollten uns setzen, und dann zog er wie aus dem Nichts drei kleine Schachteln hervor. Eine für mich, eine für meine eine Freundin und eine für meine andere Freundin.