Frösche ertrinken nie und nimmer - Haide Frank - E-Book

Frösche ertrinken nie und nimmer E-Book

Haide Frank

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Beschreibung

Am Anfang hat mich der Neue in meiner Klasse genervt. Der syrische Junge hat mit niemandem gesprochen, auch mit seinen Eltern nicht. Aber dann hat mir meine Lehrerin erzählt, dass Bassam etwas Schreckliches passiert ist. Da habe ich mir den Kopf zerbrochen, wie ich meinem Freund helfen kann. Und ich hatte tatsächlich eine Idee! "Frösche ertrinken nie und nimmer" erzählt die Geschichte einer besonderen Freundschaft und zeigt, dass es eigentlich ganz einfach ist, freundlich zu sein.

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Haide Frank

Frösche ertrinkennie und nimmer

© 2018 Haide Frank

Umschlag, Illustration: Jokin Michelena

Lektorat, Korrektorat: Christine Kathmann

Verlag & Druck: tredition GmbH, Hamburg

ISBN

Paperback

978-3-7469-7151-3 ISBN Paperback

Hardcover

978-3-7469-7152-0 ISBN Hardcover

E-Book

978-3-7469-7153-7 ISBN E-Book

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Inhaltsverzeichnis

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

1. Kapitel

„Heute Nacht hat jemand meiner Oma mit einem Riesenstein die Fensterscheibe eingeschmissen!”, verkündete ich voller Stolz. Meine Klassenkameraden im morgendlichen Erzählkreis hielten den Atem an.

„Zeig mal wie groß, Felix!”, rief mein bester Freund Florian.

Grinsend breitete ich meine Arme weit aus.

„Voll krass!”, hörte ich von allen Seiten.

„Und … ein großes, rotes Hakenkreuz war auf den Stein gemalt.”

Jetzt wurde ich von allen Seiten bestürmt. Jeder wollte wissen, was ein Hakenkreuz ist.

„Das erkläre ich euch gleich”, meinte unsere Lehrerin, „jetzt lasst Felix doch erst mal weitererzählen.”

Das tat ich natürlich mit Begeisterung.

„Außerdem stand auf dem Stein Asylantenschlampe.”

Niemand verstand, was das bedeutete, nur die Nervensäge Lea krähte wie ein Gockelhahn: „Ich bin auch eine Schlampe, meine Mutter schimpft immer, wenn ich mein Zimmer nicht aufräume, und nennt mich schlampig.“

Frau Hunold räusperte sich laut, einmal, zweimal, dreimal …

„Jetzt setzt sie wieder ihr Sorgengesicht auf”, dachte ich genervt. Ich musste gar nicht hingucken, denn ich kannte es auswendig, wie die Gedichte, die wir gelernt hatten. Natürlich nicht freiwillig, wer wollte das schon?

Die Mundwinkel unserer Lehrerin zogen sich jetzt bestimmt nach unten, dann würde sie die Lippen zusammenpressen und ihre braunen Augen rollen. Als sie stöhnte, wusste ich, dass ihr Sorgengesicht verschwunden war.

„Mit Asylantenschlampe ist etwas anderes gemeint …”

Schon klar, darüber würden wir später sprechen. So waren sie eben, die Erwachsenen, das kannte ich von meinen Eltern. Immer, wenn es richtig interessant wurde, hieß es, dazu wäre ich zu klein. Nur meine Oma Sofie hatte kapiert, dass man mit mir über alles sprechen konnte. Deshalb hatte sie schon oft Ärger mit meiner Mama bekommen.

„Herrgott noch mal Mutter, wie konntest du nur …?”

Plötzlich klopfte es an der Klassenzimmertür, und Frau Grün, unsere Schulleiterin, kam herein. Sie war ein wenig zu dick und watschelte beim Gehen wie die Nilgänse an der Lahn. Ich mochte sie, denn meistens war sie sehr freundlich.

An ihrer Hand hing ein Junge mit dunklen Locken und großen, dunklen Augen. Auch seine Hautfarbe war dunkler als die der meisten Kinder in unserer Klasse. Ganz anders als ich sah er aus, obwohl auch ich Locken habe. Meine Locken sind blond und meine Augen sind blau. Man merkte, dass der fremde Junge gar nicht in die Klasse kommen wollte. Deshalb zerrte ihn Frau Grün ein wenig. Der Junge blickte zu Boden und presste die Lippen zusammen wie Frau Hunold, wenn sie ihr Sorgengesicht machte. Und er sah wirklich so aus, als hätte er große Sorgen. Wir glotzten das Kind an. Als ich mir vorstellte, wie ich mich an seiner Stelle fühlen würde, versuchte ich rasch, ein wenig an ihm vorbeizusehen. Das war ganz schön schwer, schließlich war ich neugierig.

„Das ist Bassam, euer neuer Klassenkamerad”, flötete Frau Grün. Sie hielt immer den Kopf schief, wenn sie Töne wie eine Amsel am Abend von sich gab, natürlich nicht so schöne. Sie erzählte uns, dass Bassam mit seiner Familie aus Syrien geflohen sei.

Ich wusste, warum. Meine Oma half nämlich schon seit zwei Jahren Syrern. Sie war Patin für Flüchtlinge bei der Caritas in Koblenz.

„In Syrien ist Krieg!”, rief Florian.

„Flüchtlinge brauchen wir in unserem Deutschland nicht!” Das war die Stimme von Moritz. Na, dem würde ich in der Pause was erzählen! Das hatte ihm bestimmt sein Opa beigebracht. Nach der Schule ging Moritz immer zu seinem Großvater, denn seine Eltern arbeiteten beide. Der Opa kochte nie. Deshalb verkündete Moritz immer wieder, dass Kochen Weiberkram sei. Dabei schaute er mich an und grinste. Aber ich liebte die Koch-AG und das Kochen. Moritz’ Oma war schon vor Jahren gestorben. Klar, dass sie immer gekocht hatte. Auch der Opa wollte gut für Moritz sorgen. Er kaufte Ravioli in Büchsen, Erbsensuppe, Bohnensuppe, alles in Büchsen. Aufwärmen durfte man, auch wenn man ein Mann war, meinte Moritz. Bescheuert! Sein Opa liebte Moritz und es war sicher gut, dass er für ihn da war. Schlimm war nur, dass Moritz alles glaubte, was sein Opa sagte.

Jetzt entzog Frau Grün dem neuen Jungen blitzschnell die Hand und schob ihn in den Klassenraum. Dann entfernte sie sich, nicht wie eine hüpfende Amsel, sondern wie ein kleiner Wal auf dem Land.

Wir glotzten Bassam immer noch an. Er stand stumm und steif da, die Augen niedergeschlagen.

„Guten Morgen, Bassam!”, rief Plappermaul Lea freundlich.

Bassam blieb stumm und bewegte sich nicht.

Endlich fragte Frau Hunold, wer denn neben Bassam sitzen wollte.

Ganz schnell hob ich den Arm, doch dann schrie ich auf.

„Was ist denn los, Felix?”, fragte Frau Hunold besorgt. Ich biss die Zähne zusammen und stammelte: „Nein, nein, es ist alles in Ordnung, es ist nichts, gar nichts!”

Oh Gott, tat das weh!

Mein Banknachbar Stefan hatte mich in die Seite gekniffen, aber wirklich gekniffen! Und nicht nur das! Er hielt das Stück Fleisch, mein Fleisch, das er schon gekniffen hatte, weiter zwischen seinen dicken Wurstfingern. Ganz fest. Und dann drehte er es ein wenig im Kreis. Das trieb mir die Tränen in die Augen. Nicht, dass ich traurig gewesen wäre, zum ersten Mal in meinem Leben weinte ich fast vor Schmerz.

„Du bist tot, Mann, tot!”, zischte Stefan.

Das war ich natürlich nicht, und ich war sicher, dass das auch nicht so schnell passieren würde. Niemand ist je totgekniffen worden, oder?

Stefan war ein Kind „aus schwierigen Verhältnissen”, so hatte mir das meine Mutter erklärt. Stefans Eltern waren „überfordert”. Seine Mutter konnte ihm kein Frühstück machen, obwohl sie nicht arbeitete. Das kapierte ich überhaupt nicht. Diese Mutter weckte ihren Sohn auch nicht, das tat der Wecker. Stefan bekam außerdem kein Frühstück mit in die Schule. Irgendwie verstand ich, dass er manchmal wütend wurde. Er sah, wenn wir in der Pause unser Frühstück auspackten. Aber das mit dem Kneifen ging einfach zu weit. Wie oft hatte ich mein Pausenbrot mit ihm geteilt!

Stefan war ein hinterhältiges Weichei mit einer großen Klappe. Niemand mochte ihn und niemand wollte neben ihm sitzen. Deshalb hatte unsere Lehrerin einen Plan entwickelt. Jeden Monat musste Stefan neben jemand anderem sitzen. „Nein”, durfte man nicht sagen, denn man hatte keine Wahl. Einen Monat musste man durchstehen, niemand hat freiwillig länger ausgehalten, obwohl das natürlich erlaubt war.

Stefan verpetzte uns immer bei Frau Hunold. Er spionierte uns aus, sogar am Nachmittag. Freunde hatte er ja nicht, deshalb war er immer unzufrieden. Oft beschäftigte er sich damit, wie er uns Ärger einbrocken konnte.

Dabei spielten wir nur ganz harmlose Streiche, meistens jedenfalls. Neulich zum Beispiel hatten wir das Fahrrad von unserem Hausmeister nur mal an eine andere Stelle gefahren. War Herr Urban nicht selbst schuld, dass er sein Rad nicht abgeschlossen hatte? So war es ganz leicht, es hinter einem Gebüsch zu verstecken. Konnten wir ahnen, dass Herr Urban nach der Schule einen wichtigen Termin hatte? Wenn der Termin so wichtig war, kann mir dann jemand sagen, warum der Geizkragen kein Taxi gerufen hat?

Am nächsten Morgen bekamen wir richtig Ärger. Herr Urban riss unsere Klassenzimmertür auf und stürmte rein. Er ist sehr dünn und groß und sieht aus wie eine Bohnenstange mit zwei Riesenohren. Gott sei Dank brüllen Bohnenstangen nicht so laut. Ganz rot war er im Gesicht. Fast bekam ich Angst, er würde platzen. Das würde bestimmt nicht schön aussehen, ein geplatzter Hausmeister. Sicher keine Freude für die Putzfrauen!

„Euer Klassenkamerad Stefan war so ehrlich, mir zu erzählen, wer die Bösewichte waren, die mein Fahrrad versteckt haben”, brüllte er. Und dann sagte er: „Frau Hunold, ich erwarte von Ihnen, dass Sie Felix und Florian bestrafen!”

Da tat mir unsere Klassenlehrerin richtig leid. Sie hatte jetzt den Schwarzen Peter und machte wieder ihr Sorgengesicht. Und was passierte? Sie informierte unsere Eltern. Mama wollte wissen, warum wir Herrn Urban diesen Streich gespielt hatten.

„Der Mann ist ein Kinderhasser. Er brüllt immer herum und behauptet, wir Jungens würden aus der Toilette einen Saustall machen.”

Als ich meinen Eltern dann noch erzählte, dass er neulich Florian und mich gezwungen hatte, den Schulhof zu säubern, schimpften sie nur ein ganz klein wenig wegen des Fahrrads.

Dass Herr Urban einen wichtigen Termin verpasst hatte, erfuhren meine Eltern nicht. War ja wohl auch nicht sooo wichtig, wenn er kein Taxi genommen hatte.

Der Hausmeister gab keine Ruhe, bis wir dreimal nachsitzen mussten. Außerdem schien er uns jetzt ständig nachzuspionieren. Klar, dass er nun einen richtigen Denkzettel brauchte. Florian und ich hatten jedoch beschlossen, dass es bei unseren Streichen Grenzen geben musste. Es durfte nicht gefährlich sein und nicht wehtun. Schnell hatte ich eine Idee. Wir würden seinen Fahrradsattel mit Fett einreiben!

„Stell dir vor, er fährt auf dem Fettsattel mit einer hellen Hose! Das hat doch was!”

Florian nickte begeistert. „So machen wir es. Jeder, der sein Hinterteil sieht, wird denken …”

Voller Freude stellte ich mir vor, wie ein großer dunkler Fleck sich mehr und mehr auf dem hellen Hosenboden von Herrn Urban ausbreitete. So deutlich sah ich es vor mir, dass ich es hätte malen können.

Ich klaute ein wenig von Oma Sofies bestem Olivenöl aus der Toskana und füllte es in ein kleines Gläschen mit Schraubverschluss ab. Zusammen mit einem Lappen blieb es in meinem Ranzen, bis Herr Urban eines Morgens mit einer hellen Jeans von seinem Fahrrad stieg.

Florian stieß mir seinen Ellenbogen in die Seite.

„Au!”, schrie ich. „Schmerz ist verboten!”

„Weichei!”, meinte er grinsend. „Heute ist unser Tag.”

Oh, ich armer Junge! Rein zufällig wurde mir in der ersten Stunde ganz schlecht. Frau Hunold erlaubte mir, das Klassenzimmer zu verlassen. Das Gläschen mit dem guten Olivenöl und dem Lappen war schon in meiner Hosentasche. Langsam verließ ich das Klassenzimmer. Eine Hand presste ich vor den Bauch, während ich laut stöhnte. Sobald sich die Tür hinter mir geschlossen hatte, rannte ich auf den Schulhof. Nachdem ich mich nach allen Seiten umgeschaut hatte, goss ich das Olivenöl über den feinen Ledersattel und verrieb es mit dem Lappen. Es fiel gar nicht auf. Ich war sehr zufrieden. Aber ich sollte noch viel zufriedener werden.

Herr Urban fuhr an diesem Tag quietschvergnügt mit seinem dunklen Hosenboden nach Hause. Wenn seine Ehefrau dort gewesen wäre, hätte sie vielleicht gesagt: „Was ist denn mit deiner Hose passiert? Das sieht ja aus, als hättest du dir in die Hose …”

Aber seine Ehefrau war nicht da, die war nämlich weggelaufen. Hätte ich an ihrer Stelle schon lange getan. Dass Herr Urban noch verheiratet ist, hat er nur Florian und mir zu verdanken. Der wichtige Termin, den er verpasste, als wir sein Fahrrad versteckten, war nämlich der Scheidungstermin. Dankbar war er aber deshalb keineswegs.

Ganz zufällig war an diesem Tag Elternabend. Natürlich hatte Herr Urban Dienst, er musste die Schule und alle Klassenzimmer aufschließen. So kam es, dass unser Hausmeister vor einigen Eltern mit seinem dunklen, fettigen Hosenboden durch die Flure schlurfte. Die Eltern begannen zu tuscheln, manche lachten. Leider kam Herr Urban nicht auf die Idee, dass sie über seinen Hosenboden lachen könnten und natürlich traute sich niemand, zu sagen: „Hey, Herr Urban, kann es sein, dass Sie sich in die Hose …?” Niemand sagte es ihm, und das war natürlich doof. Cool war es aber auch irgendwie.

Zum Glück trug er diese Hose auch am nächsten Morgen. Da hatte unsere liebe Klassenlehrerin Frau Hunold endlich Erbarmen mit ihm. Sie zog ihn beiseite und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Jetzt bloß nicht Florian angucken! Es tat richtig weh, so fest biss ich mir auf die Lippe. Wenn ich in diesem Moment lachte, würde der Urban ausrasten. Doch der hatte gar keine Zeit, sich umzusehen, stattdessen stürzte er aus dem Klassenzimmer und hielt sich dabei beide Hände vor den Hosenboden.

Sogar Frau Hunold musste lachen, aber sie lief schnell zur Tafel, damit wir es nicht sahen.

Unser Sportlehrer lieh Herrn Urban einen schwarzen Trainingsanzug mit weißen Streifen an den Seiten. So lief er den ganzen Vormittag im Sportdress herum.

Diesmal konnte Stefan uns nicht verpfeifen, denn er hatte nichts mitbekommen. Aber ich zählte dennoch die Tage, bis er neben jemand anderem sitzen würde. Bassam war für mich eine günstige Gelegenheit, meinen Banknachbarn loszuwerden. Schlimmer als Stefan konnte der Neue ja nicht sein. Und schließlich musste der Flüchtling einen Banknachbarn haben, oder?

„Die mobben mich, Frau Hunold! Keiner will neben mir sitzen”, maulte Stefan, nachdem ich mich gemeldet und er mich gekniffen hatte.

„Dann solltest du vielleicht drüber nachdenken, warum das so ist, Stefan. Warum möchte keiner neben dir sitzen? Das muss doch einen Grund haben”, gab unsere Lehrerin zurück.

Sie klatschte dreimal in die Hände und rief dabei: „Auf – die – Plätze!” So wurde der Morgenkreis jeden Morgen aufgelöst. Noch immer stand Bassam regungslos an der Tür.

„Oh Bassam”, rief unsere Lehrerin, „entschuldige!” Sie hatte ihn wohl total vergessen. Das war aber nicht böse gemeint. Die Gute war manchmal ein wenig neben der Spur, sie hatte ja auch einen anstrengenden Beruf.

Jetzt lief ich los und reichte Bassam die Hand. Der rührte sich immer noch nicht, das machte mich allmählich nervös. Also nahm ich seine Hand, sie war eiskalt. Dabei war es doch so warm in unserem Klassenzimmer. Ganz sanft zog ich ihn zu dem Stuhl neben meinem und setzte mich. Bassam stand starr und unbeweglich. Schnell rückte ich ihm den Stuhl zurecht und zeigte darauf.

„Komm, setz dich!” Ich schlug mit der Hand auf seinen Stuhl, da setzte er sich endlich.

Stefan musste sich ganz nach hinten allein an einen Tisch setzen. Geschah ihm recht!

„Ich bin Felix!”, flüsterte ich. Bassam rührte sich nicht, er sprach auch nicht.

Irgendwie wurde ich plötzlich wütend, dieser Junge war ja noch sturer als Hugo, die Terriermischung meiner Oma. Dabei gab ich mir doch so große Mühe. Ich packte seinen Arm und schüttelte ihn ein wenig, ich schwöre, ganz leicht. Bassam begann zu schluchzen, ganz leise, ich bin sicher, nur ich konnte es hören. Natürlich bekam ich sofort ein schlechtes Gewissen. Meine Mutter, die Psychotussie, hätte bestimmt mit mir geschimpft.

Erst jetzt fiel mir auf, dass Bassam keinen Ranzen hatte. Nur einen kleinen Rotstift hielt er fest in seiner rechten Hand.

„Lea und Jonas teilen die Zeichenblöcke aus!”

Juhuu, Kunst, mein Lieblingsfach!

Schnell riss ich ein Blatt aus meinem Zeichenblock und schob es Bassam zu. Meinen Farbkasten stellte ich in die Mitte von unserem Tisch. Dann stupste ich meinen neuen Tischnachbarn in die Seite.

„Hier hast du einen Pinsel”, raunte ich ihm zu.

Bassam rührte sich nicht und blieb stumm. Ich stöhnte laut, allmählich nervte dieser Kerl. Auch meine Lehrerin nervte mal wieder. Wir sollten ein Meer mit vielen Blautönen malen. Natürlich auch den Himmel. Jetzt mussten wir zum neunundneunzigsten Mal herunterleiern, wie man Blautöne mischt: Blau mit Schwarz, Blau mit Weiß, Blau mit Braun, Blau mit Grün, Blau mit Rot …

„Natürlich könnt ihr auch alle angemischten Blautöne wieder untereinander mischen …”

Laber, laber, seufz, seufz, seufz!

„Könnte ich?”, versuchte ich vorsichtig. Es zuckte mir in den Fingern, ich wollte mit dem Malen beginnen, jetzt! Das Meer mit seinen Blautönen war mit total egal, ich wollte ein Segelboot malen, riesengroß, vielleicht im Sturm, in Schräglage? Riesenwellen, die über Deck rollten? Mit so einem Superteil waren wir in den letzten Sommerferien über das Mittelmeer geschippert, Oma, Mama, Papa, meine Schwester Svenja und ich. Es war einfach megamäßig!

„Nein, Felix, du wartest genau wie deine Klassenkameraden.” Jetzt guckte Frau Hunold wieder leicht scheel, aber sie schielte nur ein wenig. Ganz im Gegenteil zu Hugo, dem Hund von Oma Sofie.