Frühschwimmen - Thomas Einfeldt - E-Book

Frühschwimmen E-Book

Thomas Einfeldt

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Beschreibung

Frühschwimmen - und das Glu:ck finden; die beiden Prota-gonisten sind Krisen erfahrenen, Leid geprüft, ein Mann und eine Frau jenseits der Lebensmitte, umständehalber genötigt, sich neu zu orientieren; und mit der unausgesprochenen Sehnsucht nach einer neuen Partnerschaft ausgestattet. Sie geraten in die seltsame Gesellschaft der Frühschwimmer und nehmen die Situationen mit Ironie und dem eigenen Humor wahr. Das Frühschwimmen, morgens vor der Arbeit, in der gefliesten sachlichen Schwimmhalle dient dem Zweck: Wach werden, fit bleiben, meditativ im Fluss der Gedanken schwimmen, die anonymen Mitschwimmer taxieren und mit neuen Gedanken aus dem Wasser steigen, um den Tag zu beginnen. Sie kennen sich nicht, kommen nacheinander zu Wort - und haben sie Glu:ck oder Glück? Lernen sie sich kennen? Könnte es eine neue Liebe werden? Es ist quasi eine Coming-in-Age Novelle, auch wenn es dieses Genre so noch nicht gibt. Die Novelle besteht aus zwei Teilen und spielt in der Großstadt. In der Zeit kurz vor Corona.

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Das Buch

Frühschwimmen - und das Glu:ck finden; die beiden Protagonisten sind Krisen erfahrenen, Leid geprüft, ein Mann und eine Frau jenseits der Lebensmitte, umständehalber genötigt, sich neu zu orientieren; und mit der unausgesprochenen Sehnsucht nach einer neuen Partnerschaft ausgestattet. Sie geraten in die seltsame Gesellschaft der Frühschwimmer und nehmen die Situationen mit Ironie und dem eigenen Humor wahr. Das Frühschwimmen, morgens vor der Arbeit, in der gefliesten sachlichen Schwimmhalle dient dem Zweck: Wach werden, fit bleiben, meditativ im Fluss der Gedanken schwimmen, die anonymen Mitschwimmer taxieren und mit neuen Gedanken aus dem Wasser steigen, um den Tag zu beginnen. Sie kennen sich nicht, kommen nacheinander zu Wort - und haben sie Glu:ck oder Glück? Lernen sie sich kennen? Könnte es eine neue Liebe werden? Es ist quasi eine Coming-in-Age Novelle, auch wenn es dieses Genre so noch nicht gibt. Die Novelle besteht aus zwei Teilen und spielt in der Großstadt. In der Zeit kurz vor Corona.

Der Autor

Thomas Einfeldt ist Hamburg geboren, hat dort Zivildienst absolviert, Zahnmedizin studiert, sich verliebt, gearbeitet, geheiratet, Sohn und Tochter zusammen mit seiner Frau großgezogen; neben dem Brotberuf drei historische Romane, zwei Jugendbücher, ein Sachbuch veröffentlicht, diverse fachliche und berufspolitische Artikel geschrieben und sich ehrenamtlich engagiert. Nun aber hat er die berufspolitischen Ehrenämter und die praktische Arbeit aufgeben, um das Leben zu genießen, Freunde zu treffen, zu reisen, neue Texte, Themen und Formate auszuprobieren und mit Haltung und vorsichtigem Sendungsbewusstsein älter zu werden.

Inhaltsverzeichnis

Kapitel; erster Teil „Die Frühschwimmerin“

01 Klare Sicht

02 Der Frühschwimmerclub

03 Wen man in der Anstalt trifft

04 Eine Oper

05 Schuhmode und Krähenfüße

06 Traurige Tage bewältigen

07 Kolonne schwimmen

08 Seltsam geteilte Sicht

09 Panoptikum

10 Angebote

11 Downloaden und upgraden

12 Tod im Wasser

13 Das Leben geht weiter

14 Von Tret -, Wasser - und Windmühlen

15 Die Renovierung

16 Mit Simone im Aquarium

17 Serienkarambolage

18 Auf den Hund gekommen

19 Der Racheakt des Waschweibs

20 La Piscina felice

21 Siegfried

22 Schneckenakt

23 Altersheim-Sorge

24 Der Sprung ins kalte Wasser

Kapitel; zweiter Teil „Der Frühschwimmer“

01 Männer denken durchschnittlich 19-mal am Tag an Sex!

02 Welche Umstände mich in die Badeanstalt trieben und ich zum Frühschwimmer avancierte

03 Das sind niemals 20 Zentimeter

04 Nur zweimal wöchentlich anstatt täglich

05 Männer sind Augenwesen

06 Der nasse Blick zurück

07 Tanz die Nacht

08 Zweite Pubertät?

09 Ein norddeutscher Sommer

10 Rhythmus und Kontinuität

11 Fortune

12 Erste Hilfe

13 Dienstag – das Frühschwimmen ist Glück und das Leben geht weiter

Erster Teil: Die Frühschwimmerin

01. Klare Sicht

Eine Wohltat. Kein Augenbrennen mehr, nicht dieses Beißen in den Lidern, dieser Juckreiz, der Drang, sich nach einer Bahn die Augen reiben zu müssen. Und dann die klare Sicht auf die Mitschwimmer! Wie gut die aussehen. Diese jungen Leute, die in der Schnellschwimmerbahn trainieren. Ich musste es mir verkneifen, so lange in ihre Richtung zu spähen, wollte nicht aufdringlich, womöglich neugierig wirken. Aber mit jedem Zug, bei dem ich mich streckte und mit dem Kopf ins Wasser tauchte, konnte ich nun dank der Schwimmbrille, selbst unbemerkt, unter Wasser auf die andere Bahn sehen, meiner Faszination dieser jungen, durchtrainierten Körper freien Lauf lassen. Unablässig, wie ein Schwarm Makrelen, bewegen sie sich von Ufer zu Ufer. Wenden und schwimmen mit beneidenswerter Leichtigkeit. Angetrieben von einem unsichtbaren Impuls, an einer imaginären Schnur gezogen, ganz unwirklich anmutend. Dabei bin ich doch selbst ein Teil dieses Aquariums.

Am Ende der Bahnen unter der Wasserlinie am Beckenrand links wie rechts dunkle Fenster. Die Unterwasserscheinwerfer blenden. Man kann so nicht in das Innere der dort vermuteten Räume schauen. Bei Wettkämpfen sicherlich Standort von Schiedsrichtern und Trainern. Oder beobachten die jetzt mich von dort aus? Aber wer sollte sich ausgerechnet für mich interessieren?

Ich trage jetzt wieder am liebsten meinen über zwanzig Jahre alten Badeanzug, der seit der ersten Schwangerschaft in einer Kommode ruhte. Einst hatte ich ihn mit meinem Mann in Llandudno gekauft, in Wales. Damals verbrachten wir dort einen traumhaften Urlaub. Jetzt passt er wieder. Er ist aus einem changierenden gelb-oliven, festen Mischgewebe aus Baumwolle und Kunstfaser. Sowas gibt es heute wahrscheinlich gar nicht mehr. Der Stoff über und über mit diesen eingewirkten roten walisischen Drachen in der Größe von Shillings-Mün-zen bedeckt, von weitem ein einfach gepunkteter Anzug. Nur aus der Nähe erkennt man das Wappentier-Ensemble. Belustigt denke ich daran zurück, wie mein Mann damals meinte: „Dich möchte ich zum Hausdrachen haben. Für immer.“ Die ausgeleierten Gummibänder habe ich mühselig gegen neue ausgetauscht, auch ein paar Nähte nachgezogen und zwei Stellen gestopft. Ich liebe diesen alten Anzug, auch wenn meine neueren Exemplare schneller trocknen. Geschmeidiger sind sie überdies. Aber der alte passt am besten zu mir.

Die Schwimmbrille hatte ich anfangs für ein überflüssiges Accessoire gehalten. Wie diese Autofahrerhandschuhe. Oder die albernen Trinkflaschen, die manche Frauengruppen beim Nordicwalking oder eher Nordic-talking an ihre Gürtel schnallen, obwohl sie sich gerade mal zwanzig Minuten am Kanal lang oder durch den Stadtpark bewegen.

Erst als meine älteste Mitarbeiterin mich besorgt, nach Worten ringend, nach der Freitagssprechstunde ansprach, ob ich wohl abends trinken würde, meine Augen seien morgens immer so rot und verquollen, da sah ich ein, dass ich etwas ändern müsste. Ich bedankte mich für den Hinweis. Womöglich hatten auch Patienten bereits so ihre Vermutungen angestellt. Dann bat ich meine zweite Angestellte sowie die Auszubildende noch zu der Unterredung.

„Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen. Es ist nicht die Trauer, die mir rote Augen macht. Mein Mann ist doch jetzt schon ein paar Monate tot. Ich trinke weder aus Verzweiflung noch aus anderen Gründen. Ich gehe lediglich vor der Praxis zum Frühschwimmen in die Schwimmhalle um die Ecke. Am Anfang habe ich den Kopf aus dem Wasser gehalten und bin ruhig geschwommen. Einen verhaltenen, etwas steifen Brustschwimmerstil. Aber der bekommt weder meiner Halswirbelsäule, noch befriedigt er meinem, obschon geringen, doch vorhandenen Ehrgeiz. Ich will im Wasser nicht wie eine lahme Ente aussehen. Ich strecke mich jetzt wie die, die Sie vielleicht ja auch schon in Wettkämpfen beobachtet haben, oder wie Sie es noch vom Schwimmunterricht aus der Schule kennen. Und dabei tauche ich mit dem Gesicht in die Wasseroberfläche; klar, dass meine Augen dann mit dem Wasser in Berührung kommen …“

Da bemerkte ich, wie erleichtert meine Mitarbeiterinnen waren. Sie lächelten und entspannten sich. Wir setzten uns noch zusammen an die Anmeldung, nahmen eine Flasche Sekt aus dem Kühlschrank, Mitbringsel eines dankbaren Patienten, und ich bemühte mich, ganz aufgeräumt zu erscheinen. Bot einen kleinen Einblick in mein Seelenleben, lieferte Persönliches, gestand, dass ein Orthopäde mir das Joggen verboten hatte. Dass ein Meniskus-Einriss, vor Jahren bei einem Fahrradunfall entstanden, mir neuerdings wieder Beschwerden bereitet und nun dazu geführt hätten, dass ich, statt frühmorgens zu laufen, das Schwimmen ausprobierte. „Man muss etwas tun für sich, damit man in Form bleibt“, hörte ich mich leichthin sagen, und die Auszubildende nickte eifrig.

„Sie sehen doch gut aus, für Ihr Alter,“ setzte sie tutig hinzu und beschwingt von dem Schluck Sekt, zu dem ich ‚meine Damen‘ animiert hatte, fügte sie noch an: „Single müssen Sie bestimmt nicht ewig bleiben.“

Mit oder ohne Brille, ich kann klarsehen. Und verstehen. Man sorgt sich um die Witwe, will nicht, dass sie trinkt, deprimiert ist, allein bleibt. Die Mitarbeiterinnen wollen von einer toughen Leitwölfin bei guter Stimmung in erfolgreicher Praxis angeführt werden. Obwohl uns alle nach dem langen, arbeitsintensiven Vormittag der Sekt beschwipste, blieb ich seltsam unberührt. Es war wie im Schwimmbad. Ich beobachtete sie und mich selbst wie Fische im Aquarium. Wie ein Forscher ein Biotop betrachtet.

Freundlich lachend, wiegte ich den Kopf: „Wer weiß.“

„Eine Schwimmbrille müssen Sie sich kaufen, eine richtig gute, die nicht drückt oder leicht beschlägt. Das ist auch für die Augen besser, damit sie nicht mit dem gechlorten Wasser in Berührung kommen“, meinte meine erste Kraft. Offensichtlich wollte sie das Thema wechseln und zum Ausgang des Gesprächs zurückkommen .

Diesen Rat habe ich nun befolgt und das hat mir tatsächlich klare Sicht und neue Einblicke beschert.

02. Der Frühschwimmerclub

Dass man Sport treiben muss, ist jedem klar. Belegt von Lebensweisheiten und Sinnsprüchen aller Kulturen. Nachzulesen in sämtlichen Zeitungen und Magazinen. Ich bewege mich gern. Schon als die Kinder noch klein waren, hatte ich mich daran gewöhnt, zwei oder drei Mal in der Woche morgens früher aufzustehen, um noch vor dem Frühstücksritual am Kanal entlang zu laufen. Ich genoss es, den Wechsel der Jahreszeiten an der Ufervegetation abzulesen, die Wasservögel bei der Balz oder Aufzucht der Jungen zu beobachten und den Singvögeln im Frühjahr zuzuhören. Es war wunderbar. Das Haus verlassen. Einfach loszulaufen. Es erfrischte mich, machte den Kopf frei, die Herausforderung zu wuppen, Haushalt, Kinder, eine Teilzeit-Praxis mit einer Kollegin zusammen aufzubauen, Ehefrau, Mutter und Geliebte zu sein. Mit Sport wollte ich den Tag beginnen. Nur selten wachte mein Mann morgens auf und hielt mich in seinen Armen zurück.

Abends, nach der Praxis, konnte ich mich nicht mehr aufraffen. War müde von Arbeit, dem Bohren und Manipulieren auf kleinstem Raum, an empfindlichstem Gewebe. War abgespannt durch die bewussten wie unbewussten Reaktionen der Patienten, ihren Erwartungen an mich und den ewig sich wiederholenden Erklärungen und Aufklärungen.

In meinen Anfangsjahren zu Berufsbeginn, ohne Kinder und ohne Verpflichtung, war mir das abends nicht so ergangen. Da war ich nicht abgespannt, eher wacher gewesen. Es gab junge Galane, die sich um mich bemüht hatten. Ließen sich von meinen Angestellten den letzten Termin geben, um mich dann, nach der Behandlung, mehr oder weniger charmant darum zu bitten, mich zu einem Glas Wein einladen zu dürfen. Lange her. Erlegen war ich diesen Angeboten nicht. Aus Prinzip nicht. Und aus der Furcht um meinen Ruf. Den einen oder anderen, der mir gefallen hätte, gab es schon. Manchmal war es einfach der Geruch, der mich anzog. Ein sinnlicher Mund. So eine feste, gesunde, rosa-farbene Zunge – es gab wenige, aber mit manchem hätte ich auch gern mal geknutscht, verkniff es mir natürlich. Ich fühlte den Pulsschlag in der Lippe jener Männer durch den dünnen Latexhandschuh hindurch und stellte mir vor, wie ich mich von dem einen oder anderen verführen lassen würde. Aber mir reichte die Vorstellung. Durch das umsichtige Begehren fühlte ich mich geschmeichelt und ich liebte meinen Mann ja auch, suchte keine neuen Abenteuer.

Dann kamen die Kinder. Wir liebten und erzogen sie, richteten uns ein im Leben. Schließlich hörten diese Angebote auf, flirtende Patienten wurden Vergangenheit.

Endlich waren die Kinder aus dem Haus, begannen zu studieren. Und gerade, als mein Mann und ich diese einkehrende Ruhe im Haus zu genießen begannen, sich eine neue Zweisamkeit einstellte, da traf uns dieser Schicksalsschlag, brach Prostatakrebs aus bei meinem Mann. Der sicher geglaubte Boden unter den Füßen – weg.

Der Frühsport, Komponente der Stabilität in meinem Leben, blieb. Gehörte zum Rhythmus. Dann hatten mich Schmerzen im Knie und die Erklärungen des Orthopäden gezwungen, mir einen anderen Ausgleich zu suchen. So war ich auf den Frühschwimmerclub gestoßen, das Schwimmbad liegt ja gleich um die Ecke.

Frühmorgens ist die Schwimmhalle noch nicht zum Spaßbad von Pubertierenden verwandelt. Nach der Schule springen sie vom Turm, balgen sich johlend um die Rutsche, toben herum. Alles, um in Berührung mit dem anderen Geschlecht zu kommen. Zum frühen Abend avanciert das Bad dann zur Wellness-Oase von Yuppies. Sie pendeln zwischen Sauna, Sonnenbank und Whirlpool. Abends geht’s zur Lifestyle-Promenade. Man präsentiert seinen Body am Beckenrand, verweilt an der Bar bei penetranter Chart-Musik.

In der Frühe treffen sich die Schwimmer mit Anliegen in der Schwimmhalle. In der Regel junge oder ältere Erwachsene. Die Musikanlage schweigt. Das Becken ist unterteilt mit schwimmenden Kugel-Schnüren. Gleich die erste Bahn nach dem Umkleidetrakt und den Duschen ist für Normalos reserviert, meist Brustschwimmer. Wenige Krauler. Menschen, die keine Rekorde schwimmen, sich aber stetig bewegen wollen. Die Richtung auf dem Hinweisschild angezeigt. Am Beckenrand entlang Richtung Westen, dann die Schnur lang zurück Richtung Osten, wieder wenden. Kaum einer rastet am Beckenrand. Hier wird nicht gebadet. Man schwimmt.

Die zweite Bahn gehört den Rückenschwimmern. Das zugehörige Schild, kurz und knapp: „Rücken“. Dazu Pfeile, denn auch hier geht es gegen den Uhrzeigerweg. Rückenschwimmer wirken immer ein bisschen skurril, sehen nicht, wohin sie schwimmen. Unbeabsichtigte Rempeleien nicht selten. Hier ist die Schwimm-Technik variabler: abwechselnder Armschlag links und rechts. Oder aber gleichzeitiger Schlag beider Arme. Es gibt die rotierende Propeller-Bewegung, halb aus dem Wasser und halb darunter. Oder das unter der Wasserlinie geführte, eher parallel zum Rumpf ausgeführte Kreisen der Arme. Man kann weit ausholen oder nur andeuten. Viele versinken kurz und tauchen wieder auf. Bieten rhythmische Bewegungen, aber ohne die Eleganz von Delphinen oder Walen. Eher wie die der Ruderkäfer.

Die dritte Bahn ist mit dem Schild „Tempo“ gekennzeichnet. Hier trainiert die Jugend für Olympia, hier beweisen sich die jungen Erwachsenen und die, die sich noch für jung halten. Hier stehen die Trainer an Start- und Wendepunkten, geben Tipps, korrigieren. Stoppuhren werden verglichen. Und nie fehlen die unvermeidbaren Energiedrinks in Plastikflaschen. Enganliegende Badekleidung sitzt wie eine zweite Haut, lässt die Schwimmer wie nackt erscheinen, wenn sie sich aus dem Becken stemmen, um mit dem Trainer oder der Konkurrenz zu fachsimpeln oder sich für alle sichtbar zu recken und zu dehnen.

Und schließlich kommt die vierte, breitere Bahn. Die Abteilung für Seehunde, Walrösser, Seepferde und geselliges Treibgut aller Jahrgänge. Kein Schild, keine Erklärung. Der Betrachter müsste diesem Bereich einen eigenen Namen suchen. Hier überwiegen die älteren Semester. Und – so ist das eben – , es sind immer mehr Frauen. Die Männer bleiben auf der Strecke. Insgesamt aber doch ein Treff für Zeitgenießende, die das frühe Schwimmen lieben.

Man scheint sich zu kennen, klebt ein wenig am Beckenrand, tauscht Meinungen aus, nickt sich zu, erfreut sich der reinigenden Wirkung des Wassers im spirituellen Sinne, erquickt sich an der Bewegung wie am Nass und an der Tatsache, dass die Nacht endlich vorbei ist. Es ist jetzt legitim, sich aus dem Bett flüchten, um sich einem kleinen Ritual hinzugeben. Dieser Beckenbereich steht klar und eindeutig für den FRÜHSCHWIMMERCLUB.

Obwohl es keinen Vorsitzenden gibt. Die Satzung dieses „Clubs“ wurde einst von den Tariferfindern der Wasserwerke kreiert, die den Hallenbadbetrieb abgespalten und „Bäderland“ getauft haben. Frühschwimmer ist man alltags von 6.30-9.30 Uhr, am Wochenende von 8-10 Uhr. Man zahlt seinen Beitrag, erhält eine Chipkarte mit „Lichtbild“, die die elektronische Schranke freigibt. So kann das Clubmitglied bargeldlos und ohne Kassenschlange in diese so ganz eigene Welt eintauchen.

Ohne Erwartung und Neugier, ganz dem Zweck ergeben, suchte ich nun morgens diesen neuen Ort des Frühsports auf. Schon nach wenigen Tagen empfand ich die spezifische Eigenheit dieser Gesellschaft und meinte den Grund zu erkennen, weshalb die Schwimmbäder früher auch Bade-Anstalten genannt wurden.

03. Wen man in der Anstalt trifft

Das Schwimmen hatte mir mein Vater am Ostseestrand im Sommer vor der Einschulung beigebracht. Ich war etwas ängstlich gewesen und hatte dem Schwimmgürtel mit den Korkschwimmern nicht recht trauen wollen. Schließlich hatte ich, mit klappernden Zähnen und blauen Lippen, den Bogen raus und konnte den anderen Kindern folgen. Wir schwammen zum hölzernen Bade-Floß, krabbelten hinauf, wärmten uns in der Sonne und sprangen von dort wieder ins Wasser. Es war ein munteres Getobe.

Die erste Badeanstalt lernte ich dann während des Schulschwimmens kennen. Das Gebäude war 1914 fertig gestellt worden, damals noch mit vielen Wannenbädern versehen und mehr der hygienischen Reinigung, als dem Sport verschrieben. Das Wasser war in den 70ern 21 Grad warm, kam mir aber kälter vor als die Ostsee. Unser Schwimmlehrer kommandierte uns mit einem Megaphon herum. Eine jüngere Lehrerin stand ihm zur Seite und kümmerte sich um die wenigen Mitschüler, die noch nicht schwimmen konnten. Denen wurden luftgefüllte Gummischläuche um die Brust gebunden. Dann mussten sie, an einer Art Angel der Lehrerin hängend, vom Beckenrand dirigiert, Schwimmbewegungen ausführen. Wir anderen standen in Zweierreihen an. Mussten auf Kommando des Lehrers vom Beckenrand ins Wasser springen, eine Bahn schwimmen, an der anderen Seite aus dem Becken steigen und langsam außen herum zurück zum Ausgangspunkt kommen. Man merkte dem Schwimmlehrer an, dass er während des Kriegs als junger Offizier Soldaten befehligt hatte. Er trug eine Badekappe. Der gestreifte Bademantel stand offen und seine knappe Badehose hatte er hoch zum Bauchnabel gezogen. Sein Geschlechtsteil zeichnete sich ab und einmal war sein behaarter Hodensack aus dem Beinansatz herausgerutscht. Sah aus wie der Hinterleib einer Vogelspinne. Ich blickte mich um, ob auch andere diese Beobachtung teilten. Aber niemand sonst schien es zu bemerken. Ich ekelte mich vor dem alten Mann. Ich ekelte mich so, dass ich auch meine Schulfreundinnen nicht darauf aufmerksam machen konnte. So behielt ich die Beobachtung für mich. Wenn wir mit dem Unterricht fertig waren und zur Umkleide-Empore die Treppe hinaufgingen gingen, begab der Schwimmlehrer sich allein ins Wasser und drehte noch ein paar Runden. Ich blickte vom Geländer hinunter ins Becken, stellte mir vor, wie der haarige und faltige Sack durchs Wasser geschwenkt wurde, und schüttelte mich.

Vor den kleinen Spinden mussten wir uns umziehen. Einzelkabinen gab es nicht. Mithilfe von Handtüchern versuchten wir uns vor den Blicken der Jungen zu schützen. Natürlich hielten die sich nicht daran, in ihrer Hälfte der Etage zu bleiben. Die Lehrerin kümmerte sich nicht darum, duschte lange und ausgiebig, nachdem sie uns von den heißen Duschen vertrieben hatte. Diese Art Badeanstalten sind heute passé.

04. Eine Oper

Die Badeanstalt, zu der ich zum Frühschwimmen gehe, ist 1973 eröffnet worden. Die Architektur erinnert ein wenig an die Oper in Sydney, weshalb das Bauwerk auch hochtrabend Schwimm-Oper genannt wird. Natürlich hat man die Schwimmoper innen auch schon renoviert und dem Stil unserer heutigen Zeit angepasst. Die ehemalige Gaststätte, einst wie ein Schwalbennest über dem Becken in die Halle ragend, von der stolze Großeltern durch die Scheiben bei Kaffee und Kuchen die Enkel beim Freischwimmen beobachten konnten, ist jetzt einem Fitness-Bereich mit Steppern, Trimmrädern und anderen Kardiogeräten gewichen. Dort rackern sich die um wohlgefällige Formen und Gesundheit Bemühten mit Blick auf die Wasserfläche ab.

Farblich ist das Gebäude innen jetzt in Weiß und Blau gehalten, das Braun-Gelb der Siebziger passé, nur die poppig kreisrunden Fußbodenfliesen im Flur sind noch ziegelrot, die Duschräume der Frauenabteilung indessen in Rosa gehalten, während man durch die Milchglastüren zur Männerdusche die Keramik hellblau schimmern sieht. Die Elektro-, Umluft-, Wasserleitungen und Röhren, früher offen sichtbar unter der Decke, betonten die eher technische Atmosphäre. Seit der Renovierung sind sie hinter einer Zwischendecke verschwunden, in die Leuchten und Lüftungsöffnungen eingelassen sind. Wandzeichnungen mit stilisierten Schwimmern sollen Kunst am Bau vermitteln, Atmosphäre erzeugen.

Allein im fensterlosen künstlich beleuchteten Umkleideraum, saust und summt die Umluft-Anlage wie Wüstenwind. Doch riecht es weder nach Kameldung noch nach alten Socken, nur eine Spur typischen Chlorgeruchs liegt in der Luft.

Die Schwimmhalle selbst ist mit großen Fensterflächen versehen, das schmetterlingsflügelhaft aufgeworfene Dach ist von außen wie innen ein Blickfang. Die Wände der Halle sind mit besonderen Fliesen von wabenhafter Lochstruktur versehen. Wahrscheinlich, um Schallwellen zu brechen, Lärm zu dämmen. Auch die Decke ist mit lärmhemmenden Latten versehen.

An den Geländern der Tribüne, die nur bei Wettkämpfen zugänglich gemacht wird, prangen Werbeplakate für Schwimmartikel. Sie haben etwas Aufdringliches an sich, was mir nicht behagt. Ich will meinen Körper trainieren und mich nicht zum Kaufen animieren lassen. Aber wahrscheinlich überlebt diese öffentliche Schwimmhalle nur so kommerziell.

Die Leitung dieses Dienstleistungsunternehmens Bäderland bemüht sich jedenfalls um einen Hauch von Atmosphäre. Die Kunden sollen sich umworben womöglich als Clubmitglieder wohlfühlen.

Als seien die Frühschwimmer Mitglieder eines englisch-exklusiven Clubs, im Club mediterrané oder im Meridian Spa. Auf jeden Fall als Angehörige einer exklusiven Gemeinschaft. Die Clubkarte des Frühschwimmer-Clubs gemahnt zwar eher an einen Dienstausweis, aber das Wort Club darauf ist nicht zu übersehen.

Morgens passiert man als Club-Mitglied erst mal die Schlange der Kartenlöser, die nur gelegentlich zum Schwimmen antreten wollen. Lässig zückt man seine Karte, hält sie kurz an die sensible Stelle des Automaten, ohne ihn zu berühren, und „Sesam-öffne-dich“ weicht die Schranke und lässt dich durch. Stolz und aufrecht schreitet man die große Freitreppe hinunter in die Katakomben der Umkleiden.

Der Umkleide-Bereich ist völlig neugestaltet. Gab es früher viele enge Einzel-Kabinen, wie Bienenwaben in einem Korb, in denen die Intimsphäre gewahrt blieb und der Schwimmwillige sich beim Anziehen der Badekleidung einschließen konnte, ja, musste, kommt man heute anderen Bedürfnissen entgegen und betont das Gemeinsame.

Drei Zonen gibt es zum Umkleiden: eine große für Männer, eine kleinere für Frauen und einen Bereich mit mehreren großen Mehr-Personen-Kabinen für Familien, Kleingruppen oder Paare, bestimmt auch Menschen mit Behinderungen.

In den Zonen für Männer oder Frauen stehen nur noch wenige einzelne kleine Wechselkabinen zur Verfügung. Für die Schamhaften. So wirken diese Räumlichkeiten großzügig. Es ist normal geworden, sich sichtbar vor den Mitschwimmern umzukleiden, bewacht durch die alles registrierenden Kameras. Wer sich geniert, dreht der Kamera den Rücken zu, wer den Auftritt liebt, zelebriert das Aus- und Umkleiden. Neben den in geschwungener Line aufgestellten Schränken gibt es nur wenige tote Winkel, wohin das Auge der Kamera nicht reicht. Offiziell dienen die Aufzeichnungsgeräte der Bewachung und Abschreckung, damit die Spindtüren nicht aufgebrochen würden. Auch soll es früher bei den vielen nicht einsehbaren Einzelkabinen sexuelle Übergriffe gegeben haben. Heute wären sie zumindest für Big Brother sichtbar. Ob die Aufnahmen von männlichem oder weiblichem Aufsichtspersonal oder durch Künstliche Intelligenz gesichtet werden – wer weiß das schon.

So zielgerichtet, wie ich in der Erprobungsphase allein und ohne Scheu an diese Körperertüchtigung heranging, bemerkte ich zunächst meine Mitschwimmer kaum, war damit beschäftigt, einen Platz zu finden, den Ablauf für mich festzulegen, einen Weg, die Zeit zu planen. Nach dem Aufstehen, schmalem Frühstück und dem Schwimmen musste ich pünktlich zurück in der Praxis sein. Zweimal kam ich zu früh, sah, wie sich kleine Pulks vor der noch verschlossenen Schwimmoper trafen, aufeinander warteten, um nach der Öffnung gemeinsam hinein zu gehen.

Doch dann stellte sich Routine ein. Allmählich nahm ich die Leute, die mit mir zur selben Zeit eintrafen, wahr. Meist komme ich jetzt um sechs Uhr fünfundvierzig an, wenn der erste Schwung bereits aus dem Duschraum in das Becken verschwunden ist. Und mit Glück bin ich sogar kurze Zeit allein unter der Dusche.

Im Duschraum gibt es keine Kameras, aber auch keine Trennwände. Hier kuckt man sich nicht so genau an, allenfalls grüßt man freundlich und knapp beim Hineingehen. In meiner Jugend dienten die Duschen mehr dem Akklimatisieren, der Vorbereitung auf das kalte Wasser im Schwimmbecken. Dazu musste man die Badekleidung nicht ausziehen. Heutzutage steht die Hygiene im Vordergrund. Die Schwimmer sollen sich vor dem Einstieg in das Becken gründlich reinigen. Nackt, damit auch nicht ein Teil vernachlässigt bliebe.

Die jungen Frauen haben heute stark gestutzte Schambehaarung, teils wie von Buchsbaumgärtnern in Ornamente französischer Barockgärten geschnitten. Wer diese Frisuren wohl schneiden mag? Ob es dafür besondere Salons gibt? Oder die jungen Damen sind ganz rasiert. Dazu passend die Piercings in Bauchnabel oder Brustspitze, wie die spiegelnden Rosenkugeln oder eisernen Rankhilfen von neueren Beeten in Home and Garden.

Überhaupt ist mir der Anblick dieser jungen Brüste manchmal lästig. Wie junge ungeduldige Dobermänner.

Frauen meines Alters machen weniger Gewese um den Pelz am Schoß. Doch überlegte ich kürzlich eitel, ob ich vielleicht meine teils ergrauten Schamhaare wie mein gefärbtes Haupthaar tönen sollte. Ich musste über mich selber lachen. Wozu dies Frühschwimmen wohl noch führt?

Die Mode meiner Jugend hat mich davor bewahrt, mir eine Rose auf das Hinterteil tätowieren zu lassen – Tatoos galten damals noch als vulgär. Ich gebe zu, dass so ein kleines Herzchen, ein Schmetterling oder eine Orchidee auf junger straffer Haut den Schmelz der Jugend ganz hübsch unterstreicht. Allein, wenn ich mir die kleinen Dellen und Runzeln an meinem Körper ansehe, bin ich ganz froh, dass dieses Welken der Haut nicht ein ehemals dunkelrotes frühlingshaftes Rosenknospen-Tatoo zur herbstlich blassen Dahlie quellen ließ.

Aber diese Wasserkur tut mir einfach gut. Ich bewege mich im Wasser doch wohl anders als bislang beim Joggen. Das Gefühl beim Abtrocknen, dass sich das Gewebe um Bauch und Po schon fester anfühlt. Und meine Lieblingshose kneift nicht mehr so.

Mehr als das beschäftigen mich jedoch die anderen ‚Anstaltsinsassen‘. Ein paar Male ertappte ich schon die üppige Blondine, die kurz vor mir den Duschraum betreten hatte, beim Rasieren ihrer Beine, obwohl dies untersagt ist. Schnell kaschiert sie ihren Ladyshaver und lässt ihn im Kulturbeutel verschwinden, hält sich aber so lange unter der Dusche auf, bis ich gegangen bin. Einmal ließ ich absichtlich mein Shampoo stehen, um einen Grund zur Rückkehr vorzutäuschen. Tatsächlich war sie schon wieder an ihrem Schienbein beschäftigt.

Grausliche Geruchsnoten gibt es bei den Shampoos. Am schlimmsten ist die Apfelsorte einer Bodybuilderin, die wie ein wandelndes Steak aussieht, weil ihr die Fettschicht fehlt und sich direkt unter der Haut die Muskelfasern bündeln. Ein altes Mütterchen parfümiert sich immer mit Maiglöckchen-Duft. Eine andere Frau, in meinem Alter, trägt ihr Geld offenbar auf die Sonnenbank. Braun wie eine Aktentasche, die Haut aus Pergament, bevorzugt sie eine Waschlotion mit Kokosduft. Die wilde Fa gibt es auch noch, obschon in die Jahre gekommen, trägt sie noch gern Bikini, Größe 46. In den Geruch des Chlors mischt sich Sandelholz-Duft. Fenjala grüßt Tupperdose.

Ja, es gibt viel zu studieren, an diesem Riff mit seinen Putzerfischen. Man hüte sich zum Beispiel vor den giftigen Moränen, die plötzlich neben einem ihre Dusche auf „kalt“ stellen und ihre Hände zu Dachtraufen über den Kopf strecken, dass die eisigen Güsse auf ihre Nachbarinnen spritzen. Warum sich manche bloß derartig aggressiv und rücksichtslos gebärden müssen.

Aber auf so was lasse ich mich nicht ein. Ich bleibe cool, auch wenn ich warm dusche. Nur manchmal keimt bei mir die Vorstellung auf, eins dieser grässlichen Weiber mit einem Skalpell zu sezieren, wie einst die Leiche im Anatomiekurs.

Und dann die Kugelfische, die sich unter der Dusche mühselig aus gepanzerten Anzügen schälen und dann, wie aus großen Tiefen heraufgeholt, nackt ihre Form verlieren, quallenartig schwabbeln oder aufgehen wie Rotbarsche.

Zwei uralte Waranen-Weibchen wiederum treten immer gemeinsam auf. Kalt lugen ihre dunklen Augen unter Schlupflidern hervor. Gefährlich wirken sie, wenn sie mit ihren gespaltenen Zungen die Lage peilen und hemmungslos mit keifender Stimme die Tagespolitik kommentieren. Man meint noch die Gruppenführerinnen im BDM-Lager herauszuhören. Durch die eng anliegenden Badekappen wirken ihre Köpfe noch kleiner, als sie sowieso schon sind. Die eine hat wahrscheinlich arg abgenutzte Oberund Unterkieferprothesen; die Lippen schmale Schlitze, Zähne sieht man nie und das Kinn kommt der Nasenspitze gefährlich nahe. Beim Eintreten schmettern sie immer ein nicht zu überhörendes „Guten Morgen“ in den Duschraum, ob es erwidert wird oder nicht. Zäh wie Leder sind die beiden Alten, hart wie Kruppstahl, nur schnell wie die Windhunde sind sie nicht – eher wie alte Wachteln.

Im Grunde ist das Publikum im Frühschwimmerclub sehr überwiegend hellhäutig. Menschen mit einer sichtbar genetischen Abstammung aus anderen Kontinenten fielen vielleicht auf, wenn man danach suchte.

05. Schuhmode und Krähenfüße

Bevor man in das Becken eintauchen darf, gilt es die Schuhe zu platzieren. Natürlich will ich mir keinen Fußpilz einfangen und habe die Vorstellung, dass sich trotz der Reinigungstrupps, die man hier und dort mit scharfem Strahl und Schrubber über die Fliesen ziehen sieht, allüberall Sporen in den Fugen aufhalten, die nur darauf warten, sich in eine Falte meiner Sohle oder zwischen meine Zehen zu begeben, um dort eine nicht aufzuhaltende Pilzkultur zu entwickeln.

Dann habe ich mir aber auch wieder gesagt, dass es mehr darauf ankommt, seine Haut ganz normal zu behandeln, damit sie gesund und widerstandsfähig bleibt. Ein gesunder Fuß wird nicht gleich krank, wenn man ihn mal über eine Spore laufen lässt. Nach dem Schwimmen muss man ihn nur gut abtrocknen. Sicherheitshalber desinfiziere ich meine Füße aber immer gleich, wenn ich in die Praxis komme und dort in meinen weißen Kittel steige.

Unheimlich bleibt mir dieses feuchtwarme Klima in der Anstalt dennoch. Anfangs achtete ich sehr auf diejenigen, die neben mir im Duschraum standen. Man schaut sich nicht tief in die Augen, wenn man so nackt ist und sich abseift, blickt allenfalls mal kurz und verstohlen auf den Körper gegenüber und lenkt den Blick dann auf die langweilige Fliesenwand.