Frühstück mit Walen - Issi Fritsch - E-Book

Frühstück mit Walen E-Book

Issi Fritsch

4,9

Beschreibung

Madeira – Insel des ewigen Frühlings, Perle im Atlantik, Wanderparadies, schönste Insel in Europa. Das portugiesische Urlaubsziel kann mit vielen Superlativen punkten. Dass die Wirklichkeit noch schöner ist als die Versprechen erlebt die Autorin in ihrem ersten Urlaub auf Madeira. Sie erzählt von Wanderungen durch zauberhafte Wälder, an wilden Küsten, über spektakuläre Bergstrecken entlang der einzigartigen Levadas. Und davon, wie sie ihren Traum verwirklicht auf Madeira zu leben und wie aus einer anfänglichen Verliebtheit eine große Liebe wächst – für die herzlichen Menschen, die grandiose Landschaft und die überwältigenden Naturschönheiten. Und wie sie lernt, den Missständen des Alltags mit Humor zu begegnen. Eine Liebeserklärung an Madeira. Ein Buch für Wanderer und Auswanderer. Leserstimmen: "Vielen Dank für die wunderbare Leseempfehlung." Leserin aus Österreich "Ich konnte das Buch erst weglegen als ich es zu Ende gelesen hatte. Super spannend geschrieben." Madeira-Langzeiturlauber

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Buch

Madeira – Insel des ewigen Frühlings, Perle im Atlantik, Wanderparadies, schönste Insel in Europa. Das portugiesische Urlaubsziel kann mit vielen Superlativen punkten.

Dass die Wirklichkeit noch schöner ist als die Versprechen erlebt Issi Fritsch in ihrem ersten Urlaub auf Madeira.

Sie erzählt von Wanderungen durch zauberhafte Wälder, an wilden Küsten, über spektakuläre Bergstrecken entlang der einzigartigen Levadas. Und davon, wie sie ihren Traum verwirklicht auf Madeira zu leben und wie aus einer anfänglichen Verliebtheit eine große Liebe wächst – für die herzlichen Menschen, die grandiose Landschaft und die überwältigenden Naturschönheiten.

Und wie sie lernt, den Missständen des Alltags mit Humor zu begegnen.

Eine Liebeserklärung an Madeira.

Ein Buch für Wanderer und Auswanderer.

Autorin

Issi Fritsch, geboren in München, lebt abwechselnd in der Nähe von Hamburg und auf Madeira.

Sie schreibt seit 2009 Blogs, die unter folgenden Titeln zu finden sind:

paradiesgoesmadeira.blogspot.com

meinorient.blogspot.com

paradiesischemomente.blogspot.com

Der Süden hat wenig mit Längen- und Breitengraden zu tun. Er

ist nur mit Licht- und Wärmegraden der Seele zu messen. Seine

Dimensionen haben einen einzigen Maßstab: den der Begierde nach

dem Hellen und nach dem Weiten.

(Iso Camartin)

Inhalt

Die Wanderungen –

as caminhadas

Rundwanderung:

Levada Nova – Caminho Real do Paúl do Mar

Levadawanderung:

Levada do Risco

Wanderung:

Ponta de São Lourenço

Levadawanderung:

Levada do Paúl

Levadawanderung:

Levada Nova – Levada Moinho

Wanderung:

Levada do Caldeirão Verde

Rundwanderung:

Levada do Furado – Feiteiras de Baixo

Rundwanderung durch den alten Lorbeerwald: Fanal – Fio

Levadawanderung:

Levada do Alecrim – Lagoa do Vento

Inselüberquerung:

Porto Moniz – Machico

Das Paradies– o paraíso

Das Paradies, es muss im Süden sein, dort, wo die Sonne scheint, die Bäume in den Himmel wachsen, die Blumen immer blühen, die Menschen offen und freundlich sind, wo das Meer blau, die Wälder grün, die Berge majestätisch und die Bäche frisch sind.

»Und warum Madeira?« war die meistgehörte Frage, als wir unsere Pläne für ein anderes Leben erzählten.

Lange Zeit antwortete ich mit »Zufall« oder »Aneinanderreihung glücklicher Umstände«. Heute weiß ich es besser. Ich hätte das Paradies nirgendwo anders finden können.

Ich liebe Blumen und Bäume. Ich liebe Gärten. Damit lockt Madeira vordergründig. Ich liebe das Meer. Das ist auf einer kleinen Insel unübersehbar. Und ich habe eine alte Liebe wiedergefunden, die Berge. Und das Wandern.

Wo sollte ich denn sonst sein wollen, wenn nicht im Paradies.

Auf Madeira!

Willkommen – bem vindo

Keine Lust mehr auf Winter.

»Wir sollten vielleicht mal auf die Kanaren fliegen. Wie wäre es mit La Palma zum Wandern?«

Es ist Anfang Januar, und die Aussicht noch drei Monate zu frieren und in einen grauen Himmel zu schauen deprimiert mich zunehmend. Ich suche im Internet nach Ferienhäusern auf einer der drei kleinen kanarischen Inseln. Aber entweder sind wir zu spät dran oder unsere Reisekasse ist zu schmal bemessen, jedenfalls finde ich nach tagelanger Suche nichts, was mich wirklich überzeugt. Beim Gespräch mit Freunden bekomme ich noch einen wichtigen Tipp:

»Nehmt auf jeden Fall ein Häuschen im Küstenbereich, denn wir haben in unserem letzten Urlaub viele Tage in den Wolken gesessen. Die Häuser haben oft keine Heizung, manchmal nicht mal einen Ofen. Die Bettdecken sind dünn, das Bett ist feucht. Ich glaube, ich habe noch nie so gefroren wie auf La Palma im Februar,« sagt die Freundin, die gerne mal Winterurlaub in Schwedisch-Lappland bei minus 40 Grad macht. Wir werden uns wohl ein anderes Reiseziel suchen.

Ich blättere in meiner Gartenzeitung und entdecke ganz zufällig ein Angebot für eine Bio-Ferienwohnung auf Madeira. Madeira – wo liegt das eigentlich?

»Ist das nicht die Insel, wo deine Eltern mal Urlaub gemacht haben?« fragt mein Mann.

»Stimmt. Aber das ist ja schon ewig her. Ich kann mich aber erinnern, dass sie sehr begeistert waren. Soll sehr ursprünglich und wild sein. Meinen Vater hatten die meterhohen Weihnachtssterne, die am Straßenrand wuchsen, fasziniert.«

»Aber ist das nicht so eine Rentnerinsel? Für Reisegruppen siebzig plus?«

»Keine Ahnung. Ich werde mal ein wenig recherchieren.«

Reiseveranstalter und Internetseiten werben mit »Insel des ewigen Frühlings.« Und die Klimatabelle ist vielversprechend: ca. 18 Grad im Februar und etwa sieben Regentage. Wir wollen zwei Wochen bleiben, nicht baden, sondern wandern und Sonne tanken – die Insel könnte unsere Bedürfnisse befriedigen. Also schreibe ich eine Mail an den Vermieter der Ferienwohnung aus der Annonce und bekomme sofort danach einen Anruf von ihm.

Wir unterhalten uns als würden wir uns schon ewig kennen. Gerhard heißt er und lebt schon seit Jahren mit seiner Frau auf Madeira. Er schildert die Insel, das Klima, die Natur, die wilde Schönheit der Berge und des Meeres so beeindruckend, dass ich am liebsten sofort in den Flieger steigen würde, um dorthin zu gelangen.

Wir stimmen unsere Reisedaten mit seinem Belegungsplan ab und – es passt! Die Ferienwohnung sieht auf den Fotos im Netz sehr einladend aus, es gibt einen Ofen, die Bewertungen anderer Gäste sind durchgehend positiv, der Preis ist akzeptabel. Also wird gebucht. Einen Mietwagen kann er uns auch besorgen, über eine einheimische kleine Autovermietung mit Hol- und Bringservice vom und zum Flughafen. Nun müssen wir nur noch den passenden Flug dazu finden. Das klappt nicht so termingenau, doch wir machen aus der Not eine Tugend und gönnen uns vier Tage mehr Ferien. Die ersten Urlaubstage wollen wir in einem Hotel in der Hauptstadt Funchal verbringen, bevor wir die Wohnung in Calheta an der Südwestküste beziehen werden. Ein Strandhotel am westlichen Stadtrand von Funchal fällt uns durch ein extrem günstiges Angebot auf. Wir riskieren es, ein Doppelzimmer für weniger als 30 Euro zu buchen. Wenn wir mit der Unterkunft Pech haben, dann müssen wir es ja nur für vier Tage aushalten. Danach ziehen wir um. Also freuen wir uns ab sofort durch den eisgrauen, norddeutschen Januar auf unsere erste Reise nach Madeira.

In der Buchhandlung unserer Kleinstadt gibt es einen einzigen Reiseführer »Madeira«, dazu kaufe ich noch ein Reisewörterbuch Portugiesisch. Am 29. Januar starten wir bei Nebel und Null Grad pünktlich in Hamburg Richtung Atlantik. Nach drei Stunden Flugzeit erfahren wir, dass wir noch eine Zwischenlandung auf der Kanareninsel La Palma vor uns haben. Das Wetter ist hier nicht viel besser als in Hamburg. Starker Wind peitscht den Regen gegen die kleinen Bullaugen des Fliegers. Wir können beim Landeanflug nichts erkennen, werden heftigst durchgerüttelt und zu allem Überfluss startet die Maschine nach Bodenkontakt noch mal durch, dreht eine Schleife und knallt beim zweiten Landeanflug mit einem ziemlichen Rums auf die Piste.

Etwa ein Drittel der Passagiere ist am Urlaubsziel und darf hier das Flugzeug verlassen. Wir bleiben sitzen und warten auf die zusteigenden Urlauber, die auf ihrer Heimreise eine Landung auf Madeira mitmachen müssen. Es ist also quasi ein Rundflug Hamburg – La Palma – Madeira – Hamburg, vermutlich um in dieser Jahreszeit die Maschine rentabel fliegen zu lassen. Als wir zwei Stunden später Madeira anfliegen, können wir gerade noch die abziehende Sturm- und Regenfront sehen. Der Flieger setzt vergleichsweise sanft auf, obwohl mir beim Landeanflug schon ein paar Zweifel gekommen waren, ob der Pilot die kurze Piste, die zwischen Bergen und Meer eingeklemmt daliegt, wirklich treffen wird. Erst sehr viel später werden wir erfahren, dass der Flughafen von Madeira einer der zehn gefährlichsten der Welt ist. Dass es häufiger vorkommt, dass die Flugzeuge nicht landen können und entweder zurück nach Lissabon fliegen oder eine Ausweichlandung auf der flachen Nachbarinsel Porto Santo machen müssen. Dass nur Piloten mit Spezialausbildung hier landen dürfen. Dass aber nach Verlängerung der Start- und Landebahn vor etlichen Jahren bislang alle Flieger wohlbehalten herunterkamen.

Es ist inzwischen 4 Uhr nachmittags, eine milde Brise streift uns beim Öffnen der Flugzeugtüren und wir sehen bereits ein paar Sonnenflecken auf dem Meer tanzen. Es sind nur ein paar Schritte vom Flugzeug bis zum Flughafengebäude. Ich liebe diese kleinen Flugplätze, wo alles so unaufgeregt abläuft. Bem vindo na Madeira ist überall im Gebäude zu lesen. Willkommen auf Madeira! Es ist das einzige was wir verstehen, denn die Durchsagen auf Portugiesisch klingen sehr fremd in unseren Ohren. Trotzdem finden wir schnell heraus, welcher Bus uns in die Stadt bringen wird, denn wir bekommen unsere Auskunft in perfektem Englisch.

Während wir auf die Abfahrt warten, fühle ich bereits, wie gut mir diese sanfte Luft tut. Als legte mir jemand einen federleichten Seidenmantel um. Von dieser Flucht aus dem norddeutschen Winter erhoffte ich mir ja auch ein wenig Linderung meiner kältebedingten, rheumatischen Beschwerden. Kann es sein, dass ich das schon spüre?

Die Busfahrt vom Flughafen nach Funchal über die Regionalstraße bringt allerdings wieder Ernüchterung. Es geht rauf und runter in engen Kurven, der Fahrer zuckelt, meinem Mann wird leicht übel und ich spüre meine Knochen und anhängenden Muskeln und Sehnen wieder alle einzeln. Wir sind uns einig, dass wir gut daran getan hätten, den Leihwagen gleich vom ersten Tag an zu mieten. Ab Endstation des Flughafenbusses bringt uns eine Taxe die letzten Kilometer zum Hotel. Es liegt ein wenig außerhalb der Touristikmeile, direkt am Meer.

Endlich angekommen, verfliegt die Missstimmung sofort. Das Gebäude schmiegt sich zwischen steiler Felswand und Meer an einen schmalen Küstenstreifen. Und wir wohnen auf der minus zehnten Etage, das heißt, die Empfangslobby ist auf Straßenniveau, dann fährt man mit dem Fahrstuhl nach unten zu den Zimmern. Uns erwartet ein riesengroßes, modern eingerichtetes Appartement mit Panoramascheiben zum Meer, Balkon, bequemem breitem Bett und geräumigem Bad.

Um noch die letzten Sonnenstrahlen am Strand einzufangen, wandern wir durch den Hotelgarten in Serpentinen nach unten zum Meer. Kaskaden von Bougainvilleas, Palmen unterschiedlichster Art, Schwanenhalsagaven, rot blühende Fackelaloen und jede Menge Sukkulenten begleiten uns. Wir sind begeistert. Schon hier ist die Wirklichkeit schöner, als es die Vorstellung war.

Der nächste Tag beginnt mit blauem Himmel und strahlendem Sonnenschein. Wir stehen auf unserem Balkon, schauen den Anglern zu, die auf den Felsnasen am Strand auf einen guten Fang hoffen, hören Vogelstimmen und das leise Rauschen der immerwährenden Brandung und ich lass mich mehrmals kneifen, um zu begreifen, dass dies kein Traum ist. Es ist Januar auf Madeira!

Der große Swimmingpool ist einladend, aber leider nicht beheizt. Einige wenige baden im Meer. Mir sind aber auch 18 Grad Wassertemperatur nicht warm genug. Also ist Sonnenbaden angesagt, T-Shirt und hoch gekrempelte Hose sind fast zu warm. Wir genießen es und rühren uns den ganzen Tag kaum vom Fleck.

Am Abend machen wir erste Bekanntschaft mit der einheimischen Küche, denn das Hotelbuffet ist so langweilig, wie fast überall auf der Welt. Ein Restaurant mit dem Namen Só Espeto lockt uns. Der Saal ist nicht gerade das, was man heimelig nennt, doch es duftet gut nach Gegrilltem und wir suchen uns einen der knapp sechzig freien Tische aus. Mit noch zwei weiteren Gästen genießen wir also die volle Aufmerksamkeit des Personals.

Vor unserer Bestellung möchten wir gerne noch erfahren, weshalb der Tisch und die Tischdecke mittig ein Loch aufweisen. Der junge, freundliche Kellner erklärt uns in einem nett akzentuierten Schweizerdeutsch, dass wir uns in einem Spezialitätenrestaurant für espetadas befinden und eben diese an einem »Galgen«, der in die Tischmitte gesteckt wird, serviert werden.

»Espetadas sind Fleischspieße der traditionellen madeirensischen Küche. Wir verwenden das Fleisch von einheimischen Rindern. Die Fleischstücke werden nur mit Salz und Lorbeerblättern gewürzt und über dem offenen Feuer gegrillt. Da hinten ist unser großer Ofen, sehen Sie?«

Anstatt zu bestellen, möchten wir erst mal erfahren, wo unser junger Mann so gut deutsch gelernt hat.

»Ich habe fünf Jahre in der Schweiz gearbeitet.«

»Auch als Kellner?«

»Angefangen habe ich als Küchenhelfer, aber nach dem Sprachkurs konnte ich direkt im Service arbeiten.«

»Und sie wollten nicht in der Schweiz bleiben?«

»Ich hatte nur eine begrenzte Aufenthaltserlaubnis, die nicht verlängert wurde. Außerdem wurden auf Madeira Arbeitskräfte in der Gastronomie gesucht. Nach der Einführung des Euro ging es in ganz Portugal wirtschaftlich aufwärts und da bin ich zurückgekommen. Hier ist es ja auch nicht so kalt im Winter.«

»Ja, deshalb sind wir auch hier – zum ersten Mal.«

Nun sind wir aber hungrig. Wir ordern die Spezialität des Hauses samt Wasser und Wein.

Gerade noch rechtzeitig, denn während unsere Fleischspieße aufs offene Feuer gelegt werden, betritt eine große Gruppe von Portugiesen das Lokal. Mindestens dreißig Leute schieben Tische zusammen. Dazu wuselt noch eine ganze Schar Kinder herum und einige ältere Herrschaften warten geduldig, bis Ihnen ein Stuhl untergeschoben wird. Laut und fröhlich geht es zu, und die Neon beleuchtete Ausstattung des Restaurants erscheint uns jetzt gar nicht mehr so nüchtern wie vorhin.

Dann werden uns zwei knapp ein Meter lange Spieße an unseren Tischgalgen gehängt. Die Fleischstücke müssen wir eins nach dem anderen nach unten in den Abtropfteller ziehen. Gar nicht so einfach! Unser kleiner »Schweizer« zeigt uns den Trick mit zwei Gabeln und wünscht uns einen »bom apetite«. Als Beilage gibt es milho frito, gebratene Maiswürfel und gemischtes Gemüse – ganz schlicht in Salzwasser gedünstet. Das Fleisch schmeckt phantastisch – zart und würzig. An die etwas faden Beilagen werden wir uns wohl gewöhnen müssen.

Die nächsten Urlaubstage lassen wir vom Madeirareiseführer bestimmen: Sightseeing Funchal! Der Bus der linha verde bringt uns ins Stadtzentrum. Für eine Hauptstadt mit 140.000 Einwohnern geht es recht beschaulich zu. Wir schlendern am Hafen entlang, besuchen die wunderschöne Markthalle mit ihrem üppigen Angebot an exotischem Obst und Gemüse, Blumen und fangfrischem Fisch, entdecken die Altstadt, spazieren durch Parks und Gärten, fahren Seilbahn und Korbschlitten. Drei Tage volles Touri-Programm! Dann beginnt unser Urlaub erst richtig.

Wir werden von Senhor Filipe, unserem Mietwagenverleiher, vom Hotel abgeholt und verlassen Funchal. Es geht auf der Autobahn und weiter auf der Schnellstraße Richtung Westen nach Calheta. Unzählige Tunnel unterbrechen immer wieder die spannenden Eindrücke, die uns auf dieser Fahrt begegnen. Filipe erzählt uns von den Unwettern und Erdrutschen der vergangenen Woche, und tatsächlich müssen wir über eine Umleitung einem verschütteten Straßenstück an der Küste ausweichen.

»Kommt es häufiger vor, dass es Erdrutsche gibt?« fragen wir ihn auf der langen Fahrt über den Berg.

»Nun ja, im Winter regnet es in manchen Jahren weniger, in manchen mehr. Dann passiert schon mal was,« weicht er aus.

Vielleicht möchte er uns Urlaubern keine Angst machen, vielleicht möchte er auch lieber über seine Lieblingsthemen reden: Poncha und Autos. Bevor wir wissen, was a poncha eigentlich ist, sind wir über die einschlägigen Poncha-Bars der Insel bestens informiert. Die Leidenschaft für alkoholische Getränke und Autos scheint uns allerdings nicht so recht zusammen zu passen, schon gar nicht auf diesen engen Straßen, neben denen sich tiefe Abgründe auftun. Wir sind froh, dass wir die Fahrt an einem Vormittag unternehmen, in der Hoffnung, dass Poncha nicht bereits zum Frühstück getrunken wird.

Sicher bei unserer Ferienwohnung angekommen, dürfen wir unser kleines Mietauto gegen Entgelt in bar und im voraus in Empfang nehmen. Die Vollkaskoversicherung ohne Selbstbeteiligung wird uns mündlich zugesichert. Na ja, andere Länder, andere Sitten!

Unser Vermieter hat uns bereits erwartet und nimmt uns sofort in Beschlag. Wir lassen es uns gerne gefallen, wir haben ja Urlaub und Insider Infos sind immer mehr wert als ein Reiseführer. Er begleitet uns auf dem Weg zum Supermarkt von Calheta, wir kaufen unsere ersten Basics und lassen uns danach den kleinen Hafen mit der Marina zeigen. Die ist zur Hälfte gesperrt: was ist hier passiert? Es sieht nach Steinschlag aus. Gerhard war seit dem Unwetter vor 10 Tagen nicht mehr hier und weiß demnach auch nicht mehr, als wir sehen können.

In der Snackbar eines Holländers lassen wir uns nieder und fragen nach.

»Ja, ja, wir dachten der ganze Berg kommt herunter. Sie können oben an der Straße sehen, was die Felsbrocken angerichtet haben. Ich hatte Glück! Mein Laden hat nix abgekriegt, aber die anderen hier, die können wahrscheinlich dicht machen. Denn bis das alles in Ordnung gebracht worden ist, das wird dauern!«

Nach einer kleinen Mahlzeit schauen wir uns die Schäden genauer an.

Mein Gott, hier lebt man ja echt gefährlich!

Die palmengesäumte Marina klebt eng zwischen senkrecht aufragender Felswand und Meer: eine schmale Straße, der lang gezogene Gebäudekomplex mit zwei Etagen und eine Promenade am Yachthafen entlang, sind vor wenigen Jahren hier entstanden, um den Tourismus in der Region zu stärken. Nun sieht es aus wie in einem Kriegsgebiet. Nur auf der schmalen Straße sind Steine und Geröll beseitigt. Die geköpften Palmen liegen noch auf den Terrassen, zwei Dächer sind von Felsbrocken durchschlagen, überall liegen Scherben von zerborstenen Fensterscheiben, die Edelstahlgeländer sind verbogen und notdürftig durch rot-weiße Flatterbänder ersetzt.

»Passiert so etwas öfter?« frage ich ziemlich erschüttert.

Gerhard antwortet zögerlich: »Na ja, es kommt im Winter schon manchmal zu Erdrutschen, aber hier habe ich es so schlimm noch nicht gesehen.«

Auch er will uns Urlaubern wohl keine Angst machen. Doch es muss schon wirklich viel geregnet haben in den letzten Wochen. Das verdeutlichen uns unsere Entdeckungen der nächsten Tage, als wir beginnen die Insel zu erkunden, mit dem Auto und zu Fuß.

Rundwanderung: Levada Nova – Caminho Real do Paúl do Mar

Unsere erste Wanderung wollen wir in der nahen Umgebung machen. Levadawandern – dafür ist Madeira berühmt, lesen wir im Reiseführer. Levadas, das sind von Menschen geschaffene Wasserkanäle um das Nass ferner Quellen in die trockenen Regionen zu leiten. Auf der Insel erstreckt sich ein Wassernetz über fast dreitausend Kilometer und an etlichen dieser Levadas sind ausgewiesene Wanderrouten. Wir beginnen unsere erste Tour also im nahe gelegenen Prazeres, an dessen Dorfrand die Levada Nova vorbei führt. Unser Ausgangspunkt liegt in 580 Meter Höhe und wir gehen in westlicher Richtung mit dem Lauf des Wassers. Sehr beschaulich windet sich der Kanal durch die Felder, und wir beobachten wie die Bewässerung funktioniert: In kurzen Abständen gibt es Metallschieber, die beim Hochziehen Wasser in eine kleine Rinne, manchmal betoniert, meist nur als Erdvertiefung, bergab entlassen. In einer dieser Rinnen steht ein alter Mann in Gummistiefeln und lenkt das Wasser in sein Feld, das ebenfalls leicht abschüssig und mit tiefen Furchen angelegt ist. Um das Wasser aus der Rinne in die Feldfurchen zu leiten, gebraucht er ein dickes Knäuel aus alten Pullovern und einen großen Stein.

Wir schauen ganz ehrfürchtig zu, wie sich Furche um Furche mit Wasser füllt, während der Alte sich bereits um das nächste Feld kümmert. Kartoffeln wachsen hier, Zwiebeln dort. Außer dem schmalen Pfad an der Levada entlang führt kein Weg hierher.

»Das bedeutet, dass nach der Ernte alles geschleppt werden muss. Kilometerweit!« sinniere ich.

Wir grüßen mit einem freundlichen »bom dia« und der Alte erwidert den Gruß ebenso freundlich mit etwas Unverständlichem, das sich wie »Tach« anhört.

»Wir werden uns heute Abend doch mal die wichtigsten Wörter im Sprachführer ansehen. Hier draußen auf dem Land kommen wir mit Englisch wohl nicht so weit,« schlage ich vor.

Im nächsten Dorf, Maloeira, verlassen wir die Levada und suchen den beschriebenen Weg zur Küste hinunter. Fragen können wir niemanden, denn die ganze Gegend wirkt sehr verlassen. Wir irren erstmal über blühende Wiesen, immer wieder vor einem Abgrund stehend, bis wir endlich eine gelb-rote Markierung an einem Fels entdecken. Der Pfad ist schwer zu erkennen, führt steil bergab und ich rutsche mehr auf dem Hosenboden, als dass ich absteige. Unter uns rauscht ein Bach. Laut Wanderkarte soll es eine Furt zur Überquerung geben, doch als wir am Ufer angekommen sind, wird uns klar, dass das wahrscheinlich die Sommerversion ist. Nach den starken Regenfällen der letzten Wochen führt der Bach soviel Wasser, dass kein Grund zu sehen und damit keine Furt vorhanden ist.

»Also, was machen wir?« fragt mein Mann.

»Ich steige auf gar keinen Fall den Berg wieder hoch. Irgendwie kommen wir da schon rüber.«

Der Bach kommt mit Getöse zwischen den Felsen hervor, wirbelt in der Senke, an deren Rand wir stehen, wild und ungestüm. Wir erkunden das Ufer ein Stück abwärts, wo sich viel Holz vor dem nächsten Felsdurchbruch gestaut hat.

»Das ist die einzige Möglichkeit, wo wir ihn überqueren können.«

»Du willst doch nicht im Ernst auf einem dieser glitschigen Stämme über den Wildbach balancieren?« mir ist schon klar, dass die Frage rein rhetorisch ist, denn es gibt wirklich keine andere Stelle, die passierbar scheint. Er prüft einen geeigneten Stamm, ob er fest sitzt, indem er noch am Ufer kräftig darauf wippt, dann – fünf, sechs, sieben beherzte Schritte – und er ist drüben.

Ich sehe ihn sicher am anderen Ufer, ich schaue auf das wilde Wasser zwischen uns – und mir kommen Zweifel an meinem Mut.

»Das schaff’ ich nicht!«

»Soll ich zurückkommen?«

»Neiiiiiin!«

So ist mein Mann. Lieber begibt er sich zweimal in Gefahr, bevor er mir eine zumutet.

»Ich muss mir nur eine andere Stelle suchen. Ich kann nicht balancieren ohne mich irgendwo festzuhalten.«

Wenige Meter neben dem dicken Stamm, den er für die Überquerung genutzt hat, liegt noch ein dünner quer über dem Bach. Der taucht zwar an einigen Stellen ins reißende Wasser, dafür gibt es aber eine Menge Gestrüpp in Schulterhöhe zum Festhalten. Ich bereite mich vor, das hilft gegen die Angst: Reißverschluss der Jacke schließen, Schulter-, Brust- und Bauchriemen des Fotorucksacks festzurren. Damit ich nirgends hängen bleibe. Dann los! Um meine »Brücke« zu erreichen, muss ich noch anderthalb Meter über eine »Insel« aus Stöckchen, Schilf und Gras, die bedenklich unter meinen Schritten schwankt. Dann ein Griff ins Gestrüpp und langsam Seitschritt für Seitschritt übers tosende Wasser. Genau in der Mitte kommt mir ein unpassender Gedanke: ›Das mache ich doch jetzt nicht wirklich? Solche Aktionen gucke ich mir doch sonst nur im Film an.‹ Es wird ein Film mit HappyEnd. Mit zitternden Beinen lasse ich mich am anderen Ufer ins Gras fallen. Fotos gibt es von diesem Urlaubsabenteuer nur ohne die Action-Helden. Allerdings ist noch nicht alles ausgestanden. Wir sind ja nicht durch die eigentliche Furt über den Bach gekommen und somit erwartet uns nun kein anständiger Weg, sondern eine dichte Brombeerhecke. Und das gibt reichliche Blessuren an Beinen und Händen, als wir uns durch das Dornengestrüpp die Böschung hochangeln.

Der weitere Weg führt durch einen Felsdurchbruch und – wir haben uns gerade mal so von unserem Erlebnis erholt – da sehen wir, was aus dem Bach geworden ist, nachdem er sich hinter unseren »Brücken« durch den Fels gezwängt hat: Ein kolossaler Wasserfall, der sich vierzig Meter in die Tiefe stürzt. Fein, dass unsere Holzstämme gehalten haben! Wir bringen unsere erste Wanderung auf einem steilen, aber sicheren Pfad, der zum Hotel Jardim Atlántico in Prazeres führt, unspektakulär zu Ende. Und haben anschließend richtig was zu erzählen!

Der nächste Tag beschert uns einen wolkenlosen Himmel und freien Blick in die Berge – zum ersten Mal seit unserer Ankunft. Klar, dass wir eine Tour oben, auf der Hochebene Paúl da Serra, in Angriff nehmen. Mit unserem etwas untermotorisierten Kleinwagen schaffen wir die Steigung der ziemlich ruppigen Straße gerade mal im ersten Gang. Von Meereshöhe bis auf 1300 Meter wird das Autochen gezwungen, und wir werden ziemlich durchgerüttelt. Trotzdem ist es eine faszinierende Fahrt. In kürzester Zeit durchqueren wir nicht nur drei Klimazonen, sondern auch mehrere Vegetationsgürtel. Unser Start in den üppigen Subtropen führt uns geradewegs in einen exotischen Wald aus Eukalyptus und Akazien. Am Straßenrand wachsen Hortensien und Schmucklilien, die sogar jetzt im Winter vereinzelt blühen. Dann urplötzlich, der freie Blick über sanfte grüne Berghänge mit Stechginsterbüschen, die hier und da gelb aufleuchten. Und auf der Hochebene angekommen – fast nichts mehr. Willkommen im schottischen Hochmoor! Passend dazu fliegen uns Wolkenfetzen entgegen, die uns einhüllen um sich wenige Minuten später bereits wieder aufgelöst zu haben. Wir stellen unser kleines Auto zu seiner Erholung ab, ziehen uns Wanderstiefel an und steuern das ausgeschilderte Forsthaus Rabaçal an. Hier beginnen gleich mehrere Levada-Wanderrouten.

Levadawanderung: Levada do Risco

Die Wolkendecke hat sich wieder verdichtet, es könnte bald regnen, auf jeden Fall ist es ziemlich feucht in der Luft. Also entscheiden wir uns nur für eine kurze Wanderung zu den Risco-Wasserfällen und tauchen ein in einen Märchenwald. Auf Schritt und Tritt erwarten wir auf Elfen, Feen und Waldkobolde zu stoßen. Die verdrehten Stämme der Baumheide formen ein Dach über unserem Weg und der Levada. Flechten und Moose zaubern eine Symphonie aus Grüntönen, mannshohe Farne brechen aus dem Gestein heraus und es gluckst und gurgelt und tropft und fließt das Wasser unter, neben und über uns. Der Weg an der Levada entlang ist breit, wir können während des Laufens auch die Augen wandern lassen. An der Aussichtsplattform bei den gewaltigen Wasserfällen empfängt uns eine Schar von handzahmen Madeira-Finken, die offensichtlich ein paar Brotkrumen erwarten. Doch dieser Platz ist eindeutig zu feucht, um eine Picknickpause einzulegen. Der weitere Verlauf der Levada ist für Wanderer gesperrt, weil einige Passagen abgerutscht sind. Gefährlich hatten wir gestern schon, also machen wir kehrt.

Zurück beim Forsthaus kommen die Finken zu ihrer Mahlzeit. Wir sitzen auf knorrigen Bänken, packen unsere Brote aus, holen uns Wasser aus der Quelle – und wären da nicht noch zwei Wanderer in funktioneller Outdoorbekleidung, könnten wir meinen in eine frühere Zeit versetzt zu sein. Außer Vogelgezwitscher dringt kein anderer Laut in das verwunschene Tal. So weit der Blick reicht, nur bewaldete Hänge und Schluchten – keine menschliche Behausung weit und breit. Auch das Forsthaus steht verlassen da, nur ein freundlicher Hund lasst einen Besitzer in dieser verlassenen Inselwelt vermuten.

Wir wandern auf der Forststraße zum Auto zurück, noch immer im dauerfeuchten Wolkenniesel. Dann geht es wieder motorisiert über den Campo Grande, durch eine Landschaft, wie nicht von dieser Welt. Frei umherstromernde Kühe und das plötzliche Auftauchen von Windrädern beweisen uns das Gegenteil. Und schon weitet sich der Himmel zu einem makellosen Blau, als wir die Hochebene Richtung Encumeada-Pass hinter uns lassen. Die Ausblicke sind atemberaubend. Vor uns tut sich ein wildes, grünes Tal auf. Zu beiden Seiten schroffe Hänge, tief unten ein Fluss, der sich zum Meer windet.

Wüssten wir nicht, dass der Film Herr der Ringe in Neuseeland gedreht wurde, wir hätten den Drehort hier vermutet.

Bis zum Pass führt eine raue Piste, die von zahlreichen Steinschlägen zeugt und durch mehrere grob behauene Tunnel führt. Die niedrigen Steinmäuerchen zur Befestigung der Böschung sind oft ausgesetzt und mein Beifahrerblick geht mehrere hundert Meter in die Tiefe.

Der dritte Tag führt uns weiter in den Westen. Am äußersten Punkt markiert ein Grenzstein beim Leuchtturm von Ponta do Pargo: ab hier gibt’s nur noch Wasser bis Nordamerika.

Für die zwanzig Kilometer weite Fahrt von Calheta bis Ponta do Pargo brauchen wir eine knappe Stunde auf einem Sträßchen, das sich oberhalb der Steilküste von einem einsamen Dorf zum nächsten windet. Links der Straße kleine Felder und Wiesen, rechts davon eine durch Flächenbrände ausgedünnte Landschaft. Kaum Verkehr, überwiegend ärmliche oder verlassene Häuser – Madeira hat viele Gesichter.

Wir schaffen es noch bis Achadas da Cruz, wo der Teleférico, eine einfache Seilbahn, die fruchtbaren Felder am Küstensaum mit der 500 Meter höher gelegenen Ortschaft verbindet. Schwindelerregend ist schon der Anblick der frei hängenden Gondel, die ohne weitere Seilstützen zwischen Küste und Klippe bewegt wird. Wir sind bei aufziehenden Wolken nicht mutig genug, die Fahrt zu wagen. Vielleicht beim nächsten Mal. Noch hat es keiner von uns beiden ausgesprochen, aber dass dies nicht unser einziger Urlaub auf Madeira bleiben wird, schwingt schon in unseren Gedanken mit. Zu faszinierend ist die Vielgestaltigkeit der Landschaft, der Pflanzenreichtum und die Möglichkeit Meer und Berge gleichzeitig zu erleben.

Der überwiegend graue Tag endet mit einem phänomenalen Sonnenuntergang und nun ist es endlich an der Zeit für unsere erste Poncha. Der traditionelle Cocktail aus Rum, Honig Zitronen- und Orangensaft wird in einem hohen Gefäß mit einem Holzquirl frisch zubereitet. Er schmeckt köstlich, aber er hat es in sich! Einer reicht!

Zwei Regentage zwingen uns zum Faulsein, Bücher lesen und zu einem Museumsbesuch. Völlig unerwartet für den kleinen Ort Calheta sitzt ein moderner Bau in Kubus-Architektur auf einem Felsen über der Bucht und verspricht eine hochkarätige Art-Deco-Ausstellung. Sie stammt aus der Sammlung des madeirensischen Mäzens Juan Berardo, der auch den Museumsbau gestiftet hat.

Wir streifen mehrere Stunden durch Säle und Galerien und sind von den Exponaten genauso beeindruckt wie von der Architektur selbst.

Wanderung: Ponta de São Lourenço

Am Ende der Woche ist das schlechte Wetter abgezogen und wir planen eine einfache Wanderung auf São Lourenço an der Ostspitze. Über die via rapida und 39 Tunnel haben wir schnell das andere Ende der Insel erreicht. Satt grün liegt der schräge Zipfel Land vor uns. Schon nach wenigen Gehminuten haben wir spektakuläre Ausblicke sowohl entlang der Nord- als auch der Südküste. Die Sonne brennt – ja, auch im Februar, doch eine beständig leichte Brise Wind lässt uns die Wärme sehr genießen. Schon klar, dass es auf dieser Landzunge im Sommer nicht gut auszuhalten ist. Davon zeugt auch die spärliche Vegetation. Bei näherem Hinsehen kann ich allerdings höchst interessante Gewächse entdecken: Felslevkojen, Mittagsblumengewächse, Wolldisteln, Meeres-Leimkraut, meergrünen Hornklee und wenige andere Pflanzen, die an die extremen Bedingungen von Trockenheit und Salzluft angepasst sind. Eine winzige, verträumte Bucht mit Kieselstrand, Cais do Sardinha, lockt uns zu einem Abstieg. Und tatsächlich schwimmen ein paar Unerschrockene im kalten Atlantik. Wir kühlen nur die Füße und wandern danach weiter hinauf auf den kegelförmigen Gipfel, Morro do Furado. Links und rechts von uns fällt der Fels 160 Meter fast senkrecht ab, und wir erleben ein atemberaubendes Panorama vom Leuchtturm der vorgelagerten Insel, Ilhéu do Farol, zu den Desertas-Inseln und in der Ferne bis Porto Santo. Aber nicht nur die Sicht verschlägt uns die Sprache, auch der Abstieg über die ungesicherte Felsplatte lässt den Adrenalinspiegel wieder mal kräftig steigen. Zur Erholung legen wir an der Casa do Sardinha eine längere Rast ein. Das kleine Natursteinhaus, umgeben von Dattelpalmen, liegt wie eine Oase in der kargen Landschaft unterhalb des Gipfels. Eine Ausstellung über das einzigartige Ökosystem von São Lourenço macht uns zum wiederholten Male deutlich, dass wir mit der »Entdeckung« Madeiras einen echten Schatz gefunden haben. So allmählich rückt das Urlaubsende näher und es werden einige Unternehmungen unserer Wunschliste offen bleiben. Wir möchten noch in den Feenwald Fanal, auf die Levada Ribeira da Janela, in das Küstenstädtchen Porto Moniz am nordwestlichen Ende der Insel und in den tropischen Garten Monte Palace.

Der Jardim Tropical in Monte, hoch über Funchal gelegen, soll zu den schönsten Gartenanlagen weltweit gehören. Wir erleben noch einmal einen Tag mit strahlend blauem Himmel für unseren Besuch.

Das Prädikat »schönster Garten« ist wirklich nicht übertrieben. Auf über sieben Hektar finden wir Pflanzen und Kunst aus aller Welt. Das ganze Areal ist madeiratypisch durchzogen von Wasserläufen, kleinen Seen, Wasserkaskaden, schmalen Pfaden und Brücken mit immer wieder überraschenden Ein- und Ausblicken. Wir streifen den ganzen Tag durch Dschungel von Baumfarnen, durch asiatische Gärten, bewundern die Sammlung antiker, manuelinischer Fenster und Mudejar-Wandbilder, die immer mal wieder aus dem Grün hervorspringen, und sind fasziniert von den Pflanzendinosauriern, den Palmfarnen. Sechzig Arten dieser mehr als vier Millionen Jahre alten Gattung sind hier versammelt. Um die Überschwemmung der Sinne zu beruhigen, bleiben wir mal an den Wasserspielen am mittleren See auf einer Bank sitzen oder ruhen uns im japanischen Zen-Garten aus.

Die Üppigkeit dieses Gartens – selbst im Winter – erscheint uns Sinnbild für das Pflanzenwachstum auf der Insel Madeira, die ja so häufig als Blumeninsel oder grüne Perle im Atlantik bezeichnet wird.

Mit diesen Eindrücken müssen wir uns vom Paradies verabschieden. Und weil wir im Februar doch immer mal wieder mit dichten Wolken und leichtem Regen in den Bergen und auf der Nordseite zu tun hatten, haben wir einen großen Teil der Insel noch gar nicht gesehen. Madeira im Spätsommer muss wunderbar sein – wir sind uns einig, dass wir so schnell wie möglich wieder auf diese Insel zurück kommen wollen. Noch vor unserer Heimreise reservieren wir die gleiche Ferienwohnung für September desselben Jahres.

Traumhaus – a casa de sonho

Kaum drei Tage dem norddeutschen, frühherbstlichen Schmuddelwetter entronnen, stehen wir zu Beginn unserer zweiten Madeirareise vor einem Haus, das uns wie aus unseren Träumen entgegenkommt. Ein altes Natursteinhaus, komplett restauriert, mit hölzernen Fensterläden, kleinem Grundstück, großer Tiefgarage unter der Terrasse und einem Ausblick, dass uns die Augen überlaufen.

Schon nach unserem Februarurlaub spürten wir eine deutliche Distanz zu unserem lange Jahre gehegten Wunsch, später mal in Italien sesshaft zu werden. Zu verlockend erschien mir inzwischen das milde Winterklima und die damit verbundene Besserung meiner fibromyalgischen Schmerzzustände. Die Vorstellung, ein Haus auf Madeira zum Überwintern zu besitzen, fühlte sich gut und richtig an. Also reisten wir diesmal mit dem Vorsatz an, den zweiten Urlaub auf Häuserschau zu gehen. Dass daraus nicht viel wurde, lag an jenem Haus, das uns von Luis gezeigt wurde. Luis ist selbst ernannter Bauunternehmer. Autodidakt, wie wir später erfahren sollten und von unserem Ferienhausvermieter wärmstens empfohlen als guter und zuverlässiger Handwerker – und er spricht englisch. Luis also, hatte von seinem Freund Pedro, Elektriker und zur Zeit an der Restaurierung eines Natursteinhauses beteiligt, einen Tipp bekommen, dass dieses Haus in Calheta nach Fertigstellung verkauft werden sollte. Und von unserem Ferienhausvermieter erhielt Luis den Hinweis, es wären Gäste da, nämlich wir, die ein altes Madeira-Haus suchen. Man könnte es Zufall nennen, dass wir ausgerechnet in jenen zwei Wochen auf Madeira weilten, in denen sich auch der Bauherr, Senhor Rodrigues, der den größten Teil des Jahres in Südafrika lebt, auf der Insel aufhielt.