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Die Fünf Freunde ahnen, dass auf der Felseninsel etwas nicht in Ordnung ist. Georges Vater hat sich die Felseninsel für eines seiner Experimente ausgeliehen und einen seltsamen Beobachtungsturm darauf gebaut. Und plötzlich ist das Betreten verboten, obwohl doch eigentlich George die rechtmäßige Besitzerin der Insel ist. Was ist hier los? Wird Georges Vater etwa bedroht?
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Seitenzahl: 115
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Kinder- und Jugendbuchverlagin der Verlagsgruppe Random House
1. Auflage 2015
© 1955, 1997, 2015 der deutschsprachigen Ausgabe:
cbj Kinder- und Jugendbuchverlag
in der Verlagsgruppe Random House, München
Neubearbeitung 2015
Alle deutschsprachigen Rechte vorbehalten
Die Originalausgabe erschien 1947 unter dem Titel:
»Five on Kirrin Island Again« bei
Hodder and Stoughton Ltd, London.
Enid Blytons Unterschrift und »Fünf Freunde«
sind eingetragene Warenzeichen von Hodder and Stoughton Ltd.
© 2015 Hodder and Stoughton Ltd.
Alle Rechte vorbehalten
Übersetzung: Dr. Werner Lincke
Bearbeitung: Kerstin Kipker
Umschlagabbildung und Innenillustrationen: Gerda Raidt
Umschlaggestaltung: semper smile, München
SaS · Herstellung: AJ
Satz: Uhl + Massopust, Aalen
ISBN 978-3-641-17083-7
www.cbj-verlag.de
Ein Brief für George
Anne machte gerade ihre Schulaufgaben im Aufenthaltsraum des Internats, als ihre Cousine George hereingestürmt kam.
George ist eigentlich ein merkwürdiger Name für ein Mädchen – aber sie hieß ja auch eigentlich Georgina. Doch weil sie lieber ein Junge sein wollte, bestand sie darauf, dass man sie George nannte.
Sie trug ihre lockigen Haare kurz, und ihre blauen Augen blitzten zornig, als sie jetzt auf Anne zustürzte. »Anne! Ich habe gerade einen Brief von meinen Eltern erhalten. Stell dir vor, mein Vater hat vor, auf meiner Insel zu wohnen, und möchte einen Turm oder so was im Burghof bauen!«
Die anderen Mädchen sahen neugierig auf, und Anne streckte die Hand nach dem Brief aus, den George vor ihr herschwenkte.
Alle wussten von der Insel in der Felsenbucht, die George gehörte. Die Felseninsel war sehr klein; in der Mitte stand eine Burgruine mit unterirdischen Verliesen, in denen George und ihre Cousine Anne zusammen mit deren Brüdern Julian und Dick während der Ferien aufregende Abenteuer erlebt hatten.
George war richtig sauer über den Plan ihres Vaters. Die Insel gehörte ihr. Und jetzt, kaum zu glauben!, wollte ihr Vater auf die Insel ziehen und sich dort sogar ein Laboratorium einrichten.
»Ach, George, Wissenschaftler brauchen Ruhe zum Arbeiten«, sagte Anne und nahm den Brief. »Du kannst deinem Vater deine Insel doch eine Weile leihen.« Dann las sie Tante Fannys Zeilen.
George, mein Liebling!
Heute habe ich eine große Neuigkeit für dich, die ich dir sofort schreiben möchte. Dein Vater hat vor, für kurze Zeit auf der Felseninsel zu wohnen, um einige sehr wichtige Experimente zu Ende zu führen. Er wird dazu einen kleinen Bau errichten müssen, eine Art Turm.
Anscheinend braucht er einen Platz, wo er absolute Ruhe hat und ganz für sich ist. Außerdem muss dieser Platz aus bestimmten Gründen ganz von Wasser umgeben sein.
Mein Liebes, sei nicht aufgebracht deswegen. Ich weiß, die Felseninsel ist dein Eigentum, aber du musst deiner Familie erlauben, auch ihren Anteil daran zu haben, besonders, wenn es sich um etwas so Wichtiges handelt wie die wissenschaftliche Arbeit deines Vaters …
»Unsere schönen Ferienpläne fallen ins Wasser«, sagte George leise. »Du weißt doch, wie herrlich die Felseninsel zu Ostern ist, alles ist voll von Primeln, Stechginster und jungen Kaninchen. Und wir beide, zusammen mit Julian und Dick, wollten da eine schöne Zeit verbringen.«
»Ich weiß, das ist wirklich Pech!«, gab Anne zu. »Aber vielleicht würde es deinen Vater ja gar nicht stören, wenn wir auch auf die Insel kämen?«
»Tu nicht so, als ob es dasselbe wäre«, sagte George spöttisch. »Nein, nein, es wäre entsetzlich.«
Ja natürlich, Anne war auch nicht im Mindesten davon überzeugt, dass es auf der Felseninsel mit Onkel Quentin viel zu lachen geben würde. Georges Vater war ein so hitzköpfiger, ungeduldiger Mann, und wenn er mitten in einem Versuch steckte, war er besonders unerträglich.
»Kopf hoch, George«, sagte Anne und lächelte ihrer Cousine aufmunternd zu. »Wir werden trotzdem schöne Ferien bei euch im Felsenhaus haben.«
George zuckte nur mit den Schultern.
»Komm, hör auf zu schmollen«, sagte Anne. »Geh lieber und hol Timmy. Er wird dich sicher wieder aufheitern.«
Timmy war Georges Hund, den sie von ganzem Herzen liebte. Es war ein großer brauner Mischling mit einem viel zu langen Schwanz und einer viel zu breiten Schnauze. Zum Glück erlaubte die Internatsleitung den Kindern, ihre Lieblingstiere bei sich zu haben.
Andernfalls wäre George ganz bestimmt nicht dortgeblieben – sie konnte nicht einen Tag ohne Timmy leben.
Timmy bellte aufgeregt, sobald sie in seine Nähe kam. Und Georges Gesicht hellte sich tatsächlich auf. Schon bald streiften sie miteinander durch die Felder, George erzählte ihrem Hund von ihren Sorgen und er leckte ihre Hand – ganz so, als verstünde er die Problematik.
Als George von ihrem Spaziergang zurückkehrte, fühlte sie sich viel wohler. Sie schmuggelte Timmy durch eine Seitentür des Schulgebäudes. Hunde waren im Schulgebäude selbst nicht erlaubt, aber George war in dieser Beziehung ganz ihr Vater – sie tat genau das, was sie wollte. Und heute Nacht brauchte sie ihn an ihrer Seite.
Das Winterhalbjahr ging schnell zu Ende. Der April kam mit Sonnenschein und Regengüssen, die Ferien rückten immer näher. Anne freute sich auf das Felsenhaus mit seinem herrlichen sandigen Strand, der tiefblauen See, den Fischerbooten und den wunderbaren Kletterpartien auf den Klippen.
Auch Annes Brüder Julian und Dick, die ein anderes Internat besuchten, waren in Gedanken schon dort. Diesmal brachen sie und die Mädchen am selben Tag auf. Sie würden sich am Bahnhof treffen und zusammen zum Felsenhaus fahren.
»Der Zug mit Julian und Dick kommt nur zwei Minuten vor unserem an«, rief Anne aufgeregt und guckte aus dem Fenster, als sie langsam in den Bahnhof einfuhren. »Wenn er pünktlich war, könnten sie schon auf unserem Bahnsteig sein und uns abholen. Schau, George, da sind sie!«
George lehnte sich aus dem Fenster, pfiff einmal laut auf zwei Fingern und schwenkte die Arme. »He, Julian!«, brüllte sie, so laut sie konnte. »Hier sind wir! He, Dick, hier!« Und Timmy bellte dazu.
Wieder im Felsenhaus
Die Begrüßung zwischen Julian, Dick, Anne und George war fröhlich und lautstark und Timmy gebärdete sich natürlich wie verrückt vor Freude darüber, dass er die beiden Jungen wieder sah. Er begrüßte sie mit seiner rechten Vorderpfote und hechelte ohne Pause.
Julian schaute seine Cousine an und knuffte sie freundschaftlich. »Ich hoffe, du lässt dir durch die Geschichte mit der Felseninsel die Ferien nicht zu sehr vermiesen«, sagte er.
Sofort verfinsterte sich Georges Gesichtsausdruck.
»Dein Vater ist ein Genie, einer der besten Wissenschaftler weit und breit, und die müssen schon ein bisschen spinnen dürfen. Wenn Onkel Quentin dort arbeiten möchte, dann solltest du dich eigentlich darüber freuen.« Julian war älter als sie alle und George hielt viel von seiner Meinung.
»Gut, ich werde nicht bocken, Julian«, sagte sie leise. »Aber ich bin furchtbar enttäuscht. Ich hatte es mir so schön vorgestellt, dass wir diese Ferien allein auf der Felseninsel verbringen.«
»Na ja, wir sind alle etwas enttäuscht«, sagte Julian. »Aber das ist jetzt vorbei. Nimm deinen Koffer, alte Motte. Wir schauen mal, ob Tante Fanny mit dem Ponywagen schon da ist.«
Tante Fanny kam gerade an, als die Kinder die Bahnhofshalle verließen. Sie fielen ihr der Reihe nach um den Hals.
»Wie geht es Onkel Quentin?«, fragte Julian höflich, als sie mit dem Wagen losfuhren.
»Es geht ihm sehr gut«, sagte sie, »aber er ist total auf sein neues, sehr wichtiges Projekt fixiert.«
»Schaut, da ist die Felseninsel!«, unterbrach Anne plötzlich. Die Straße machte einen Bogen und gab jetzt den Blick auf die Bucht frei. Wie ein Wächter lag die Insel mit der Burgruine an der Zufahrt zur Bucht. Die Sonne schien auf das blaue Meer und die Insel lag in leuchtenden Farben vor ihnen. In der Mitte der Ruine, wahrscheinlich im Hof, erhob sich ein hoher, schlanker Turm, einem Leuchtturm ähnlich. Er trug eine Glaskuppel, die in der Sonne blitzte.
»Oh Mutter! Vater hat meine Felseninsel mit diesem Turm total verschandelt«, klagte George.
»Aber Liebling, Vater hat versprochen, dass er den Turm stückweise wieder abbauen lässt, sobald er mit seiner Arbeit fertig ist.«
»Es sieht wirklich etwas seltsam aus«, stellte Dick fest. »Ist Onkel Quentin ganz allein auf der Insel, Tante Fanny?«
»Ja, ich sehe es aber gar nicht gern, dass er dort allein ist«, gab sie zur Antwort. »Zum einen, weil ich weiß, dass Onkel Quentin seine Mahlzeiten nicht pünktlich einnimmt, und zum anderen, weil ich Angst habe, dass ihm etwas zustößt, wenn er seine Versuche macht. Wie erfahre ich denn so, dass ihm etwas passiert ist?«
»Verabrede doch ein Zeichen mit ihm, Tante Fanny, jeden Morgen und jeden Abend«, schlug Julian vor. »Der Turm ist doch wie dafür geschaffen. Findet ihr nicht? Onkel Quentin könnte dir morgens und abends Leuchtsignale geben. Nichts wäre einfacher!«
»Ja, ich habe auch schon an so etwas gedacht«, stimmte die Tante zu. »Ich wollte morgen mit euch allen hinüberfahren und ihn besuchen und dann könnten wir das mit ihm vereinbaren.«
Wie schön es doch war, wieder im Felsenhaus zu sein! Die Kinder stürmten in den Garten und das Haus und begrüßten lautstark die Köchin Joanna, die für die Ferien wieder ins Felsenhaus gekommen war. Und Timmy erst! Er war vollauf damit beschäftigt, überall im Haus herumzulaufen und jede Ecke und jeden Winkel zu beschnüffeln.
»Das macht er immer«, erklärte George. »Da könnte schließlich ein Stuhl oder ein Tisch sein, den er noch nicht in seine Kartei mit aufgenommen hat.«
Anne wuchtete ihren Koffer die Treppe hinauf ins Schlafzimmer. Sie liebte den Ausblick von hier. Ein Fenster lag an der Rückseite des Hauses mit dem Blick aufs Moor, das andere gab die Aussicht auf die See frei. Herrlich! Sie trällerte vor sich hin, während sie ihren Koffer auspackte.
»Weißt du«, sagte sie zu Dick, als er den Kopf ins Zimmer steckte, »ich bin im Grunde recht froh, dass Onkel Quentin auf der Felseninsel ist, auch wenn wir dadurch nicht so oft dort sein können. Ich fühle mich viel freier, wenn er nicht da ist.«
Dick lachte, denn er wusste genau, was sie meinte. »Jetzt kommt aber! Anne, es gibt Tee!«
Im Nu waren die Kinder unten und versammelten sich alle im Esszimmer.
»Mutter, kann Timmy neben mir auf dem Boden sitzen, wenn Vater nicht da ist? Er ist jetzt stinkfein, geradezu schrecklich gut erzogen!«, bat George.
»Ja, natürlich«, erwiderte ihre Mutter lächelnd. Auf dem Tisch türmten sich Berge von Gebäck, Pasteten und Kuchen, als ob man mit zwanzig Gästen gerechnet hätte. Die gute alte Joanna! Sie musste den ganzen Tag gebacken haben. Aber es würde nicht viel übrig bleiben, denn die Fünf Freunde hatten einen mordsmäßigen Appetit!