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Die Navy SEALs sind die Elitetruppe der US-Streitkräfte. Sie durchlaufen die härteste Ausbildung der Welt und werden nur in den gefährlichsten Missionen eingesetzt. Das Seal Team Six ist die Einheit, die Osama bin Laden tötete. Navy Seal Adam Brown starb im März 2010 im Kampf, während eines Einsatzes in Afghanistan. Furchtlos erzählt die Geschichte eines Mannes, der keine Angst kannte, immer alles riskierte und von seinem Glauben und der Liebe zu seiner Frau, zu seiner Familie und zu seinem Land getragen wurde. Trotz schlimmster Befürchtungen zieht er mit in einen Krieg und meldet sich für die gefährlichsten Aufgaben immer als Erster freiwillig, bis ihn seine letzte Heldentat das Leben kostet. Er hinterließ einen bewegenden Brief an seine Kinder, in dem er schrieb, dass ihm der Glaube an Gott jegliche Furcht vor dem Tod genommen und er seinen Frieden gefunden hat. In diesem einzigartigen Buch schildert Eric Blehm mit dem Insiderwissen eines echten Kenners die Geschichte von Navy Seal Adam Brown, eines heldenhaften Soldaten, der bis zu seinem Ende keine Furcht kannte.
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1. Auflage 2014
© 2014 by riva Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH
Nymphenburger Straße 86
D-80636 München
Tel.: 089 651285-0
Fax: 089 652096
Copyright © 2012 der Originalausgabe by Eric Blehm.
Die englische Originalausgabe erschien 2013 bei WaterBrook Press unter dem Titel Fearless.
Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.
Übersetzung: Stephan Gebauer
Lektorat: Rainer Weber
Umschlaggestaltung: Kristin Hoffmann
Umschlagabbildung: unter Verwendung von Shutterstock-Bildern
Satz: Georg Stadler, München
Druck: GGP Media GmbH, Pößneck
Printed in Germany
ISBN Print: 978-3-86883-417-8
ISBN E-Book (PDF): 978-3-86413-570-5
ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-86413-571-2
Die Geschichte eines Navy SEAL, der sich auf der Jagd nach Osama bin Laden opferte, und der Frau, die ihn unerschütterlich liebte.
Von Eric Blehm
Dieses Buch ist den amerikanischen Helden gewidmet, die am 6. August 2011 in der Provinz Wardak in Afghanistan im Kampf fielen.
Sämtliche in diesem Buch enthaltenen Informationen über die Naval Special Warfare Development Group, die SEALs und einzelne Personen (einschließlich ihrer tatsächlichen Namen) wurden bereits veröffentlicht und sind daher allgemein zugänglich. Fast ein Dutzend aktive SEAL-Mitglieder – darunter auch hochrangige Offiziere – haben dieses Manuskript inoffiziell (deshalb jedoch nicht weniger sorgfältig) durchgesehen, um die Fakten zu überprüfen und auf Stellen hinzuweisen, die in zukünftigen Einsätzen das Leben von Soldaten gefährden könnten. Wenn sie auf solche Stellen stießen, habe ich die Passagen gestrichen oder angepasst. In den wenigen Fällen, in denen sich die Insider nicht einig waren, habe ich mich der Einschätzung der Mehrheit angeschlossen. Vage gehaltene Aussagen sind beabsichtigt, um diese Männer und ihre Verbündeten zu schützen.
Sämtliche Zitate, Slangausdrücke, Gedanken, Dialoge und Beschreibungen stammen von Personen, die in die Geschichte eingeweiht waren und ihre Erinnerungen nach bestem Wissen wiedergaben. Ich habe nichts abgewandelt, dramatisch ausgestaltet oder erfunden.
Auf den folgenden Seiten lesen Sie die Geschichte eines amerikanischen Helden, der in seinen letzten schriftlichen Mitteilungen den Mut aufbrachte, seinen Lebensweg mit uns zu teilen: von der amerikanischen Provinz in die Gosse, vom Gefängnis zur Besinnung auf Gott, in den Krieg und in eine der Eliteeinheiten der amerikanischen Armee, das SEAL Team 6.
Von Mai bis Juli 2011, zu einer Zeit, als sämtliche Journalisten auf der Erde anscheinend nichts anderes im Sinn hatten, als an einen Insiderbericht über die letzten Stunden von Osama bin Laden zu kommen, reiste ich kreuz und quer durch die Vereinigten Staaten, um Interviews mit mehr als einem Dutzend Navy SEALs zu führen. Zwar gehörten die meisten meiner Gesprächspartner zur Naval Special Warfare Development Group, die von der Regierung Obama nur als SEAL Team 6 bezeichnet wurde – dieses SEAL Team hatte den Terrorfürsten getötet –, aber ich sprach aus einem ganz anderen Grund mit ihnen.
Ich reiste von Kalifornien nach Pennsylvania und von dort weiter nach Alaska, Virginia und Arkansas, um mich mit jedem dieser SEALs mehrere Stunden lang zu unterhalten. Obwohl die bedeutende Mission, an denen einige von ihnen wenige Tage vorher teilgenommen hatten, immer noch in ihren Köpfen herumschwirrte, ging es in unseren Gesprächen nicht um Osama bin Laden. Sie trafen sich mit mir, einem Außenstehenden, aus einem Grund, der ihnen persönlich viel bedeutete: Die Familie eines ihrer gefallenen Waffenbrüder – des Chief Special Warfare Operator Adam Brown – wollte, dass die Welt seine Geschichte hörte.
Und wenn die Welt von Adam Brown hören würde, wollten seine Kameraden, dass die Geschichte dieses Mannes wahrheitsgetreu erzählt würde. Einer von ihnen, Thomas Ratzlaff, stand mit mir in der Wildnis Alaskas im Regen, blickte auf den schlammigen Copper River und sagte: »Wenn es einen SEAL gibt, der es verdient hat, dass seine Geschichte erzählt wird, dann ist es Adam.«
Matt Mason stand am Fenster und blickte hinaus auf den stürmischen Atlantik. »Als ich zum ersten Mal über Adams Vergangenheit hörte«, sagte er, »konnte ich es nicht glauben. Es fiel mir schwer zu begreifen, was er durchgemacht hatte und wie Kelley die ganze Zeit an seiner Seite bleiben konnte.«
»Sie müssen die ganze Geschichte erzählen«, sagte John Faas ernst, während wir in einem von Adams Lieblingsrestaurants an der Strandpromenade in Virginia Beach saßen. »Es gibt schon genug Bücher über die harte Ausbildung bei den SEALs, und es gibt genug Tom-Clancy-Romane. Aber es wird zu wenig über die menschliche Seite gesprochen. Wenn Sie ein wenig graben, werden Sie entdecken, was für ein großartiger Mensch Adam Brown war.«
Kevin Houston schlug mit der Faust auf den Tisch in seinem Hotelzimmer: »Eins müssen Sie mir versprechen: Beginnen Sie diese Geschichte bitte nicht mit der Schleiferei im BUD/S-Programm. Keine Klischees. Sie müssen sich unbedingt anhören, was die Leute in Hot Springs über ihn zu sagen haben. Und diese Geschichte müssen Sie erzählen.«
»Hat Ihnen jemand von seiner letzten Mission erzählt?«, fragte Chris Campbell, während er seine Ausrüstung für ein einwöchiges Training in der Wildnis Alaskas zusammenpackte. »Diese Kommandoaktion diente nur dazu, unsere Brüder zu schützen, die normalen Soldaten, die von diesem Verbrecher furchtbar malträtiert wurden. Aber bei dieser Mission passierten dann die Dinge, die wir für unsere Truppe tun. Wir beschützen uns gegenseitig. Genau das tat Adam.«
Brian Bill, den Adams Kinder nur »Bibo« nannten, erklärte mir in mehreren Gesprächen, wie Adam bei ihm den Wunsch geweckt hatte, ein besserer Mensch zu werden. Brian wünschte sich, eines Tages ein ebenso guter Vater wie sein Freund zu werden. Heath Robinson erklärte mir, Adam sei nicht nur furchtlos gewesen, sondern habe im Einsatz auch Mitgefühl bewiesen. Er drang nicht nur als Erster freiwillig in das »schwarze Loch« vor und stürmte in ein dunkles Gebäude, in dem sich feindliche Kämpfer versteckten. Er war auch der Erste, der einem Afghanen einen Teil seiner Last abnahm und der sich nach einem Sturmangriff hinhockte, um verängstigte Frauen und Kinder zu beruhigen.
Tagelang hörte ich solche Berichte von Angehörigen, Freunden und Kameraden, die alle dasselbe wollten: Sie wollten Adam ehren und seine Legende bei den SEALs am Leben erhalten.
Da vielen Angehörigen von Adams Einheit ein weiterer Einsatz in Afghanistan bevorstand, wollten sie so rasch wie möglich mit mir sprechen. Sie waren Soldaten und kannten die Risiken ihres Jobs genau.
»Wir bekommen in Kürze den Marschbefehl«, eröffnete mir einer von Adams engsten Freunden in der Einheit, als wir uns im Juni zum Interview niederließen. »Man weiß nie, was passieren wird – ich könnte bei meiner nächsten Mission getötet werden. Ich möchte, dass Adam die verdiente Anerkennung erhält. Also sollten wir das hier rasch erledigen.«
»Wo wollen Sie anfangen?«, fragte ich.
»Beginnen wir mit dem 17. März«, sagte er. »Bringen wir das als Erstes hinter uns.«
Als Adam Brown am Morgen des 17. März 2010 aufwachte, konnte er nicht wissen, dass er in der folgenden Nacht in den Bergen Afghanistans sterben würde. Aber er war bereit.
11 000 Kilometer entfernt, in einem Vorort von Virginia Beach, machte sich der zehnjährige Nathan Sorgen. Als er an jenem Morgen die Augen öffnete, spürte er, dass seinem Vater etwas Schlimmes zustoßen würde. Aber er behielt seine bedrückenden Gedanken für sich, stieg aus dem Bett und zog sich an, um in die Schule zu gehen. Es war der St. Patrick’s Day, und er holte sich ein grünes Kleidungsstück aus dem Schrank, denn wie alle seine Klassenkameraden würde er an diesem Tag die irische Nationalfarbe tragen.
Bei einer früheren Entsendung ins Ausland hatte Adam Brown in seinem Tagebuch einen Brief an Nathan und seine siebenjährige Tochter Savannah aufgesetzt, den sie nur im Fall seines Tods lesen sollten:
Ich fürchte mich vor nichts, was mir auf dieser Erde geschehen kann, denn ich weiß, dass mir nichts meine Seele nehmen wird. Aber die Vorstellung, nicht zu erleben, wie mein Junge Erfolg im Leben hat, oder nicht bei der Hochzeit meines kleinen Mädchens dabei sein zu können, quält mich sehr. … Kumpel, ich werde da sein, du wirst meine Gegenwart fühlen, wenn du zum ersten Mal eine Base stiehlst, auf dem Footballfeld einen Angreifer zu Fall bringst oder nur Einsen im Zeugnis hast. Ich werde bei dir sein, wenn du einen Erfolg feierst. Aber vor allem werde ich in den schweren Zeiten bei dir sein. Ich weiß, wie es ist zu weinen. Ich kenne Schmerz und Enttäuschung, und ich werde für dich da sein. Du kannst mich nicht enttäuschen. Ich verstehe es!
Adam Brown wusste, was es bedeutet, Menschen zu enttäuschen. Er wusste, was es bedeutet, Scham zu empfinden wie an jenem schwülen Nachmittag im August 1996, als seine Eltern die Polizei gerufen hatten, um ihn verhaften zu lassen. »Es ist an der Zeit, dass du die Verantwortung für deine Handlungen übernimmst«, hatte sein Vater an jenem Tag zu ihm gesagt, bevor Adam in Handschellen zum Streifenwagen geführt wurde. Als der Hilfssheriff die Autotür zugeschlagen hatte, sah Adam, wie die Beine seiner Mutter nachgaben und wie sein Vater sie auffing und an sich drückte. Als sie zu weinen begann, wusste Adam, dass er ihr das Herz gebrochen hatte.
Das Bild seiner Mutter, die an der Brust seines Vaters schluchzte, verfolgte ihn den Rest seines Lebens. Aber diese Erinnerung gab ihm auch den Anstoß zu der Reise, die ihn verwandeln sollte.
Adam Brown, der den offiziellen Titel eines Chief Special Warfare Operator (SEAL) trug, war einer der angesehensten Kämpfer in den Spezialeinheiten der United States Navy. Er gehörte der Naval Special Warfare Development Group (NSWDG) an, die auch unter dem Kürzel DEVGRU bekannt ist. Bis Mai 2011 bestätigten weder das Pentagon noch das Weiße Haus die Existenz dieser in der Öffentlichkeit als »SEAL Team 6« bezeichneten Einheit oder äußerten sich zu ihren Einsätzen. Eine Nacht änderte das: Das weltweite Aufsehen um den Tod von Osama bin Laden katapultierte diese geheimnisvolle Einheit ins Rampenlicht der Öffentlichkeit.
Als Adam Browns Team im März 2010 ausrückte, um an der Operation »Enduring Freedom« teilzunehmen, schwärmten die SEALs in ganz Afghanistan aus, um eine Vielzahl von Aufgaben zu erfüllen, die ihnen im Rahmen der strategischen Operationen von den Generälen und Admiralen aufgetragen wurden. Adam und ein Teil seines Teams wurden in einen abgelegenen Landstrich in Nordafghanistan geschickt, der den Taliban als Ausgangsbasis für Angriffe auf die Koalitionstruppen diente. Der »Krieg gegen den Terror« dauerte zu jener Zeit bereits achteinhalb Jahre, aber diese Region im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet war weiterhin ein Zufluchtsort für Aufständische, ausländische Glaubenskrieger und Terrorzellen, die ihr Vorgehen oft miteinander abstimmten. In diesem Gebiet wimmelte es von hochwertigen Zielen: Kommandounternehmen lieferten fast immer wertvolle Aufklärungsdaten, die genutzt werden konnten, um die Gegner der afghanischen Regierung zu schwächen und weitere Steinchen in das Puzzle zu setzen, das gelöst werden musste, um den Terrorfürsten Bin Laden aufzuspüren.
Seit Ende 2009 waren die Nachrichtendienste einem Talibanchef in der Provinz Kunar auf der Spur. Der Codename dieses Ziels lautete »Objective Lake James«. Der Mann war für den Tod zahlreicher Soldaten der internationalen Koalitionsstreitmacht verantwortlich. Neue Informationen hatten bestätigt, dass »James« vorhatte, ein amerikanisches Bataillon anzugreifen, das von seinem gegenwärtigen Stützpunkt im Tal des Pech-Flusses verlegt werden sollte. Das Tal war ein mörderischer Flecken Erde. Die Aufständischen konnten die Koalitionstruppen dort leicht angreifen und sich rasch wieder in die umliegenden Berge zurückziehen. Viele Bewohner der Dörfer und Täler in dieser Gegend hatten noch nie einen Amerikaner gesehen. Die Aufständischen wussten, dass sie jenseits bestimmter Linien auf der Karte nicht verfolgt werden würden.
Doch das sollte sich nun ändern. Die Nachrichtendienste hatten herausgefunden, wo sich »James« derzeit versteckte: auf einem Gehöft in einem abgelegenen Dorf im gebirgigen Bezirk Chapa Dara. Obwohl diese Ortschaft eine jener Hochburgen der Aufständischen war, die »weit jenseits der Linie« lagen, begann Adams Team zu planen, wie es »James« gefangen nehmen oder töten konnte.
Zunächst studierten die Amerikaner Luftaufnahmen der Anlage. Bevor die Elitesoldaten diesen Ort mit eigenen Augen sehen würden, konnten sie sich kaum ein genaues Bild von der Landschaft und den Gebäuden machen. Die Anlage wirkte aber nicht schwieriger als Hunderte andere, die sie im Verlauf zahlreicher Kommandoaktionen eingenommen hatten. Die Feindaufklärung hatte das Ergebnis gebracht, dass sich in dem Tal Kämpfer aufhielten, die mit Kalaschnikows sowie leichten Maschinengewehren und Panzerbüchsen bewaffnet waren. Die Männer, die auf den Fotos zu sehen waren, waren im kampftauglichen Alter. In der Vergangenheit hatte man viele bärtige Männer gesehen, aber in jüngster Zeit waren Aufständische und Dschihadisten dazu übergegangen, sich zu rasieren, um jünger zu wirken, und manchmal schlüpften sie sogar in Burkas, um als Frauen verkleidet leichter entweichen zu können. Daher war kaum festzustellen, mit wie vielen Feinden es die SEALs tatsächlich zu tun bekommen würden.
Im anzugreifenden Gehöft waren zu verschiedenen Tageszeiten etwa sechs Männer, sechs Frauen und sechs Kinder zu beobachten. Es war damit zu rechnen, dass sich »James« und seine Leute nicht ergeben würden. Sie würden kämpfen, was den Einsatz erschwerte, da Zivilisten ins Kreuzfeuer geraten konnten. Bei vergangenen Einsätzen hatte sich gezeigt, dass dieser Feind nicht zögerte, Frauen und Kinder als menschliche Schutzschilde einzusetzen. Aber auf solche Situationen waren die SEALs vorbereitet. Man hatte sie dafür ausgebildet, solche Situationen zu meistern.
Es waren zwei Umstände, die »Objective Lake James« zu einer der drei schwierigsten Missionen machten, die den SEALs bis dahin in diesem Krieg aufgetragen worden waren. (Das Kommando bezeichnete die Mission als »wagemutig«.) Umgeben von einem engen Tal inmitten dicht bewaldeter Berge, wurde das Ziel von feindlichen Kämpfern verteidigt, die ihre Häuser in steile Berghänge und Felsen gemeißelt hatten. Daher konnte man die Eliteeinheit nicht wie gewohnt aus der Luft zum Einsatzort bringen und anschließend sofort wieder ausfliegen. Vielmehr würden die SEALs zu Fuß einen weiten Weg durch extrem schwieriges, vom Feind kontrolliertes Gebiet zurücklegen müssen, um überraschend zuzuschlagen und sich anschließend zu Fuß zum vorgesehenen Hubschrauberlandeplatz zurückzuziehen.
Adam und sein Team würden alles tun, um zu vermeiden, dass die Dorfbewohner oder die übrigen Einwohner des Tals ihre Anwesenheit bemerkten. Sie mussten so leise wie möglich vorgehen und schallgedämpfte Waffen oder Messer einsetzen, um die Zielperson zu töten oder gefangen zu nehmen. Anschließend würden sie die Anlage nach nützlichen Informationen durchsuchen, die Zivilisten im Haus festnehmen und zum Hubschrauberlandeplatz zurückkehren.
Wenn Türen gesprengt werden mussten oder wenn die feindlichen Kämpfer Widerstand leisteten, würde das gesamte Tal wach werden. Aus allen Richtungen würden Kämpfer herbeieilen, und die amerikanische Einheit würde sich den Weg zum Landeplatz, der zu Fuß 30 bis 60 Minuten entfernt war, freikämpfen müssen. Die SEALs wussten, dass sich eine so lange Zeit unter feindlichem Beschuss wie eine Ewigkeit anfühlen würde.
Am einfachsten hätte man »James« und seine Männer natürlich mit einer ferngesteuerten Bombe ausschalten können, aber das kam nicht infrage, weil sich in der Anlage auch Frauen und Kinder aufhielten und ein Drohnenangriff auch die Familien in den Nachbarhäusern in Gefahr gebracht hätte. Die SEALs mussten mit chirurgischer Präzision zuschlagen, um einen bestimmten Feind und seine Gefolgsleute auszuschalten. Gelang es Adams Team nicht, »James« unschädlich zu machen, würde er weiterhin amerikanische oder Koalitionstruppen angreifen.
So viel stand fest.
Adam bereitete seine Ausrüstung für den Einsatz vor und faltete die Flagge von Arkansas zusammen, die ihm sein Bruder Shawn mitgegeben hatte. Zwischen Panzerweste und Uniform gesteckt, trug er sie im Kampf immer bei sich.
Jeder SEAL, der Adam Brown kennenlernte, wusste nach kürzester Zeit, woher er kam. Adam liebte einfach alles an seinem Heimatstaat. »Es ist der einzige amerikanische Bundesstaat, der sich selbst erhalten kann«, pflegte er zu sagen, und dann erklärte er seinem Gesprächspartner die »Arkansas-Glockentheorie«: »Man könnte eine Glocke über diesen Staat stülpen und ihn völlig von Importen aus der übrigen Welt abschneiden, aber wir würden nicht nur überleben, sondern wohlgenährt und vermögend sein.«
Aber eines fehlt Arkansas: ein Zugang zum Meer. Als Adam im Jahr 1999 zu der beängstigenden 27-wöchigen Grundausbildung in Unterwassersabotage (Basic Underwater Demolition/SEAL, abgekürzt BUD/S) antrat, war er erst ein paar Mal im Meer geschwommen. Zu Beginn des Kurses hatte ein Ausbilder den Rekruten eröffnet: »Der Ruf, den ihr hier erwerbt, wird euch bleiben. Der Ruf, den ihr hier erwerbt, wird alles über euch sagen.«
Zweifellos sagte Adams Ruf einiges über ihn, aber die Geschichten, die ihn zu einer Legende machten, begannen lange vor der BUD/S-Ausbildung in dem Südstaatenstädtchen Hot Springs in Arkansas. Dort verdiente er sich den Spitznamen »Psycho«, weil er immer gegen die größten und kräftigsten Spieler in seiner Football-Mannschaft antrat. Dort trat er einem Mann mit geladener Waffe entgegen, um das Leben eines Freundes zu retten. Dort sprang er aus einem fahrenden Auto von einer Brücke in einen See, dort entzog er sich der Gefangennahme, und dort führte er seine ersten nächtlichen Kommandoaktionen durch. Adams Football-Trainer an der High School, Steve Anderson, sagt über ihn: »Lange, bevor er ein Navy SEAL wurde, tat er Dinge, die ein SEAL tut.«
Denselben Ruf genoss er bei seinen Kameraden in der DEVGRU. »Er hatte nicht einen einzigen ›Angstknochen‹ im Körper«, sagt der SEAL Kevin Houston. Brian Bill beschreibt ihn als »knallhart«. Heath Robinson vergleicht ihn mit einem aufgebohrten Motor ohne Regler: »Er war eine Maschine, die immerzu auf vollen Touren lief.« Bei einem solchen Einsatzwillen waren Verletzungen unvermeidlich, aber sein Kamerad Dave Cain, der an Adams Seite war, als ihm in Afghanistan die Finger einer Hand abgetrennt wurden, sagt: »Ich bin nie jemandem begegnet, der Schmerzen besser ertrug als Adam … wenn er überhaupt Schmerz fühlte.«
Tatsächlich empfand Adam Schmerz, sehr viel sogar. Er war einfach ungeheuer entschlossen und widerstandsfähig. Bereits bei der Geburt wurde Robustheit von ihm verlangt. »Er kam verletzt zur Welt«, erzählt seine Mutter Janice. Sein Vater Larry berichtet, dass Adam drei Minuten nach seiner Zwillingsschwester Manda zur Welt kam. Doch als er schon im Geburtskanal war, entdeckte der Arzt, dass er sich in Steißlage befand. Sie mussten ihm die Schulter ausrenken, um ihn herausholen zu können.«
»Er schrie fast nicht«, sagt Janice. »Der Arzt renkte seine Schulter wieder ein. Manda schrie immer noch, nachdem sie in diese kalte und helle Welt geholt worden war, aber der kleine Adam war ganz still und sah sich nur neugierig um, so als wollte er sagen: Und was habt ihr mir sonst noch anzubieten?«
Adam Lee Brown kam am 5. Februar 1974 in Hot Springs in Arkansas zur Welt. Sein Vater Larry war dort als zweites von sechs Kindern in einer Arbeiterfamilie aufgewachsen. Larrys Familie waren Baptisten, die jeden Mittwochabend und an Sonntagen zweimal in die Kirche gingen. Larrys Vater Elmer war ein Weltkriegsveteran, der mit einem Tankwagen Benzin an die Tankstellen in Hot Springs und in den benachbarten Countys lieferte.
Als der Inhaber der Firma, für die Elmer arbeitete, krank wurde und mehrere Monate ausfiel, übernahm Elmer zusätzlich zu den Fahrten auch die Büroarbeit. Seine Söhne Larry und Bruce rieten ihm, eine Lohnerhöhung zu verlangen, was Elmer jedoch ablehnte, da er die Lage seines Chefs nicht ausnutzen wollte. »Das wäre nicht richtig«, sagte er zu seinen Söhnen, »und man muss das Richtige tun, komme was wolle.« Dann rief er seinen Kindern wie immer bei solchen Gelegenheiten in Erinnerung: »Gott sieht uns zu, in jedem Augenblick.«
Jeden Abend nach dem Essen machte sich Larrys Mutter Rosa auf den Weg zur Arbeit. Sie arbeitete in der Nachtschicht in einer Schuhfabrik und kam am Morgen rechtzeitig zurück, um das Frühstück zu machen, bevor Elmer zur Arbeit ging. Larry ging noch zur Grundschule, als er begann, Zeitungen auszutragen, um zu den Familienersparnissen beizutragen. Als er älter wurde, arbeitete er im Sommer auf den Feldern und ganzjährig auf Hühnerfarmen. Er besuchte die High School von Hot Springs – er gehörte demselben Jahrgang an wie Bill Clinton, der spätere Gouverneur von Arkansas und US-Präsident, obwohl die beiden einander nicht kannten. Als Clinton im Wahlkampf darüber sprach, wie die harte Arbeit den Charakter der Menschen von Arkansas prägte, verstand Larry genau, was er meinte. Während seiner letzten Schuljahre wusch er an den Wochenenden Holzlaster und arbeitete an den Schultagen von drei bis acht Uhr morgens in einem Donut-Laden. Nach dem Ende seiner Schicht hatte er gerade genug Zeit, um zur Schule zu laufen, wo er den Spitznamen Jelly Roll trug, weil er immer nach frischen Donuts roch.
Das Leben der Familie war von harter Arbeit geprägt. Aber die Geschwister hielten zusammen wie Pech und Schwefel und hatten liebevolle Eltern. Obwohl sie sich kaum einen Luxus leisten konnten, waren sie zufrieden mit dem Leben, denn es fehlte ihnen nie an etwas. »Du musst tun, was du tun musst«, sagte sein Vater zu Larry, »und wenn du es geschafft hast, wirst du stärker sein.«
Nach der Highschool begann Larry eine Elektrikerlehre. Er träumte davon, eines Tages einen eigenen Betrieb zu eröffnen. Er war seit einem Jahr in der Lehre, als er der hübschen Janice Smith begegnete, die im letzten Schuljahr war. Sie wohnte nur wenige Straßen entfernt, lebte jedoch in einer ganz anderen Welt: Sie hatte ihren Vater nie kennengelernt und war hauptsächlich von ihren Großeltern mütterlicherseits aufgezogen worden, da ihre Mutter zwei Jobs nachging und kaum Zeit für ihre drei Kinder hatte. Doch Janice litt nicht unter ihrer Situation. Sie liebte ihre Großeltern und respektierte ihre Wertvorstellungen. Einer ihrer Grundsätze lautete: »Du musst immer das Richtige tun.«
Als Janice älter wurde, wurde ihr klar, dass es im Leben ihrer Mutter nichts Wichtigeres als Geld gab. Janice konnte das verstehen, weil es der Familie stets an Geld mangelte, aber trotzdem »fühlte es sich falsch an«. Hingegen fühlte es sich richtig an, ihrem Herzen zu folgen, und so entschloss sie sich noch im letzten Schuljahr, Larry Brown zu heiraten.
In ihrer unbeschwerten Beziehung ging es nur um ihre junge Liebe, aber Janice wollte irgendwann Kinder haben. Larry arbeitete bereits hart, um eine Familie versorgen zu können. Er verdiente Geld als Elektriker und besuchte die Abendschule in Little Rock, um einen Abschluss zu machen und in die Gewerkschaft eintreten zu können.
Aber in den Augen von Janices Mutter und ihren Großeltern war es nicht unbedingt ein Vorzug, dass der junge Mann so erwachsen war. Es gefiel ihnen nicht, dass Janice bereits verheiratet war, obwohl sie noch zur Schule ging. Sie bewegten die junge Frau dazu, die Ehe annullieren zu lassen; wenn sie die Schule abgeschlossen habe, könne sie immer noch über eine Heirat nachdenken. Larry war am Boden zerstört, als Janice ihm die Nachricht überbrachte. Die beiden trennten sich. In der folgenden Woche erhielt Larry die Mitteilung, dass er möglicherweise zum Kriegsdienst in Vietnam eingezogen würde. Er wartete die Einberufung nicht ab, sondern meldete sich freiwillig bei der Einberufungsstelle in Hot Springs. Er entschloss sich, zur Marine zu gehen, die eine Ausbildung zum Nachrichtentechniker und Funker anbot, was zu seiner Arbeit als Elektriker passte. Außerdem hatten ihm alle Personen aus seinem engsten Umfeld einschließlich seines Vaters, der als Infanterist im Zweiten Weltkrieg bei Bastogne gekämpft hatte, dringend geraten, sich vom Bodenkrieg fernzuhalten.
Während seiner Grundausbildung begannen er und Janice, einander wieder zu schreiben, und als sie einen Brief mit den Worten »Ich liebe dich« beendete, machte er ihr erneut einen Heiratsantrag. Diesmal fand die Hochzeit im Garten des Hauses ihrer Großeltern statt. Er war 20, sie 19 Jahre alt. Die beiden fuhren nach Jacksonville in Florida und zogen unweit der Naval Air Station, auf der Larry stationiert war, in einen Wohnwagen ein.
Larry wurde nach Vietnam geschickt. Er kehrte gerade rechtzeitig von seinem ersten Einsatz zurück, um bei der Geburt seines ersten Kindes dabei zu sein. Larry Shawn Brown kam am 13. Dezember 1968 zur Welt. Shawn war noch kein Jahr alt, als sein Vater zum zweiten Mal nach Vietnam geschickt wurde. Er nahm nicht an Kampfeinsätzen teil, aber er sah, was der Krieg aus den Soldaten machte. Er sah vom Granatbeschuss traumatisierte Männer, Verwundete und gelegentlich Leichensäcke, die auf dem Weg ins Krankenhaus oder in die Heimat durch den Luftwaffenstützpunkt geschleust wurden, an dem er stationiert war. Sein Heimathafen befand sich auf den Philippinen, aber er wurde oft zu Stützpunkten in der Bucht von Cam Ranh und in Da Nang in Vietnam geschickt, wo er sah, wie kleine Trupps und manchmal einzelne Kämpfer zu Geheimmissionen aufbrachen. In der Truppe erzählte man sich, diese Eliteeinheiten würden zu Kommandoaktionen weit hinter die feindlichen Linien bis in die Rückzugsgebiete der Vietcong in Kambodscha und sogar ins Kernland von Nordvietnam geschickt. An den Uniformen dieser Soldaten, die einer Einheit mit dem harmlos klingenden Namen Studies and Observations Group (SOG) angehörten, sah man keine Abzeichen. Diese Männer gehörten zu den Spezialeinheiten der Army, den Air Force Commandos oder den Navy SEALs und drangen freiwillig in den dunklen und gefährlichen Dschungel ein, wo sie sich unter schwierigsten Bedingungen behaupten mussten.
Wenn Larry zu seinen Missionen geflogen wurde, sah er auf die Wälder unter sich hinab und fragte sich, was die Männer, die in diesen Dschungel »eingetaucht« waren, wohl durchmachten. Er empfand Hochachtung für sie und dachte jeden Abend an sie, wenn er sich nach einer warmen Mahlzeit in ein sauberes Bett legte.
Nach vierjähriger Dienstzeit ließ Larry den Krieg hinter sich und zog mit Janice von Florida zurück nach Hot Springs. Er schloss seine Elektrikerlehre ab und fand Arbeit in einem Bauunternehmen. Er wollte seine Familie unbedingt allein ernähren, damit Janice sich um die Kinder kümmern konnte. Tatsächlich verdiente er so viel, dass das Paar jeden Monat ein wenig Geld zur Seite legen konnte. Nachdem sie drei Jahre lang sparsam gelebt hatten, hatten sie genug Geld, um ein kleines Haus in einer Siedlung am Ufer des Lake Hamilton anzuzahlen, das 30 000 Dollar kostete. Das Haus hatte nur etwa 140 Quadratmeter, aber nachdem sie fast ein Jahrzehnt lang in Wohnwagen und winzigen Appartements gelebt hatten, hatten sie das Gefühl, in einem Herrenhaus zu wohnen. Dies war genau der richtige Ort für eine wachsende Familie.
Einen Monat vor dem Geburtstermin ihres zweiten Kindes eröffnete der Arzt Janice etwas Verblüffendes.
»Mrs. Brown«, sagte er lächelnd. »Da ist noch eine weitere Kleinigkeit, die mir bisher nicht aufgefallen ist.«
»Eine weitere Kleinigkeit?«, sagte Janice.
»Genau, ein weiteres Baby. Sie bekommen Zwillinge.«
Adams Zwillingsschwester Manda kam drei Minuten vor ihm zur Welt. Es sollte das letzte Mal sein, dass sie ihm in etwas voraus war. Adam setzte sich als Erster auf, krabbelte als Erster, lernte als Erster gehen, kletterte als Erster aus dem Gitterbett… und plumpste zu Boden.
Adam war neun Monate alt, als er bei dem Versuch, der Enge seines Gitterbetts zu entkommen, auf die Nase fiel. Manda wurde vorsichtiger, wenn sie sich eine Beule oder eine Schramme zuzog, aber Adam ließ sich von kleinen Verletzungen nicht abschrecken. Er weinte kurz– und setzte seinen Erkundungsausflug fort. Nachdem er dreimal ausgebrochen war, resignierte sein Vater und sägte die Beine des Gitterbetts ab, damit der Kleine beim nächsten Mal wenigstens nicht so tief fiel.
Das war nur eine von vielen Sicherheitsvorkehrungen, die seine Eltern ergreifen mussten, um ihren Sohn davon abzuhalten, sich zu verletzen. Janice beauftragte oft Shawn, der fünf Jahre älter war als die Zwillinge, auf seine Geschwister aufzupassen, während sie das Essen machte. »Hab’ ein Auge auf Manda«, sagte sie, »und lass Adam keine Sekunde aus den Augen!«
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