GALAXIS SCIENCE FICTION, Band 43: GEWALT ZWISCHEN DEN STERNEN - Gordon R. Dickson - E-Book

GALAXIS SCIENCE FICTION, Band 43: GEWALT ZWISCHEN DEN STERNEN E-Book

Gordon R. Dickson

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Beschreibung

Sie kämpften, um Welten zu erobern: Soldaten der Erde, die taten, was man ihnen befahl - für die Größe des Imperiums. Rücksichtslos, schonungslos brachen sie jeden Widerstand.

Dann kam Cal Truant. Ein Soldat, der in diesem erbarmungslosen Kampf das menschliche Denken nicht verlernt hatte...

 

GEWALT ZWISCHEN DEN STERNEN von GORDON R. DICKSON (Gewinner des Nebula- und des Hugo-Awards) erscheint in der Reihe GALAXIS SCIENCE FICTION aus dem Apex-Verlag, in der SF-Pulp-Klassiker als durchgesehene Neuausgaben wiederveröffentlicht werden.

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Veröffentlichungsjahr: 2022

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GORDON R. DICKSON

 

 

GEWALT ZWISCHEN

DEN STERNEN

- Galaxis Science Fiction, Band 43 -

 

 

 

Roman

 

 

 

 

 

 

Apex-Verlag

Inhaltsverzeichnis

Das Buch 

GEWALT ZWISCHEN DEN STERNEN 

Erstes Kapitel 

Zweites Kapitel 

Drittes Kapitel 

Viertes Kapitel 

Fünftes Kapitel 

Sechstes Kapitel 

Siebtes Kapitel 

Achtes Kapitel 

Neuntes Kapitel 

Zehntes Kapitel 

Elftes Kapitel 

Zwölftes Kapitel 

Dreizehntes Kapitel 

Vierzehntes Kapitel 

Fünfzehntes Kapitel 

 

Das Buch

 

 

Sie kämpften, um Welten zu erobern: Soldaten der Erde, die taten, was man ihnen befahl - für die Größe des Imperiums. Rücksichtslos, schonungslos brachen sie jeden Widerstand.

Dann kam Cal Truant. Ein Soldat, der in diesem erbarmungslosen Kampf das menschliche Denken nicht verlernt hatte...

 

GEWALT ZWISCHEN DEN STERNEN von GORDON R. DICKSON (Gewinner des Nebula- und des Hugo-Awards) erscheint in der Reihe GALAXIS SCIENCE FICTION aus dem Apex-Verlag, in der SF-Pulp-Klassiker als durchgesehene Neuausgaben wiederveröffentlicht werden. 

GEWALT ZWISCHEN DEN STERNEN

 

 

   

 

  Erstes Kapitel

 

 

Die Stimme in der tiefschwarzen Nacht des dritten Planeten der Sonne Arcturus erklang unter einem fremdartigen Baum, der sich im ruhelosen Wehen des Windes beugte.

»Also, Gentleman«, sprach sie und schien dann den Faden zu verlieren. Sie verstummte, fand dann aber doch zu ihrer alten Kraft zurück.

»...so verhält sich das mit dem Militär. Ein Soldat unterscheidet sich von einem gewöhnlichen Mörder nur durch den Grund, aus dem er tötet...«

Die Stimme brach abermals ab und schien an irgendetwas Warmem und Flüssigem beinahe zu ersticken.

»Blödsinn!«, sagte eine andere Stimme aus der vom unablässigen Wehen des Windes erfüllten Dunkelheit.

»In einem Krieg«, fuhr die erste Stimme fort, »in dem man Heim und Familie verteidigt, in einem Kreuzzug also, der eine bestimmte Zeit dauert, handelt der Soldat nach klaren Richtlinien und hat das Gefühl, rein und sauber zu bleiben. Aber Soldaten auf Zeit werden entlassen...«

»Ja, manche schaffen’s«, antwortete die zweite Stimme.

»...werden entlassen. Dann versuchen sie, Berufssoldaten zu werden. Während vorher der Feind zuerst angriff, zieht der Soldat nun als erster in den Krieg. Der Schild der Ehrenhaftigkeit wird befleckt, und...« Die Stimme zögerte, und der unpersönliche Ton des Vortrags verlor sich in einem zusammenhanglosen Stammeln.

»Gib ihm noch einen Psychoblock, Joby«, befahl Corporal

Calvin Truant vom Vierten Angriffsflügel des 91. Pionier-Bataillons. Er nahm an der terranischen Strafexpedition gegen die Lehaunan teil.

»Wenn ich das tue«, antwortete die Stimme, die schon ein paarmal Zwischenbemerkungen gemacht hatte, »werde ich ihm die Wirbelsäule brechen. Es ist gefährlich, Cal.«

»Mach es trotzdem«, befahl Cal.

Man hörte ein Rascheln, und das Murmeln wurde von einem lauten Keuchen abgelöst. Es folgte ein Augenblick unnatürlicher Ruhe, dann fuhr die Stimme mit neugewonnener Kraft in ihrem Vortrag fort.

»...im Hinblick auf die gegenwärtige Lage der Expedition kann ich nur meine Ansicht als Kontaktoffizier wiedergeben. Normalerweise würde man bei einem Waffenstillstand erwarten, dass wir friedliche Kulturkontakte aufzunehmen versuchten. Nun, es ist jedenfalls unklar, ob die Lehaunan unser Wort Waffenstillstand begreifen...«

»Erklär’s ihnen mal«, unterbrach eine andere, jüngere Stimme. »Sie haben dir ja gezeigt, was sie unter Waffenstillstand verstehen, nicht wahr, Runyon?«

»Genug davon, Tack«, sagte Cal scharf. »Geh ans Feldtelefon zurück und höre, ob die Division neue Befehle für uns hat.«

»In Ordnung«, gab die jüngere Stimme zurück. Cal hörte, wie sich Füße über Sand und Kies längs der Vertiefung am Rand des Hügels zu der Stelle bewegten, wo die restlichen dreiundachtzig Mann lagen, die mit ihnen zusammen das bildeten, was sich so hochtrabend Vierter Angriffsflügel nannte. In der anderen Richtung, oberhalb der Flanke des Hügels, lag ein schwacher Lichtschimmer. Es war der Widerschein der Lichter vom nächsten Tal, wo die Lehaunanstadt mit der Kraftstation lag.

Der Schimmer konnte nur von jemand wahrgenommen werden, der keinerlei andere Beleuchtung in all den Stunden gesehen hatte, seit der große gelbrote Ball des Arcturus am Horizont versunken war.

»...und sie verbinden auch nicht mit dem Wort Krieg den gleichen Sinn wie wir. Obwohl sie sich sehr wirkungsvoll gegen einen bewaffneten Angriff verteidigen können, scheinen die Lehaunan keinen persönlichen Groll oder gar Hass zu kennen. Sie sehen die Waffe, die sie tötet, so als hätte sie gar nichts mit dem Soldaten am Drücker zu tun. Unter anderen Bedingungen und zu anderen Zeiten wären sie sicher ein freundliches und naives Volk...«

»Prima, schreib’s am besten auf, du halbtoter...« Die heisere, erschöpfte Stimme von Joby brach verwirrt ab, wie jemand, der sich plötzlich dabei ertappt, dass er bei einer Beerdigung viel zu laut spricht.

Am Abhang rollten Steine hinab.

»Corporal?«, fragte die junge Stimme des Soldaten, den Cal vorhin Tack genannt hatte.

»Ja?«, antwortete Cal.

»Kein Befehl.«

Einen Moment lang herrschte Schweigen. Sogar Kontaktoffizier Leutnant Harry Runyon hielt in seinem von Fieberschauern unterbrochenen Bericht inne.

»Und was ist mit der anderen Geschichte?«, fragte Cal. »Haben Sie den Medizinmännern gesagt, dass wir hier einen Fall für ihre Messer haben?«

»Sicher, Sir. Aber sie sagen, sie könnten niemand schicken, auch keinen Krankenwagen. Sie haben Angst vor Feindbeschuss.«

Joby spuckte verächtlich aus.

»Ich dachte, du könntest Kontaktoffiziere nicht leiden, Joby?«, höhnte Tack.

»Genau so wenig, wie deine Schwester«, gab Joby bissig zurück. »Aber er gehört zu unseren Leuten!«

»Schluck’s runter«, empfahl Cal.

Seine Worte klangen in seinen eigenen Ohren fremd und unwirklich. Er war überrascht, sie zu hören. Es war, als ob jemand anders spräche. Er fühlte sich von seinem Körper losgelöst – der fehlende Schlaf war daran schuld. Das ging schon zwei Tage so, seit Leutnant James, der letzte Offizier mit einem wirklichen Leutnantspatent, von der Ambulanz geholt worden war und ihm, Cal, dem einfachen Unteroffizier, den Befehl über den Vierten Angriffsflügel übertragen hatte. Runyon zählte natürlich nicht, weil er als Kontaktoffizier nicht am Kampf teilnehmen durfte.

»Tack«, befahl Cal, »klettere hoch und halte mal Umschau.«

Die Geräusche von leise gleitenden Schritten verloren sich in der Richtung auf die Hügelkuppe.

»Der Waffenstillstand war bei Sonnenuntergang abgelaufen«, sagte Joby.

»Holt Walker her!«, ordnete Cal an. 

Joby verschwand in Richtung auf das Feldtelefon, wo die restlichen dreiundachtzig Mann lagerten. Für einen Moment wäre Cal am liebsten liegen geblieben und eingeschlafen. Er kämpfte dieses Verlangen mühsam nieder. Dann hörte er, wie Joby zurückkam.

»Hier sind wir.«

»Was ist los Cal?« Die zweite Stimme gehörte Korporal Walker Lee Blye und klang genauso erschöpft wie Cals Stimme. Sie war zwar tiefer und klang härter, aber Cal schien es so, als spräche seine eigene Stimme durch die Dunkelheit zu ihm. Er riss sich zusammen und verscheuchte die verworrenen Gedanken.

»Ich sag’s euch, sobald Tack zurück ist«, antwortete er dem Korporal. Sie lagen in der Dunkelheit, drei kampferprobte Soldaten, und versuchten, ihre Erschöpfung niederzukämpfen. Harry Runyon murmelte vor sich hin, aber niemand konnte ihn verstehen.

Joby fragte: »Habt ihr niemals Sehnsucht verspürt?«

»Du meinst, nach der Erde?«, überlegte Walk. »Wieder Zivilist zu werden?«

»So ungefähr«, erwiderte Joby.

»Ich hab daran gedacht«, gab Walk zu. »Jedes Mal, wenn eine Expedition zu Ende war. Aber das ist vorbei. Wenn sie mich begraben, werden Trommeln und Trompeten dabei sein und keine einzige verdammte Zivilistenstimme.«

Cal hörte zu und schwieg.

»Lanson ist heimgekehrt«, sagte Joby. »Ihm hat es gereicht.«

»Ich weiß.«

»Er sitzt jetzt im Kongress und vertritt South McMurdo.«

»Kerr ist auch zurückgekehrt und macht fette Geschäfte. Tiefseefarmen in der Nähe von Brasilien. Der liegt bestimmt richtig.«

»Stimmt nicht!«, verbesserte Joby. »Er trägt eine andere Uniform, 127. Panzersturm-Gruppe. Ich weiß es von der Ballistik-Abteilung. «

»Well, und es gefällt ihm. Ich habe einen Brief bekommen...«

»Ich nehme an, nach einiger Zeit...«

»...wir müssen unterscheiden!«, sprach Runyon plötzlich wieder laut und fest. »Den einen vom anderen. Den Unschuldigen vom Schuldigen. Den Verteidiger von den Angreifern. Das...« Seine Stimme wurde wieder zu unverständlichem Gemurmel.

»Viele kehrten in die Heimat zurück«, nahm Walk das unterbrochene Gespräch wieder auf. Cal schreckte aus seinem Dämmerzustand empor und sah in Walks Richtung. Er konnte den anderen nicht sehen, aber er konnte sich das plötzliche Aufblitzen der weißen Zähne in Walks ledernem Gesicht vorstellen und den fragenden Blick, der auf ihn gerichtet war.

»Du meinst Runyon?«, fragte Joby.

»Genau.«

»Ich weiß nicht, warum die altgedienten Militärs in der Regierung der Entwicklung nicht Einhalt gebieten. All die guten Männer und Frauen, die wir gegen die Griella verloren haben! Und jetzt gegen die Lehaunan! Und jetzt stecken sie die Soziologen, diese Weichlinge, in Uniformen und werten uns damit ab. Sie sollen den Frieden wieder herstellen und möchten am liebsten alles, was wir mühsam erobert haben, zurückgeben. Wer, zur Hölle, hat es denn nötig, intergalaktische Rassen zu Freunden zu machen? Wir können doch gut auf sie verzichten. Mehr noch, wir können sie schlagen, oder etwa nicht?«

»Zivilisten!«, schnaubte Walk verächtlich.

»Wir haben doch keine Hohlköpfe in der Regierung. Was ist bloß los mit denen?!«

»Das kann ich dir sagen«, antwortete Walk, und wieder meinte Cal das Aufblitzen seiner weißen Zähne in der Dunkelheit zu sehen. »Sie heiraten Zivilistenmädchen, sie haben normale Bürger als Verwandte. Das beeinflusst ihr Urteil.«

»Eines Tages wird irgendeine Gruppe von uns zurückkehren, aber mit einem bewaffneten Raumer.«

»Und gegen das Hauptquartier kämpfen?«, fragte Joby.

»Das Hauptquartier ist auf unserer Seite.«

»Warum schicken sie uns dann nicht zurück?«, wollte Joby wissen. »Was würde denn geschehen, wenn du, ich und wir alle einfach zurückgehen?«

»...nur junge Männer sollten in den Krieg ziehen«, ließ sich plötzlich die Stimme von Runyon wieder laut und deutlich vernehmen, »damit die Staatskasse nicht allzu sehr belastet wird und...«

»Ich denke, ich kehre zurück«, fuhr Joby fort und erhob dabei seine Stimme, um das Gerede von Runyon zu übertönen. »Na schön, ich habe einen guten Ruf als alter Kämpfer. Ich bekomme meine Pension und dazu ein Stück Land. Warum sollte ich noch kämpfen? Ich sollte wirklich hier Schluss machen.«

Es entstand eine kleine Pause, während der nur Runyon etwas von der Ehre murmelte, als Soldat zu sterben.

»Nein«, setzte Joby wieder ein, und seine Stimme klang fest. »Nein, ich glaube nicht, dass ich’s tue. Wir können den Gedanken an einen geruhsamen Lebensabend getrost fallen lassen.«

»Richtig. Denk nicht mehr daran«, stimmte Walk zu.

Das Geräusch von Schritten kam den Abhang herunter.

»Corp?«

»Hier«, antwortete Cal.

»Well, es geht weiter«, hörte man Tack sagen, der wieder in ihrer Mitte angelangt war. »Ich habe da oben bei Djarali gesessen und selbst so einen Wagen beobachtet. Es ist ein Lastwagen. Er kommt aus einem Stollen im Hügel, fährt dann in die befestigte Stadt, und zwar bis ans andere Ende. Alle zwölf Minuten kommt ein Wagen. Djar sagt, er hätte weitere neun gezählt, seit er da oben ist. Und er hat keinen gesehen, der zurückkommt.«

»Und der Waffenstillstand endete bei Sonnenuntergang«, warf Joby ein.

Cal stand auf. Er blickte durch die Finsternis zurück, dahin, wo die anderen dreiundachtzig Männer warteten. Er sah vor seinem geistigen Auge die schweren Waffen und das Material da unten im Schutz einer kleinen Bodensenke.

»Walk«, sagte er dann, »geh zurück an den Fernsprecher und sage ihnen, dass ich Instruktionen verlange, und wenn sie vom General persönlich kommen. Und sage ihnen, wenn sie schon keinen Krankenwagen schicken wollen, dann sollen sie wenigstens einen Boten mit Verbandsmaterial schicken. Joby kann ihm nicht immer die Nervenleitung blockieren. Tack!«

»Hier, Cal!«

»Hast du deine Zeichenmappe und den übrigen Kram bei dir?«

»Ich habe eine Taschenausrüstung.«

»All right, nimm sie mit.« Cal begann, seine Uniform aufzuknöpfen und die Waffen abzulegen. »Wir beide machen jetzt einen Spaziergang in die Stadt.«

»Mitten^ zwischen den Lehaunan?«, fragte Walk.

»Ganz recht. Du übernimmst hier den Befehl, bis wir zurück sind. Ich will versuchen, herauszufinden, was diese Lastwagen in die Stadt bringen. Fertig, Tack?«

Man hörte aus Tacks Richtung etwas klirren, und dann fiel dessen Schutzanzug auf den Boden.

»Fertig. Aber Korporal, Sir...« Tacks Stimme kletterte nach oben, als wolle sie den hohen Tonfall eines Rekruten nachahmen, »ich meine... ist das nicht ein freiwilliger Auftrag?«

»Halt den Mund«, befahl Cal, »du hast zu gehorchen. Hier werden keine Spielchen gemacht. Walk, gib uns drei Stunden. Danach kannst du machen, was du willst.«

»In Ordnung. Viel Vergnügen.«

»Wir werden schon auf unsere Kosten kommen.«

Cal ging am Fuß des Hügels entlang und hörte hinter sich die Schritte von Tack.

 

 

 

 

  Zweites Kapitel

 

 

In der Stadt der Lehaunan gab es eine Fülle von Licht. Das Licht kam von großen, glühenden Säulen, die die Straßenbeleuchtung bildeten. Es sollte eine milde Beleuchtung sein, aber für menschliche Augen war das Licht grell und blendend. Es strahlte die kugelförmigen Häuser und die eigenartigen Auswüchse an, die wie Halbzylinder aussahen und zwischen den Gebäuden aus dem Boden ragten.

Es gab keine richtigen Straßen, sondern einfach nur freie Plätze zwischen den Häusern. Cal musste seinen Weg auf gut Glück suchen, denn er hatte nicht gewagt, auch nur so ein einfaches mechanisches Instrument wie einen Kompass mitzunehmen, nachdem die Lehaunan kurz zuvor so heftig auf Runyons Tonbandgerät reagiert hatten. Cal kannte aber die Richtung, und so ging er so gerade wie möglich auf den befestigten Teil der Stadt zu, wo die Lastwagen verschwunden waren. Nachdem er sich eine Viertelstunde lang an den Häusern vorbeigewunden hatte, setzte er sich auf einen der Halbzylinder und wartete darauf, dass Tack wieder zu ihm aufschließen würde.

Es gab hier auf dem freien Platz vor ihm zwei von den Leuchtsäulen. Eine war fünf Meter hoch und maß einen Meter im Durchmesser, die andere war vielleicht zwei Meter fünfzig hoch, hatte aber nur einen Durchmesser von einem halben Meter. Beide glühten in einem intensiv hellgelben Licht. Das Licht tat den Augen weh, aber die runden Mauern in zwanzig Meter Entfernung waren nur undeutlich zu erkennen. Während Cal dasaß, kamen einige erwachsene Lehaunan in ihrem schwarzen Pelz vorüber, aber alle warfen ihm nur einen gelegentlichen Blick zu. Trotzdem schienen sie sofort das Fehlen seiner Waffen zu bemerken.

Was Tack zurückgehalten hatte, war ein junger Lehaunan, der wie ein metergroßer Waschbär mit schwarzem Fell aussah. Tacks Zeichenblock und Stifte hatten ihn anscheinend fasziniert, und nun folgte er dem Soldaten neugierig. In dem unwirklichen Licht der Leuchtsäulen gaben sie ein merkwürdiges, zum Lachen reizendes Paar ab. Tack schien sogar Bilder für seinen kleinen Verfolger zu zeichnen.

»Beeil dich«, sagte Cal – ein klein wenig verwundert.

»Bin schon da, Korp«, antwortete Tack. Er machte einige Schritte auf Cal zu, dann blieb er wieder stehen, um ein paar weitere Striche der Zeichnung zuzufügen, die keine zehn Zentimeter von der neugierigen gelben Nase seines Begleiters entfernt war. »Er ist ein nettes Kerlchen, weißt du?«

»Das seh ich«, antwortete Cal, und dabei schweiften seine Gedanken zu Walk Blye ab. Der Mann begann eine Gefahr zu werden.

Walk hatte etwas gegen ihn. Er war wie der Wolf, den die Gruppe einmal als verlassenes Jungtier gefunden und als Maskottchen mitgenommen hatte, bis er tollwütig wurde und erschossen werden musste. Er presste sich an die Knie und schob seinen Kopf nach vorne, wenn man ihn streichelte. Und dann plötzlich spürte man einen leichten Schlag gegen die Hand, und das Blut quoll aus einem dünnen Riss in der Haut, wo das Tier einen verletzt hatte.

Was Walk betraf, so verletzte er nur durch Worte. »In Ordnung«, hatte er gesagt, als Cal und Tack aufbrachen, »viel Vergnügen«.

Cal war schon einige Meter den Abhang hinaufgestiegen, als ihm bewusst wurde, dass diese Worte nicht in dem üblichen Tonfall freundlicher Ironie gesprochen worden waren, sondern voll höhnischer Verachtung. Als ob Cal nicht zu einem riskanten Unternehmen aufbrechen würde, sondern sich nur vor einer unangenehmen Aufgabe drücken wollte, die nun für Walk zurückblieb. Genau wie der Wolf hatte Walk ohne eine Warnung zugeschlagen. Und Cal wurde klar, dass mit dem Mann etwas nicht stimmte. Das Bittere daran war nur, dass Walk gleichzeitig Cals ältester Freund war. Sie waren zusammen zum Militär gekommen Und hatten sich schon oftmals gegenseitig das Leben gerettet...

Cal sah ungeduldig hoch. Tack und der junge Lehaunan waren gute sechs Meter von ihm entfernt und immer noch in ihre Zeichnung vertieft. Cal stand schwerfällig auf und stakte zu ihnen hinüber.

»...Kaninchen, siehst du?« Tack deutete auf eine Zeichnung, die er gemacht und dem jungen Lehaunan in die Hand gedrückt hatte. »Siehst du die Ohren, die Löffel? Ein Kaninchen. Sag mal Kaninchen.«

»Kan...«, versuchte der Lehaunan, »Kanch... Kachch...«

»All right«, sagte Cal. »Das reicht.« Er warf schnell einen Blick in die Runde, ob kein erwachsener Lehaunan zu sehen war, aber die Luft war rein. »Weg!« Er machte noch zwei Schritte vorwärts und schubste den Kleinen weg. »Scher dich weg!«

Der Lehaunan schrie auf und wich ein paar Schritte zurück, hielt aber immer noch die Zeichnung Tacks fest gepackt. Er wimmerte leise und sah Tack an.

»Corp!«, sagte Tack.

»Sei still!«, forderte Cal abrupt. Er machte noch einen Schritt auf den Jungen zu. Der zögerte, dann hielt er Cal scheu das Papier mit der Zeichnung entgegen.

»Kanchch...«, sagte der junge Lehaunan unsicher.

»Los!«, fauchte Cal und schob sich weiter vorwärts. Der Lehaunan schrie auf und flüchtete in die Dämmerung zwischen zwei entfernteren Gebäuden.

Cal sah sich schwitzend um. Aber es waren noch immer keine Erwachsenen zu sehen. Er seufzte erleichtert. Gerade war er noch vor Erschöpfung wie ausgelaugt gewesen, und jetzt, von einem Augenblick zum anderen, fühlte er sich wieder so stark, als könne er Bäume ausreißen. Es wurde ihm wieder einmal klar, dass er ein Soldat mit Autorität und Verantwortung war. Er war jetzt hellwach. Cal wandte sich um und übernahm die Führung.

Tack folgte ihm. Cal konnte den Ärger des jüngeren Soldaten im Nacken spüren.

»Hör zu!«, sagte Cal, ohne seine Schritte zu verlangsamen oder sich umzudrehen. »Du hast den Zeichenblock, um militärische Informationen über diese Stadt festzuhalten. Und nicht zum Privatvergnügen. Gerade weil die Lehaunan uns hier herumlaufen lassen, wenn wir keine Waffen tragen, bedeutet das noch lange nicht, dass sie harmlos sind. Du hast ja gesehen, was mit Runyon passierte, als er einen der Erwachsenen mit einem Tonbandgerät aufsuchen wollte – und zu der Zeit war sogar noch Waffenstillstand.« Cal machte eine Pause. »Hörst du zu?«

»Ich höre«, erwiderte Tack hinter ihm.

»Na schön.« Sie gingen weiter. »Und wenn es dich stört, dass ich den Kleinen so hart angepackt habe, dann denk dran, dass die richtige militärische Praxis noch was ganz anderes verlangt hätte. Wir hätten ihm den Kopf abschneiden und den Leichnam irgendwo verstecken müssen, damit er nicht verraten kann, was wir hier tun.«

Tack sagte irgendetwas, das Cal nicht verstand.

»Was ist?«

»Ich sagte«, murmelte Tack, »dass ich ihn hätte wegschicken können, ohne ihn so hart anzupacken. Du hättest nur etwas zu sagen brauchen.«

»Ich habe keinen Grund, dir vorher was zu sagen.«

Sie gingen weiter. Nach fünf Minuten kamen sie an die Mauer, hinter der die Wagen verschwunden waren. Sie gingen außen ganz herum, sahen aber keine Möglichkeit, über die Mauer zu klettern oder wenigstens einen Blick hinüberzuwerfen. Es gab keine Möglichkeit, auf die andere Seite zu kommen – mit Ausnahme eines hohen schwarzen Tores. Tack machte eine Reihe von Skizzen, aber schließlich mussten sie doch unverrichteter Sache wieder abziehen.

»Wir können es von hinten herum versuchen, von dem Hügel aus«, meinte Tack.

»Keine Zeit«, gab Cal zurück. Er sah auf das Zifferblatt seines Chronometers. »Noch fünf Stunden bis zur Dämmerung. Machen wir uns auf den Rückweg.«

Auf ihrem zweiten Gang durch die nächtliche Stadt der Lehaunan sahen sie den jungen Fremdling nicht wieder.

»Corporal?«, fragte Jobys Stimme, als Cal und Tack den Abhang des Hügels wieder herunterkamen und den Platz erreichten, wo der Feldfernsprecher installiert war und die restlichen Männer warteten.

»Joby?«, fragte Cal zurück. »Wie kommst du hierher? Hat Runyon es nicht mehr durchgehalten?«

»Doch, er lebt noch. Eine Sanitätshelferin hat den Weg bis hierhin zu Fuß gemacht. Sie erinnern sich sicher an Leutnant Anita Warroad; sie kam letzten Monat mit der Ablösung. Die kleine Brünette.«

»Nein«, erwiderte Cal kurz. »Hat sie Medikamente mitgebracht?«

»Ja. Sie hat ihm fürs erste geholfen.«

»Neuigkeiten vom Hauptquartier?«