Gaslicht 5 - Jane Robinson - E-Book

Gaslicht 5 E-Book

Jane Robinson

0,0

Beschreibung

In dieser neuartigen Romanausgabe beweisen die Autoren erfolgreicher Serien ihr großes Talent. Geschichten von wirklicher Buch-Romanlänge lassen die illustren Welten ihrer Serienhelden zum Leben erwachen. Es sind die Stories, die diese erfahrenen Schriftsteller schon immer erzählen wollten, denn in der längeren Form kommen noch mehr Gefühl und Leidenschaft zur Geltung. Spannung garantiert! Die Wand fühlte sich kalt an und rauh, trotzdem lehnte sich Andrea erschöpft mit dem Rücken dagegen. Ihre Knie knickten ein wie Streichhölzer, so daß sie auf den Boden sackte. Ihre Lider wurden immer schwerer – waren kaum noch offenzuhalten. Andrea kämpfte mit verbissener Entschlossenheit gegen die bleierne Schwere ihrer Lider an – vergebens! Kein Wunder, daß ich so müde bin! dachte sie verzweifelt. Ich bin von all den Strapazen und den Aufregungen der letzten Stunden völlig erschöpft! Oder liegt es an diesem süßlichen Geruch, daß mich die Kräfte verlassen wollen? Andrea spürte noch, daß sich hinter ihrer Stirn ein Wattekissen auszubreiten begann. Das Denken fiel ihr von Sekunde zu Sekunde schwerer, doch ehe sie das bewußt zur Kenntnis genommen hatte, war auch ihr letzter Gedanke erstickt! Andrea Larsen stand an der Tür des ehemaligen Wohnraums und ließ ihren Blick deprimiert umherschweifen. Hier hatte sie viele glückliche Stunden verbracht – zu Beginn ihrer Ehe. Jetzt fielen durch die gardinenlosen hohen Fenster die Strahlen der späten Nachmittagssonne auf staubiges Parkett, von dem die kostbaren Teppiche entfernt worden waren, und an den Wänden verrieten dunkle Ränder, wo die abtransportierten Bilder und Schränke bis vor kurzem ihren Platz gehabt hatten. Eine befremdende Leere! An­drea zog erschauernd die Schultern ein. Es ist kaum noch vorstellbar, daß dieses Haus einmal ein Hort der Geborgenheit für zwei Menschen war, die sich liebten und sich einander eng verbunden fühlten, dachte sie melancholisch. Nun ist von dem großen Glück, das wir uns einst erträumt hatten, nur noch eine wehmütige Erinnerung zurückgeblieben. Nein,

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 109

Veröffentlichungsjahr: 2016

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Gaslicht – 5 –

Gefangene des Grauens

Für immer eingesperrt und in Todesangst

Jane Robinson

Die Wand fühlte sich kalt an und rauh, trotzdem lehnte sich Andrea erschöpft mit dem Rücken dagegen. Ihre Knie knickten ein wie Streichhölzer, so daß sie auf den Boden sackte. Ihre Lider wurden immer schwerer – waren kaum noch offenzuhalten. Andrea kämpfte mit verbissener Entschlossenheit gegen die bleierne Schwere ihrer Lider an – vergebens! Kein Wunder, daß ich so müde bin! dachte sie verzweifelt. Ich bin von all den Strapazen und den Aufregungen der letzten Stunden völlig erschöpft! Oder liegt es an diesem süßlichen Geruch, daß mich die Kräfte verlassen wollen? Andrea spürte noch, daß sich hinter ihrer Stirn ein Wattekissen auszubreiten begann. Das Denken fiel ihr von Sekunde zu Sekunde schwerer, doch ehe sie das bewußt zur Kenntnis genommen hatte, war auch ihr letzter Gedanke erstickt!

Andrea Larsen stand an der Tür des ehemaligen Wohnraums und ließ ihren Blick deprimiert umherschweifen. Hier hatte sie viele glückliche Stunden verbracht – zu Beginn ihrer Ehe. Jetzt fielen durch die gardinenlosen hohen Fenster die Strahlen der späten Nachmittagssonne auf staubiges Parkett, von dem die kostbaren Teppiche entfernt worden waren, und an den Wänden verrieten dunkle Ränder, wo die abtransportierten Bilder und Schränke bis vor kurzem ihren Platz gehabt hatten.

Eine befremdende Leere! An­drea zog erschauernd die Schultern ein.

Es ist kaum noch vorstellbar, daß dieses Haus einmal ein Hort der Geborgenheit für zwei Menschen war, die sich liebten und sich einander eng verbunden fühlten, dachte sie melancholisch. Nun ist von dem großen Glück, das wir uns einst erträumt hatten, nur noch eine wehmütige Erinnerung zurückgeblieben.

Nein, es ist wohl eher der Scherbenhaufen einer geplatzten Illusion! verbesserte sie sich. Aber die Narben, die die Verletzungen auf meiner Seele zurückgelassen haben, werden mich hoffentlich davor bewahren, noch einmal einem Menschen so spontan und bedingungslos zu vertrauen und ihm meine Liebe zu schenken!

Andrea hatte sich gerade abwenden und das Zimmer verlassen wollen, da entdeckte sie auf dem Kaminsims den kleinen Bilderrahmen. Das Foto war herausgenommen worden. Es war das erste gemeinsame Foto gewesen, das Max und sie damals zu Beginn ihrer Liebe mit einem Selbstauslöser gemacht hatten. Und nach ihrer Hochzeit hatte es wie ein kleiner Talisman dort auf dem Kaminsims seinen Platz gehabt.

»Dieses Foto soll mich immer an den Tag erinnern, an dem ich dich zum ersten Male geküßt habe«, hatte Max damals erklärt.

Wie lange ist das her? dachte Andrea melancholisch.

Ein halbes Leben?

Oder wirklich nur fünf Jahre?!

Max hat dieses Foto also tatsächlich etwas bedeutet, dachte sie berührt. Hätte er es sonst an sich genommen?

Doch ehe sie diese Erkenntnis eingeordnet hatte, entdeckte sie auf dem Boden des Kamins unzählige Papierschnipsel.

Das Foto!

Max hatte es nicht an sich genommen, sondern es in hundert kleine Schnipsel zerfetzt, um ihr auf diese stumme Weise noch einmal zu verstehen zu geben, daß die gemeinsame Vergangenheit für ihn nicht mehr existierte!

Tot war!!!

Andrea preßte die Lippen trotzig aufeinander.

Max hat mich also noch ein letztes Mal ausgepunktet! dachte sie. Auch wenn sie sich dagegen wehrte, ein bißchen schmerzte es sie trotz allem immer noch, und sie mußte ihren ganzen Willen aufbieten, um diesen Schmerz nicht wieder Herr über sich werden zu lassen.

»Das Leben geht weiter!« sagte sie wie eine Beschwörungsformel halblaut vor sich hin. Sie nahm den Bilderrahmen auf und pfefferte ihn zu den Papierschnipseln. Das Metall klirrte auf den Schamottesteinen der Feuerstelle.

»Aus und vorbei!« ächzte An­drea. Sie preßte die Lippen trotzig aufeinander, drehte sich um und verließ mit entschlossenen Schritten den Wohnraum. Ohne ihren Schritt noch einmal zu verzögern, durchquerte sie die geräumige Diele, zog die Haustür auf und ging hinaus.

Ein letztes Mal!

Vor dem Haus wartete ihr kleiner knallroter Sportwagen auf sie. Andrea ging mit festen Schritten darauf zu, entschlossen, nicht mehr zurückzublicken. Nur als die Haustür hinter ihr ins Schloß fiel, zuckte sie doch leicht zusammen, und ihr nächster Schritt verzögerte sich um den Bruchteil einer Sekunde.

Das eben war wie ein Schlußpunkt! dachte sie. Von jetzt an werde ich nicht mehr zurückdenken. Vor mir liegt ein anderes, ein neues Leben, und nur darauf werde ich mich konzentrieren!

Mit wenigen entschlossenen Schritten hatte Andrea ihr kleines rotes Cabrio erreicht. Dieses Auto war alles, was ihr nach der Scheidung von Max geblieben war. Das gesamte Vermögen, das sie nach dem Tode ihres Vaters geerbt hatte, hatte Max in wenigen Jahren mit seinen Kumpanen durchgebracht.

Jedenfalls hatte er das behauptet, als während der Scheidung die Vermögensregelung behandelt worden war. Und niemand hatte ihm das Gegenteil beweisen können.

Andrea schob sich hinter das Lenkrad und zog die Wagentür so hart ins Schloß, daß man den Eindruck gewinnen konnte, sie wollte damit unter ihre Vergangenheit einen energischen Schlußpunkt setzen. Sie schob den Zündschlüssel ein und startete.

Andrea ließ den Motor ein paarmal aufheulen, und für sie hörte es sich an wie ein Fanal zum Aufbruch in ein neues Leben.

Auf jeden Fall würde sie Schottland wieder verlassen und in ihre Heimat zurückkehren! Alles andere würde sich finden.

Langsam ließ sie die Räder anrollen, den Blick vor sich auf die Straße gerichtet, und sie hatte das Gefühl, daß sich mit jeder Umdrehung der Räder nicht nur der Abstand zu ihrem Haus vergrößerte, sondern auch zu ihrem bisherigen Leben.

Ich habe für die Illusion, glücklich zu sein und geliebt zu werden, zwar einen hohen Preis bezahlen müssen, sinnierte sie. Aber ich bin gesund und jung genug, um noch einmal von vorn beginnen zu können.

Seltsam ist nur, daß Max trotz der hohen Prämie die Lebensversicherung übernommen hat, grübelte sie. Sie war doch auf Gegenseitigkeit abgeschlossen.

Wahrscheinlich wird er diese Klausel schnellstens abändern lassen, damit ich im Falle seines Todes nicht länger die Begünstigte sein werde.

An die entgegengesetzte Möglichkeit der Begünstigung dachte Andrea Larsen in diesem Augenblick nicht! Zwar sah sie das Leben jetzt, nachdem ihre rosarote Brille zerbrochen war, nüchterner als früher, doch reichte ihre Phantasie einfach nicht aus, sich das Schicksal auszumalen, das ihr Ex-Mann ihr zugedacht hatte!

*

Andrea streifte die Zeitung auf dem Beifahrersitz mit einem schnellen hoffnungsvollen Blick. Eine der Anzeigen hatte sie mit dicken Strichen rot umrandet:

»Finden Sie vor Sorgen keinen Schlaf?

Sind Sie enttäuscht oder verzweifelt?

Haben Sie das Gefühl, in einer Sackgasse zu stecken?

Donata weiß immer Rat!«

Im allgemeinen beachtete An­drea Larsen Anzeigen dieser Art nicht, doch irgendwie hatte der Text gerade dieser Anzeige sie angesprochen. Vielleicht weil der Name ihrer Großmutter mütterlicherseits Donata gewesen war?

Großmutter Donata war sehr früh gestorben, doch sie war eine ganz besondere Frau gewesen, und sie hatte einen unauslöschlichen Eindruck auf Andrea gemacht, ja, sie hatte sich sogar gewünscht, eines Tages so zu werden wie sie!

Andrea hielt es für einen Wink des Schicksals, als sie diesen Namen in der Anzeige einer Wahrsagerin fand, und hatte nicht einen Moment gezögert, die angegebene Telefonnummer anzuwählen und Kontakt aufzunehmen.

Eine Frau mit sehr sympathischer Stimme hatte sich gemeldet. Die Unterredung war nur kurz gewesen und erfreulich sachlich verlaufen. Andrea hatte den Eindruck gewonnen, Donata betreibe ihre »Hilfe in allen Lebenslagen« mit einer gewissen Sachlichkeit, die dem ganzen einen seriösen Anstrich verlieh.

Sie hatte einen Termin vereinbart, und freute sich nun auf die Begegnung, denn sie erhoffte sich, in Donata ein verständnisvolles Gegenüber zu finden, dem sie ihr Herz ausschütten konnte. Und natürlich hoffte sie, daß sie ihr Mut auf die Zukunft machen würde.

Zwar hatte Andrea beschlossen, ihr Schicksal tapfer in die eigenen Hände zu nehmen und das Beste aus ihrer Situation zu machen, doch wenn es da jemanden gab, der sie aufgrund besonderer Kenntnisse oder Fähigkeiten vielleicht in eine bestimmte Richtung lenken konnte, konnte der Neuanfang leichter für sie werden.

Vielleicht würde sie durch diese Beratung sogar vor einer Fehl­entscheidung bewahrt bleiben!

Donatas Adresse war leicht zu finden. Es handelte sich um ein ganz normales Mietshaus. An der Wohnungstür gab es nur ein kleines unauffälliges Metallschild: »D. Baker«. Nichts deutete darauf hin, daß man hier Übersinnliches zu erwarten hatte.

Und genauso überraschend war die Begegnung mit Donata selbst: Sie war eine Dame in den Dreißigern, elegant gekleidet und sehr vorteilhaft zurechtgemacht.

Nicht das geringste Anzeichen deutete darauf hin, daß Andrea einer Wahrsagerin gegenüberstand: Es hockte ihr weder eine schwarze Katze auf der Schulter, noch ein krächzender Rabe.

»Sie hatten keine Schwierigkeiten, meine Wohnung zu finden?« Donata reichte ihrer Besucherin freundlich die Hand, als begrüßte sie einen geladenen Gast.

Andrea war so erregt, daß sie sich erst die Kehle freiräuspern mußte, ehe sie antworten konnte. »Nein, keine«, bestätigte sie.

»Bitte, treten Sie näher.« Donata führte ihre Besucherin in ein hübsches Wohnzimmer. Es war erstaunlich bürgerlich eingerichtet. Eine Ausnahme bildeten nur die Sessel, die mit lila Samt bezogen waren, auf dem unzählige kleine Sterne glitzerten.

Wie ein Nachthimmel! dachte Andrea seltsam berührt.

»Ja, wie ein Nachthimmel!« bestätigte Donata, als hätte An­drea ihre Worte nicht nur gedacht, sondern ausgesprochen. »Wählen Sie den Sessel, der Ihnen am bequemsten erscheint.« Sie nickte ihr lächelnd zu. »Ich habe uns einen Tee gemacht.« Sie zeigte auf einen kleinen Serviertisch in der Nähe des Fensters. »Sie trinken doch Tee?«

»Ja, gern! Danke! Sie sind sehr aufmerksam.« Andreas unsicheres Lächeln verriet mehr, als sie ahnte.

»Ich bemühe mich stets, einen persönlichen Kontakt zu meinen Klienten aufzubauen, ehe ich mit der Beratung beginne«, erklärte Donata. »Sie werden verstehen, daß ich nur mit Menschen arbeiten kann, zu denen ich eine innere Schwingung entwickelt habe. Bei Ihnen hatte ich allerdings schon im ersten Moment das Gefühl, daß wir Freunde werden können.«

Diese Worte bestärkten Andrea noch in ihrem Beschluß, hier Rat und Beistand zu suchen.

Donata machte sich an dem kleinen Tisch zu schaffen. »Nehmen Sie Sahne und Zucker?« erkundigte sie sich.

»Etwas Sahne und ein Stück Zucker«, bat Andrea.

»Ach? Genau wie ich!« stellte Donata fest. Das zeugt von einer gewissen Seelenverwandtschaft.« Sie reichte Andrea ihren Tee an. »Wenn Sie einverstanden sind, würde ich gern das Tageslicht aussperren. Das grelle Licht erschwert meine Versenkung, wenn Sie verstehen, wie ich das meine. Und auch Sie können sich besser auf mich konzentrieren, wenn Sie nicht durch Alltägliches abgelenkt werden.«

»Das klingt plausibel.« Andrea führte die Teetasse an die Lippen und schnupperte. »Der Tee hat einen ganz besonderen Duft!« stellte sie überrascht fest.

Donata lächelte wissend. »Ich bevorzuge eine Extra-Mischung. Kosten Sie nur davon. Sie werden nie wieder einen anderen Tee trinken wollen.«

Andrea nahm einen ersten kleinen Schluck von dem Tee. Er schmeckte so gut, wie er duftete, und sie nahm gleich noch einen zweiten Schluck.

Inzwischen betätigte Donata den Knopf, der die Jalousien automatisch schloß. Es wäre stockfinster im Zimmer gewesen, hätten nicht die Sterne auf den lila Sesselbezügen im selben Augenblick zu leuchten begonnen.

»Oh! Das ist ja märchenhaft romantisch!« rief Andrea überrascht.

»Dieses besondere Licht soll Ihre und meine Gedanken von den Alltäglichkeiten ablenken, damit wir uns ganz auf das Wesentliche konzentrieren können«, belehrte Donata sie und ließ sich Andrea gegenüber nieder. »Sehen Sie mich an!« bat sie, und als Andrea ihren Blick auf sie richtete, spreizte Donata Zeigefinger und Mittelfinger und führte sie aus einiger Entfernung zuerst an ihre Augen und dann an die An­dreas, um sie erneut an die eigenen Augen zurückzuführen. Es hatte etwas von einer hypnotischen Manipulation.

»Ich möchte in Ihre Seele blicken«, sagte sie. »Also konzentrieren Sie sich völlig auf mich… auf meine Augen.« Donata sprach langsam und leiser werdend, daß ihre Worte sich anhörten wie eine Beschwörungsformel.

Andrea war darauf nicht gefaßt gewesen und gehorchte wie unter einem seltsamen inneren Zwang. Ein eigenartiges Gefühl von nie gekannter Leichtigkeit schien ihre Erdenschwere aufzuheben. Sie hätte nicht zu sagen vermocht, ob der Genuß des besonderen Tees sie in diesen Zustand versetzt hatte oder das mystische Zwielicht. Vielleicht aber waren es auch die Augen ihres Gegenübers, in denen es im Dämmerlicht dieses Raumes so eigenartig funkelte.

Eigentlich wollte Andrea auch gar nicht so genau wissen, was mit ihr und um sie her geschah. Sie fühlte sich so leicht und so wohlig wie schon seit langem nicht mehr. Aller Frust, aller Kummer waren von ihr abgefallen, und sie wünschte sich nichts mehr, als daß dieser Zustand niemals enden möge.

*

Als Andrea ihre Umwelt wieder bewußt wahrnahm, fand sie sich in ihrem roten Cabrio wieder, und ihr Auto stand am Rande einer Landstraße, die durch einen dichten Tannenwald führte, wie sie die Hügel Schottlands bedecken. Und wie alle dichten Tannenwälder wirkte er in der beginnenden Dämmerung unheimlich – ja, geradezu bedrohlich.

Instinktiv rieb Andrea sich die Augen, weil sie im ersten Moment nicht sicher war, ob sie wachte oder nur träumte.

Es änderte sich nichts! Der Wald blieb düster und bedrohlich, und die schmale Straße, auf der sie stand, schien ins Nichts zu führen.

»Großer Gott, wo bin ich hier nur?« murmelte sie verunsichert. »Und wie bin ich hierhergekommen?«

Ihr Blick tastete sich suchend in die Runde. Dabei entdeckte sie auf dem Boden vor dem Beifahrersitz eine zusammengefaltete Tageszeitung. Sie bückte sich danach und hob sie auf.

Die rotumrandete Anzeige! Donata! Andreas Erinnerungsvermögen kehrte schlagartig zurück. Plötzlich wußte sie wieder, daß sie ein letztes Mal in der Villa gewesen und durch alle Räume gegangen war. Sie hatte sie leer und verlassen gefunden und eine schmerzliche Bilanz ihrer gescheiterten Ehe gezogen.

Es war der endgültige Abschied von einer enttäuschenden Beziehung gewesen.